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Der Abend
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Nr. 205
B102
47. Jahrgang
66 Anzeigensreis: Die einspaltige Nonpareillezeile
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Der Finanzblock brüchig.
Verlegenheitsausreden zum Reichshaushalt.
Der Reichstag ist heute vormittag 10 Uhr wieder zufammengetreten. Die Regierung wollte den Entwurf cines Er mächtigungsgesehes zur herabsehung der Kapital steuern noch heute in erster Lesung beraten sehen. Abg. Dr. Herz ( Soz.) verhinderte das durch Einspruch mit der zutreffenden Begründung, daß dieses Gesetz wirklich nicht so dringend sei, um schon am Tage seiner Einbringung beraten werden zu müssen.
Darauf wurde die erste Beratung des Reichshaushalts für 1930 fortgesetzt. Nach einer Rede des Abg. von Sybel( Christ. Nat. Bauernp.), der wieder einmal die Argumente der Agrarier zu fammenfaßte, versuchte
eine Entlastungsoffensive für seine Partei. Er be hauptete, die Sozialdemokraten haben ohne triftigen Grund die alte Regierung gesprengt. Sie verfuchen jetzt zu ihrer eigenen Entlastung
Freispruch im Falfe" Prozeß.
Jm Hamburger Falte" rozeh berkündete unter allgemeiner Spannung Landgerichtsdirektor Steinicke folgendes Urteil: Die Angeklagten wer den freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.
die Demokraten zu beschuldigen, einen Bürgerblod gegen die Sozialdemokraten zu bilden.( Lebhafter Widerspruch b. d. Soz.) Wenn die Regierung unsere Grundsätze zu stark verlegt, werden wir die Konsequenzen ziehen. Wir lehnen den Bau des Panzerschiffs B ab und fordern die Einsparung Der ersten Baurate. Die jetzige Regierung scheint nicht so wie die frühere Regierung entschlossen zu sein, die Zustände in Thüringen energisch zu regeln. Wir erwarten eine Aufnärung durch den Innenminister. Zur Befestigung des Ansehens des Parlaments ist eine Wahlreform notwendig. Zur wirklichen Hilfe für die Landwirtschaft im Osten muß eine Umstellung der Produktion und der Besitzverhältnisse erfolgen. Die Ansiedlung muß deshalb start weitergeführt werden und die Umschuldungs
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Auf dem Berliner Wahitreis Parteitag der Demotraten ist es nach einem dem Soz. Pressedienst zugegangenen Bericht eines Teilnehmers, am Freitag sehr heiß zugegangen. Selten sei der Unwille der Mitgliedschaft über die Politik der Parteileitung und der Reichstagsfraktion so gereizt zum Ausdrud gekommen, wie am Freitag. Der Parteivorsitzende Koch- Weser habe kaum einen Satz ohne Unterbrechen sprechen können, so daß der Leiter der Versammlung, Mertens, fortgesetzt eingreifen mußte, um dem Redner Gehör zu verschaffen.
Jup stebrechen
„ Die Frauen fchlant und aufgefchoffen, je näher man an Stockholm tommt, desto schöner werden sie. 3ch fühlte mich wie ein Liliputaner unter Riefen." ( Alus Goebbels Reisebericht.)
Roch habe im einzelnen begründet, warum die demokratische Reichstagsfraktion sich an der Regierung Brüning beteilige. Er habe jedoch mit seinen Ausführungen nicht den geringsten Eindruc hervorgerufen. Er mußte zugeben, daß die Demokratische Partei feit der Beteiligung an diefer Regierung manchen Grundsatz aufgegeben habe. Ein Gesinnungswechsel sei in den maßgebenden Instanzen der Demokratischen Partei jedoch nicht eingetragen. Die Beröffentlichungen über Berhandlungen mit anderen Parteien feien ,, Märchen". Eine Berschmelzung der Demofraten mit der Deutschen Boltspartei fönne nur in Frage tommen, wenn sich die Bolkspartei in ihren Grundsätzen ändere. Die Demokratische Partei werde sich nur an einer großen republitanisch sozialgesinnten Partei beteiligen.
