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Beilage

Mittwoch, 16. April 1930

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Der Abend

Shalausgabe des Vorwärts

Bericht über Pfalzburg

Historie um eine Stadt/ Von Viktor Wendel

Der mit Wasser der Mosel oder der Seille Getaufte und mit ihren Weinen Konfirmierte, an der heimatlichen Scholle ,, Befestigte" löste sich von ihr nur mit Unlust der Wissenschaft halber" zu einem Abstecher nach dem südöstlichen Lothringen , in die Nähe der elsässischen Grenze, nach Pfalzburg . Lüzelburg, die von Bogesenfreunden belebte Sommerfrische im tiefen Tal der Zorn, ift als Station an der Schnellzugsstrecke Mez- Straßburg- bequem erreichbar; von hier klimmt eine Bimmelbahn durch pittoreske Gebirgsromantit zu dem windigen Borgelände des Wasgaupasses empor, den die kleine Stadt beherrschte, als sie noch Festung war. Ein Werk Vaubans, war sie es rund zwei Jahr­hunderte lang, und an die Not dreimaliger Belagerung, 1814, 1815 und 1870, erinnert ein wenig ansprechendes Denkmal vor dem Ort, der nach dem Frankfurter Frieden mit seinen Bastionen auch seine militärische Bedeutung einbüßte und zu einer gewöhnlichen Kantons= tapitale herabjant. Bon all seinen truzigen Armierungsanlagen, die auf alten vergilbten Plänen mit sternzadigem Umriß auffallen, überdauerten nur zwei monumentale Tore die Festungstid". ( Deutsches Sprachgebiet ist hier und die Leute dieser Ge­gend sagen, nur um eine winzige Nuance anders als Reuter, für Zeit Tsid".)

Als Metz 1552, bis dahin eine freie deutsche Reichsstadt, mit seinen 60 000 Einwohnern an Frankreich fiel, war Pfalzburg noch ein armseliges Dorf. Die Stadtgemeinde, die wieder den Krebsgang geht, denn in den letzten hundert Jahren verringerte sich ihre Seelen­Bahl( heute etwa 2400) um die Hälfte, blidt also nicht wie andere lothringische Kleinstädte auf eine lange Vergangenheit zurück. Diesem Umstande ist es wohl zuzuschreiben, daß Pfalzburg gradlinig und geräumig angelegt, auf den fremden Besucher einen beinahe nüchternen Eindruck macht, den tahle Kasernen und ein Rorrettionshaus noch verstärken. Ganz ohne Zweifel hat sie mit ihrem schützenden Gürtel außer ihrem Range auch fast alle Reize verloren, die genau hundert Jahre vor der letzten Blockade

den jungen Goethe

auf seinem Ritte von Straßburg an den Rand des rauheren West­reichs" und die jüngere Dauphine Maria Antonia Josepha Johanna von Lothringen , Erzherzogin von Desterreich, auf ihrer Triumphfahrt von Wien nach Baris zur Hochzeit und endlich zum Hochgericht entzückten. Was städtebaulich heute toch anzieht, ist, ziemlich im Zentrum, das große Karree der ,, Place, d'Armes". An diesem einzigen und einsamen Blaze- tein Schußmann wagt hier armeschwenkend den Verkehr" zu ,, regeln" tommen die flogige Kirche mit dem Stumpfturm. von Lokalpatrioten überheblich als Kathedrale bezeichnet, und das hochdachige Hôtel de Ville gut zur Geltung; ansonsten wird er von sauberen ein- bis zweistöckigen Privathäusern mit da und dort einem Kauflädchen oder einem Café­Restaurant im Rezdechaussee hinter einer Reihe von Ahornbäumen begrenzt, während seine Mitte seit 75 Jahren das Denkmal eines Marschalls von Frankreich einnimmt.

