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Freitag

11. April 1930

Unterhaltung und Wissen

R.France: Arbeiter im Boden

In Saweiße deines Angesichts sollst du den Boden bebauen,| schafft, sondern sie auch durcheinander wirbelt und nochmals zer­fagte der erzürnte Gott des alten Testamentes zu dem Menschen, fleinert, also jedenfalls die Arbeit von Pflug und Egge bei gleicher als dieser das erste göttliche Gebot übertreten hatte. Welcher Tiefsinn Kraftanwendung vereint. Darum gehört der Bodenfräse, die man liegt in den Worten der Schrift, wenn sie so in unübertrefflich in kleinen Modellen auch für Gartenzwecke baut, jedenfalls die Zu­einprägsamer Weise den Menschen lehrt, wie sich die Sünden gegen funft und es ist nur das gerade bei dem Landvolt noch größere als das Weltgesetz rächen. Tatsächlich bedeutet Landwirtschaft seit dem sonst wirksame Schwergewicht des Herkömmlichen, das bisher ihre ersten Tag, feit dem sie die Menschen ernährt, die mühseligste aller allgemeine Einführung verhinderte. Beschäftigungen.

Muß das so sein? Würde der so ungemein fortgeschrittene 3u stand alles Wissens und Könnens nicht eines Tages erlauben, sich von der Mühsal der Bodenbearbeitung zu befreien?

Es sind zwei Wege dazu denkbar. Der eine wäre eine Land­wirtschaft ohne Bodenbearbeitung, der zweite die Ablösung der Menschenarbeit durch Maschinenkraft. Und auf diesem zweiten hat man raftlos gearbeitet und ist auch schon ein gutes Stück vorwärts­gekommen. Der Dampfpflug hat den mühselig pflügenden Bauern abgelöst, die Hackfrüchte werden durch elektrisch betriebene Hack- und Häufelmaschinen ersetzt, Eggen, Rigolen, Düngerstreuen, Berieseln, Begießen, alles hat die Maschine dem Menschen aus der Hand ge­nommen, Ernte-, Binde- und Dreschmaschinen sind alltäglich ge= worden und so mag es scheinen, daß der persönlich mit Muskelkraft so hart arbeitende Bauer mur mehr ein veraltetes Ueberbleibsel längst vergangener Zeiten ist, reif, um endgültig zu verschwinden, so wie Pfeil und Bogen und Stadtmauern und Burgen verschwunden sind oder in unseren Tagen das Pferd als Arbeiter in den großen

Städten.

Da dieser Weg mit so viel Glück gangbar war, hat man noch faum je daran gedacht, den anderen zu versuchen, ob nicht eine Landwirtschaft ohne Bodenbearbeitung denkbar wäre. Auf den Südseeinseln, diesem letzten Ort der Erde, wohin sich das Paradies geflüchtet hat, gibt es solches nun wirklich. Unter dem regenreichen und nie zu heißen Himmel Tahitis und seiner Nachbarwelt genügt es, einige Brotfruchtbäume, Bananen- und Bambusschößlinge, Taroknollen und Kokosnüsse beliebig in den Boden zu stecken. Ein Nachmittag Arbeit für einen Menschen und eine große Familie hat schon im gleichen Jahr zu essen. Taro liefert das Mehl, die Banane Mehl und Früchte, die frischen Schößlinge Gemüse, dann folgen Balmblätter und Bastfasern, Bambus als Baumaterial, Kleidung, Matten, Geräte, Kotosnüsse mit Getränk, Fett und Nahrung, jeder Teil des Brotfruchtbaumes ist verwertbar. Und man braucht nur zu holen, zu pflücken, abzureißen, zu verwerten, zu essen, zuzusehen, denn alles wächst von selbst weiter und jener erste Nachmittag wirkt auf fünfzig und fiebzig Jahre füßen Nichtstuns weiter. Niemand pflügt, eggt, düngt, hadt dort, niemand begießt, jätet, tein Mensch hat Sorgen um das Leben, die Ernten sind ein Fest, das Leben ist ein Spiel, Reichtum und Nichtstun ist Selbstverständlichkeit.

