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Beilage

Mittwoch, 7. Mai 1930

Der Abend

Spalausgabe des Vorwane

Flucht aus Ostelbien

Das Ergebnis einer Wanderung von Fritz Köhler

A

zeichnet, wonach sie einmütig auf die Wahl eines Betriebs= rats verzichten! Das ist Ostelbien.

Hilfe dem Landarbeiter!

Die von uns im vorigen Artikel angeführten Lohnfäße, die| Landarbeiterinnen ständig als Säu e" und Schweine". Dar| ehe es sich die Landarbeiter versehen, haben sie ein Protokoll unter übrigens oftmals weder in bar noch in Naturalien eingehalten wer- auf verlassen zwei Arbeiterinnen das Feld und beschweren sich bei den, waren den Gutsbesitzern noch zu hoch. Deshalb wurde von der Gutsverwaltung. Die Antwort der Verwaltung auf die Unges ihnen das Tarifabkommen für die Kreise Meseriß und Schwerin gehörigkeiten des P. erfolgt noch am gleichen Abend: Bei der gekündigt und Forderungen auf Abbau des Barlohns von 3 Deputatausgabe erhalten die Väter der beiden Mädchen ihr gesamtes bis 5 Pfg. pro Stunde gestellt, hierzu noch Abstriche in Naturalien, so Monatsdeputat nicht ausgehändigt. daß sich für die einzelne Familie das Jahres einkommen um rund 250 m. ermäßigt hätte. Der Deutsche Landarbeiter­Verband hatte diese Stellungnahme der Gutsherren erwartet und deshalb mehrere Landarbeiterfamilien beauftragt, über jeden Pfennig ihrer Einnahmen und über jeden Pfennig ihrer Ausgaben gewissenhaft Buch zu führen. Wir sind in der Lage, zwei solcher Haushaltsrechnungen, die dem Schlichtungsausschuß Schwiebus Anfang dieses Jahres vorgelegen haben, zu veröffent­lichen. Die erste sieht so aus: Bestand vom Jahre 1928.

Barlohn einschl. Ueberstunden

Verkauf von Naturalien

Verkauf aus der eigenen Wirtschaft

Entbindungsgeld für die Frau. Erhaltene Sigungsgelder

Sa.:

Gesamtausgaben( notiert bis zur letzten Stecknadel) Bleibt ein Defizit von

.

5,15 M. 933,36 M. 189,55 m. 7,14 m. 94,51 M. 44,80 m. 1274,51 M. 1279,02 m. 4,51 M. Hierbei handelt es sich um eine verhältnismäßig fleine Familie von nur drei Personen, die Ehefrau hat mitgearbeitet, der Mann hat allein 171 Ueberstunden geleistet und erhielt außerdem noch eine Zulage für seine Tätigkeit in der Brennerei. Trotzdem sind die Ausgaben höher als die Einnahmen. Wie hätte das Budget aber erst ausgesehen, wenn die Familie größer gewesen märe! Wir können das ungefähr erkennen an dem zweiten Beispiel, wo sich folgende Endziffern in der Haushaltsrechnung ergaben:

лэл

Barbestand vom Borjahr, Barlohn usw. Verkauf von Getreide

.

848,39 m.

74,78 m.

Berkauf von Erzeugnissen der eigenen Wirtschaft 104,55 m. Sizungsgelder 23,20 m. Sa.: 1060,92 M. 1112,65 m. 51,67 M.

Gesamtausgaben

Bleibt ein Defizit von

Diese Familie war fünf Köpfe start und fonnte 1929 das Schuldenmachen nur dadurch abwehren, weil der alte Vater eine Unterstützung von 50 M. erhielt und diesen Betrag zur Deckung der Lebenshaltungskosten mit beisteuerte. Und trotz dieses zwingen­den, detaillierten Beweismaterials der gewerkschaftlichen Organisa­tion fällte der Schlichtungsausschuß einen Schiedsspruch, der den Lohn der Deputanten, Hofegänger und Freiarbeiter um einen Pfennig pro Stunde herabsetzt. Also eine Beschneidung der Bareinnahme eines jeden einzelnen Landarbeiters um 27,50 m. pro Jahr!