Marschall Mouton

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ist es, Graf von Lobau, der hier als simpler Sohn eines Bäders just in dem Jahre zur Welt fam, als der große Dichter und die große Dame Pfalzburg passierten. ,, Mon Mouton est un lion" ( Mein Mouton- Schaf ist ein Löwe"), lobpries den Kämpen wort­spielend sein Kaiser, der etwas vom Waffenhandwerk verstand, und für die Baterstadt des Sammels" prägte er das Prädikat Pépi­nière des braves".( Pflanzschule der Tüchtigen.) Dieser Titel war

teine llebertreibung, denn bei erstaunlich vielen hohen und höchsten Militärs der Großen Armee stand im livret" als Geburtsort ein­getragen: Phalsbourg . Der forsche Colonel Forty war einer dieser Avancierten, der zusammen mit dem illustren ersten Grenadier der Heere der Republit" Theophile Malo de la Tour d'Auvergne- Corret ins Gras biß und das Grab mit ihm teilt. Andere: General Dupelin, General Gérard, General Lobeau, General Munier, General Newinger, General Rottenburg, General Soye, um nur die größten Kanonen zu nennen. Pfalz­ burg , eine Hecke von Haudegen, konnte, um eine bronzene Ueber­völkerung zu vermeiden, mur den, der vom friegerischen Lorbeer am meisten raffte, in Erz der Nachwelt auf dem Waffenplatz zur Schau

stellen.

Aber in diesem Adlerhorst ist

auch eine Friedenstaube ausgebrütet worden, denn auch die Wiege eines prominenten Widerparts der Anbeter blutigen Waffenruhms, eines Ritters vom Geiste, der mit der Feder gegen das Schwert focht, stand hier und, auch ihn zu ehren, ist, vor der Halle ", ein Denkmal errichtet en l'an 1922 centenaire d'Emile Erckmann ". Seine erzählenden Schriften, die er in Gemeinschaft mit Alexandre Chatrian aus dem nahen Soldatenthal schuf, haben unzählige Auflagen erlebt und find auch, übersetzt, in Deutschland in mehr als einer Ausgabe weit ver breitet. Das hüben und drüben bekannteste Wert ist wohl der ,, Conscrit", die Geschichte eines Anno 1813 Confcribierten". Sie wurde sogar auf deutschen Schulen im Urtegt gelesen, allerdings ohne dauernden Gewinn an Einsicht und Entschluß, wie mich dünkt, denn anders hätten kein Wille und kein Weg diese so Gebildeten nach Langemard und Umgebung führen dürfen.

Ich blätterte wieder in diesem mir lieben und werten Büchlein, das hier in billiger Aufmachung jede Buchhandlung in ihrer Aus­lage feilbietet und das die soldatischen Schicksale des sympathischen Pfalzburger Uhrmacherlehrlings Joseph Bertha rührend schildert, der nur über der Haut ein Refrut und im Herzen ein Re­fraktär war, ein Antimilitarist von reinstem Wasser, ein Pazifist an Leib und Seele. Ich hörte wieder die défaitistischen Aeußerungen feines Meisters, des alten Père Melchior Goulden, und fah wieber die Scharen der Drückeberger, die,

fich verstümmelten,

um nicht kv. zu werden,

,, fich die Zähne zerschmetterten, um die Patrone nicht abbeißen zu können, oder sich den Daumen wegschoffen, um zur Hand­habung des Gewehrs untauglich zu sein"." 11: 115 Ich sah wieder die Massengräber,

in die man die Toten hineinwarf, Russen, Franzosen und Breußen, alle durcheinander, so wie Gott sie geschaffen hatte, ein­ander zu lieben, ehe durch Uniformen und Federbüsche eine Trennung der Menschen zum Nutzen der Regierenden vollzogen wurde.

| Ich hörte wieder den Helden" im Gespräch mit seinem Neben­mann in der Marschkolonne, der ihm etwas von der gloire" ( Ruhm) vorfafeln wollte, herrlich sich ereifern:

,, Der Ruhm ist nicht für uns, sondern für andere, die gut essen, gut schlafen und ein Wohlleben führen; die da fröhlich sind und Bälle veranstalten, wie man aus den Zeitungen sieht, und oben­drein noch den Ruhm gewinnen, den wir mit unserem Schweiße, unserem Darben und unserem Blute errungen haben. Kehren solch arme Teufel wie wir, die man zwingt, ins Feld, zu ziehen, schließlich heim, so haben sie die Lust zu arbeiten und zuweilen wohl auch ein Glied verloren, doch Ruhm nur wenig gewonnen. Viele ihrer früheren Kameraden, nicht tüchtiger als fie, vielleicht nicht einmal so tüchtig, haben inzwischen Geld verdient, ein Ge­schäft eröffnet und die Geliebten der anderen geheiratet, haben hübsche Kinder, find angesehene Männer, Gemeinderäte, gar Standespersonen. Und wenn nun die anderen von ihrer Jagd nach dem Ruhm, d. h. aus dem Menschengemegel, zurüd­fehren und mit ihren Tressen auf dem Aermel vorübergehen, so sieht man sie über die Achsel an; und sollten sie unglücklicherweise eine rote Nose haben von dem Schnaps, den sie tranten, um sich in Wind und Wetter und auf Gewaltmärschen bei Laune zu er= halten, während die anderen zu Hause ihren guten Wein schlürften,

