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Die Parteigenossen in Riesa   faßten in einer Polls- Versammlung einstimmig folgende Resolution:Die Versammlung erachtet es für nothwendig. sich an den nächsten Wahlen mit aller Macht zu betheilige», und erklärt sich entschieden gegen eine sofortige Mandatsniederlegung." Eine in Meerane   abgehaltene Parteiversammlung für den 17. Reichstags- Wahlkreis hat sich mit der Mandatsnieder- legung nicht einverstanden erklärt. In Hartmannsdorf   beschloß eine Versammlung des . Reichstags- Wahlkreises(Mitl weida- Limbach) mit Treiviertel-Majorilät:Die Versammlung erkennt an. daß uns das Dreiklassen-Wahlsystem die Möglichkeit nimmt. ferner- hm noch sozialdemokratische Vertreter in den Landtag zu bringen. sieht aber darin keinen Grund, die jetzigen Mandate vor ihrem Ablauf niederzulegen. Die Reaktion will ausgesprochenermaßen durch das neue Wahlsystem die sozialdemokratischen Vertreter aus dem Landtage hinaus- bringen, die Mandatniederlegung würde also nur den Absichten der Reaktionäre entgegenkommen und die Mandate würden nicht der Reaktion, sondern den sozialdemokratischen Wählermassen vor die Füße geworfen. Diese aber der Reaktion eher aus- zuliefern, als die Rothwendigkeit zwingt und die politische Position der Partei zu opfern, erachtet die Versammlung als einen taktischen Fehler. Durch das fernere Verbleiben unserer Vertreter im Landtage wird die Würde der Partei nicht verletzt. vielmehr erheischt es die Würde der Partei, daß sie in Reich. Staat und Gemeinde so lange ihre Vertreter habe, als sich ihr hierzu die Möglichkeit bietet." Diese Versammlung ist noch insofern von Bedeutung, als auf Ersuchen Echoen lank aus Leipzig   herübergekommen war. um seinen bekannte» Standpunkt zu vertreten. Trotzdem er, wie die BurgstädterVolksstiinme" sagt,mit wahrem Feuer- eiser. mit verblüffender Redegewandtheit" klarzulegen suchte, daß es der Partei unwürdig sei, unsere Abgeordneten in der Kammer zu belassen mit der Gewißheit, nach vier Jahren vollständig herausgedrängt zu werden, gelang es ihm doch nicht, die Mehr- heit der Parteigenossen für seine Anschauung von der Zweck- Mäßigkeit der sofortigen Mandatsniederlegung zu überzeugen. In Bautzen   sprachen sich in einer Parteiversammlung sämmtliche Redner für die Beibehaltung der jetzigen Landtags- Mandate aus; dagegen waren die Meinungen über die fernere Wahlbetheiligung sehr getheilt. Schließlich wurde folgende Re- solution angenommen:Die Delegirte» von Bautzen   mögen auf der Landesversammlung dafür wirken, daß sich die Sozialdemo- kratie künftig nicht mehr aktiv an den Landtags-Wablen be- theiligt, wohl aber desto mehr für das allgemeine Wahlrecht agitirt. Doch sollen die Delegirten nicht unbedingt gebunden sein." Von der Agitation. In Osnabrück   sprachen am Sonntag vor einer von 1300 Personen besuchten Wähler-Ver- sammlung Reichstags-Abgeordneter Dr. L ü t g e n a u und der Reichstags-Kandidat Schräder über die bevorstehende Wahl. Beide Redner ernteten für ihre Ausführungen stürmischen Beifall. Eine Resolution, wodurch man sich verpflichtete, für die Kan- didatur Schrader's energisch einzutreten, wurde einstimmig an- genommen. Todtenliste der Partei. Ein treues Proletarierherz hat aufgehört