Morgenausgabe
Nr. 224
A 113
47.Jahrgang
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ading1909
Donnerstag
15. Mai 1930 Groß- Berlin 10 pf. Auswärts 15 Pf.
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Wirth geht gegen Frick vor.
Ein neuer Schritt des Reichsinnenministeriums in Thüringen . Der Reichsminister des Innern, Dr. Wirth, hat an die thürin| schaftsrates Dr. Floel als Polizeidirektor nicht in Frage tomme. gische Regierung ein Schreiben gerichtet, in dem er neue Bor- An seiner Stelle will Herr Frid den den Nationalsozialisten nahe stellungen erhebt. Der Schritt des Reichsinnenministers richtet sich stehenden Polizeimajor, Rehri von der Landespolizei in vor allem gegen die Einführung der verheßenden Schul. Weimar als Polizeidirektor nach Gera entfenden. Es verlautet gebete. Herr Frid hat im Hauptausschuß des Thüringischen Land- ferner, daß Herr Frid an der Kandidatur des nationalsozialistischen tages offen zugegeben, daß sie sich sowohl gegen die Juden als auch Assessors Ortiep p als Polizeidirektor in Weimar festhält. gegen die Außenpolitik des Reiches richten. Der Reichsinnenminister erhebt ferner Einspruch gegen die Absicht, Nationalsozia. listen als Polizeidirettoren in Thüringen zu ernennen. Eine solche Ernennung würde im Widerspruch stehen zu den Zusicherungen, die dem Reichsinnenministerium vor der Aufhebung der Sperre der Polizeizuschüsse gegeben worden sind.
Die thüringische Regierung ist am Mittwochnachmittag zu einer Rabinettssigung zusammengetreten, in der der Brief
des Reichsinnenministers besprochen werden soll.
Die thüringische Regierung läßt inzwischen versichern, daß eine Berufung des aus dem Friedersprozeß bekannten Staatsanwalt
Das Thüringer Gesamtkabinett hielt am Mittwoch eine Sigung inger Ge ab, in der über die Besetzung der Polizeidirektorenposten verhandelt wurde. Minister Dr. Frid, der befanntlich einige Polizeidirektoren posten mit Nationalsozialisten besetzen will, legte feine Bersonal. pläne vor, über die fich das Kabinett jedoch nicht einigen tonnte, so daß in dieser Frage am Donnerstag abermals Verhandlungen stattfinden werden.
Die sächsischen Nazis wollen einen Frick.
und der
Dresden , 14. mai. Angesichts des Zustandes des sächsischen Bürgertums In der heutigen Landtagsfihung erklärten die Nationalfozia- hoffen die Nationalsozialisten, den Deutsch nationalen listen, daß sie nicht für das Kabinett Schied, sondern für Aufwählermengen wegzureißen und beträchtlich verBolkspartei sehr beträchtliche lösung des Landtags ftimmen würden. Die Auflösungsstärkt anträge werden in der nächsten Landtagsfizung am Dienstag, dem stärkt in den neuen Landtag zurückzukehren. Damit würde eine Konstellation herbeigeführt werden, wie sie heute in 20. Mai, behandelt und erledigt werden. Nach der Stellungnahme Thüringen gegeben ist. Das sächsische Bürgertum, das der Nationalsozialisten ist nunmehr mit Bestimmtheit mit zu feiner Zeilung der Macht mit der sozialdemokratischen ArAuflösung des Landtags zu rechnen. beiterschaft bereit ist, müßte dann einen sächsischen Frid hinnehmen. Das Experiment von Thüringen würde dann eine Wiederholung in Sachsen finden!
Der Beschluß der sächsischen Nationalsozialisten geht zurück auf eine Besprechung der nationalsozialistischen Führer Dr. Frid, Straßer und Mutschmann, die fürzlich in Dresden stattgefunden hat. In dieser Besprechung wurde beschlossen, Neuwahlen in Sachsen herbeizuführen, itler hat diesem Beschluß seine Zustimmung gegeben.
Der Reichstag tritt zusammen.
Beginn der Etatsberatung in zweiter Lesung. Heute nachmittag um drei Uhr tritt der Reichstag wieder zusammen. Er wird mit der Beratung der Etats in zweiter Lesung beginnen, die im Hauptausschuß bereits verabschiedef find. Für die Donnerstagfißung sind zunächst der Haushalt des Reichspräsidenten , des Reichsministeriums und des Reichsjustizministeriums auf die Tagesordnung gestellt.
Intrige um Treviranus . Reichsverkehrsminister von Guérard foll gehen. Köln , 14. Mai. ( Eigenbericht.)