Hans Bauer:

so schilt man sie gleich Trunkenbolde; und so wird aus diesen Soldaten, die so gern daheim geblieben wären und gearbeitet hätten, eine Art Bettler. Das ist meine Meinung von der Sache. Ich finde das alles gar nicht recht und fähe es lieber, die Ruhm. gierigen schlügen sich allein und ließen uns zu= frieden."

Welch tapfere Antläger! Welch mutige Betenner! Dieser Emile Erdmann! Dieser Alexandre Chatrian ! Bor mehr als zwei Menschen altern erhoben sie vereint Stirn und Stimme; ihre Berufung war, so wie es zum Schlusse der Ge­schichte vom Conscrit" heißt, die Jugend über die Eitelkeit des Kriegsruhms aufzuklären und ihr zu zeigen, daß nur Friede, Freiheit und Arbeit allein glücklich machen".

In aufrechter Haltung, die linke Hand auf dem Herzen, tranf ich auf diese beiden aller Ehren merten Landsleute einen und noch einen uralten Nußbranntwein, der hier in ganz besonderer Güte destilliert wird, und gedachte beiläufig des Genossen eines einstigen Bechgelages in Hannover , der jetzt unter dem Namen Erich Maria Remarque ein berühmter Mann geworden ist, weil er einen Kriegs­bericht verfaßte, vor den er minder fühn die Worte fetzte: Dies Buch soll weder eine Antlage noch ein Bekenntnis fein".

Die Flucht aus dem Namen

Es sind in diesen Tagen vor einem Münchener Gericht zwei Brüder wegen verschiedener Roheitsdelikte zu einer längeren Ge­fängnisstrafe verurteilt worden. Daran ist nichts, und das fommt alle Tage vor. Aber der Fall hatte doch eine Besonderheit. Die beiden Brüder hießen Kazenschwanz, und die 3eugen sagten aus, daß nach ihrer Meinung dieser ausgefallene und unschöne Name den Brüdern zum Berhängnis geworden sei. Im Grunde seien nämlich die beiden durchaus gutartige Menschen. Sie hätten indessen von früher Jugend an soviel Hänseleien und Foppereien wegen ihres Namens über sich ergehen lassen müssen, daß sie sich mit der Zeit, nur um ihre Mitmenschen davor abzuschrecken, sich an ihnen zu reiben, eine gewalttätige Geste zugelegt hätten.

Der Name als Schicksalsgestalter! Wir sind an ihn gefettet, er begleitet uns durch alle Tage. Er ist unser Schatten, den wir nicht überspringen fömmen. Wir müssen uns abfinden mit ihm, ob er nun schön oder häßlich ist, anmutig oder plump. Immerhin: so ganz auf Tod und Leben sind wir ihm mun doch nicht ausgeliefert. Im allgemeinen geben sich ja die Menschen zufrieden mit ihrem Namen, und auch wenn er ihnen nicht behagt, denken, fie, schon aus Pietätsgründen, nicht daran. ihn aufzugeben und sich neu zu fir mieren. Zuweilen sprechen gegen einen Namen aber doch zu ge­wichtige Gründe, als daß der unglückseligerweise mit ihm Behaftete gewillt wäre, der Tradition seiner Väter das Opfer einer dauernden schweren Belastung zu bringen. Dann bleibt ihm ein Ausweg: der Antrag auf Namensänderung.