Urteile ohne Richter

Das traurigste Kapitel ostelbischer Junterherrschaft dürfte aber wohl die Behandlung der Landarbeiter sein. Wir be­schränken uns auf die Wiedergabe einiger besonders skandalöser Fälle, die sich jüngst in den südlichen Kreisen der Grenzmark er­cigneten:

Herr Bietz auf Rofitten( Kreis Schwerin) pflegt auf seine Arbeiter zu schimpfen. Der Arbeiter Majczak jagt zu seinen Kollegen, diese Schimpfereien wären nicht mehr zu ertragen. Viehz hört dies und schlägt M. dermaßen, daß er hinstürzt und zum Arzt geschafft werden muß. Das Arbeitsverhältnis wurde selbstverständ­lich gelöst.

Der Inspektor auf dem Gut des Herrn Laufe in Bronikowo ( Kreis Meserit) erzählt Laufe, die Frau des Schweizers Grella! habe Briketts gestohlen. Darauf geht Laufe zu Grellaf, friegt ihn zu paden und würgt ihn. Der Sohn des G. tommt seinem Bater zu Hilfe, darauf nimmt Laute die Mistforte, sticht dem Schweizer in den Arm und schlägt den Jungen über den Kopf, so daß dieser zwischen die Kühe fliegt. Nach einigen Stunden kommt Laufe zu G. und bittet ihn, wieder zu arbeiten. Selbstverständlich geht die Familie des Schweizers nicht darauf ein. Weil eine Arbeiterfamilie Häusler ihren Vater in einem Alters­heim unterbringen wollte, entließ sie der Besizer Fähnrich fristlos. Die Eheleute gingen fort, sich eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Als fie am späten Abend zurückkommen, fommt Fähnrich in ihre Woh­mung, nimmt die Betten und wirft sie auf den Hof. Obendrin stürzt er sich auf die Frau, würgt und schlägt sie und droht, er werde die Leute in Stücke schlagen. Die geschlagenen und geschundenen Arbeiter nehmen die Betten unter den Arm und wandern noch in der Nacht nach Meseriz. Als die Eheleute am nächsten Tage kommen, um sich den Rest ihrer Habe zu holen, finden sie ihre drei Schweine nicht mehr im Stall. Herr Fähnrich hat sie beschlagnahmt, weil die Leute angeblich 2 Zentner Gerste(!) zu viel bekommen hätten.

Der Inspektor Schäler auf dem Gut Georgsdorf des Grafen von der Schulenburg( Kreis Meseri) ist Richter und Gerichtsvoll­zieher in eigener Berson. Weil ihm die Witme Götze nicht paßt, befiehlt er ihr, innerhalb drei Tagen die Wohnung zu räumen. Die Witwe Göze weigert sich, darauf tommt Schäler furz vor dem Schlafengehen und läßt alle Möbel auf den Hof stellen. Die verzweifelte Frau wurde beiseite gestoßen. Erst nach Eingreifen der Gendarmerie wurde ihr am nächsten Tag ein Ersagraum ge­geben.

Die Frau des Inspektors Trommler auf Gut Oderthal( Kreis Züllichau- Schwiebus) hat Streit mit der Arbeiterfau Eichner. Herr Trommler hört davon, bringt durch das Kammerfenster in die Stube der Frau Eichmer ein, reißt jener das a cht Monate alte Kind rom Arm und setzt es auf die falte Erde, stürzt sich dann auf die Frau, würgt und schlägt sie.

