Beilage
Freitag, 11. April 1930
Der Abend
Spalausgabe des Vorwärts
Dem Berfiner Bezirksparteitag der Sozialdemokratischen Partei liegt wieder ein gedruckter Jahresbericht des Bezirksvorstandes vor, der umfangreicher und in der Ausstattung reich haltiger denn je ist.
In seinem Vormort zieht Franz Künstler , der Borfizende der Berliner Partei, das Fazit der Parteiarbeit im vergangenen Jahr:
Die Viermillionenstadt stellt der Partei große und schwere Probleme. In Notjahren wie 1929 und 1930 wurde fie des öfteren vor fast unlösbar erscheinende Fragen gestellt. Und dennoch ging es vorwärts!... Trotzdem unsere politischen Gegner immer wütender gegen die Sozialdemokratie anrennen, troh schwerer Wirtschaftskrise und großer Erwerbslosigkeit, ist unsere Partei von Jahr zu Jahr erstarkt!"
Alljährlich legt die Sozialdemokratische Partei eine freiwillige Prüfung für ihre politische Arbeit in der Werbewoche ab. Hier ergibt sich, greifbar in Zahlen, ob die politische und organifatorische Wirksamkeit richtig mar, ob sie von der Bevölkerung erfannt und anerkannt wird. Die Schwere der Zeit hat der Partei feinen Abbruch tun fönnen. Am Schlußtermin der Werbung, am 27. November, waren
5400 Männer und 1678 Frauen neu in die Partei eingetreten. 7078 neue Rämpfer und das trotz ungeheurer Erwerbslosigkeit, froßz nieberträchtiger Gegenagitation aller Freunde" von rechts und von links, trotz wüſteſter Heze mit dem Sklarek- Skandal, froß der Hetze gegen unsere Regierungsbeteiligung, gegen die Tätigkeit der Genossen in der preußischen Regierung! In einem Jahre hat die Partei in Berlin von 64 054 auf volle 78553 Mitglieder wachsen
fönnen!
Mit peinlichster Genauigkeit hat das Sekretariat diese Zahlen errechnet, der Umsatz der verkauften Beitragsmarken war, wie immer, der Maßstab. Mit der gleichen Gewissenhaftigkeit ist auch das sonstige organisatorische Leben in Zahlen erfaßt worden: 208 öffentliche Bersammlungen in den Kreisen, dazu 1280 Kreismitgliederversammlungen, 2260 Jahlabende, fast zweitausend Funttionärsitzungen, 1102 Frauenveranstaltungen, 160 lokale Straßendemonstrationen fanden statt. Der engere und der erweiterte Bezirfsvorstand fam nicht weniger als 41mal zusammen und hielt in 14 Fällen Konferenzen mit Vertretern der Freidenker, der Klein gärtner, den Stadtverordneten, dem Ortsausschuß des ADGB . und der Pressekommission ab.
Eine große Arbeit ist von der Zentrale geleistet worden, aber auch die Zehntausende Parteimitglieder helfen fräftig mit. Sie verbreiteten in selbstloser, freiwilliger Parteiarbeit Flugblätter und Broschüren in einer Auflage von über 5% Millionen Exemplaren.
Während sich die Zahla bende mit den verschiedensten Fragen des öffentlichen Lebens beschäftigten, nahmen je 20 Kreismitgliederversammlungen zu den jeweils aftuellsten politischen Tagesereignissen Stellung und zwar im Sommer zum Fall des Republitschutzgesetzes im Reichstag und zu den Sprengstoffattentaten, später zum Hugenberg- Boltsbegehren und zum Vorstoß der bürger
lichen Parteien gegen die Sozialversicherung.
Das ist in großen Umrissen die organisatorische Arbeit in der Berliner Partei. In einem besonderen Kapitel des Berichtes ist der Stadtverordnetenwahlen gedacht, deren Ergebnis der Partei den Boden für die Mitwirkung an der Stadtverwaltung schaffen mußte. Die Form des Wahlkampfes erinnert lebhaft an die Hottentotten wahlen vor dem Kriege: die Partei als Ganzes und einzelne mit glieder im besonderen, mußten den Ansturm einer Gegnerschaft aushalten, die sich der gemeinsten und ehrenrührigsten Mittel bediente. Die Berliner Sozialdemokratische Bartei hat diesen in der Geschichte politischer Parteien einzig dastehenden Kampf bestanden. Sie hat ihre Wählerschaft sogar gegenüber den Stadtwahlen von 1925 um rund 47 000 erhöhen fönnen, wenn sie auch infolge allgemeiner stärkerer Wahlbeteiligung einige Stadtverordnetenmandate einbüßte. Aber eine Partei, die einen so gewaltigen, ganz außerordentlichen Ansturm so überstehen kann, muß innerlich gesund nas und äußerlich gefestigt sein.
