7!r. 185* 47, Jahrgang
4. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 20. April 1930
Vorstoß zur Havelquelle
Von Baum zu Busch schlängelt sich dietla vel als riesiges kr auf überwachsenes Rinnsal.
Berlin Legt an drei größeren Flüs. An der Dah- , der Spree der Havel . Berliner liebt diese Flüsse, und de- sonders die Hovel. ihre schönen Seen und bewaldeten Hü< gel. die er stolz ..Berge' nennt, ha- den es ihm angetan. Wie viele Berliner aber mögen wissen, daß sie„da oben irgendwo m Meck. Kirburg " ihren Ansang nimmt. Aber wie dieser Ansang aussieht, wo die Quelle wirklich liegt, das bleibt Geheimnis— Grund genug, die Hovelquellen zu besuchen und so einen Vorstoß in dos so wenig bekannte Deutschland zu machen. Der Faltbootfahrer macht sich die Sache bequem. Er folgt einfach dem Havellaus aus- wärts, über Spandau , Oranienburg . Zehdenick , Fürstenberg , Wesen- berg bis nach Äratzeburg. Kratzeburg liegt als Eisenbahnstotion an der Strecke Berlin — Waren, und wer die Haoelquellen direkt besuchen will, der tut gut, sein Boot daheim zu lassen, denn von Kratzcburg aus muß er zu Fuß nordwärts wandern, da die Havel besonders in heißen Sommertagen ein so schmales Rinnsal ist, daß sie für das Boot zu wenig Wasser hat. Auf StraubesWanderkarte machte man sich die Bezeich. nung der Havelquclle sehr leicht. Man schrieb einfach hinter Kratze. bürg ,F>av«lquellen' hin und ist damit der Wahrheit leider nicht sehr nahe gekommen. Die Hovelquellen liegen noch weit entfernt. Zunächst schlängelt sich die Hovel von Kratzeburg etwa einen Kilometer lang als ein zeitweilig mit Strimchern und Bäumen innstandenes Räch lein durch ein entzückendes Wiesenthal. Rechts und links sind Anhöhen, die so stolz und erhaben auf das kleine Bäch'.ein im tiefen Grunde herniederschauen, als ob es gar nicht für sie vorhanden wäre. Mau tut gut, rechtzeitig den Hovellauf zu verlassen, um die Chaussee nach Dam deck oder nach P i e v e r s d o r f zu er- reichen, denn das Gelände ist moorig, es schwankt bei jedem Schritt. Man erkennt unschwer, daß hier früher, als die Wasser der Havel sich noch nicht so verlaufen hatten wie heute,«in flacher See gewesen ist, von dem der kleine Havelbach als ein sckläbiger Rest zurückblieli und dessen Grund heute die Nahrung für dos Vieh der Umgebung liefert. Dann weitet ssih das bescheiden« Bächlein wieder zu einem etwa«inen halben Kilometer langen See. dem R ö t h s« e, der durch ein schilfbestandenes Fließ mit dem etwa Vi Kilometer langen
Am Quellsee der Havel in-63 m über dem Meere. Dambecker See verbunden ist. An diesem Fließ liegt der ver- wildert« Schloßpark des Gutes Dambcck. Brennesseln und anderes Unkraut wachsen in Massen, und der ganze Park sieht aus, als ob er
Von Willi Möhns
zu einem verwunschenen Schloß gehöre. Am Südwestrand des Dam. becker Sees.liegen die Gutshäuser. Warntafeln weisen auf bissige Hunde hin, zwei gewaltige«isern« Tore können die Chaussee von Kratzeburg nach Dambeck versperren. Frauen tragen Milchkannen. und wer sie nach den Haoelquellen fragt, wird einen verständnislosen Blick erhalten. Etwa einen halben Kilometer hinter Dambeck be- gnmt die Dambecker Forst, und daß wir es hier mit einem Privatwald zu tun haben, dos beweist eine Tafel, die das Betreten der Dambecker Forst, die teilweise anmutet wie ein Urwald, bei 5 Mark Strafe verbietet. Kurz vor dem Wald« liegt links von der Chaussee ein« ansehnlich« Höhe, von deren Gipfel man einen wunder- baren Dreifeenblick hat. Man sieht Dam becker sowie den Röthsee, und am Horizont einen feinen Strich des von Bergen umgebenen Käbelicksees. Die Havel ist überhaupt«in merkwürdiger Fluß. Während die Elb «, die Oder, der Rhein und die meisten Flüsse aus irgendwelchen kleinen Rinnsalen ihre Quellen bilden, aus denen dann das Bächlein, der Bach und endlich der Fluh entftsht, ist die.Havel nichts anderes als eine Perlenkette von Seen, die durch die Schnur des Flußlaufes unterbrachen wird. Kurz nach dem Betreten der dichten Dambecker Forst haben wir einen herrlichen Blick auf den kleinen Tannen-