Es zeigt sich, was die erste Sünde wider das Weltgesetz war, auf die wit eingangs angespielt haben und die der Mensch begangen hat. Er hat eben des Paradies verlassen, er hat es vielleicht ver­laffen müssen unter dem Zwang der Uebervölkerung, und mußte in unfruchtbarerem Klima dann Landwirtschaft beginnen mit ihrer harten Arbeitsqual.

Merkwürdigerweise aber hat er nun trotz ihrer Mühsal erst sehr spät darüber nachgedacht, marum denn an manchen Orten feine Bodenbearbeitung nötig ist und an anderen trotz reichlicherer Arbeit dennoch weniger wächst. Ueberhaupt, warum gerade das Pflügen, Eggen und Haden, um die drei mühseligsten Arbeiten zu nennen, notwendig ist. Man hat es schon Jahrtausende hindurch ausgeführt, bevor es flar wurde, daß die Pflanze einen je nach ihrer Art besonders zubereiteten Bodenzustand braucht, um ihr Wurzelleben zu entfalten.

Um das zu verstehen, muß man in das Dunkel, in dem die Burzeln des Getreides dahinleben, hineinsehen, eine Arbeit, die vor Erfindung des Mikroskops nicht möglich war und eben deshalb erst der Neuzeit vorbehalten blieb.

Jede Pflanzenmurzel besteht dem Wesen nach aus zwei Teilen: aus einer Röhre, die bloße Wasserleitung ist und deshalb auch ver­holzen und leblos werden kann. Und aus der eigentlich lebendigen Wurzel, nämlich den wirklich haarfeinen ,, Wurzelhaaren", die sterben, menn sie eintrocknen und darum ständig feucht erhalten werden müssen Schon darum fönnen Pflanzen ohne Wasser sei es nun Regen oder Berieselung nicht leben. Die Wurzelheare wieder sind mit den kleinsten Krümelchen der Erde verwachsen. Oft ganz un= trennbar sind sie in Quarzsplitter, Feldspatkristalle, Hunnuskörnchen eingewachsen, außerdem ist ihre ganze Oberfläche befähigt, sowohl Luft zu atmen, wie Bodenlösung einzusaugen. Mit großen Broden und fest zusammengefrorenen oder troden verbadenen Erdmassen wissen sie gar nichts zu beginnen. Wieder eine Erklärung dafür, warum faltes Klima den Ackerbau hindert und Bodenwärme sowie viel Regen das Ideal des Pflanzenwachstums ift.

Es sind somit elementare Lebensbedingungen der Getreide, so wie jeder anderen Kulturpflanze, daß im Dunkel ihres Wurzel­bereiches winzige Körnchen, Splitterchen, Krümelchen bunt durch einander gemischt, von Luftlücken und reichlich kleinen Wasserspalten durchsetzt, loder aufgehäuft feien.

Das ist der ideale Bodenzustand, der die reichsten Ernten trägt. In der Sprache des Landwirtes heißt das, es muß der Boden wohl aufgeschlossen, warm, loder, feinfrümelig, feucht und gut durch lüftet sein.

Wer sich das einmal flar gemacht hat, versteht Notwendigkeit und Wert der Bodenbearbeitung. Je nach der Pflanzenart mechselt das. Kartoffel, auch Rübe braucht noch bessere Krümelung als das Getreide, darum sind sie Hackfrüchte", d. h. ihr Erdreich muß mit der Hacke noch besonders sorgfältig bearbeitet werden. Die Obst­bäume hingegen stellen offenbar nicht so große Ansprüche an Feins frümelung, deshalb gedeihen sie ganz gut im ungepflügten Gras­garten.