Die Werbearbeit in den Betrieben, Die neuerdings von drei besonders zu diesem Zwed angestellten Betriebssekretären geleistet wird, verfolgt neben der Gewinnung neuer Parteimitglieder den Zweck, Betriebsangehörige und Funktionäre mit dem Wirten der Sozialdemokratie, mit ihren Absichten und ihren Erfolgen vertraut zu machen. Die Tattit, den großstädtischen Arbeiter an der Stelle seiner Wirksamkeit zu bearbeiten, dort, wo er den größten Teil des Tages verbringt und, zufammen geballt, am leichtesten zu erfassen ist, hat sich als erfolgreich erwiesen. Die Agitation in den einzelnen Werken und Werkstätten und die Fraktionsarbeit in den Gewerkschaften gegen die kommunistischen Bellenbauer und Gewerkschaftszerstörer war nicht immer leicht. Aber überall hat die Partei festen Fuß gefaßt, überall fühlen sich die einzelnen unterstüßt, die Fraktionen wieder start und abwehrfähig. In den großen Werfen werden Betriebszeitungen
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herausgegeben, die den kommunistischen Berleumdungen und Berdrehungen entgegenarbeiten. Wenn die von beauftragten und dafür bezahlten Subjekten der Kommunistischen Partei betriebenen Gewert schaftssprengungen illusorisch gemacht sind, die Leute aus der Kleinen Alexanderstraße heute überall die Pleite erleben, so ist das nicht zuletzt ein Erfolg der Betriebsagitation.
Die Erfolge bei den verschiedenen
Beamtengruppen
drücken fich deutlich in der Gewinnung neuer Parteimitglieder aus. Einige 3 ahlen dürfen auch hier von Interesse sein: Etwa 15 Brozent des Feuerwehrpersonals ist in der Partei organisiert und 75 Prozent find sympathifierende Freunde unserer Sache. Im Werbeausschuß für PostTelegraphenbeamte arbeiten über 100 Parteimitglieder, bei der Polizei geht es rüftig
vorwärts.
Die sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft am Preußischen Statistischen Landesamt umfaßt von den 885 Beschäftigten 22 Prozent und selbst bei der Beamtenschaft im Statistischen Reichsamt sind 60 Parteimitglieder zu registrieren.
Obwohl das Frauensekretariat eine
Zunahme der Frauen in der Partei
von 13 348 auf 16 520, alfo um 23,8 Prozent verzeichnet, zeugt es doch von einer gesunden und weitgehenden Selbstkritik, wenn festdoch von einer gesunden und weitgehenden Selbstkritik, wenn feftgestellt wird, daß noch ein gut Stüd Aufklärungsarbeit zu leisten bleibe, bis die breite Masse der Frauen die Sozialdemokratische Partei als ihre Interessenvertreterin erkannt habe. Trotzdem haben bei der Stadtverordnetenwahl mehr Frauen als Männer sozialdemofratisch gewählt; von unseren 64 Stadtverordneten find 7 Frauen. ungeheuer ist die Arbeit, die an die politische und allgemeine Weiter bildung der parteigenössischen Frauen gewandt wurde; in zwei großen Frauenfeierstunden fanden sie Erholung und Erbauung von den Alltagsforgen, ein internationaler Frauentag hatte zum Thema: Mehr Recht und Schuß für Mutter und Kind." In den Gewerkschaften stellen sich freiwillige Mitarbeiterinnen für die Gewinnung neuer Parteimitglieder zur Verfügung, und eine Rundgebung für Arbeiterinnenschutz fand Unterstützung in Gewerkschaftstreifen. Schließlich frönte der Bezirksfrauentag im Gewerkschaftskreisen. Schließlich frönte der Bezirksfrauentag im November die Arbeit für die Frau in der Partei."
