Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts"
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Nr. 221
B 110 47. Jahrgang
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Stadtrat Busch entlarvt.
Wie er bei der Schiebung mit Neu- Cladow 350000 m. verdiente.
Stadtrat a. D. Paul Busch, ehemals der groke, seriöse Förderer der Wirtschaftspartei, ist der Rorruption überführt, er hat an dem Ankauf bes Gutes NeuCladow mehrere hunderttausend Mark eingesteckt. Strittig ist nun noch, ob in diesem Fall Bestechung vorliegt oder ob Busch die an dem Kauf beteiligten Grundstücksmakler übers Chr gehauen hat.
Die Staatsanwaltschaft ist auf dieses Geschäft eigentlich durch Die Staatsanwaltschaft ist auf dieses Geschäft eigentlich durch einen Zufall gekommen. Man hatte in Sachen Hiller eine Haussuchung vorgenommen, jedoch
einen Brief des Grundftüdsmatters Groffe gefunden, in dem an einer Stelle von dem Gutkauf Neu- kladom die Rede war. Daraufhin wurden Haussuchungen bei den Matlern Maimald und Grosse vorgenommen, und dort fand man die gesamte diesen Fall betreffende Korrespondenz. Aus diesen Akten geht hervor, daß bei dem Berkauf des Rittergutes von Anfang an mit einer tom plizierten" Geschäftslage gerechnet worden ist. Frau v. Brandis hatte nämlich den Herren Maiwald und Grosse eine Provision in Höhe von 4 Proz. zugesagt, für den Fall, daß sie das Gut an die Stadt Berlin verkaufen könnten. Diese Abmachung ist schriftlich getroffen worden, und es muß mun ermittelt werden, auf wefsen Beranlassung diese Provision mit der daran getmüpften Bedingung festgesetzt worden ist. Bei dem Wert des Gutes, das für 11,6 Mil lionen Mark in den Besitz der Stadt überging, war eine Provision pon 4 Broz. absolut ungewöhnlich und hätte nicht weniger als 460 000 m. betragen.
Es besteht hier von vornherein der Berdacht, daß die beiden Bermittler diese hohe Provision gefordert haben mit der Begründung, daß man von dieser Summe erhebliche Beträge an Drifte abgeben" müffe, um die Stadt zum Ankauf zu
bewegen,
Busch gibt zu, daß er mit seinem Freunde Luttie, einem Holländer, sehr häufig über städtische Grundstücksfäufe gesprochen habe und er läßt auch die Möglichkeit offen, daß er Lutkie davon erzählt habe, daß Berlin gerade Neu- Cladom anfaufen wolle. An weitere Einzelheiten will fich Busch jedoch nach erprobter Weise nicht ,, entfinnen". Die Annahme gewinnt immermehr an Wahrscheinlichkeit, daß Busch durch Lutkie die beiden anderen Grundstücksvermittler auszuschalten versucht hat, um den Hauptteil der Verkaufsprovision in die eigene Tasche zu stecken.
Es tann nicht oft genug betont werden, daß die sozialbemokratische Rathausfrattion schon 1926 die Ab= berufung dieses Mannes verlangt hatte, ohne jedoch mit ihrer Forderung durchzubringen!
Aus der Reichskoalition.
Was geht im Reich von Treviranus und Schmid vor? Die Telegraphenunion verbreitet unter der Ueberschrift Bressechef aus eigener Machtvolltommenheit" bie folgende Meldung:
Wie die Telegraphenunion erfährt, trifft die Meldung, daß Reichsminister Trepiranus die Sekretärin Erzbergers und Dr. Births, Fräulein Dr. Blesch, zum Breffechef im Reichsministerium für die befesten Gebiete er nannt habe, in dieser Form nicht zu. Vielmehr hat in Abwesenheit Don Treviranus der stellvertretende Staatssekretär eine auf Brivatvertrag Angestellte des Ministeriums, die der frühere Rheinminister Dr. Wirth für seinen Verkehr mit der Beffe verwandte, einstweilen mit der Erledigung einiger Breffeangelegenheiten beauftragt. Die etatsmäßige Stelle des Pressereferenten bleibt bis zur endgültigen Klärung über das Schicksal des Rheinministeriums vor fäufig unbesetzt. Formal steht sie im übrigen immer noch Dr. Steiger zu, der in dem Disziplinarverfahren gegen ihn Berufung eingelegt hat. Es kann jedenfalls mitgeteilt werden, daß sowohl der Minister wie der Staatssekretär von der ihnen durch die Presse befannigewordenen Ernennung" außerordentlich überrascht waren,
Drei tote Führer der internationalen Arbeiterbewegung.