Solch ein Antrag muß, mitsamt den Personenstandsurfunden und den sonstigen Unterlagen, dem Amtsgericht eingereicht werden, das ihn nach Prüfung auf seine formalen Voraussetzungen, nach Rückfragen an die Polizei und nach Erhebungen darüber, ob die Namensänderung vielleicht unlauteren Zwecken dienen soll, an das Justizministerium weiterleitet. Dieses ist dann allein dafür zuständig. Regel haben die Antragsteller gegen ihren alten Namen ein­ob dem Antrag stattgegeben oder ob er abgelehnt wird. In der

Heinrich Hemmer

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Prestigefriedhof

Beim Verlassen einer kleinen mazedonischen Station, wo die Lokomotive ihre Dienste versagte, war ich in einen nahen, umfriedeten, recht geräuschvollen Raum getreten und befand mich unversehens in einem enormen Friedhof, ohne Gräber, aber voll von Menschen, die randalierend, diskutierend und geftitu­lierend auf dem leeren Terrain standen, während struppige Boli zisten und bärtige Männer mit Dolchen sich drohend zwischendurch bewegten und Kinder nachdenklich in der Nase bohrten. ,, Wann kommt die Leidye?" fragte einer.

In einer Viertelstunde muß sie da sein!" sagte ein anderer. Ist der Bürgermeister gestorben?" fragte ich ,,, Ein berühmter Dichter, oder ein Nationalheld?"

,, Nein," ertönten Stimmen aus der Menge, es ist nur ein dummer Esel."

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Die Männer hielten sich den Bauch vor Lachen, die Kinder ein glatter glattrafierter Herr mit Diplo ließen von der Naſe ab matenbrille zieht mich beiseite, stellt sich als Legationsrat P. 2. vor und erbietet sich mir Ortsfremden, die Situation zu erläutern. ,, Dies ist ein Prestigefriedhof," sagte er. Die Rumänen bauen, das ist höhere Politif, in Mazedonien Schulen, Kirchen und Friedhöfe für ihre Stammesbrüder, die ausgewanderten Aromunen. Es gibt deren 80 000 in Mazedonien . Aber sie wohnen zerstreut auf dem Lande: die Schulen, Kirchen und Friedhöfe für sie stehen leer. Man versucht daher das ist wiederum höhere Politik sie zu bevölkern. Was diesen Friedhof anbelangt, so trachtet das Komitee mit Hilfe des Propagandafonds Leichen für denselben an­zutaufen. Man wendet sich an mittellose Todeskandidaten, ver­schönt ihre letzten Tage und bietet ihnen allerhand Gratifikationen für die Familie an, wenn sie sich bloß im rumänischen Friedhof zur ewigen Ruhe bestatten lassen wollen. Oder man wendet sich mit einem Sched und einer quittierten Leichenbestattungs­rechnung an die trauernden Hinterbliebenen und malt ihnen in den lebhaftesten Farben aus, wie sanft der Dahingeschiedene im rumänischen Friedhof ruhen würde, wo reichlich Platz ist und niemand die ewige Ruhe stört. Aber die Mazedonier wollen nicht als tote Rumänen im Grabe liegen, denn die Bopen verfluchen sie dann samt ihrer Familie. Im ganzen Ort war nur ein einziger Toter, ein Türke aufzutreiben, der keine Familie besaß. Er wurde im Propagandafriedhof feierlich begraben. Aber bald erhob die Türkei Ansprüche auf ihn und wollte ihn erhumieren laffen. Das führte zu energischen Schritten bei der Hohen Pforte von seiten Rumäniens . Schon damals drohte ein Konflikt.

Der Türke schlummerte noch immer friedlich in der östlichen

zuwenden, daß er anzüglich oder daß er geeignet sei, sie lächerlich zu machen. Fast immer müssen die Behörden einsehen, daß es triftige Erwägungen sind, die jemanden zur Aufgabe seines Namens treiben, und nur recht selten geschieht es daher, daß das Justizministerium Anträge auf Namensänderung glaubt ablehnen zu müssen. Die Zahl der Antragsteller beläuft sich beispielsweise in Groß- Berlin jährlich auf etwa vier bis fünfhundert. Die Kosten be laufen sich, je nach dem Stand, auf zehn bis fünfzig Mark. Böllig unentgeltlich werden im Interesse einer Förderung des Deutschtums fremde Namen germanisiert. So fulant und einfichtsvoll die Behör den aber gegenüber peinlichen und für deutsche Zungen ungewohnten Namen sind, so wenig Verständnis bringen fie gegenüber jenen auf, die ihren Namen nüchtern und alltäglich finden und ihn durch einen zweiten ergänzen möchten. Doppelna men werden nur in den seltensten Fällen bewilligt, und dann ist das auch nicht ganz billig. Fünfhundert bis viertausend Mark verlangt der Normaltarif fir das Anhängsel, womit aber nicht gesagt sein soll, daß der Preis die Viertausend- Mark- Grenze nicht auch noch wesentlich überschreiten fönnte. Wichtig für das Ministerium, wenn auch nicht entscheidend, ist die Meinung der Verwandtschaft des Antragstellers. Oft genug geschieht es, daß sie wohl prinzipiell die Gründe des Flüchtlings aus seinem Namen anerkennt, aber doch für ihr Teil nicht gewillt ist, dessen Folgerungen zu ziehen.