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Längst hat die Berliner Partei ihre Wirksamkeit vom rein Politischen auf Gebiete verlegt, die einer sozialen Bewegung nahe liegen und die sich aus der positiven Stellung zu Staat und Wirtschaft ergeben. In dem Kapitel des Jahresberichtes ,, 10 Jahre Berliner Arbeiterwohlfahrt" ist die
Wirksamkeit der Arbeiterwohlfahrt
als Organ der sozialistischen Arbeiterschaft bei der Durchführung des Hilfswerkes an den durchy Krieg und Kriegsfolgen Berarmten geschildert. In der Hauptfürsorgestelle in der Lindenstraße 3 hat sich der Hauptverkehr mit den Hilfsbedürftigen der verschiedensten Art abgespielt, die drei Hauptinstitute der Arbeiterwohlfahrt, das August- Bebel- Heim" in Gohrisch ( Sächsische Schweiz ), der Kindergarten Blumenstraße und der Kinderhort Danziger Straße sind stets voll ausgenutzt worden. Das August- Bebel- Heim erfreute sich ganz besonderer Bevorzugung durch die Berliner Bezirksämter und feiner hervorragenden pädagogischen Leitung ist es zu danken, daß nicht wenige schwer erziehbare Kinder überwiesen wurden, die mit gutem Erfolg gefördert entlassen werden konnten. Die Zusammenfassung aller in der Wohlfahrtspflege tätigen Kräfte in der Partei, die Be feßung wichtiger Aemter im Fürsorgewesen und die Schulung aller Funktionäre ist mit eine der Hauptaufgaben der Arbeiterwohlfahrt. Die kulturellen Bedürfnisse der Parteigenossenschaft förderte der
Bezirksausschuß für sozialistische Bildungsarbeit,
der den 20 Kreisausschüssen übergeordnet ist. Ihm untersteht die Arbeiterbildungsschule, die in einer großen Zahl von Kursen den Parteigenossen die Weiterbildung verschafft, die für den politischen Tageskampf dringend nötig ist.
Die Proletarischen Feierstunden sind zu einer ständigen, start besuchten Einrichtung für die werttätige Bevölkerung geworden. Eine Revolutionsfeier, die gleichzeitig dem Gedenken Hugo Haajes gewidmet war, eine Kurt- Eisner - Gedächtnisfeier und Morgenfeiern am 12. Mai und am 29. Dezember waren große Ver anstaltungen, die Zehntausende der Arbeiterschaft vereinigten. Für 33 Borstellungen in der Städtischen Oper vermittelte die Bildungszentrale 4950 Rarten, in den Abteilungen wurden 93 Filmvorfüh rungen arrangiert, bei Veranstaltungen und Festlichkeiten der Arbeiterschaft wurde die Mithilfe in Anspruch genommen. Man darf die neuerdings von der Jugendweihetommission Bereinigung von an den Jugendweihen interessierten Organisationen
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einer
veranstalteten Jugendweihen in das Gebiet der Kulturarbeit der Partei stellen. Während im Frühjahr an 10 Weihen 1359 Kinder und 15 000 Personen überhaupt teilnahmen, fanten diese Zahlen
bei den sechs Herbstweihen auf 923 Kinder und 12 000 Besucher eine Folge des stark verminderten Abganges aus den Schulen. 3wei Weihen übertrug der Rundfunk.
Was der Jahresbericht über die
Arbeit an der Jugend,
geleistet in der Sozialistischen Arbeiterjugend, zu sagen hat, tönnie fo zusammengefaßt werden: Sehr gute Mitgliederbewegung, zahl reiche Beranstaltungen, die den Mitgliedern wertvolles, inniges Erleben brachten, gute, verständnisvolle Zusammenarbeit mit den er machfenen Parteimitgliedern, zum Ausdruck gekommen in wechselfeitiger Unterstützung. Trotzdem muß hier dem Parteinachwuchs mehr Raum gegeben werden. Die Hoffnungen, die der im Berichtsjahre zu verzeichnende Mitgliederzuwachs eröffnete, find erfüllt worden. Von 3195 Mitgliedern Ende 1928 stieg die Zahl der organifierten Jugendlichen nach einem Jahr auf 3831 und beträgt nach einem weiteren Quartal 3881. Aus 92 Abteilungen wurden deren 104, 10 538 Veranstaltungen in diesen Abteilungen hatten 234 272 Besucher. Gemeinsame Feiern und Demonstrationen führten die sozialistische, die Gewerkschafts- und die Sportlerjugend zusammen, bei der Parteiarbeit der Erwachsenen fehlten die Jugendlichen nie. Dreimal war die Sozialistische Arbeiterjugend vor ganz große Aufgaben gestellt: Beim Aufmarsch zum Parteitag in Magdeburg , beim Internationalen Jugendtag in Wien und in der Festwoche 25 Jahre Arbeiterjugendbewegung" in Berlin . Dem Jugendschußz und dem Jugendrecht, der Bildungsarbeit und den Feſttagen galten die besondere Aufmerksamkeit des Sekretariats.