Erst seitdem man diese Zusammenhänge fannte, war es möglich, in der Bodenbearbeitung nicht bloß annähernd, sondern rationell zu arbeiten. Der Pflug wendet große Schollen um und legt sie in Reihen ; daburch bringt er nicht nur den Dünger unter die Erde, fondern auch die Bodenbestandteile durcheinander. Aber er tut es in allergröbfter Weise und darum fann man ihn doch mir als ein unzulängliches und deshalb auch veraltetes Werkzeug bezeichnen. Er bedarf, eben zur Zerkleinerung und befferen Mischung der groben Schollen, eines Rady arbeiters. Das ist die Egge oder der Rechen. Megen seiner nur annähernden Leistungen wird er denn auch immer mehr durch ein neues Wertzeug in der Bobenbearbeitung erseßt, which burch die Bodenfräse, melche nicht nur Schollen

Aber auch die Bodenfräse schafft noch nicht das Letzte, was die Wurzel braucht, ebenso wenig die Harte des Feldarbeiters oder Gärtners. Sogar menn man die Gartenerde siebt, hat man ihr noch immer nicht die Feinkrümelung verliehen, die für das Wurzel­leben unentbehrlich ist. Da gehören immer noch Kleinarbeiter im Dunklen der Erdtiefe dazu und die Bekanntschaft mit ihnen ist die letzte große Entdeckung auf landwirtschaftlichem Gebiete.

Eigentlich war ein Teil dieser unterirdischen Arbeiter schon von je dem Landwirt bekannt. Er hat sie nur lange Zeit törichterweise für Ungeziefer gehalten und zertreten, wo er ihrer habhaft werden fonnte. Denn er hat bemerkt, daß Drahtwürmer, d. h. die Larven des Saatschnellkäfers, die Getreidewurzeln abbeißen und Engerlinge an den Wurzeln nagen, und er hat diese Erfahrung etwas vorschnell auf alles übertragen, was da im Acker in den Erdlöchern aus- und einschlüpft. Da kommen aber zehn Nühlinge auf einen Schädling. Auch der namentlich im Garten als arger Schädling grausam ver­folgte Regenwurm gehört als Ganzes genommen zu den Ver­mögenswerten der Grundbefizer, er ist ein fleißiger Arbeiter im Dunkeln. Er ist der Riese unter diesen Kleinarbeitern, von denen es mehrere hundert verschiedene Formen im Boden gibt, die zu allen möglichen Tier- und Pflanzenklassen gehören. Wahlgemerkt, hier handelt es sich nicht um die allbekannten Bodenbatterien und Pilze, denn die sind nur chemische Arbeiter und haben mit der mechanischen

Beilage des Vorwärts

Beschaffenheit der Adererde nichts zu schaffen, außer sie erzeugen Kohlensäure und befördern die Verwitterung und dadurch den Ze fall. Die Arbeit, die hier gewünscht wird, ist Zerkleinerung, Mi­schung, Durcheinandertragen, wirklicher Transport.

Der Erde fressende Regenwurm, der sie verdaut und verkleinert wiedergibt und ganze lange Gänge mit mechanisch verfeinerter Erde füllt, leistet darin Mustergültiges, aber noch schafft er auch nicht das Letzte, was die Pflanzenwurzel braucht. Das, was er wieder­gibt, muß in noch fleinere Flöckchen aufgelöst werden. Es ist etwa vier- bis zehnmal zu groß. Da sind noch Blatt, Wurzel- und Holz­stückchen dabei, die von Insektenlarven, Kleintäfern, Tausendfüßlern, Springschwänzen zerschrotet werden müssen, um brauchbar zu sein. Was sie übrig lassen, geht noch einmal durch die Mühle des Lebens. Sie schlüpfen in fleinen, meist selbstgegrabenen Gängen, Tunnels und Erdspalten aus und ein. In den zartesten Rizen, die meist schon mit Wasser erfüllt sind, leben aber erst noch Borsten- und Fadenwürmer und Rädertiere sowie Bärtierchen von fast mikro­stopischer Kleinheit. Die längsten Geschöpfe dieser Art sind etwa einen bis drei Millimeter groß. Soweit sie sich nicht gegenseitig verfolgen, fressen sie mieder Erde wie der Regenwurm, nur diesmal schon zerkleinerte, feinste Sieberde, die in mikroskopische Krümelchen durch sie verwandelt wird. Den letzten Schliff aber erhalten diese durch Wurzelfüßler und bodenbewohnende Wimpertierchen, die das alles nochmals verdauen und in den Zustand bringen, der der Ge­treidewurzel paßt. Sie alle zusammen sind aber auch die Mischer, die Durchlüfter, Kohlensäureproduzenten. Groß- und Kleinwürmer, Käfer- und Fliegenlarven, Spinnentiere, Tausendfüßler, Infusorien und Kieselalgen, das sind die Kleinarbeiter im dunklen; die Heinzel­männchen, von denen der Landwirt nichts weiß und die das Wesent liche der Bodenbereitung für ihn besorgen. Ohne sie wäre nie die Landwirtschaft entstanden, denn sie sind eine der wichtigsten Bor­bedingungen der Fruchtbarkeit, und so bewahrheitet sich hier wieder einmal das Wort, daß die kleinsten Dinge bei großen Vorgängen die wichtigsten sind.

