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BERLIN Freitag 9. Mai

1930

Der Abend

erfdetuttaglio außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts. Bezugspreis beide Ausgaben 85 Vf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Spätausgabe des Vorwärts

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Nr. 215

B 107

47. Jahrgang

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Drei Kalifchächte ersoffen.

Trichter öffnet sich vor fahrendem Auto/ Schienen hängen in der Luft

Gestern nachmittag sind nach Schichtschluß große Wassermassen in die Kalischächte des Kaliberg­werts Vienenburg bei Harzburg eingedrungen. Es ist noch ungewiß, ob sämtliche drei Schächte ersoffen find. Verlust an Menschenleben ist glücklicherweise nicht zu beklagen. Das Kalibergwerk gehört dem preußischen Staate, der bei der völligen Stillegung des Bergwerks einen Schaden von 15 bis 20 Millionen Mark erleiden würde.

Braunschweig , 9. Mai.

In Vienenburg hat sich die durch das Ersaufen des Kalibergwerks verursachte Erdbewegung noch nicht beruhigt. Die Lage hat sich eher ver­schlechtert als gebessert. Die Absperrungen haben be deutend erweitert werden müssen und schon auf der Braunschweiger Chaussee sieht man an mehreren Stellen Risse im Pflaster. In einer Wand des Harlywerks hat sich ein Trichter von 30 Metern durch= messer gebildet. Er liegt ungefähr über Schacht 1 und ist erst in der letzten Nacht gegen 12 Uhr bemerkt wor den. Der Führer eines Benzwagens der Bezirksinspek tion, der von Schacht 2 tam, und zum Direktionsgebäude wollte, sah. plötzlich vor sich inmitten der Straße einen Abgrund und konnte gerade noch auf dem Schienen strang der Bergbahn halten, mit seinen vier Fahrgästen aussteigen und sich auf festen Boden retten. Jekt liegt der Wagen tief im Schlund des dauernd einrutschenden Trichters. Die Schienen der Güter­strecke nach Grauhof schweben in der Luft. An vielen anderen Stellen ist der Bahnkörper ebenfalls in Mit­Leidenschaft gezogen worden. Die Direttionage. bäude des Werks werden jekt geräumt, da mit einer weiteren Ausdehnung des Erdrutsches gerechnet werden mus. In später Abendstunde haben die Untersuchungen der Schächte ergeben, daß in Schacht 2 noch in Höhe der zweiten Sohle kein Wasser zu finden war, aber in Schacht 3 find schlechte Gase entstanden, die ein weiteres Eindringen in den Schacht verhinderten. Das Schicksal der Werke ist bisher vollkommen unsicher, und es ist zu befürchten, daß weitere Störungen des Gesamt werkes eintreten werden. Auf jeden Fall befinden sich die Erdrutsche noch in voller Bewegung.

Die Pressestelle der Reichsbahndirektion Magde burg gibt anläßlich der durch die Erbsenkungen beim Kali bergwert Bienenburg notwendig gewordenen Verkehrs: umleitungen folgendes bekannt:

Sozialistische Internationale in Berlin

Die Abrüftungskommiffion der Sozialistischen Arbeiter Internationale lagt gegenwärtig im Konferenszimmer des Partei­corstandes. Unser Bild zeigt von links nach rechts: Sturmthal( SA9. Sekretariat); Renaudel( Frankreich ); De Broukère ( Belgien ); Modigliani ( Italien ); Andersen( Dänemark ); Hansson( Schweden ); Albarda( Holland ); Fritz Adler ( Sekr. SAI); Somerhausen( Weberfetzer); Breitscheid ( Deutschland ); Otto Bauer ( Oesterreich ); Price( Uebersetzer); Gillies( England)

Mehr Sachlichkeit!

Die Zentrumspreffe lobt Otto Braun , aber sie handelt gegen seinen Rat.

Die Germania ", das Berliner Zentrumsblatt, beschäftigt sich in einem Nachwort zu der gestrigen Aussprache im Preußischen Bandtag nochmals mit den Methoden der sozialdemokratischen Oppo­sition, die sie nicht ,, fachlich" genug findet. Dabei versucht sie, in einer Weise, die weder geschickt noch taftvoll ist, den preußischen Ministerpräsidenten, Genossen Braun, gegen die sozialdemokratische Reichstagsfraktion und die sozialdemokratische Presse auszuspielen. Sie hat jedenfalls die Reden des Genossen Braun ganz anders gehört und ganz anders verstanden als wir.

Wir würden uns sehr gerne die Zentrumspresse zum Vorbild fachlicher Rampfesweise nehmen, fürchten aber, alles andere als ihren Beifall zu finden, wenn wir es von der anderen Seite her ebenso machen wollten wie sie. Dafür als Beispiel ihre Behandlung der Panzerschiff Frage.