Die heutige Sigung der Exekutive der Sozialistischen Arbeiter: Internationale brachte eine spontane, ergreifende Trauerfund
von internationaler Bedeutung: Wheatley England, Troel gebung für drei fast gleichzeitig verstorbene, führende Genoffen stra- Holland und Posner- Polen .
In tiefer Ergriffenheit nahm das Wort der Borsitzende der Erefutive
Bandervelde:
Wir haben heute drei schmerzliche Todesnachrich ten erhalten. Ein Telegramm aus Glasgow berichtet, daß John Wheatley gestorben ist. John Wheatley war der erste Minister für Hygiene der britischen Arbeiterregierung. Die Energie feines Rampfes und die tiefe Leidenschaft seines Herzens haben ihm die Sympathien aller erworben, die ihn fannten, weit über den Kreis seiner Partei hinaus. Im Namen der Erefutive der Sozialistischen Arbeiter- Internationale spreche ich den Genossen der Unabhängigen Arbeiterpartei Englands und der britischen Arbeiterpartei unser tiefstes Beileid aus.
erleidet einen schweren Berlust. Wir sind noch sehr menig von denen, die in der Bortriegsinternationale tätig waren und Troelstra
anderen, die von uns gegangen sind. Ich war noch sehr jung, als noch aus dieser Zeit gekannt haben. Und ich denke an die vielen ich in die Bewegung eintrat, und so habe ich einen nach dem anderen von den großen Kämpfern verschwinden gesehen: Bebel und Liebknecht, Keir Hardie , Bictor Adler, Bran ting, Blechanoff, Jaurès und Sembates ist eine ganze Generation diefer Kämpfer, die verschwindet. nationale gesehen, machtvoll in Tat und Rat, wir haben den Adel Wir haben Troelstra bei den Kongressen der Zweiten Interfeines Gedantens und feine gewaltige Kraft in der Führung der Massen gesehen. Wir Belgier leben nahe gemug den holländischen Genoffen, um zu wissen, was Troelstra für sie bedeutet. Selbst aufs fieffte getroffen, trauern wir mit ihnen in ihrem Schmerz. Und weil die Mehrzahl der hier Anwesenden einer jüngeren Generation angehört, will ich ihnen sagen: Wenn wir sind, was wir sind, so danten wir das Männern wie Troelstra , die ihre ganze Seele, ihr
ganzes Leben, in den Dienst des Sozialismus gestellt haben. Und uns von der älteren Generation bleibt der Trost, daß hinter uns andere bereit stehen, den Kampf meiter zu führen, wenn mir fallen. unferes großen Toten huldigen.
Eine andere Meldung berichtet uns, daß Pieter Jelles Troelstra gestern gestorben ist. Seit langem frant, feit Monaten der aktiven Tätigkeit entzogen, ist für ihn der Tod eine Erlösung Wir wollen in einer Minute des Schweigens dem Andenken
9. J. Troelstra , von einem schweren Martyrium. Für die holländische Partei ist es der schwerste Berluft, der sie treffen konnte. Aber es ist nicht nur die holländische Partei, die durch den Tod Troelstras so schwer getroffen wird. Die ganze Internationale
Den Südatlantik überflogen. Französischer Flieger an brasilianischer Küste gelandet. Paris , 13. Mai. Der französische Flieger Mermoz ist heute früh 8.10 Uhr( Greenwicher Zeit) nach Ueberquerung des Südatlantik in Natal ( Brafilien) gelandet.