Der demokratische Abgeordnete des Preußischen Landtags , Nuschte, führte in der Debatte eine besonders scharfe Klinge gegen die Regierung Brüning. Noch sei es Zeit, aus dem D 3ug auszusteigen. Aber jede Station, die man meiter in diesem Zuge bleibe, schade der Demokratischen Partei. Die dringende Forderung sei deshalb: Heraus aus dieser Reichsa regierung!
Die Distuffion wurde nachts um 12% Uhr abgebrochen Ein Antrag auf
attion muß auch den Kleinbefizern zugute kommen. Die einfachste ihnen lebenslänglich Wartegeld zahlen müßte. Wir wünschen obwohl noch neun Redner eingezeichnet waren. Osthilfe wäre gewesen, das bewährte Ostpreußengeſetz auf weitere
Gebiete auszudehnen.
talität, die etwa ugenberg zur Durchsetzung des Distprogrammes aufgewendet hat. So lange wir an der Macht find, werden wir die Ausgaben zu verringern trachten.
Abg. Sachsenberg( Wirtschp.): Der jetzige Etat unterscheidet sich von dem Entwurf der Regierung Müller nur durch das Panzerschiff B. Die Geschichte des Baues der beiden Panzerfreuzer ist eine Abg. Dr. Pfleger( Bayer. Volksp.): Wir vom deutschen Süden lächerliche Komödie. Die bürgerlichen Parteien haben fämtlich dem find es gewohnt, daß man im Norden glaubt, uns durch BeBau des Panzerkreuzers B und der Fortführung des Flottenbaueschimpfungen oder höherhängen des Brottorbes zugestimmt. Um so erstaunlicher ist die Opposition erziehen zu können. Führende Sozialdemokraten haben anerkannt, der Demokraten gegen den Panzerschiffbau, die sich nur mit daß unser Berhalten nicht zum Sturz des Kabinetts Müller geführt dem Wunsch erklären läßt, die Wege zu einer Wiederkehr der hat; historisch ist sicher, daß die Sozialdemokratie die Regierung Großen Koalition offenzuhalten. Wir sind für die Borlegung eines Hermann Müller selbst gestürzt hat. In der sozialdemokratischen Flottenbauprogramms auf mehrere Jahre, damit nicht bei B, C Breffe stand schon vorher, daß man in die Opposition wolle; diesem oder D etwa sozialdemokratische Minister in die Verlegenheit fominen, Agitationsbedürfnis diente auch die Rede Vogels. Ich bedauere, daß Minister Severing entschieden großes Verständnis hatte. Solange der Reichspräsident bei der Regierungsbildung und der nicht ein europäischer Staatenbund besteht, brauchen wir Heer und Etataufstellung so start in die Debatte gezogen worden ist, weil bei Flotte, und das sehen auch die führenden Köpfe der Sozialdemokratie etwaigen Neuwahlen einer Regierungstrise eine Präsidentenfrise ein. Der jetzige Etat, der Etat der Regierung Müller( Abg. Stampfer: folgt, die Deutschland nicht ertragen tönnte. Er ist nicht der Etat der Regierung Müller!). Er ist es bis auf den Panzerkreuzer. Ich fann verstehen, daß die Sozialdemokraten nicht einen der Väter des jezigen Etats, Hertz, Stücklen , Keil oder
Breitscheid , zum Etat sprechen ließen. Aber daß
Abg. Vogel eine so extreme Klaffenkampfrede hielt, zeigt das Doppelgesicht der Sozialdemokraten. Nach längerer Zeit ist dort wieder einmal die Ballonmüge aufgetaucht. Der Versuch, Sprengpulver in die Regierungstoalition durch Verlefung von Briefen von Dr. Schiele- Naumburg zu werfen, wird mißlingen. Die Erfolge der bürgerlichen Wahlgemeinschaft in Sachsen zeigen das gemeinsame Intereffe aller bürgerlichen Parteien, die auf ständischem Boden stehen und reizen zur Nachahmung. Abg. Bogel sollte lieber den Müller- Etat tritisch durchleuchten. Sparsamkeit im Etat darf uns nicht immer wieder nur versprochen, sie muß durchgeführt werden. Das Etat tompromiß, über das sich gestern die Abg. Cremer und Reil stritten, ist von der Sozialdemokratie nur wegen der Arbeitslosen versicherung nicht endgültig angenommen worden. Allen anderen Vereinbarungen haben die Sozialdemokraten zugestimmt. Die Ausgaben der Kommunen müssen auch gesenft werden. Die Einfommensteuerfreigrenze follte man nicht herauf, sondern herabsetzen, schon um die Wähler an der Ausgabenfenfung zu interessieren. Ieberall tönnen Beamte abgebaut werden, felbst wenn man
Reichsinnenminister Dr. Wirth gibt die gewünschte Auskunft über Thüringen , indem er die bereits bekannte Abmachung wiederholt, daß das thüringische Ermächtigungsgesetz dem Reichs
gericht zur Prüfung der Vereinbarteit mit der Reichsverfassung vorliege.