Es empfiehlt sich für die Reisenden des gefährdeten Gebiets, fich vor Antritt einer Reise rechtzeitig auf den Reiseantrittsbahnhöfen über die Zugverbindungen zu erfundigen, da ein Ende der Stö rung im regelmäßigen Zugverkehr noch nicht abzusehen ist. Der durchgehende Personenverkehr Halberstadt - Hildes heim und Halberstadt - Langelsheim ( reiensen) und in der Gegenrichtung wird nicht mehr über Bienenburg, sondern über Heudeber- Danstedt- Bad Harzburg- Dfer­Goslar und umgekehrt geleitet. Wie weiter bekanntgegeben wird, ist ein Bendelverkehr, der sich im Rahmen der sonst fahrplanmäßig verkehrenden Züge abwickelt, eingeleitet auf den Strecken Bienen burg Bersonenbahnhof- Ofer bis Bad Harzburg und Bad Harzburg bis Vienenburg Personenbahnhof, außerdem auf den Streden Börssum- Bienenburg bis Schladen und Heudeber- Danstedt- trumsabgeordnete( Erfing und Schlack). Die Iaft immen stellten Vienenburg bis Wafferleben.

Neuer Krieg in China .

Ranting gegen den Norden.

Zwischen Regierungstruppen und nordchinisischen Streitkräften find schwere Kämpfe entlang der Lunghai- Eisenbahn westlich des Drtes Hjuchauju im Gange. Die Regierungstruppen sollen unter großen Berlusten zwei Städte eingenommen haben. Die Zahl der Berwundeten und Toten der Regierungstruppen foll 7000 betragen. 2000 Verwundete sind bereits in Ranting einge troffen. General Ischiangfaischet hat Nanking verlassen, um die Leitung der Offensive gegen Nord zu übernehmen. Er fonnte aber muf dem Wege zur Front nur bis Bengpu fommen, wo er an der Beiterreise infolge der Kämpfe verhindert wurde.

Die Erwartung, daß bereits im Haushaltsausschuß des Reichs­tags eine flare Entscheidung über den Bau des Panzer fchiffes B herbeigeführt werde, ist nicht eingetroffen. Zwar ist die Einsetzung der ersten Rate mit 19 gegen 13 Etimmen bei drei Enthaltungen abgelehnt worden. Zu den Reinjagern gehörten 11 Sozialdemokraten, 4 Kommunisten, 2 Demokraten und 2 3en­11 Sozialdemokraten, 4 Kommunisten, 2 Demokraten und 2 3en­die Deutschynationalen, die Deutsche Volkspartei , die Wirtschaftspartei. Zu ihnen gefellte sich auch der Zentrumsabgeordnete Wegmann, während der vierte Zentrumsabgeordnete Dr. Perfitius sich ebenso wie die beiden Bertreter der Bayerischen Volkspartei enthielten. Aber fchon diefer

Zerfall der Zentrumsvertretung in drei Teile zeigt, daß man im Zentrum durchaus nicht einhellig den Bau des Panzerfreuzers B ablehnt, und daß ein Druck des Reichswehr­ministeriums oder gar einer noch höheren Stelle dazu führen kann, daß das Zentrum auch dieses Zugeständnis an die Deutschnationalen macht. Damit wird man um so mehr rechnen müssen, als sowohl Serr, v. Lindeiner Wildau als auch Graf Westarp der Entscheidung über den Panzerfreuzerbau meitestgehende Bedeutung für die allgemeine Bofitif beigemessen haben.

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Interessant ist, daß die Zentrumspreffe die 13 Ja- Stimmen als Stimmen der Rechtsparteien bezeichnet und die positive Abstimmung des Zentrumsabgeordneten Wegmann verschweigt. Der 3 wie­spalt im 3entrum wird dafür durch Angriffe auf die Sozialdemokratie auszugleichen versucht. Als Unterlage benutzt man die Erklärung des Reichswehrministers Groener. In ihr wurde darauf hingewiesen, daß das Kabinett Müller unter Zustimmung der vier sozialdemokratischen Minister eine Entschließung angenommen habe, daß mit dem Etat 1931 ein Schiffsbauerfagplan, der auch den Ersatz der Linienschiffe enthalten sollte, vorzulegen sei. Im Haushaltsausschuß hat bereits der sozialdemokratische Abg. Keil festgestellt, daß dieser Beschluß des früheren Reichystabinetts nichts anderes fei als die Ausführung eines Beschlusses, den der Reichstag im Juni 1929 gefaßt hat. Dieser Antrag forderte die Reichsregierung auf, einen Flottenbauplan vor­zulegen, zugleich mit einer Deckungsvorlage über die Kosten. Der Beschluß des Reichskabinetts ist nur die Ausführung dieses Reichs­tagsbeschlusses, ist aber in feiner Weise eine materielle Entscheidung zugunsten des Baues von Panzer fchiffen. Der Reichswehrminifter Groener hat nicht bestreiten tönnen, daß der Beschluß des Kabinetts nur diese formelle Be­Deutung gehabt hat,

in feiner Weise aber eine Zustimmung der sozialdemokratischen Minister zum Bau von neuen Panzerschiffen bedeute. Diesen Sachverhalt wird man, um so stärker unterstreichen müffen, als, wie im Haushaltsausschuß am Donnerstag bei anderer

Gelegenheit festgestellt wurde, die Regierungsparteien allzu leicht der Versuchung unterliegen, aus der Luft gegriffene Be­hauptungen über die Haltung der Sozialdemo fratie aufzustellen. Nur Leichtfertigkeit und unwahrhaftig­feit fönnen behaupten, daß die sozialdemokratischen Minister der Regierung Müller dem Bau des Panzerfreuzers B für das Jahr 1931 positiv zugestimmt hätten.

Im ganzen gesehen, ist die Methode der Zentrumspresse, das