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Beilage Dienstag, 22. April 1930

Mediziner- Deutsch

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Eine kleine Auslese

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Es ist nichts Neues, daß die Heranbildung des ärztlichen Nach wuchses nach veralteten Methoden erfolgt und grundlegender Re­formen bedarf. Der soziale Geist im medizinischen Unterricht um den Hauptmangel zu nennen fehlt fast vollständig. Daß die Medizin in erster Reihe eine soziale Wissenschaft ist, wird den jungen Studenten viel zu wenig flargemacht. Die Sozialhy: giene das wichtigste Beispiel wird noch immer nur als ein eigenes Unterrichtsfach behandelt, losgelöst von den anderen Ge­bieten der Heilkunst, obgleich die Verbindung mit sozialen Gefichts­punkten, mit den Forderungen der Volksgesundheit, der heutigen Entwicklung entsprechend, in allen medizinischen Unterrichtsfächern hergestellt werden müßte. Auf diesen Uebelstand hat erst fürzlich Schloßmann aufmerksam gemacht.

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Aber auch für denjenigen, der sich mit den gegenwärtigen Ber­hältnissen abfindet, ergibt sich genügend Grund zur Klage. Die Durchschnittsbildung des jungen Nachwuchses ist oft er­staunlich gering. Wie sich dieser Mangel in späterer Zeit beim reifen Mediziner, ja sogar beim hervorragenden Wissenschaftler aus­

wirft, das merkt man an Kleinigkeiten, die zu denken geben. Eine Folge ungenügender Vorbildung ist zweifellos die Sprachver= wilderung, die in der medizinischen Fachpresse manchmal ge­radezu groteste Formen annimmt. Die Fähigkeit, seinen Gedanken flaren Ausdruck zu verleihen, ist für jeden Schreiber, mag er Bissen­schaftler, Künstler oder sonst etwas sein, die Borbedingung, um beim Leser die beabsichtigte Wirkung hervorzurufen. Anscheinend ist die in manchen Aerztekreisen noch immer verbreitete Meinung, daß die Medizin eine Geheimwissenschaft ist, die Ursache einer Geheim sprache, die, wie sie voraussetzen, von den Eingeweihten" ver­standen wird. Und die anderen brauchen sie ja nicht zu verstehen!

Nach einem Buche des Marburger Professors Ernst Kretsch

mer besteht zum Beispiel die Hysterie aus einem

,, Komplex psychogener Reaktionsformen, bei denen eine Borstel. Lungstendenz sich instinktiv, reflegmäßig und sonstwie biologisch porgebildeter mechanischer Mechanismen bedient".

Daß kein Leser daraus flug wird, macht dem Autor weiter feine Kopfschmerzen. Die Anhäufung von Fremdwörtern ist eben eine Folge der Unfähigkeit, sich klar auszudrücken, ein Bildungs mangel, den man in hunderten und tausenden gelehrten Abhand­lungen begegnet. Wieviel Studenten sind gezwungen, über den Sinn derartiger mysteriöser Aeußerungen in Lehrbüchern stundenlang zu brüten? Wieviel Zeit geht dem Leser, verloren, der sich unrettbar in das Dickicht dieses gelehrten Stiles verstrict und schließlich froh ist, mit einer blaſſen Ahnung des möglichen Inhaltes davongekom. men zu sein. In der Medizinischen Klinit", 1926, Nr. 44,

war zu lesen:

,, Es bedarf wirklich des 3erhauens dieses gordischen Knotens durch energische Einverleibung von wirt samen antisyphilitischen Mitteln, um auf einen grünen 3weig zu fommen." Gottvoll! Was??

Gespenster

Stadt Berlin

Der Abend

Sadausgabe des Vorwäre

Gesundheitsamt Eheberatung

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ratung auf Ehetauglichkeit tann also wohl ein ernstlicher Einwand von teiner Seite erhoben werden.

Die Eheberatung befaßt sich ferner mit der Beratung von Per­sonen, die im Eheleben oder im Geschlechtsleben auf irgendwelche Schwierigkeiten stoßen. Häufig gelingt es einer fachverständigen Beratung, den Grund dieser Schwierigkeiten, der dem Betroffenen selbst nicht immer tlar ist, festzustellen und für Abhilfe zu sorgen. Auch hiergegen fann allgemein nichts gesagt

werden.