zu schlagen. Am Mittwoch Morgen ist in K o t t b u s unser braver Genosse Alfons Beyer gestorben. Er war bis zu seiner vor Jahresfrist eingetretenen Erkrankung, von der er sich nicht wieder erholte, unermüdlich für die Interessen des arbeitenden Volkes thätig. Dem internationalen Kongreß der Textilarbeiter wohnte er seinerzeit als Delegirter bei. Die Arbeiterschaft wird dem tapferen Kampfgenossen, der allezeit seine Pflicht als braver Mann gelhan, dauernd ein ehrendes Andenken bewahren. Polizeiliches, Gerichtliches:c. Gegen das freisprechende Urtheil, das gegen den der Majestätsbeleidigung beschuldigten Parteigenossen Paul Jahn in Berlin   vom Landgericht II gefällt worden war, hat der Staatsanwalt Revision eingelegt. Genosse Reichelt in B u r g st ä dt i. S. hat dieser Tage die achtmonatige Gefängnißstrafe angetreten, die ihm wegen Majestätsbeleidigung, begangen nach Ansicht der Richter durch einen Artikel imTextilarbeiter", auferlegt ist. Er war wegen Krankheit in seiner Familie um Aufschub der Strafe eingekommen, man hat ihn aber abschlägig beschieden; eine Kritik dieses in Deutschland   mehr und mehr in Schwang kommenden Verfahrens erübrigt sich wohl. Wünschen wir. daß Genosse Reichelt die acht langen Monate Kerkerausenthalt gut überstehen möge! Sozmle Meberfirhk. Der Vorsitzende des Gcwerbegerichts zu Berlin  , Assessor v. Schulz, ist mit Rücksichl auf die Erhebungen über die Lage der Arbeiter in der Konfektionsindustrie und Wäschebranche in die Reichskommission für Arbeiterstatistik als Kommissar des preußischen Handelsministeriums entsandt worden. Jnstrnktionsknrse zur Ausbildung von Gewerbe- Aufsichtsbeamten. Aus Anordnung des Handelsministers v. Berlepsch hat in Preußen auch in diesem Jahre, und zwar in der Zeit vom 24. Februar bis zum 21. März ein Jnftruktions- kursus zur Ausbildung der Gewerbe-Aufsichtsbeamten statt- gefunden. An diesem Kursus haben außer den genannten Beamten auch Beamte der Bergverwaltung, sowie Offiziere und Beamte des Kriegsministerinms und des Reichsmarineamts und einige Vertreter der Privatindustrie theilgenommen. Es wurden Vorlesungen geHallen über Wohlfahrtspflege(vom Geh. Reg.-Rath Dr. Post, dem Leiter des Kursus), über Dampskesselwesen(Geh. Reg.-Rath L u s e n s k y), über die gesetzlichen Bestimmungen betr. die Sonntags-, Kinder- und Frauenarbeit, über gewerbliche Gesetzeskunde und die geschichtliche Entwickelung der Gewerbe» Inspektion(vom Geh. Reg.-Rath E v�e r t), über Unfallverhütung (vom Geh. Reg.-Rath H a r t m a n n), über die Entwickelung der gewerblichen Arbeiterverhältnisse(vom Professor Gering), und über gewerbliche Hygiene(vom Dr. A l b r e ch t). Den Be- sprechungen über Wohlfahrtseinrichtungen schloffen sich Besichli- gungen von solchen an. Gcvufzls-Jeikung. Polizeisergeant Pöschla aus Spandau   wegen Mein- cides vor Gericht. Eine Anklage wegen Meineides kam gestern vor dem Schwurgericht am Landgericht II zur Verhandlung. Die Anklage richtet sich gegen den Polizeisergeanten Gustav Friedrich Pöschla, in Spandau   wohnhaft, am 2. März 18S8 zu Groß-Lubolz Kreis Luckau geboren. Landsturmmann, Inhaber der Dienstauszeichnung dritter Klasse. Er wird angeklagt, durch zwei selbständige Handlungen zu Spandau   I. am 21. März 18SS