Tröpfchenweise bröckeln, nach dem Willen ihrer Opfer, die häß­lichen und unangenehmen Namen aus den Adreßbüchern heraus, und es ist damit zu rechnen, daß sie immer seltener werden, denn die Zeiten, in denen jene Namen vornehmlich dadurch in Umlauf famen, daß sie jüdischen Untertanen von Gewalthabern böswilligerweise aufgezwungen wurden, sind vorüber. Bald werden die letzten Herren Fußgeruch, Käsebier und Kazenschwanz aus den amtlichen Büchern gestrichen sein und sich endgültig dahin zurückgezogen haben, wo allein sie für ewige Zeiten ihre Existenzberechtigung haben: in die Witzblätter und in die Sommerschwänke.

Friedhofsecke: in der westlichen eine arme Bettelfrau aus der Bor­stadt. Die Leichen zweier Trunkenbolde aus der Umgebung wurden nach vielem Hin und her in der Nord- und Südecke bestattet. Aber in der Mitte sah der Friedhof öde und verlassen aus. Woher Leichen nehmen und nicht stehlen? Die griechischen Geistlichen kauften im Dienste ihrer Kirche beangabte Leichen zurück. Da in­dessen der Propagandafonds noch lange nicht erschöpft war, faßten die Rumänen den kühnen Plan, geeignete Tote aus der Ferne tommen zu lassen, sozusagen zu importieren. Das war ein schwie riges Unternehmen, denn in den Gegenden, wo man auf Leichen rechnen fonnte, gab es feine Bahnverbindung und oft nicht einmal einen für einen Lebendigen passierbaren Weg. Zudem sind die Aromunen Nomaden und man kann unmöglich immer hinter ihnen herziehen und warten bis einer von ihnen stirbt.

Da wurde tief im Gebirge ein toter Mann von unbe stimmter Herkunft entdeckt und man taufte ihn als Zen­trumsstück für den Friedhof auf. Leider war das wieder eine der­fehlte Spekulation. Dem Transport stellten sich hindernisse aller Art in den Weg. Die Popen behaupteten, der Tote sei ein bul garisch sprechender Grieche gewesen, müßte auf ortho­bore Weise bestattet und seine Gebeine nach drei Jahren wieder ausgegraben und mit Wein gewaschen werden, mur so könne er die ewige Ruhe finden. Die Türfen behaupteten, er sei ein Mo­hammedaner gewesen, die Serben, die Albanesen, die Bul. garen, alle reflamierten den toten Mann, die ganze komplizierte Balkan - Nationalitäten und Kirchenfrage wurde an der wehrlosen armen Leiche aufgerollt. Man tam nicht von der Stelle. Schließlich hielts der Tote nicht mehr aus. Er löfte sich in seine Bestandteile auf und verpestete die Gegend. Daraufhin verfügten die Behörden, der reisende Tote müsse an Ort und Stelle begraben werden, also neben der Landstraße. Das war ein schwerer Schlag für den Prestigefriedhof, aber man gab die Hoffnung nicht auf. Noten und Verbalnoten wurden abgelassen, der Tote beschäftigte jegt die Balfandiplomaten. Schließlich erhielten die Rumänen die Erlaubnis, den Leichnam an der Landstraße auszugraben und auf den Friedhof zu überführen. Man grub, fand aber feine Leiche. Bahr. scheinlich war der ruhefose Tote heimlich in einem Konkurrenzfried­hof bestattet worden. Als man endlich doch einige Knochen fand, wurden diese eingefargt, transportiert und man erwartet jetzt die feierliche Bestattung."

Kaum hatte der Legationsrat geendet, so wurde ein Sarg auf den Friedhof getragen. Viele Menschen, fühlte ich, werden wohl wegen dieses toten Esels ihr Leben lassen. Ein ungeheurer Tumult erhob sich, Dolche flogen auf und alles schrie wild durcheinander Da läutete es auf dem Bahnhof und eilig verließ ich den friedloser Friedhaf.