Bei der vorjährigen Beratung des Berliner Etats wurden für| den Ausbau der Cheberatungsstellen auf Antrag ber sozialdemokratischen Fraftion 20 000 m, in den Haushalt eingesetzt. Die deutschnationale Frattion befämpfte diesen Posten, der für den Berliner Etat wirklich von keiner großen Bedeutung ist, mit einer Energie, die einer besseren Sache würdig wäre. Als schließ lich doch der Antrag angenommen war, in Berbindung mit einem Antrag, der Richtlinien für die Arbeit der Eheberatungsstelle ver­langte und aussprach, daß die Geburtenregelung Pflicht­aufgabe der Eheberatung bilden soll, kam von deutschnationaler Seite der Zwischenruf: Beeilen Sie sich damit nicht, Herr Stadt­medizinalrat! Als die finanziellen Schwierigkeiten der Stadt Berlin begannen und der Magistrat Sparmaßnahmen auf allen Gebieten anordnen mußte, waren diese 20 000 m. tatsächlich noch unbe= rührt. Sie wurden dann auch vom Stadtmedizinalrat sofort als ein Bosten angemeldet, der in diesem Etatjahr erspart werden tann. Ferner hieß es in der Rundverfügung an die Bezirke, für das Etatjahr 1930 find Mittel für den Ausbau der Eheberatungsmittel der Schwangerschaftsverhütung belehrt. ftellen nicht vorzusehen.

Die Eheberatung ist ein Zweig der Fürsorge, der ganz mini­male Kosten verursacht. Die Sprechstunden werden in den meisten Bezirken vom Stadtarzt oder einem hauptamtlichen Für forge arat abgehalten. Aerztliche Untersuchungszimmer find in jedem Bezirksamt vorhanden, und da die Sprechstunden zweckmäßi­gerweise meist am Spätnachmittag oder am Abend stattfinden, kann ohne weiteres z. B. ein schulärztliches Zimmer dazu benutzt werden. Als Hilfskraft ist höchstens eine Schreibhilfe erforderlich, und Mate­Sparverfügung empfohlen wird, Schulärzte, die nicht voll beschäftigt rial wird weiter nicht gebraucht. Auffällig ist es auch, daß in der sind, nebenher in der Sportberatung zu beschäftigen. Die Eheberatung ist dagegen nicht erwähnt.

Man sieht also hier, daß der Ausbau der Eheberatung nicht an den finanziellen Schwierigkeiten der Stadt, sondern vielmehr an der prinzipiellen Einstellung der Deutschnationalen und des Haupt. gesundheitsamtes scheitert.

Barum nun dieser Kampf gegen eine Fürsorgeeinrichtung, durch die die Stadt finanziell gar nicht nennenswert belastet wird? Die Untersuchung der Chekandidaten auf Ehetauglichkeit wird von allen Parteien als sehr wünschenswert und wichtig anerkannt. lichkeitszeugnisse einzuführen. Ein obligatorischer Zwang erscheint Es wurde wiederholt der Vorschlag gemacht, obligatorisch Chetaug­nun feineswegs erwünscht. In die allerpersönlichsten Angelegen heiten der Menschen, zu denen man ja eine Eheschließung rechnen Sarf, soll sich nach Möglichkeit der Geseggeber nicht einmischen. Um so erwünschter ist es aber, daß die Bevölkerung durch Aufklärung und Erziehung zur Verantwortlichkeit dahin tommt, von sich aus eine Untersuchung zu verlangen, bevor eine Ehe geschlossen wird. Wir versorgen in Deutschland ein Heer von 75 000 3dioten, 100 000 Epileptikern und 200 000 Geiftestranten. Noch viel größer ist die Zahl der Geistesschwachen, der Trinter und der Menschen mit ande ren minderwertigen Anlagen. Im Interesse der Allge­Ohne Zweifel haben wir es hier mit Bildungslüden zu tun. meinheit ist es feineswegs erwünscht, daß solche Menschen Ehen Mit erfrischender Deutlichkeit sagte seine Meinung in der Deutschließen und sich fortpflanzen. Es tommen ferner die Menschen schen Medizinischen Wochenschrift" Nr. 14 der Frei- in Frage, die an Tuberkulose, an schwerem Diabetes oder an Ge­burger Profeffor A. E. Hoche. der eine klinische Abhandlung in schlechtsfrankheiten leiden, und die sich meist nicht darüber flar find, einer angesehenen Zeitschrift eine Sprachstümperei nennt und be= ob in ihrem eigenen Interesse, im Interesse des Ehepartners und dauert, daß der Direktor, aus dessen Klinik die Veröffentlichung der Nachkommenschaft eine Ehe zweckmäßig ist. Gegen eine Bes stammt, sie herausließ, und daß die Schriftleitung eine solche bla inable Arbeit nicht beanstandet hat. Herr Ho che bellagt sich über das Niveau der Unbildung der jungen Mediziner. Er tritt für die humanistische Vorbildung ein usw. In den meisten Dingen hat Herr So che redyt, und wir empfinden es als sehr nüßlich, daß einmal in einer Fachzeitschrift diese Dinge beim rechten Namen genannt werden, schon weil dadurch der üble akademische Hochmut, der viele Mediziner für jede Kritik unzugänglich macht, empfindlich gedämpft wird. Aber nicht einverstanden erklären wir uns mit der Art, wie Herr Hoche diese Stritit vornimmt, und wen er für die geringe Durchschnittsbildung verantwortlich macht. Herr Hoche ist der Typus jener Profefforen, die es nicht unterlassen fönnen, bei jeder Gelegenheit blindwütige politische Eselstritte zu verteilen - auch dort, wo die Schuld an den Mißständen mit den politischen Berhältnissen nichts zu tun hat. Herr Ho che leistet sich beispiels weise den nachstehenden Gedankensplitter:

Der häufigste Grund der Ehefonflikte und der Schwierigkeiten im Geschlechtsleben liegt aber in der Furcht vor einer un= gewollten Schwangerschaft. Diese ständige Angst bringt die Frauen dazu, den ehelichen Verkehr zu verweigern, oder, wenn eine Schwangerschaft eingetreten ist, eine Abireibung vorzunehmen, durch die Leben und Gesundheit der Frau schwer gefährdet wird. Auch in diesen Fällen muß die Eheberatung hel.

fen, indem sie die Frauen über zweckmäßige und unschädliche

Hier aber fängt die prinzipielle Gegnerschaft an. Es wird behauptet, daß die Eheberatung sich schließlich zu reinen Bessartliniten ausbildet und die Verminderung der Ge­burtenhäufigkeit ihre Hauptaufgabe wäre. Wenn es richtig ist, daß in sehr vielen Fällen die Bevölkerung Aufklärung über Ge­burtenregelung verlangt, dann ist ja damit bewiesen, daß S.ellen, die hierüber sachgemäß Auskunft geben, einem dringenden Bedürfnis entsprechen. Die Geburtenhäufigkeit wird auch

burtenregelung wird nur in die richtige Bahn geleitet. Daß sicherlich durch die gegebene Auftlärung nicht herabgesetzt; die Ge­

die bürgerlichen Kreise nicht für sich, sondern nur für das Pro­letariat die Geburtenregelung ablehnen, ergibt sich aus einer Statistit, die aus dem Jahre 1911 stammt.

Wir müssen uns aber auch mit Einwänden auseinandersetzen, die von Persönlichkeiten tommen, die zur Sozialdemokratie ge hören. Grotjahn steht auf dem Standpunkt, daß die augen­blickliche Bevölkerungsdichte auf keinen Fall abnehmen darf, und er erklärt in seinem kürzlich erschienenen Buch ausdrücklich, daß Ver­ordnung von Verhütungsmitteln nicht Aufgabe öffentlicher Ehe­beratungsstellen sein darf. Wir haben in Deutschland über drei Millionen Arbeitslose. Wir haben über elf millio= nen Frauen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen müssen und bei der Ungunst der wirtschaftlichen Verhältnisse ist ein weiteres Ansteigen der Frauenarbeit nicht eine Frage der Gleichberechtigung, sondern eine unumgängliche Notwendigkeit als Folge der wir schajt lichen Not. Frauen, die berufsmäßig arbeiten, werben aber bet einer Durchschnittszahl von drei bis vier Kindern, die Grotjahn für eine fruchtbare Che fordert, so überlastet sein, daß sie weder ihren Berufspflichten, noch ihren häuslichen Pflichten gerecht weidere fönnen. Es geht im Leben der Bölker genau wie im Leben des Proletariats. Eine Dezimierung der Massen ist verhängnisvoll und bedeutet den Ruin. Ein zu großer Menschenüberschuß bedeutet aber Berelendung. Berelendung. In Bevölkerungsfragen ist nicht immer das Maximum auch das Beste, und wenn ein Land tatsäcich übervölfert ist, dann ist ein zeitweises Abnehmen dieser Zahl durch gewollte Geburtenregelung sicher beffer als ein Ausgleich durch er­höhte Sterbezahlen oder durch Krieg.

