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4000 Sozialdemokraten im Luftgarten. Aber 120 000 Kommunisten. Beobachtungen eines linientreuen Berichterstatters.o

Der langjährige Berfiner Korrespondent der Barijeru. manité", Henri Guilbeaug, mar gewiß eine höchft unsympathische Erscheinung und bemühte sich mit allen bei den Kommunisten üblichen Methoden, sich die Gunst feiner Auftraggeber zu sichern. Deshalb vermochten wir nicht, Mitleid für fein Schidial aufzubringen, als er vor einiger Zeit plötzlich entlassen wurde. Dabei ist Guilbeaur ein in Frankreich wegen Landesverrates zum Tode Verurteilter, der allo nicht nach seinem Lande zurückkehren fann, und seine hiesigen Freunde mußten fogar, um ihn über Waffer zu halten, in bürger­lichen Salons literarische Benefizabende für ihn veranstalten. Dant vom Hause Stalin .

Offenbar hatte er sich doch irgendeine Abweichung" zuschulden tommen laffen. Sein Nachfolger aber ist, bis auf weiteres, ein echtlinientreuer" Bolichewit. Sein Bericht über die Mai­fundgebungen in Berlin , erschienen in der ,, Humanité" Dom Freitag, zeugt jedenfalls von hundertprozentiger Gesinnungs­tüchtigkeit.

Darin wird zunächst die? ommunistische Rundgebung im Luftgarten als die größte seit Jahren gefeiert und die Zahl der Teilnehmer wird mit etwa 120000" angegeben. Sodann heißt es:

,, Der Bug der sozialfaschistischen Partei war nur ein fläglicher Mißerfolg. Auf dem Höhepunkt der sozial­demokratischen Kundgebung, die zwei Stunden nach der fomm nistischen stattfand, waren viertausend Teilnehmer im Cuffgarten versammelt. Als der Vorfihende des DGB. Graß. mann seine Rede begann, verließ die Hälfte des Publikums den Play. Die gedrückte Stimmung der Sozialfaschisten bildete ein trauriges Gegenstück zu der zuversichtlichen, triumphierenden Begeisterung der Kom munisten, die heute bewissen haben, daß fie die Berliner Straßen fest in der Hand haben und daß die besten Kräfte der Arbeiterniassen, voran die Jugend, auf der Seite der KPD . steht."

120 000 Rommunisten, 4000 Sozialfaschisten"- diese Ber gleichszahlen find für uns fo fatastrophal und vernichtend, daß es uns einfach unverständlich ist, wie die Rote Fahne" fie ihren Lesern verheimlichen tonnte. Das hiesige Stalin- Blatt wird dringend ersucht, diefer publizistischen Pflicht zu genügen.

Nebenbei bemerkt, wären nach den Wahrnehmungen des Humanité"-Bertreters am Schlusse der Rede Graßmanns nur noch ganze 2000 Sozialdemokraten vorhanden gewesen, da ja die Hälfte der 4000, die er auf dem Höhepunkt" gezählt hat, mittlerweile. davongelaufen wären. Daß umgekehrt neue Züge, die von zehn­tausenden gebildet waren, z. B. die vom Friedrichshain durch die Kaiser Wilhelm- Straße anmarschierende Demonstration des Bau­gewertsbundes, erst gegen Schluß der Rede Graßmanns im Luft­garten einschwenken tonnten oder ihn infolge der Absperrungen überhaupt nicht mehr erreichten, das hat dieser famose Bericht­erstatter natürlich nicht bemerkt.

Es wäre jedoch schade um jedes Wort der ernsten Widerlegung eines so frechen Schwindels, mie er sich in den Zahlen: 120 000 Stomminten, 4000 Gozialdemokraten offenbart. So etwas tann man den Pariser Kommunisten ungestraft erzählen. Die haben es allerdings sehr nötig, denn sie befinden sich seit geraumer Zeit in voller Auflösung, von dem Debafel der französischen Kom­mintern in der Bropins gar nicht zu reden..

Hoffentlich zeigt sich Mostau auch dankbar und es verleiht dem tüchtigen Beitungstorrefpondenten für seine Retordleistung einen der neugeschaffenen Sowjetorben.