Hinter diesem Wall von Blättern schläft die Harelquelle. f««, der äußerlich mit der Hovel nicht in Derbindung steht. Es ist ein«ntzückender kleiner Woldsee, wie man ihn zuweilen in Gebirgs- wäldern antrifft, eingerankt von Schilf, Laub- und Nadelbäumen. Und wenig« Schritte nur vom Nordend« des Tannensees finden wir «in« Art Brückengeländer, ein hoher Busch schmiegt sich daran. Dieses dicht bewachsen« Fließ , über das man mühelos hinwe-gschreiten kann, dos man kaum für die Havel holten würde, strebt in fast geradem Lauf durch das Gelände. Es verbindet den Dambecker See mit«inein winzigen, in 63 Meter Höhe gelegenen W a l d s e e. Dichtes Unter. holz, mooriger Boden und Schilf erlauben an dieser Stell« kein weiteres Nordringen. Und nun wird die Landschaft phantastisch hügelig. Fn großen Wellenlinien schwingt das Gelände dahin. Man muh schon über den Acker schreiten, wenn man zu diesen, kleinen See vordringen will. Endlich erhascht man zwischen Schilf und Erlen inmitten einer unsäglichen Einsamkeit den zweiten See, den die Havel auf ihrem 3-tl Kilometer langen Lauf durchstießt. Wenige Schritte hinter diesem kleinen See liegt, durcki«in winziges Rinnsal mit ihm verhunden, ein fast ebenso winziger See, der eigen tlicheQuellsee, aus dem die Havel ihren Lauf südwärts nimmt. Diese beiden Seen, der.große' D i c k s e e und der M i d d e l- s e e, sind eingehüllt von Hollunder , Erlen und Eichen. Sie mögen srüher einmal mit dem Dambecker, dem Röthsee und dem Käbelicksee ein einziges Wasser gebildet haben Hinter ihnen erhebt sich als sirenge Wasserscheide hügeliges Gelände, und hinter diesen Hügeln liegen Seen, die wie Juwelen in die Landschaft eingestreut sind: Der Mühlensee, der Wittsee, der Trinnensc« und eiüZlich der Born see. Ihre Abflüsse wenden sich nicht wie di« Hovel nach Süden, sondern nach Westen und Norden. Auch diese Seen liegen in einer Höhenlage von 63 Meter, aber sie gehören nicht mehr zum Quellengebiet der Havel .'Rings um die Havelquellen herum gibt es zahlreiche klein«, aft non Bäumen umstandene Weiher, Ueber-
In der Dambecker Forst.
bleib sel aus einer lang« hinter uns liegenden Epoche der Erde. — Früher sollen übrigens auch der Mühlensee, der Trinnense« und der Bornsee mit dem Middelsee in Ber- bindung gestanden haben. Da aber die in der Nähe des Mühlensees gele- gene Ankershägen er Mühle zu wenig Wasser haste, wurde der Abfluß zum Middelsee zugeschüttet und damit«ine künstliche Wasser- scheide aufgerichtet. Die Wasser der drei Seen fließen nun zur Tollense und sonnt in die Ostsee , während das Wasser des Middel- fecs durch di« Havel zur Elbe und damit in die Nordsee gelangen. In der Schule wird gelehrt: Die Havel entspringt aus der meck- lenburgischen Seenplatte. Das ist richtig und ungenau zugleich. Die Havel entspringt aus dem misten in der Dambecker Privatforst in 63 Meter Höhe gelegenen kleinen Middels««, genau 4 Kilometer nördlich von Kratzeburg . Wenn man will, kann man noch einen im Südosten in den Käbelicksee mündenden Bach, den Boden dach, der aus den, Kleinen und dem Großen Bodensee kommt, als zweite Quelle der Havel ansprechen. Sie nimmt auf ihrem Laus zahlreiche Fließe auf. Nielleicht gibt es auch in den Seen unterirdische Quellen, die noch nicht erforscht sind. Schon Ist Kilometer nach ihrer Entstehung ent- wickelt di« Havel in der Granziner Mühle 17 Pferdestärken, und nach weiteren 15 Kilometern treibt sie in der hochragenden Useriner Schneide- und Mahl mühle eine Turbine von 75 Bis hierher kommen auch die größeren Kähne. Die Havel trägt jetzt auf ihrem immer breiter werdenden Rücken schwere Lasten. Aber immer wieder bleibt das alte Spiel. Sie eilt von See zu «ee, sie ist der deutsche Seenfluß. � Wenn einmal die Mark Brandenburg als die Streusand« büchse des Deutschen Reiches bezeichnet worden ist, so tut man ihr wirklich unrecht. Davon legt euch die Havel Zeugnis ab. Die märkische Landschaft hat Reize wie nur je eine Landschaft Deutschlands , und an Abwechslung fehlt es ihr nicht. Dieses Hin und Her zwischen Seen und Flüssen, Hügeln-und flachem Land, Wald, Wiese, Sand und kultiviertem Boden— man findet es in dieser Mannigsältigkeit schwerlich wieder. lind wenn man mst der
Granziner Mübie: 10 hm nach ihrem Ursprang treibt die Havel hier eine Turbine von 17 PS. „Streusandbüchse' einmal die Unfruchtbarkeit Brandenburgs bezeich- nen.wollte, so stimmt auch dos längst nickst mehr. Menschcngeist und Menschenfleiß haben auch hier die spröde Natur bezwungen.
Sie legen Ihr Geld vorteilhaft an
Wenn Sie es für eine Lebensversicherung einzahlen. Gerade dann, wenn ein größerer Betrag dringend nötig ist, z. B. für die Ausbildung und Ausstattung Ihrer Kinder, für Ihr Alter oder beim Ableben für Ihre Familie: in allen diesen Fällen erweist sich die Lebensversicherung als zuverlässigste und zweckmäßigste Geldanlage, und oft zahlt sie ein Vielfaches von dem Eingezahlten aus.
Fragen Sie einen Versicherungs-Fachmann1.
I