als Beamter bei Ausübung seines Amtes vorsätzlich eine Körper- Verletzung des Maurers Johann M i e l k e begangen zu haben; 2. am 10. April 1895 vor dem königlichen Amts- gericht Spandau   wissentlich einen Meineid geleistet zu haben. Am 21. März befand sich der Angeklagte in dem Lokale des Gastwirths Wecke in Spandau  , wo auch der Arbeiter Mielke mit noch anderen Personen weilte. Diese ver- zehrten ö Flaschen Selterwasser ohne sie zu bezahlen, namentlich lehnte der stark angetrunkene Mielke die Bezahlung ab und ent- fernte sich mit den übrigen. Der Sergeant Pöschla übernahm dann von dem Wirth den Auftrag, den Mielke zu verfolgen, ihn einstweilen festzunehmen und seine Persönlichkeit festzustellen. Der Angeklagte holte den Mielke an der Ecke der Mönchs- und Breitenstraße ein. Er vertrat ihm den Weg und forderte ihn aus mitzukomnien. Mielke kam aber dieser Aufforderung nicht nach, er wurde von dem An- geklagten ergriffen und in die MönchZstraße hineingezogen und hier entstand zwischen beiden ein Ringen. Schließlich kam Mielke derartig zu Fall, daß er quer über dem ziemlich tiefen Rinnstein fort rücklings mit dem Oberkörper auf dem Bürgersteig, mit dem Unterkörper auf der Straße lag. Mielke war durch den harten Fall betäubt. Gleichwohl kniete der Angeklagte auf ihn nieder und schlug ihn mit der F a u st mehrmals auf Mund und Nase, sodaß das Blut hervor- quoll. Der Vorfall hatte bei den Zuschauern lebhafte Ent- rüstung hervorgerufen, umso mehr, als diese der Ansicht waren, daß Mielke gar keinen oder höchstens doch nur einen passiven Widerstand geleistet habe, der jedenfalls aufgehört halte, nachdem Mielke hingefallen war. Die Folge des Vorfalles war eine gegen Mielke gerichtete Anklage wegen Widerstandes gegen die Staats- gewalt, über welche am 10. April 1895 vor dem Schöffen- gericht verhandelt wurde. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Angeklagte als Zeuge vernommen und vereidigt. Als ihn der Vorsitzende, Amlsgerichtsrath Dr. Neuhaus fragte, ob er den Mielke geschlagen habe, antwortete Pöschla zunächst,daß er davon nichts wisse", dann besann er sich und erklärte: Ich habe es auch nicht gethan". Diese eidliche Aus- sage soll nach dem oben Gesagten falsch sein, sie ist nach An- ficht der Anklagebehörde auch eine wissentlich falsche, da dem Angeklagten der Vorgang, der er st drei Wochen alt war und durch seine begleitenden Umstände ihm sich ein- geprägt haben mußte, noch erinnerlich sein mußte, so daß von einem Vergessen keine Rede sein kann. Die Verhandlung, zu welcher ein Ergänzungs-Geschworener aus- geloost wird, wird vom Landgerichtsdireklor R e n ck h o f f als Vorsitzenden geleitet. Die Anklage vertritt Staats- anwalt Rhode, die Vertheidigung führt Rechtsanwalt Dr. Fla tau. Der Angeklagte, welcher verheirathet und Vater von vier Kindern ist, bestreitet nach beiden Richtungen der Anklage hin seine Schuld. Nach seiner Darstellung habe sich Mielke seiner Sistirung widersetzt, und als er z» Falle kam, habe er ihn mit zu Boden gezogen. Mielke habe unten, er selbst aber oben gelegen, und da sei es möglich, daß seine Kniee die Brust des Mielke berührt haben. Bei diesen» Vorfall habe der Rechtsanwalt Löwe das Fenster geöffnet und ihm zugerufen:Diesmal sind Sie