Der Vogt Pelz auf Gut Ryhn( Kreis Schwerin) betitelt die

So geht das in einem fort. Alle die kleinen Unzuträglichkeiten wiederzugeben, die das Leben zur Hölle machen, müssen wir uns versagen. Da werden einem Arbeiter einfach die Birnen von seinem Baum gestohlen, dem anderen so und so viele Zentner Kartoffeln abgezogen, alte Leute, die 30 Jahre und noch mehr auf einem Gut dienten, werden eines Tages mittellos auf die Straße gefeßt, auf Betriebsräte wird förmlich Jagd gemacht von den Guts­befizern, einhundertundvierzehnmal mußte im vorigen Jahr die Organisation die Gerichte anrufen, um auf der Hand voll Güter im Kreise Meseriz den Landarbeitern zum Recht zu ver­helfen. Dazu kamen fünfzig Anträge an das Arbeitsgericht, die Gutsbesitzer zur Ernennung eines Wahlvorstandes für die Betriebs­rätemahl zu zwingen. Wie sich die Gutsbefizer die Betriebsräte vom, Halse zu halten versuchen, dafür aus der großen Fülle des Materials nur ein einziges, bezeichnendes Beispiel:

Herr Rodah auf Polizig( Kreis Meseriß) wird vom Arbeits­gericht aufgefordert, einen Wahlvorstand zu bestellen. Er geht also zu den bei ihm beschäftigten Arbeitern und sagt: ,, Sonntag seid Ihr alle beim Gastwirt." Die Bandarbeiter lassen sich das nicht zwei mal sagen, richtig, es gibt Freibier. Als die Stimmung am schönsten ist, holt Herr Rodaß ein Stück Papier aus der Tasche und

Wir können zum Schluß tommen. Wir sahen den Freiarbeiter mit seinen 30 Pfennigen Stundenlohn. Das heißt, wenn er fie tatsächlich erhält und den Lohn nicht erst einflagen muß. Dieser Mann sieht nun Tag für Tag das Sägewert am Bahnhof. Dort beträgt der tarifliche Stundenlohn 69 Pfennige, aber für 60 Pfennige wird auch schon gearbeitet. Dazu läuft er in der Schneidemühle nicht Gefahr, mit der Mistforte über den Haufen ge­stochen zu werden. Also kann man es dem Mann verübeln, wenn er nur darauf brennt, von dem Gutsarbeiterleben loskommen und in die Industrie überzusiedeln. Wo er dann endlich in der Lage sein wird, sich eine Wohnung zu mieten, in die es nicht hin­einregnet.

Die Tatsache, daß im Jahre 1928 in der Grenzmart dreitausend Landarbeiter gefehlt haben, so daß 100 000 morgen Aderland un bestellt blieben, ist augenblicklich Gegenstand einer Unter­suchung des Landesarbeitsamts in Schneidemühl . Diese Zahlen dürften übertrieben sein, aber fest steht der ungeheure Wande rungsverlust der deutschen Ostprovinzen. Und langsam, aber sicher drängt das polnische Element nach. Wenn das Hilfs­wert für den Osten überhaupt einen Sinn haben soll, dann darf man an der erschütternden Not des deutschen Landarbeiters in den Grenzprovinzen nicht vorübergehen.

Bekehrung in Werder

Philosophie einer Fidelitas/ Von H. Hemmer

Wenn ein Volk eins ist

Es ist kein schlechter Plan, als Neuankömmling eine Stadt, ohne Hilfsmittel, für sich selbst zu entdecken, sich ohne Bädeckersterne ein Urteil über das Gefehene zu bilden. Ich ließ mich in Rom vor einem Cafébeus nieder, befch mir zuerst die vorbeiziehenden modernen Römer, und ging denn auf Entdeckungsreisen aus, trat ein, wo Eintritt erlaubt war, und versuchte zu erraten, wo ich mich befinden könne; nicht anders habe ich es in Paris und Sydney gemacht. Eine große, oft entscheidende Rolle spielt aber der Zeit punkt des Besuches. Man mag ein Jahr in einer fremden Großstadt leben und findet Häuser und Herzen der Menschen wie mit Riegeln verschlossen; dann fommt plötzlich ein Tag, wo man einen Blick in das Innere werfen kann, und alles versteht, was man so lange mit fremden Augen gesehen, der Ausdruck auf den Gesichtern mind deutlich, man fühlt sich eins mit der Bevölkerung und ist zuhause.