Dr. Käthe Frankenthal,

handen, sondern auch bisweilen beim völlig Gefunden, von dem man

Toxin- Antitoxin Antitoxin glaubt, daß schon ganz geringe Mengen von Antitorinen ihn vor Er

Schutzimpfung gegen Diphtherie

Schon vor dem Kriege erfand Behring das Heilserum, mit dem mian Diphtherie erfolgreich bekämpfte und in den meisten Fällen eine rasche Heilung erzielte. Bei beginnender Erkrankung oder bei dringendem Berdacht wurde ebenfalls mit diesem Serum, das nur Gegengifte( Antitorine) enthielt, gesprigt( fog. paffive Schuhimpfung) Wie weit aber die Wie weit aber die nicht erfolgte Anstedung eventuell gefährdeter Familienmitglieder auf diese Schußzimpfung zurückzuführen ist oder nicht, ist nicht genau festzustellen. So berichtete mir neulich ein Arzt, der schon mehrere hundert Diphtheriefälle behandelt hat, er habe die passive Schutz impfung niemals angewendet, und in keinem Falle wäre eine An­

,, Benn ich mich in die Seele unserer Feinde( 1) hinein denke, würde ich mich über jede Entwicklung in Deutschland freuen, die zu der Abschaffung der allgemeinen mitiftedung der gefährdeten Familienmitglieder erfolgt. tärischen Wehrpflicht eine freiwillige Beseitigung der geistigen Wehrpflicht hinzufügt."

Feinde und militärische Wehrpflicht! Das ist die Ausdrucks­weise unseres militanten Professors in einer scheinbar fachlichen wissenschaftlichen medizinischen Abhandlung!

Selbstverständlich ist das Sinken der Durchschnittsbildung der Aerzte nach dem Muster Schuld fan d' Juden" verantwortlich--: Dezember 1927, vom Hauptgesundheitsamt der Stadt Berlin und, die Revolution! Herr Ho che läßt sich vernehmen:

,, Es entspricht diese Entwicklung der allgemeinen jet.herr schenden Tendenz zur Nivellierung; die Revo Iution, mit der wir ja noch nicht abgeschlossen haben, muß ihrem Wesen nach jeder Form der Aristokratie unfreundlich ge­flint sein, gleichwiel, ob es sich um eine solche der Geburt, der Macht, des Geldes oder der Bildung handelt; für die repo Tutionären 3 wede ist nur das brauchbar, was den Charakter der Masse, das heißt der Durchschnitt. lichkeit trägt, und was fich für politische Zwede einfangen läßt..." usw.

Mit dieser Art verbohrter Professoren ist schwer zu reden. An flatt sich mit einem Uebelstand fachlich und vernünftig zu befassen, der seine Ursachen in den verschiedensten, Jahrzehnte alten Ursachen hatader will Herr Hoche etwa behaupten, daß der Bildungsgrad der Aerzte vor der Revolution höher gewesen sei?-, fühlen sie ihr Mütchen an den verhaßten politischen Berhältnissen. Herr Soche gibt unfreiwillig selbst ein Beispiel dafür, auf welchen geistigen Tiefstand eine medizinische Zeitschrift fich befindet, die in ihrem wiffenschaftlichen Teil solche politischen" Bierbantwels heiten Raum gewährt. Herr Ho che ist der Musterfall der zu nehmenden politischen Unbildung des Mediziners", Medicus

Neuerdings ist es aber geradezu Mode geworden, auch bei pöllig Gesunden zur Borbeugung mit einem Gemisch von Diphtherie gift und Gegengist( Torin- Antitoxin- Mischung) zu impfen; dies Ber­fahren wird als attive Schußimpfung bezeichnet. Angeblich sollen dadurch die Impflinge gegen Diphtherie geschützt( immun) werden. Die attive Diphthericschußimpfung, die natürlich frei­willig ist, wird vom Landesgesundheitsrat in seinem Beschluß vom diesem folgend, jetzt auch vom Groß- Berliner Aerztebund in so drin gender Weise empfohlen, daß dadurch auf die Aerzteschaft geradezu ein moralischer 3wang zur Impfung ausgeübt wird. Dagegen trat mun am 16. Dezember 1929 in einem Vortrage in der Sigung der pädiatrischen Seftion des Vereins für innere Medizin und Kinderheilkunde Prof. Friedberger auf, der als Direktor des Forschungsinftituts für Hygiene und Immunitätslehre in Berlin­Dahlem gerade auf diesem Gebiet mit seinen Aeußerungen weitest gehende Beachtung verdient. Aus feinem Referat, das fürzlich in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift" veröffentlicht wurde, seien deshalb hier die wichtigsten Gedankengänge mitgeteilt.