dran, Herr Pöschla!" Er habe erwidert:Merken Sie sich nur, was Sie eben gesagt haben, Herr Rechtsanwalt!" Er bestreite entschieden, den Mielke ins Gesicht geschlagen zu haben und wenn dieser geblutet haben sollte, so müßte dies eine andere Veranlassung gehabt haben. Er halte die ganze Sache für einen Racheakt des Rechtsanwalts Löwe. Er habe wegen des oben angegebenen Zurufs den letzteren wegen Beleidigung belangt und dieser wolle ihn nun unschädlich machen. Ebenso sei ihm ein Theil der Belastungszeugen feindlich gesinnt. Die Beweisaufnahme erstreckt sich zunächst auf den von dem Angeklagte» vor dem Amtsrichter Dr. Neuhaus geleisteten Eid. Als Vertreter des als Nebenkläger zugelassenen Zeugen Mielke ist Rechtsanwalt S e e l e r zur Stelle. Aus der Zeugenvernehmung über die angebliche Mißhand- lung ist hervorzuheben, daß der Rechtsanwalt Baumert, an den sich Mielke am Tage nach dem Vorfalle zunächst wandte, von diesem eine Darstellung der Thatsachen erhalten halte. Hierbei ist von einem Schlage ins Gesicht zunächst nichts gesagt worden. Der Zeuge Sonnemann, einer der Zechgenossen des Mielke am 21. März will gesehen haben, daß der Angeklagte lhatsächlich geschlagen hat und Gesicht und Bart des Mielke mit Blut be- sudelt war. Dieser Zeuge war über den Vorfall so empört, daß er zum Rechtsanwalt Löwe bezw. dem Rechtsanwalt Baumert gegangen ist und diesen seine Wahrnehmungen mitgetheilt hat. Der Klempnermeister Arnold bekundet, daß nach dem Vor- fall der Angeklagte in der Restauration von Schönemann sich der That gerühmt und gesagt habe, er habe dem betreffenden Arrestantenordentlich eine Heruntergefeu er t." Der Angeklagte bestreitet dies entschieden. Polizeiscrgeant Böhm, der mit dem Angeklagten öfter das Schönemann'sche Lokal besucht hat, hat von einer solchen Aeußerung des Pöschla nichts gehört. Polizei-Inspektor Lindau  giebt dem Angeklagten das Zeugniß eines Pflicht- treuen, guten, zuverlässigen und energischen Beamten, über den ihm Klagen aus dem Publikum n i e zu- gekommen seien. Da bei der angeblichen Aeußerung des An- geklagten in dem Schönemann'sche» Lokale ein Polizist zugegen gewesen sein soll, so habe er alle seine Beamten gefragt, ob jemand mit, dem Angeklagten bei Schönemann war und jene Sleußerung gehört habe. Alle Beamte haben dies verneint. Rechtsanwall S e e l e r behauptet, daß in Spandau   in der Bürger- schaft eine ziemliche Erregung darüber herrsche, daß wiederholt Gefangene von Polizeibeamten zu rigoros behandelt worden seien. Polizei- Inspektor Lindau   bestreitet, daß ihm derartige Klagen zu Ohren gekommen seien. Richtig sei es, daß die Spandauer   Exekutive wiederholt vor die Stadtverordneten- Versammlung gebracht worden undda sei denn nach allen Regeln der Kunst auf die Polizei geschimpft worden." Daraus sei dann eine gewisse Mißstimmung gegen die Polizei entstanden. Es handelt sich speziell um vier ganz bestimnite Fälle, welche aber alle mit Ver- urtheilung der Beschwerdeführer geendet haben. Rechtsanwalt S e e l e r: Vielleicht ist der An- geklagte ein etwas zuenergischer" Beamter. Als solchen hat ihn ja der Zeuge gerühmt. Zeuge: Jeder wird wissen, mit welchem Janhagel wir zu thun haben. Rechts- anwalt Flatau: Ist es vielleicht richtig, daß in Spandau  