Bier Sowjetorden.

Erweiterung des Klempnerladens.

mrb

Aus Mostau wird gemelbet, daß der Zentralvellzugsausfchuß in lebereinstimmung mit dem Rat der Bolkskommisfare ein neues Ordensgefeß geschaffen hat, nachdem die Zahl der Orden auf vier erhöht wird. In Zukunft wird es außer ben bereits bestehenden Orden des Roten Banners und des Roten Banners der Arbeit einen Benin Orden und einen Orden des Roten Sternes geben. Jeder Träger eines Sowjetordens soll fünftig für den ersten Orden 30 Rubel im Monat, für jeden weiteren 25 Rubel neben den sonstigen Einfünften an Gehalt oder Lohn erhalten. Darüber hinaus erhält ein Ordensträger mit der Verleihung des Ordens automatisch das Recht auf un entgeltliche Eisenbahnfahrten, Befreiung von der Einkommensteuer, Berminderung der Wohnungsmiete usw.

Beamtenschub in Frankreich .

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Tardieu belohnt seine Rechtsmehrheit. O

Paris, 3. Mai. ( Eigenbericht.) Ministerpräsident Tardieu hat sich von der Festreise zur Jahrhundertseier in Algerien en binden laffen unter dem Bor­mand, daß ihn die Regierungsarbeit in Paris allzu sehr belaste. Tatsächlich hat er die Parlamentsferien abgewartet, um einen großen Beamtenschub in der öffentlichen Verwaltung zu unternehmen. Er hat eine ganze Reihe von Präfetten vorzeitig in den Ruhestand versetzt und an ihre Stelle ausschließlich Leute seines besonderen Bertrauens gesetzt.

1

D.nat.

3

Brünings Wachsfigurenfabinett.

DVolksp Wirtsch. Demokr

Treviranus Brüning 2

" Diefe alten Parteipuppen ziehen nicht mehr beim Publikum, wir müffen sie zu einer neuen Roloffalftatue zufammenfchmelzen."

Wohl, nun fann der Guß beginnen!"

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" In den Schmelztiegel mit Euch."

" Das ist die neue Einheitspartei? No, stellen wir's in unferer Abnormitätenabteilung aus."

Elektrifizierung und Kolonialpolitik

Elektrowerk Sahes in anderem Licht.

Der Berliner Bertrauensmann der Georgischen Sozial­demokratie, Genoffe N. 3 maij chwili, fendet uns folgende Zeilen ju der lehthin veröffentlichten Schilderung 2. T. Wegners:

Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Bolschewiften gerahe in Georgien , mo sie das( lechteste Semiffen haben müßten, zu ihren Propagandazmeden mirtliche Wunderwerte errichtet hätten. Leider aber haben auch ihre besten Propagandazwede redyt böse Schattenfeiten. Die Schattenfeiten der baische. thistischen Eleftrifizierungspolitit" in Georgien hat fein anderer als der Borfigende der georgischen Sowjetregierung Philip aeharadze auf dem georgischen Sowjettongres im April 1929 in folgender Weise enthült:

CDft haben die Unternehmungen, deren Aufrichtung eine be stimmte Summe fosten sollte, im Bauprozesse doppelt so großen Betrag perschlungen...

Für das Kraftwert am Flusse Adscharis Istali maren 1,5 millionen Rubel veranschlagt. Während des Boues jebody stiegen die Kostenbeträge bis auf 8 Millionen. Bisher find 6,6 Millionen verbraucht. Gegenwärtig ist der Bau ein­gestellt, hauptsächlich meil der Standort falsch ge­mählt worden ist. Dabei war auch fein ordentliches Projekt im voraus ausgearbeitet... Der Bau aller in Georgien feit feiner Sowjetisierung. errichteten Elektrizitätsmerte( darunter Sahes N. 3.) hätte 5 980 000 Rubel erfordern sollen, hat jedoch 19 543 000 Rubel getostet. Solche Beispiele sind zahlreich. Sabes hot 16,6 Millionen Rubel geloftet.( Kommunisti" von Tiflis , 11. April 1929.)

tung finden wir in dem von Bolschewisten mit großem Pomp ver­

Die Haupterklärung dieser ungeheuerlichen Kostenüberschrei­

öffentlichten Buche Sahes". Hier heißt es:

Somit hat die Frage nach den Bestellungen für die cleftro­mechanische Ausstattung des Sahes prinzipielle und allgemein­ftaatliche Bedeutung erhalten. Einerseits war es möglich, von den fremden( deutschen. N. 3.) Firmen zu sehr billigen

Der Mangel an Sowjetingenieuren.