Die theoretischen Annahmen, auf die man bisher im allgemeinen die attive Schußimpfung begründete, sind durchaus unsicher. Man ging davon aus, daß die Diphtherieerreger ein Gift absondern, das quch im Reagensglas erzeugbar ift( jogenanntes Reagensglasgift), und dessen Einspritzung( durch Bazillen oder als Reagensglasgift) imter die Haut( fubtutan) eines Tieres bei diesem im Blute Gegengifte( Antitogine) hervorruft. Diese Antitorine vermögen, nun ihrerseits bei anderen Tieren und auch meist beim Menschen die Wirtung des Diphtheriegiftes( Bazillen und Reagenz glasgift) aufzuheben( paffive Immunisierung). Solche Antitoxine find im menschlichen Blute aber nicht nur nach einer überstandenen Krankheit oder einer paffiven Schugimpfung vor

franfung an Diphtherie schützen. Für Menschen ohne folche Anti­togine hat man deshalb die aktive Schuhimpfung mit einem Torin Antitoringemisch erdacht, das die Gegengifte in seinem Rorper ver Diphtherieempfänglichkeit gleichießte, festzustellen, bedient man fich mehren soll. Um das Fehlen von Antitog nen, das man mit einer Hautreaktion, der fog. Schid Reattion, deren policier Ausfall also angeblich ein Zeichen von Diphtherieempfänglich ett t Friedberger weist nun nach, daß diese ganze Antilorintheorie höchst fraglich ist. Er erinnert an einen wichtigen Verfuch von Bingel, der im Laufe von zwei Jahren bei über 900 Diphtheries fällen abwechselnd Diphtherieantiserum und normales Pferdeferm verwendete, und der einen Unterschied im Erfolge nicht beobachten konnte. Bahlreiche Aerzte befunden ferner, daß das Borhanden­sein von Antitoginen feinen wirksamen Diphtherie schutz bedeute, daß vielmehr auch sog. schid- negative Personen er tranfen. Ebenso falsch ist die Annahme, daß das Fehlen von Gegen­giften besonders diphtheriempfänglich mache; denn es genesen auch Personen, die nicht mit dem antitoxinhaltigen Heilserum geimpft sind, und die nachher trotzdem feine Antitoxine aufweisen. Worauf also die natürliche Heilung der Diphtherie beruht, wissen wir noch gar nicht

Inzwischen mehren sich jedoch in letzter Zeit die Stimmen der Steptiker unter den Aerzten der großen Kinderkliniken. Friedberger führt eine Reihe derartiger Aeußerungen an, die bezüglich der Schuhimpfung sämtlich zur Zurückhaltung mahnen Doch, mehr noch als diese theoretischen Einwände geben die Statistiken zu denken. So hat sich die Zahl der Todesfälle.an Diphtherie obwohl doch gerade in den Großstädten in diesen Jahren schon viel in 48 Großstädten im Jahre 1929 gegenüber 1927 verdoppelt, fach die Schuhimpfung angewendet worden ist. In Berlin ist der Anteil der Todesfälle unter den Erkrankungen ziemlich gleich ge-. blieben; eine geringe Senkung bei den Geimpften fann mit weit größerer Wahrscheinlichkeit der besseren sozialen Stellung und infolge­dessen besseren Pflege dieser Kranten zugeschrieben werden. Aus dem Urbanfrankenhause wird sogar berichtet, daß der Anteil der schweren Diphtheriefälle unter den Geimpften größer war.

Diesen Bedenken fügi Friedberger noch die weitere Erwägung hinzu, es felen direkte Schädigungen durch die attive Schutz­impfung nicht ausgefchloffen, auch wenn sie sich zunächst nicht in sofortigen Erscheinungen zeigen. Friedberger und auch Opiz find der Meinung, daß Spätschädigungen von Nerven, Herz und Nieren durch die attive Schußimpfung durchaus nicht gänzlich ausgeschloffen feien und man darauf fein Augenmert richten müßte.

Die Sachverständigen des Bölferbundes baben sich auf ihrer Beratung in Paris vom 4. bis 6. Juli 1929 bereits größere Zurückhaltung gegen früher in dieser Frage auferlegt. Wir empfehlen den zuständigen deutschen Stellen ein gleiches!

Ewald Bohm.