auch zwischen den Vertheidigern und den Polizeibeamten eine gewisse P i k a n t e r i e sich herausgebildet hat? Präs.: Wir brauchen darüber wirklich keinen Zeuge». Der ganze Vor- fall ist ja psychologisch ganz klar. Zeuge Lindau  : Sogar der Amtsgerichtsrath Dr. Neubaus hat sich einmal vor dem Schöffengericht erlaubt, zu Polizeibeamten zu sagen:Euch P o l i z i st e n werde i ch s ch o n!" Er hat den Angeklagten, einen richtigen Rowdy", freigesprochen, dieser sei dann aber in zweiter Instanz zu 14 Tagen Gefängniß ver- urtheilt worden. Amtsgerichtsrath Dr. N e u h a u s erklärt sich bereit, den Vorfall aufzuklären, der Vor- sitzende erklärt dies aber für u n n ö t h i g, da ohne weiteres anzunehmen sei, daß er als Richter zu einer etwaigen Aeußerung gegen die betreffenden Polizeibeamten sich verpflichtet gehalten habe. Zeuge Lindau   behauptet noch, daß der Zeuge Arnold zu seiner be- lastenden Aussage wohl nur aus Haß gegen die Polizei gekommen sei, da er mehrere Polizei st rasen dekoinmen habe. Außerdem habe Arnold, als er von einer dritten Person gefragt worden, wie er den» dazu komme, die angebliche Aeuße- rung des Angeklagten im Schönemann'schen Lokale anzuzeigen, diesem geantwortet:Ich kann ja die Polizei auch einmal an- zeigen." Der Zeuge Arnold bestreitet dies und bekundet, daß er in 5 Jahren nur dreimal wegen Uebertretung poli- zeilicher Vorschriften bestrast worden sei. Der Zeuge bleibt dabei, daß er in dem Schönemann'schen Lokale ge- hört habe, daß sich der Angeklagte der That rühmte. Sergeant Weyland, der nach gegebener Personalbeschreibung bei jenem Vorfall im Schönemann'schen Lokal zugegen gewesen sein soll, verneint letzteres. Er hat aber das Renkontre des An- geklagten mit Mielke am 21. März mit angesehen, von einem Schlagen des Angeklagten nichts gesehen, nachher auch nur eine Schramme am Munde des Mielke bemerkt. Rechtsanwalt Löwe bekundet: Er sei am 21. März von feiner Frau ans Fenster gerufen worden, um die Mißhandlung eines Arrestanten durch einen Polizisten mit anzusehen. Das Schlagen habe er selbst nicht gesehen, sondern nur bemerkt, wie Mielke am Boden und der Polizeisergeant auf ihm lag. Er habe durchaus den Eindruck der Mißhandlung gehabt und auch gesehen. daß Mielke einen blutigen Mund hatte. Er habe dann aus dem Fenster dem Angeklagten die schon erwähnte Bemerkung zugerufen, wegen deren der Angeklagte später eine Strafanzeige gegen ihn erstattete. Da ihn der Vorfall empört hatte, sei er zunächst nach dem seiner Wohnung gegen- über liegenden Steuerhaus gegangen, um näheres über den Vorfall zu erfahren, er habe bei den dortigen Beamten aber gar keine Gegenliebe gefunden. Diese seien vielmehr durchaus für den Polizeisergeanten eingetreten. Später seien drei Männer in sein Bureau gekommen, um ihn zur Ver- f o l g u n g der Sache zu veranlassen. Er habe sie aber an seinen Kollegen Baumert gewiesen. Als er später die Vertheidigung des Mielke übernahm, habe er diesen im Gesängniß besucht und von ihm zunächst allerlei nebensächliche Dinge gehört. Er habe ihn dann allerdings direkt gefragt, ob er denn nicht auch von dem Polizei« sergeanten geschlagen worden sei. Mielke habe zunächst so gethan, als ob er nichts davon wisse und er habe es dann für seine