Der französische Flieger Mermoz hat seinen Dauerpoftflug über den Südatlantischen Ozean glücklich beendet. Er überflog gegen 6 Uhr früh die der brasilianischen Küste vorgelagerte Insel Fernando de Noronha und landete um 8.10 Uhr in Port Natal . Mermoz hat also mit seinen Begleitern die Strede Sant Louis( Senegal )- Port Natal , die 3450 Kilometer beträgt, in 21 Stunden 15 Minu ten zurückgelegt. Die von Mermoz beförderte Post, die am Sonnabend von Paris abgegangen war, ist sofort mit einem Landflug zeug nach Buenos Aires weiterbefördert worden, so daß sie dort schon am Mittmech ausgetragen werden wird.
Die Erefutive erhebt sich und verharrt eine furze Weile stehend in tiefem Schweigen.
Bandervelde fährt fort: Durch eine tragische Fügung des Schicksals haben wir noch einen dritten Todesfall zu beklagen. Unfer Genoffe Posner, Mitglied des polnischen Senats, ist gestorben. Wir fennen ihn aus internationalen Konferenzen und wissen den schweren Verlust zu würdigen, der unsere polnischen Genoffen getroffen hat.
"
Nach den ergreifenden Gedächtnisworten Banderveldes sprachen die Genossen Wibaut Holland, Fenner Brodway England und Diamant- Polen dem Redner und der Erefutive Dant aus für die Würdigung der Verdienste der verstorbenen Genossen.
Beileidsfundgebung des Parteivorstandes.
Der Barteivorstand hat an die Familie des verstorbenen Genossen Troelstra folgendes Telegramm gefandt:
Die deutsche Sozialdemokratie trauert mit Ihnen um Troelstra, ben großen Begründer und Führer der holländischen Bruderpartei. Parteivorstand: Wels.
Wheatley.
London , 13. Mai. ( Eigenbericht.) Arbeiterabgeordnete und Gesundheitsminister im ersten Kabinett Nach kurzem Leiden starb zu Glasgow im 61. Lebensjahr der Macdonalds John Wheatley . Er war als eines der eif Kinder ernes ftrenggläubig römisch- katholischen irischen Bergarbeiters in einem Dorf der Grafschaft Lanarkshire geboren und wurde im 3wölften Jahre Bergarbeiter. Das irische Blut, das schottische Proletariermilieu und der dogmatische Katholizismus verbanden sich in ihm zu einer in der Geschichte der Arbeiterparteien der Welt einzigartigen Synthese des sozialen Radikalismus und Katholizismus. Wheatley, der ursprünglich zum gemäßigten Flügel der Unabhängigen Arbeiterpartei gehörte, murde 1922 zum erstenmal ins Parlament gewählt, wo fein Radikalismus bald deutlich) wurde. Seine außer ordentlichen intellektuellen Eigenschaften veranlaßten Macdonald, thn 1924 auf den wichtigen Boften eines Gesundheitsministers zu berufen. Wheatley bewies an dieser Stelle, daß er über ganz ungewöhn. liche staatsmännische und administrative Fähig fetten verfügte. Im Gefundheitsministerium galt er gls der fähigste Chef, ben das Ministerium jemals gehabt hat. Sein ausbaugesez mird für alle Zeiten eine der stolzesten Errungenschaften der ersten sozialistischen Regierung Großbritanniens bilden. Nach dem Sturz der ersten Regierung Macdonalds geriet Wheatley immer mehr und mehr in Gegensatz zur offiziellen Bolitik fchottischen Rebellion im Unterhaus. Er war es, der die Unabhängige Arbeiterpartei in den heutigen Gegensatz zur Arbeiterregierung hineinmanövriert hat. Wheatley war zweifellos der stärkste Intellekt, den der linke Sozialismus Großbritanniens in den legten Jahrzehnten hervorgebracht hat.