Ein brennendes Problem der Sowjetwirtschaft.

Die Aussichten des Fünfjahrplanes werden von Tag zu Tag geringer. Die obersten Wirtschaftsorgane haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Scheitert schon der sogenannte sozialistische Auf­bau an der Disziplinlosigkeit des russischen Arbeiters, dem Chaos im Transport, dem Mangel an Maschinen, jo tritt zu all dem noch der Mangel an Technitern hinzu. Das Sentralorgan der ruffischen Gewerkschaften Trud" weiß darüber sehr interessant 3 zu berichten.

Die Präfetten haben als höchste Berwaltungsbeamte der De­parteinents nicht nur wichtige Verwaltungsarbeit zu leisten, sondern ihnen fällt auch die schwierige Aufgabe au, die politifchen Wahlen vorzubereiten. Da das Innenministerium bisher drei Jahrzehnte lang in der Hand der Radikalen gelegen hatte, waren die Präfektenposten mit Beamten von ausgesprochen von ausgesprochen republitanischer Ueberzeugung befeßt worden. An dieser Tatsache hat sich auch unter den Kabinetten Poincarés nichts ge­ändert. Tardieu hat es gewagt, die politische Struttur des Verwaltungsförpers zu ändern, und zwar ausgesprochen im Sinne feiner reattionären Mehrheitsparteien. Es liegt die Vermutung nahe, daß er feinen Barteigängern von der Realtion bel der Bildung seines Kabinetts irgendwelche Ber­[ prechungen hat geben müssen. Ob er aber mit seiner neuen Tattif die Gegensätze zwischen seiner Regierung und den Radikalen wird mildern können, scheint mehr als zweifelhaft. Auffallend ist übrigens, daß Tardieu auch den Präfetten des Unter­elsaß, Borrémée, den Poincaré einst zum Kampf gegen den Autonomismus nach Straßburg entfandte, von seinem Boften ents hoben hat. Bielleicht will er damit den endgültigen Schlußtrich HO unter bie Autonomistenverfolgungen ziehen.

So hat z. B. eine Konferenz, vom Staatsplan" einberufen, festgestellt, daß die Durchführung des Fünfjahrplanes einen B2 darf von 435 000 3ngenieuren und Technifern erfordern wird Gegenstand der Beratung war nämlich die Möglichkeit der Durchführung des Fünfiahrplanes in viar Jahren. Da im Augenblid in der gesamten russischen Industrie nur 100 000 Technifer und Ingenieure beschäftigt find, so müßte diese Bahl, um den Fünfjahrplan überhaupt durchführen zu können,

-THA

Schiller Theater:

Der Traum ein Leben."

Papfiflagge auf dem Meer. Papft Pius XI. hat von einer italienischen Schiffahrtsgesellschaft ein Schiff gechartert, mit dem die Das schöne, fingende Sinnspiel Grillparzers von der Wichtig päpstliche Abordnung für den euchariftischen Kongres in Cartagena bie Ueberfahrt von Reapel nach Tunis machen wird. Es wird das feit bes frieblichen Gemüts. Inszeniert vom Sparintendanten erite Schiff fein, das wieder unter päpstlicher Flagge in See sticht. Legal, heruntergebonnert mit viel Detlamation. M. H.