Pflicht gehalten, dem Mielke vor- zuhalten, daß ja schon verschiedene Zeugen für die Miß- Handlung vorhanden seien und er sich ausbitten müsse, daß M. zu seiner Vertheidigung damit nicht hinter dem Berge halte. Das Verfahren gegen Mielke hat mit dessen Verurtheilung in erster Instanz geendet; seine Berufung ist verworfen worden. Frau Rechtsanw. Löwe bleibt als Zeugin dabei, daß nach ihrer Wahrnehmung der Angeklagte den Mielke zu Boden gestoßen und den am Boden Liegenden ge- schlagen habe. Ei» Steuerbeamter R e i n s ch hat von seinem Fenster aus den Vorfall zum größten Theil mit angesehen. Er hat gesehen, daß Mielke sich sehr renitent gezeigt habe und beim Ringen zu Boden gefallen sei. Bei dieser Gelegenheit habe der Angeklagte nur die Bewegungen gemacht, die dazu gehörten, um sich selbst wieder vom Boden aufzuraffen. Von einem Schlagen hat der Zeuge nichts gesehen. Der Hauptzeuge Mielke wird aus dem Gefängniß vor- geführt. Er ist nämlich wegen eines gerade am 21. März ver- üblen Diebstahls an einem Sparkassenbuche zu einem Jahre Ge- fängnlß verurtheilt worden. Nachdem er das Sparkassenbuch zu Gelde gemacht, war er angetrunken in das Wecke'sche Lokal gekommen und von dort haben sich dann die weiteren Vorgänge entwickelt. Der Zeuge behauptet, daß ihm der Angeklagte einen Schlag ins Gesicht versetzt habe. Daß er als Nebenkläger in diesem Verfahren auftrete, habe Rechts- anwalt Löwe veranlaßt. Die Aussagen der übrigen Zeugen lassen sich schwer mit- einander vereinbaren. Einige behaupten mit aller Be- st i m m t h e i t, daß der Angeklagte den am Boden liegenden Mielke mehrmals mit der Faust gegen de» Mund stieß, während der Mißhandelte um Hilfe gerufen habe. Andere Zeugen bekunden dagegen ebenso bestimmt wie der Steuer« beamte Reinsch, daß der Angeklagte nicht geschlagen und der angeblich Mißhandelte auch nicht um Hilfe gerufen habe. Eine andere Gruppe Zeugen hat zwar nicht das Schlagen gesehen, wohl aber, daß Mielke einen blutigen Mund hatte, als er schließlich zur Wache geführt wurde. Damit wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Der Staatsanwalt begann sein Plädoyer mit der Bemerkung, daß die Staatsanwaltschaft wohl geneigt fem möge, die Polizei- beamten in ihrem mühe- und dornenvollen Berufe zu schützen, aber andererseits müsse auch gegen Beamte, welche ihre Macht- befugnisse überschritten, ohne Rücksicht vorgegangen werde». Durch die Beweisaufnahme fei nun zweifellos dar- gethan worden, daß der Angeklagte sich habe hinreißen lassen, seinen Arrestanten zu Boden zu werfen und zu schlagen. Wenn er sodann später vor dem Schöffengericht bestritt, daß er den Mielke geschlagen habe und dies mit s e i n e»> E i d e b e- kräftigte, so habe er eben so sicher einen Meineid geleistet, allerdings mit dem mildernden Zusätze, daß er sich bei Angabe der Wahrheit selbst einer strafbaren Handlung hätte be- zichtigen müssen. Der Staatsanwalt ersuchte die Geschworenen, die Schuldfrage in diesem Sinne zu beantworten, dem Angeklagten, der sich bisher tadellos geführt habe, auch mildernde Um- st ä n d e zuzubilligen. Der Vertheidigcr, Rechtsanwalt Flatau, wies auf die Wider» sprüche hin, welche zwischen den Aussagen der Zeugen zu tage getreten seien. Der größte Theil der Belastungszeugen