Elke: Die Gottfchedin- eine Verkannte

Man tann auch heute noch über eine so viel umstrittene litera­rische Größe wie Gottsched , dessen Name gerade in diesem Jahr, in dem zwei Jahrhunderte seit dem Erscheinen seines Versuchs einer fritischen Dichtkunst vor die Deutschen " vergangen sind, sehr gefeiert wird, verschiedener Meinung sein. 3war bemüht sich die in Berlin gegründete Gottsched- Gesellschaft, der Bedeutung dieses Reformators der deutschen Literatur gerecht zu werden und seine Verdienste in der Deffentlichkeit bekannt werden zu lassen. Aber es gibt auch heute noch ablehnende Stimmen genug, für die Gottsched nur ein unbedeutender, hölzerner, trockener Pedant ist. Aber selbst seine Gegner fönnen nicht leugnen, daß der Leipziger Professor in Deutschland eine Zeitlang umumschränkte literarische Autorität bejaß und daß eine starte Wirkung von seiner Persönlichkeit und seinem Wert ausging. In diesem Sinne haben auch vor allem neuere Ver­öffentlichungen versucht, der zweifellos anerkennenswerten litera rischen Tat Gottscheds gerecht zu werden und seine großen Verdienste hervorzuheben.

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Um so überraschender ist es, daß überhaupt nicht oder doch nur in seltenen Fällen der Gottichedin", wie sie damals genannt wurde, gedacht wird. Es ist nur dadurch erklärlich, daß sich die ganze Auf­merksamkeit der Zeitgenossen auf den Mann wandte, ganz abgesehen davon, daß auch der leistungsfähigen, begabten Frau im 18. Jahr­hundert nur ein sehr beschränkter Kreis zugebilligt wurde, in dem sie sich auswirken konnte. So mur fonnte es geschehen, daß Frau Gott­ sched zur Zeit ihres Lebens bescheiden im Hintergrund stand und daß sie heute zu den vollkommen vergessenen Frauen gehört, deren Namen man höchstens noch in einer größeren Literaturgeschichte an­trifft. Aber selbst hier wird sie meist etwas herablassend und flüchtig behandelt und dient im wesentlichen nur dazu, die Bedeutung ihres Gatten, dessen treue Schreibgehilfin" sie gewesen sei, zu unter­streichen. Und doch verdient diese außergewöhnliche, fluge, fein­sinnige und dabei durchaus unverbildete Frau, daß man sie der Ber­gessenheit entzieht und daß man vor allem auch ihren Namen nennt, wenn man Gottscheds Wert rühmt. Denn, man darf heute mit Sicherheit behaupten, daß sie ihrem Gatten nicht nur mit mechanischen Schreibarbeiten zur Hand gegangen ist, sondern daß sie auch durch ihr eigenes literarisches Schaffen und ihr flares Urteil Gottscheds Bert nicht unwesentlich beeinflußte.