So ist es mir( vor Berlin ) schon in Rio ergangen, das in ganz anderem Sinne eine Stadt der Gegenfähe ist. Einen Tag gibt es im Jahr, oder vielmehr ihrer drei, da fallen alle Schranken, ganz Rio ist ein Herz und eine Seele, vom zerlumptesten Neger­jungen hinauf bis zum Präsidenten der Republif, und in den marmornen Klubs tanzen, was noch unerhörter ist, Welt und Halb­Ganz Rio ist in diesen Februartagen auf den Beinen und welt einträchtig durcheinander, drei Nächte lang bis zum Morgen. feiert gemeinsam das grandioseste Fest, das ein Mensch heutigen Tages mit erleben kann. Kein Polizeiaufgebot tönnte verhindern, daß zu dieser Zeit geplündert und gemordet wird und doch geschieht gar nichts in dem wilden Trubel, der überall herrscht, fommt es nirgends zu Ausschreitungen: man ist nur einfach naiv lustig und

freut sich, herzlich, denn

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es ist Karneval. Nicht tennt Rio, mer

betriebes in Werder und habe alles in frischeſter Erinnerung, die heftig geftitulierende Polizei auf einer farbenfrohen Insel, umtoft von rasenden Autos und schnarrenden Motorvehifels jeglicher Kon­struktion. Berliner Polizei, natürlich, die vier Werder Ord­nungswächter beschäftigten sich friedlich mit Steuerkontrolle, denn foldem Anfturm sind sie nicht gewachsen.

Abgesehen von der Menge der Menschen und Blüten kommt es in Grinzing ( oder in anderen Wiener Vororten) niemals auch in den spätesten Stunden zu so etwas wie der merderischen Gelöstheit. Dazu ist der Wein zu schwach, die Musik zu einschmei­chelnd, der Wiener überhaupt zu wenig geneigt, gewisse( soziale) Grenzen zu überschreiten. Ein Wiener Heurigenlofal gerät wohl nach und nach in eine Stimmung allgemeiner Fidelitas, aber die Struttur der einzelnen Gesellschaftsgruppen ver­ändert sich dabei nur sehr unwesentlich. Auch in der gemütlichsten Laune duldet der Wiener feinen Eingriff in seine persönlichen Lebensgewohnheiten. Der einzelne verharrt auf seinem Niveau, es geht nur so etwas wie eine leise Schwingung durch die All­gemeinheit. Der gemütliche Wiener würde gerade das für unge­mütlich empfinden, was in Werder inmitten der allgemeinen Formlosigkeit und Ausgelassenheit das versöhnende Element bildet. Die allgemeine Verbrüderung, die Vermischung sämtlicher Bolts­elemente einer ganzen Straße. Das verträgt der Wiener weder am Silvesterabend, noch beim Heurigen, er empfindet es als derb, ja als aggressiv.

Wie ich eingemeindet wurde

Mir ging es nach einem ganzen Berliner Jahr selber nicht anders: bis ich nach Werder fam. Ich besah mir also die blühenden nicht seinen Karneval gefehen und nicht kennt den Karneval, wieder erweckte, viele, viele, wurde aber schließlich abgedrängt in die Bäume auf der Höhe, junge strogende und knorrige alte, wundersam wer ihn nicht in Rio erlebt hat( auch jetzt man alles übelberüchtigte wüste Bahnhofsstraße hinab, in den Zug der Bacchanten Gefindel schon vorher hinter Schloß und Riegel, so kann nichts paf- und Becchantinnen hinein, die einander joblend umschlangen, ge­fieren, selbst wenn man sich Tag und Nacht in den sommerlich festlegentlich aus dem Rinnstein zogen und häufig aus umgehängten, lichen Straßen herumtreibt). es