Reichsfinanzminister Dr. Moldenhauer erwidert auf die geftrige Rede unseres Genossen Vogel, daß der Etat bereits von der Regierung Müller ausgearbeitet worden sei. Wenn die jeßige Regierung durch Entlastung und Belebung der Wirtschaft dem deutschen Bolle Arbeit schaffen will, so ist das doch fein reaktionäres Be. gimmen. Gegenüber einen Artikel des Vorwärts" pon heute morgen erklärt der Minister, daß er gestern tein Wort von Leistungsabbau der Arbeitslosenversicherung gesprochen habe. Es müßte nur das Gleichgewicht im Reichshaushalt aufrechterhalten werden. Leistungsabbau würde nur die Wohlfahrtsausgaben der Gemeinden belasten. Es sollen mur überflüssige und entbehrliche Ausgaben vermieden werden, ohne jedoch die Gemeinden höher zu belasten. Die 2,9 Millionen, die der Reichsrat für den Bau des Panzerschiffes B eingestellt hat, fann man doch nicht mit den hundert Millionen, die zur Sanierung der Arbeitslofenversicherung gebraucht werden, auf eine Stufe stellen. Die Regierung überläßt die Entscheidung über diese 2,9 Millionen dem Reichstag - Dann geht der Minister auf die weiteren Debatteredner ein.
Austritt der demokratischen Reichstagsfraktion aus der Regierung Brüning wurde nicht zur Abstimmung gestellt. Angenommen wurde mur eine Entschließung, in welcher von der demokratischen Reichstagsfraktion erwartet wird, daß sie unter allen Umständen gegen die erste Rate des Panzertreuzers B stimmt.
Das Berliner Tageblatt" bemerkt zu dem Berlauf der demofratischen Veranstaltung: In wenig überzeugenden Ausführungen suchten Koch- Weser und Reichswirtschafts. minister Dietrich, vielfach von 3pischenrufen unter brochen, die Haltung der Reichstagsfraktion zu rechtfertigen."
23 Todesopfer des Wirbelsturms. 3wei Millionen Mart Gachschaden. Chitago, 3. Mai.
opfer des Tornados, der den mittleren Westen der Vereinigten
Nach den letzten Meldungen beläuft sich die Zahl der Todes
Staaten heimfuchte, auf 23, darunter acht Frauen. Die Schäden, die in den verschiedenen Staaten an Häufern und Bieh angerichtet wurden, befragen etwa eine halbe Million Dollar.
Das ,, Trevirement".
Neuer Staatssekretär und neuer Personalreferent.
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Das Reichsaußenministerium erklärt die verschiedenen Pressenachrichten über Bersonaländerungen im diplomatischen Dienst- es hat sich schnell dafür das neue Bort Trevirement" eingebürgert als Rombinationen. Indes wird zugegeben, daß Staatsfetretär von Schubert einen Botschafterposten übernehmen und portragender Legationsrat v. Bülow sein Nachfolger werden soll. Der Personalreferent im Auswärtigen Amt , Ministerialdirek tor Schneider , will spätestens im Herbst zu seiner Gelehrten. arbeit zurückkehren. Als sein Nachfolger ist Gesandter Köster ( Oslo ) in Aussicht genommen,