sei nur z» geneigt gewesen, die Partei des Arrestanten zu nehmen, selbst der Rechtsanwalt Löwe spiele in dieser Sadje eine eigenthümliche Rolle. Der Auftritt auf der Straße könne sich doch sehr gut so abgespielt haben, wie der Angeklagte ihn dar- gestellt habe, wer wolle, wenn zwei Personen sich gegenseitig hin- und herzerren, entscheiden, ob der eine den anderen zu Boden werfe oder ob sie beide zu Falle kamen? Zweifellos habe ter zu nnterst Liegende sich an dem aus ihm Liegenden festgehalten und die Be- ivegungen des letzteren, sich aufzuraffen und freizumachen, sei von manchen voreingenommenen Augenzeugen als Schlagen aufgefaßt worden. Er bitte sämmtliche Schuldfragen zu ver- n einen. Der Vertreter des Nebenklägers. Rechtsanwalt Seeler, stellte sich auf den Boden des Staatsanwalts, suchte nach. zuweisen, daß der Rechtsanwalt Löwe durchaus korrekt ge- handelt und wies darauf hin. daß der vorliegende Fall nur einer von denen sei, welche die Spandauer   Bevölkerung in eine berechtigt« gereizte Stimmung gegen die dortigen Polizeiorgane brachte. Die Geschworenen beriethen nur eine Viertelstunde. Sie verneinten sämmtliche Schuldfragen. Der Angeklagte wurde freigesprochen und sofort auf freien Fuß gesetzt. Man beachte dies freisprechende Urtheil. führe sich die be- kannten Thatsachen vor Augen, welche die Geschworenen im Essener Meineidsprozeß veranlaßt haben, unsere braven Parteigenossen, die Bergarbeiter Schröder und Ge- »offen ins Zuchthaus zu schicken, und stelle dann einen Vergleich an zwischen beiden Fällen! Vepefögen und letzte Ascheichken« Köln  , 26. März.(W. T. B.) Die Stuckateure haben ihre Arbeiten wieder aufgenommen, nachdem die Meister ihre Forde- rungen bewilligt haben. Paris  , 26. März.(W. T. B.) Wie derAgence HaviZ" aus Kairo   gemeldet wird, hat die Kommission für die egypniche öffentliche Schuld die von England für die Dongola  -Expedirion verlangten Mittel bewilligt ohne Rücksicht aus den Widerspruch Frankreichs   und Rußlands  , deren Kommiffare sich zurückgezogen haben, nachdem sie Protest erHobe» hatten. London  , 26. März.(W. T. B.) Wie dasReuter'sche Bureau" aus Wellington   von heute meldet, crsolgle in der Kohlengrube zu Brunnertow» eine Explosion schlagender Wetter, durch welche 5 Bergarbeiter getödtet und 60 verschüttet wurden. Die Rettung letzterer scheint hoffnungslos. Das Pariser Syndikat der Inhaber egyptischer Schuldtitres hat sofort beschlossen, die Kommission und die Minister für diese Bewilligung verantwortlich zu machen. Kapstadt  , 26. März.(Meldung desReuter'sche» Bureaus".) In zwei Distrikten des Matabele-Landes, Jnseza und Filabusi, ist ein Aufstand ausgebrochen. Eine Anzahl Weißer ist getödtet, unter ihnen der Kommissar für die Angelegenheit der Ein- geborenen, Rentley; die Weißen flüchteten sich»ach Buluwavo und Gwelo. 75 Freiwillige mit einem Maximgeschütz sind gegen die Ausständischen ausgezogrn. Port au Prince  , 25. März.(W. T. 83.) Der Präsident der Republik Haiti   ist plötzlich verstorben. Das Parlament ist zur Wahl eines Nachfolgers einberufen. Verantwortlicher Redakteur: August Jarobcy, Berlin  . Für den Jnseratentheil verantwortlich: Th. Glocke in Berlin  . Druck und Verlag von Max Babing in Berlin  . Hierzu ft Beilagen.