Familie. Sie hatte eine ausgezeichnete Erziehung und Ausbildung Luise Gottsched entstammte einer angesehenen Danziger Frau der damaligen Zeit ungewöhnlichen Höhe. Die bedeutendsten genossen und stand musikalisch wie literarisch auf einer für eine Schriftsteller Frankreichs und Englands waren ihr im Urtegt ge­läufig, und ihre starte Sprachbegabung wurde vertieft und erweitert französischen Büchermarkte. Als echtes Kind des 18. Jahrhunderts durch die Lektüre aller Neuerscheinungen auf dem englischen und liebte sie vor allem die französische Kultur, und die französische Sprache war ihr zur zweiten Muttersprache geworden. Sie bediente sich ihrer in ihren Briefen bis in ihre Verlobungszeit hinein, und erst der energische Einspruch ihres Bräutigams Gottsched , der sich in seinem patriotischen Empfinden verletzt fühlte, veranlaßte fic, sich der deutschen Sprache etwas liebevoller anzunehmen und sie fortan in ihrem Schriftwechsel anzuwenden. Aber der französischen Literatur gehörte auch weiterhin ihre Liebe. Die Klarheit, der Wizz und die Geistesschärfe des größten Lustspieldichters Molière , der beißende Spott und der scharfe Verstand Voltaires , die Grazie und Heiterfeit des beliebten Komödiendichters Destouches dies alles fam ihrer eigenen Veranlagung entgegen. In diesen drei Männern sah sie ihr Ziel und ihr Vorbild. Als Gottsched das Gammelwerk Die Schaubühne" herausgab, in dem aufführenswerte Stücke er­scheinen sollten, durch die eine Verbesserung und ein Aufschwung Der deutschen Bühne angestrebt murde, da stellte sich Luise Gottiched bereitmillig in den Dienst dieser Aufgabe. Sie überfekte französische Lustspiele von Molière und Destouches ins Deutsche, formte fie in eine geläufige Brosa un und verlegte den Schauplatz der Ge­schehnisse nach Deutschland Erwähnenswert find auch vor allem ihre llebertragungen der beiden Tragödien Voltaires : Azire" und 3aires. 3aires Borbild war Shaftespeares Othello, und der Grundgedante, die Darstellung einer Leidenschaftlichen Liebe und gleichzeitig der weltanschauliche Hintergrund( 3aire fällt als Opfer eines fanatischen christlichen Vorurteils, meil sie Mohammedanern ist) nerfehlten auch in Deutschland nicht ihre Wirkung. Großen Beifall hatten auch das feine Charakterstid. Das Gespenst mit der comunel on Despuches und die Cénie der Madame

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de Grafigny, deren heiteres, sprühendes Temperament auf die Ueber­setzerin einen so großen Eindruck ausübte, daß sie ihre Nachdichtung ebenfalls außerordentlich wizig und gefällig, in einer flüssigen, lustig dahinfließenden Sprache gestaltete. Luise Gottsched versuchte sich auch in eigenen Dramen und Lustspielen, die allerdings ihre Vorbilder nicht verleugnen fönnen. Um so mehr ist man überrascht, wenn man ein heute vollkommen vergessenes, satirisches fleines Stück von ihr aufschlägt: Die Pietisterei im Fischbeinrock oder die doktor­mäßige Frau", denn hier spricht ein ganz selbständiger, reifer, selbst­bewußter Mensch, den man nach ihren übrigen Werfen, wenn sie auch noch so graziös und gefällig sind, faum vermuten fann. In einer scharfen, fast männlich anmutenden Weise, voll Spott und Wig, der sich bis zum bittersten Hohn steigert, greift sie hier den Pietismus und feine Auswüchse, eine ungesunde, unnatürliche Frömmelei an. Kein Wunder, daß das kleine Werk damals großes Aufsehen erregte, daß man sich weiblich darüber entrüftete, zumal als bekannt wurde, daß ein Frauenzimmer" es geschrieben hatte. Seine Lebensdauer war allerdings sehr furz, denn als die Polizei darauf aufmerksam wurde, verbot sie es kurzerhand, un das ,, Aergernis" schleunigst aus dem Wege zu räumen. Eine außer gewöhnliche Schärfe und Spottluft liegt auch in dem kleinen Nach spiel Der Wigling", das sie gegen Klopstod richtete. Thr Gatte gab es nach langem Zögern heraus, schwächte aber manches ab und bog die schärfsten persönlichen Spizzen um.