Fidelitas in Wien und Berlin

Es ist sonderbar, daß gerade die Wiener Nachbarn die größten Mißversteher der vorwärtsstürmenden deutschen Reichshauptstadt find. Für Berliner Einrichtungen und Geschäftstüchtigkeit bringt der Wiener, wenn sie ihm nicht auf unangenehme Weise unter die Nase gerieben werden, oft Worte der Bewunderung auf. Aber das Ber­liner Menschentum versteht er vorerst gar nicht. Mag's noch so viel besser sein drüben in Berlin , sagt man, gemütlicher lebt sichs jedenfalls in Wien . Andererseits höre ich den Berliner mit nichts, rein nichts so oft sich brüsten als damit, daß er ein gemütlicher, ein ganz urgemütlicher Mensch sei. Es ist seine innerste Ueber­zeugung. Es muß also angenommen werden, daß der Begriff von Gemütlichkeit in den zwei deutschen Hauptstädten ein wesentlich ver: schiedener sei, und das ist tatsächlich der Fall. Man vergleiche etwa die Wiener Vortriegs- Silvesternacht( aus einer Zeit also, wo es dort einen Betrieb" annähernd wie hier gab, und Geld unter den Leuten war) mit dem Berliner Silvesterrum­mel: welch himmelweiter Unterschied. Allein das Wort ,, Rummel" macht den Wiener erschaudern. Das lässige Wien , wo sich die Men schen im täglichen Verkehr viel mehr aneinander anschmiegen, tennt feine solche plögliche Zügellosigkeit der Unterhaltung wie das steifere, forreftere Berlin , wenn einmal tatsächlich die Vorbedingungen dazu gegeben sind.

H

Die Werder Baum blüte und der Grinzinger Heu rige, das ist ein vielleicht ergiebigeres, wenigstens ein aftuel­lerer Vergleich, der sich zur Stunde wohnt. Für eine Woche oder zwei, wenn dort die Bäume blühen, ist Werder gewiß der fidelste Ort der Erde und eine ausgezeiámete Vorbedingung zur Gemütlichkeit. Wiener Heurigenstätten sind eine zahme Angelegenheit dagegen. Im Bergleich zu Werder ist Grinzing ein schwach frequentierter, melan­cholischer, stiller, verträumter Vorort. Ich war zur Zeit des Hoch

mit genialem Maschennetz versehenen Flaschen zutranten war nicht gerade erbaulich.

Irgendwie geriet ich unter ein Zeltdach und bestellte eine Flasche und bald darauf eine zweite von jenem Fruchtsaft, der füß und harmlos schmeckt wie Nektar und verheerend wirkt wie das feurigste der Feuerwasser. Anfänglich sah ich mit einer an Ent­rüstung grenzenden Mißbilligung zu, wie zwei einander fremde Liebespaare am Rebentisch inerhalb 3 Minuten Bruderschaft tran fen, inerhalb 5 ihre Partner tauschten und innerhalb 10 in neuen Gruppen aufgingen. Unter der Einwirkung dieses herzausschließen. den Getränkes erlahmte jedoch allmählich meine wienerische Oppo­fition und ich leistete den an mich von Nebentischen ergehenden ursprünglich mir dreift erscheinenden Aufforderungen teinen Wider. stand. Nichts störte mich mehr in dem vor Fröhlichkeit überschäu menden Lokal als die Schrammelkapelle, die so mißtönig wie hart nädig das Lied Mei Mutter is a Weanerin" spielte.

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Bar ich berauscht? Nein, ich war bloß eingemeindet. Zwe Flaschen Werder Fruchtwein hatten mich in einen masch echten Berliner verwandelt. In dieser einen fidelen Stunde unterm Beltdach hatte ich mehr vom Wesen dieser Stadt in mir aufgenom men als durch ein jahrelanges Einfühlenwollen, Beobachten, Aus flügein. Der Menschlichkeitsgehalt sonst verschlossener Physiognomien tat fich mir auf, ich vermag auf Männer- und Frauengesichtern zu lesen, die mir bislang unverständlich geblieben waren. Künftig werde ich mich unter Berlinern wie unter Wienern bewegen fönnen und die richtige Dosis von Ernst und Scherz, Ent gegentonmen und Festigkeit zu mischen wissen.

Man mag gegen doppelt gegorenen Fruchtwein einwenden was man will: er wirkt zweifelsohne Wunder zum Verständnis des Berlinertums, das leider auf der Welt, nah und fern, noch nicht hinlänglich gewürdigt wird. Könnte man denn nicht den- den Böllerbund nach Werder verlegen?