Breisen erstlasfige und erprobte Materialien zu erlangen. Andererseits stand die Frage nach der Berteilung der Bestellungen. in der Sowjetunion selbst, damit in dieser Weise die Arbeit unserer wiederaufgerichteten, die große Maschinerie bauenden Werfe sichergestellt werde. Der Beschluß murde zugunsten des Erufts ber Sowjetunion gefaßt. Eine Ausnahme wurde z11­gelaffen, um für die Hauptturbinen der Zentralstation, deren Herstellung fpeziell eingerichtete und erfahrene Werfe erfordern, desgleichen in Rußland nidit porhanden sind. Auf Grund tjes Beschlusses hat das Komitee für Sahes nach dem Berixag pom 22. März 1923 mit der bauptfächlichen elektrotechnischen Aus stattung der Sahes die Maschinenbautrusts pon Leningrad beauftragt. Sugleich murde der Maschinentrust beauftragt, die Wasserturbinen in speziellen Turbinenmerken des Auslandes zu bestellen. Nach dem dringenden Verlangen des Trusts wurden statt dreier Turbinen/( jede 4500 PS. start) vier derselben Stärfe bestellt, mit der Bedingung, daß die pierte nach der Modell­zeichnung der ausländischen Werke in der Sowjetunion hergestellt werden mußte."( Sahes" G. 61.)

"

Aus diesen höchst offiziösen Geständnissen sieht man flar genug. wie das Bermögen des georgischen Boltes zur Sicherstellung" der russischen Industrie ausgewuchert wird. Seit der berühmt gewordenen Berliner Naphtharede" Radets mar es flar, daß der Haupttrieb des sowjetrussischen Eroberungszuges gegen Georgien und andere faukasische Staaten in der Interessiertheit" Rußlands für die fautafischen Rohstoffe( Naphta, Manganerz usw.) lag. Die oben angeführten Geständnisse zeigen noch dazu, wie

Georgien als Ablaßmarkt für die enorm feueren Erzeugnisse der ruffischen Industrie ausgenukt

wird. Diese rein imperialistischen Beweggründe der Sowjetpolitik

Die

müssen der poetischen Schilderung hinzugefügt werden. georgische Bevölkerung ist sehr wenig begeistert von dem tech nischen Wunder", dessen untaugliche Maschinen( russische Fabrikate) je den Monat verdorben werden, obwohl das Wert nur etwa zur Hälfte ausgenutzt wird.

mehr als vervierfacht werden. Dann erft, sagt das Blatt, wird Rußland das gleiche Verhältnis der technischen Kräfte zu den Arbeitern aufweisen wie Deutschland , nämlich fie werden dann 7 Broz. ausmachen, Die bestehenden technischen Schulen find aber im Laufe der fünf Jahre nur in der Lage, 69 000 Jugenieure und 100 000 Techniter auszubilden. Wo den Rest hernehmen?

Noch deutlicher wird dieser Mangel, wenn man sich die. Durch dringung des Moskauer Industriegebiets mit technischen Kräften anschaut. Von den 5053 Technifern und Ingenieuren am 1. Ottober 1928 hatten nur 24 Broz. eine höhere Ausbildung, 28 Broz, eine mittlere technische Bildung, während 48 Broz. ein. fach Braftitanten waren. Zum 1. Januar 1930 hat sich dies Berhältnis noch zu ungunsten der wissenschaftlich vorgebildeten Sträfte Die Zahl der Praktikanten macht nun verschoben.

52 roz. aus. Die Zahl der Techniker mit Hochschulbildung nur 21 Proz. Es gibt aber ganze Industriezweige, in denen der wissen­So fchaftlich vorgebildete Techniker fast pollfommen fehlt Go zählen die Nähmaschinenfabriken 87,7 Broz. Praktikanten, das Druckereigewerbe 81 Pro3., die Holzindustrie 57 Broz. Diese Zahlen, jagt das Blatt, zeigen mit absoluter Klarheit das ganze Ausmaß der Krise an wissenschaftlich vorgebildeten technischen Kräften. Zum Ende des Fünfjahrplanes würden z. B. die Nähmaschinenindustrie statt 7 augenblicklich vorhandenen Spezialisten 874 bedürfen, das Drudereigewerbe ftatt 13 vorhandenen 421, die Textilindustrie statt 14 232. Für den sozial- kulturellen Aufbau des Moskauer Gebiets find bereits im Augenblid 6724 qualifizierte Spezialisten erforderlich, die Hochschulen werden aber nur 757 ausbilden fönnen. Die Land­wirtschaft bedarf 13 026 Spezialisten, vorhanden sind aber mur 2400 und 5164 befinden sich in den Lehranstalten.