Die Bildungsarbeit der Jungfozialisten
wurde im engsten Einvernehmen mit dem Bezirksbildungsausschuß geleistet. In der Partei, mit der Partei, für den Aufstieg der Arbeiterklasse" definiert der Bericht ihre Arbeit. 40 Prozent der Mitglieder sind Funktionäre der Partei!
Die Vereinigung Sozialdemokratischer Studierender hat ebenfalls ihre Bewegung erfreulich vorwärtsgebracht. 123 Studierende schlossen sich neu an, 550 sind es im ganzen Bezirk. Die Kinderfreunde und ihre Arbeitsgemeinschaft tönnen wir getrost zu unserer Parteijugendarbeit zählen. Helfer und Helserinnen leisten an den Jüngsten Erziehungsarbeit, über 300 arbeiten so an den Kindern. 8600 Gruppenzusammenfünfte, 1000 Banderungen, 12 000 fleine Besucher bei den Veranstaltungen und Film vorführungen, 2300 Eltern in der Elterngemeinschaft, das sind so einige Zahlen von den Kinderfreunden. Am Reichszeltlager auf der Rheininsel Namedy nahmen aus Berlin 500 Rote Falken teil, 400 Kinder der Jung- und Nestfaltengruppen konnten vier Wochen lang in Heimen an der See und im Gebirge bleiben. 21fo 900 Arbeiterkinder, aus Hinterhöfen und Großstadtstraßen verlebten fo ihre Ferien in Freiheit, in Luft und Licht. Früher wären sie au Hause geblieben!
Die Arbeit, die von unzähligen Parteimitgliedern in der Mieterbewegung, in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemo tratischer Lehrer und Lehrerinnen, in der Genossenschafts. bewegung,
im bundestreuen Arbeitersport geleistet wurde, soll nicht gering geschätzt sein, obschon sie hier zum Schluß nur fummarisch erwähnt werden kann. Ueberall steht der einzelne seinen Mann zum Vorteil der Gesamtbewegung und damit der Gesamtarbeiterschaft. Das ist das Wesen der Bewegung, das ist auch das besondere Merkmal sozialdemokratischer Parteiarbeit. Der Bezirksparteitag wird unter die Arbeit des Jahres 1929 den Schlußstrich feßen, er wird für 1930 den Auftaft geben und M. J. die Richtung weisen,
Einen interessanten Ueberblick über die Bogelwelt in einer modernen Großstadt bietet ein Bericht des Ausschusses für die Bogel schuhstätten in den Londoner Parts. Während der sieben Jahre, in denen diese Refervate bestehen, haben sich die Vögel aus dem Herzen der Großstadt immer mehr nach der Peripherie zurückgezogen. Doch gibt es im Hydepark und im Kensingtongarten immer noch über 80 Arten wilder Vögel, unter ihnen 51, die man in England wäh rend des ganzen Jahres antrifft, 21 Arten, die nur Sommer- und 9, die nur Winterbesucher sind. Die Zahl der brütenden Bogelarten belief sich auf durchschnittlich 17 jährlich. Früher befand sich im Kensingtongarten die größte Saatträhenkolonie Londons , aber da diese Bögel für ihre Ernährung ein ausgedehntes Gebiet brauchen, muß man mit der Abnahme dieser Kolonie rechnen; auch die Dohlen ziehen sich aus dem Kensingtongarten zurüd. Andererseits hat die Ringeltaube, die früher selten hier zu sehen war, sich jetzt in dem Garten niedergelassen. Auch die Stocenten und Teichhühner vermehren fich; der Buchfint brütet in ausreichender Zahl, Grünfint und Wiesenpieper gesellen sich dazu, und die Goldammer ist wahr. scheinlich durch die im Kensingtongarten angepflanzte Kardendistel angelodt worden.
Wald und Wiesen von Max Giesen.
Hinaus mit Kleidung
g
Kaufhaus
A
Max Giesen