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Wie hat man sich diese seltsame Frau nun in ihrem persönlichen Leben vorzustellen, und wie mag sie selbst als Mensch gewesen sein? Fast möchte man fürchten, daß eine so große Gelehrsamkeit sie las auch größere griechische und tateinische Werte im Urtert und be­arbeitete wissenschaftliche Broschüren und Schriften vermischt mit einer so ausgeprägten Luft an der Satire und der Ironie auch gewisse start fühlbare Kanten und Härten der Persönlichkeit erzeugt hätten. Und es gibt Literaturgeschichten, die allerdings nicht gerade schmeichelhaft mit Luise Gottsched umgehen, die sie dünkelhaft und pedantisch, talt und belesenheitstrogend nennen. Wer aber auf­merksam und gewissenhaft diesem Frauenleben nachforscht und sich durch fein Borurteil beeinflussen läßt, der gewinnt ein anderes Bild. Denn die Briefe, die uns von ihr erhalten sind, verraten einen äußerst liebenswerten, großzügigen Charakter. Wir wissen gegründet hatte, einzutreten, mit der Begründung, daß es einem heute, daß sie es ablehnte, in die Deutsche Gesellschaft, die ihr Gatte missen auch, daß sie troh ihrer Gelehrsamkeit ein frischer, natürlicher, Frauenzimmer nicht ziemlich sei, nach Lorbeeren zu streben": Wir heiterer Mensch war, daß sie an Weitsicht und Geschmack den Gatten zweifellos übertraf. Als Gottsched immer mehr an Einfluß verlor Luise trotz allen Schmerzes und aller Enttäuschung, die ihr ber und sich jeder neuen Strömung unzugänglich zeigte, da verhehlte sich Sturz ihres Gatten verursachte, nicht, daß dieses Herabgleiten von der Höhe literarischer Autorität innerlich tief begründet war. Sie war weitsichtig genug, die Fähigkeiten der Gegner ihres Gatten zu erkennen und ihre Angriffe nicht als Gehäffigkeit und Ungerechtigkeit zu empfinden. Diese Charakteristik wird ergänzt und vertieft durch eine Entdeckung allerjüngsten Datums. Bisher unveröffentlichte Briefe die von Luise Gottsched zwischen 1755 und 1758 geschrieben worden sind, sind vor kurzem durch Dr. Doris Dauber bekannt ge­worden, und die Entdeckerin hat ihren Inhalt in dem Urteil zu­Jammengefaßt, daß nur eine geniale Frau, ein großer Mensch diese Briefe geschrieben haben könne und daß die Beurteilung zweier Jahrhunderte, die Luise Gottsched zur Schreibgehilfin ihres Mannes stemple, absolut einseitig sei. So steht das Bild der vergessenen, ver­fannten Frau heute deutlicher und flarer vor imseren Augen als jemals. Und wenn Gottscheds Werk in diesem Jahre besonders ge­feiert wird, so verdient es auch seine Gattin, daß ihr Name zu jammen mit den seinen genannt und daß ihre Persönlichkeit den Dämmerschein des Hintergrundes, in dem sie zwei Jahrhunderte hindurch gestanden hat, etwas entzogen wird.

Jn Kopenhagen , ber Hauptstadt von Dänemart, wohnt ein Sechstel der gesamten bänischen Bevölkerung, in Bien über ein Biertel der gesamten österreichischen Bevölkerung, in Danzig drei fünftel der Bevölkerung des Freistaates Danzig . In Berlin wohnen nur rund 6 Proz. der deutschen Bevölkerung.

Die Arbeit des Herzens. Das menschliche Herz macht im Jahre 36 millionen Schläge und befördert bei jedem Schlage 100 Gramun Blut, also in einem Jahre 3600 Loumen