Die Rölnische Beitung" meldet aus Roblenz, ReichsDerkehrsminister von Guérard beabsichtige, am 1. Juli von seinem Amt zurüdzutreten. Er werde wahrscheinlich durch den Minister für die beseßten Gebiete, Treviranus , ersetzt werden, dessen Ministerium demnächst aufgelöst werden dürfte.
Guérard soll gehen, damit Treviranus fich an feine Stelle fezzen fann. Das wäre ein neues. ,, Trevirament", ganz im Geiste des Gardestellenjägerbataillons. Es hat bis jetzt nur noch einen Hafen: wie wir zuverlässig erfahren, ist dem Reichsverfehrsminister nichts davon bekannt, daß er sich mit Rücktrittsabsichten trage.
Das fam unter Wilhelm vor, daß ein Minister nichts von seinen Rücktrittsabsichten wußte, während Herr von Lucanus, der Chef des Ziviltabinetts, schon zu ihm unterwegs war. Es ist fein 3weifel, daß in dem Kreise um Treviranus man sich einen Wilhelm und einen Lucanus für den Zentrumsmann Guérard wünscht!
Es bestehen Anhaltspunkte dafür, daß die Hakenkreuzler auch in Thüringen beabsichtigen, Neuwahlen herbeizuführen, um ihre Position gegenüber den bürgerlichen Parteien noch zu verstärken. Die Probewahl von Gotha ist durchaus geeignet, fie in dieser Absicht zu bestärken.
Das Preffereferat bei Treviranus. Amtlich wird mitgeteilt: Die durch die Telegraphen- Union verbreitete Meldung über die Besetzung des Pressereferats im minifterium für die beseßten Gebiete ist unrichtig und irreführend. Fräulein Dr. Blesch hat bereits seit einem Jahre die Presseangelegenheiten im inneren Dienst des Ministeriums wahrgenommen. Infolge des Weggangs des Herrn Dr. Broermann, der bis dahin die Presseangelegenheiten nach außen vertrat, hat fie nun auch die Pressevertretung nach außen übertragen erhalten. Die Bestellung von Dr. Blesch zur Pressereferentin im Reichsministerium für die besetzten Gebiete ist ord nungsmäßig in dem üblichen Verfahren mit 3ustimmung des Ministers erfolgt.
Frau Naidu zieht in den Kampf. Ihre Schwägerin organisiert den zweiten Salzmarsch.
New Delhi, 14. Mai. ( Eigenbericht.) Der allindische Nationalkongres beschloß, Frau Naidu mit der Führung des Marsches zur Besetzung des staatlichen Salzdepots in Dharsan zu betrauen. Diese Nachfolgerin Gandhis ist in England erzogen und hat englische Gedichtbände veröffentlicht.
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Eise Vorentscheidung?
Das Gutachten des Vorstandes der Reichsanstalt.
In dem großen Ringen um die soziale Bastion des Ara" beitslosenschutes ist eine neue Schlacht geschlagen worden. Nicht auf der Straße, mit nationalsozialistischem und kommunistischem Radau, sondern in einem der Konferenzzimmer des Reichsarbeitsministeriums. Die Schlacht galt der Fertigstellung des vom Reichsarbeitsminister geforderten Gutachtens des Vorstandes der Reichsanstalt zur ftü gung. Sie wurde mit beispielloser Erbitterung und AnNeufinanzierung der Arbeitslosenunterstrengung geführt.
Die Regierung Brüning wollte es so, daß eine Art Vors entscheidung im Kampf um die Neufinanzierung des Arbeitslosenschutzes im Vorstand der Reichsanstalt für Arwurde. Wohl hat der Vorstand nur ein Gutachten fertig beitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung getroffen gestellt, als zweifellos legt dieses Gutachten bereits so etwas wie eine Linie für die kommende im Reichstag zu fällende Hauptentscheidung fest. Die Beschlüsse des Vorstandes- um das gleich vorweg zu nehmen entsprechen nicht den weitgehenden Abbauhoffnungen des Unternehmertums, aber auch nicht dem, was die Gewerkschaften gewünscht haben. Die freien Gewerkschaften haben weitgehende Abbaupläne verhindert, sie konnten nicht verhindern, daß die Säße für Arbeitslose mit furzfristigen Anwartschaften auf die Höhe der Säße für die Krisenunterstüßung reduziert wurden.
Die Arbeitgeber hatten geglaubt, die freien Ges werkschaften würden für Beitragserhöhung auf 4 Proz. stimmen. Dann wollten sie für Verschlechterung des Arbeitslosenschußes eintreten. Dieser Plan wurde durchkreuzt. Die freien Gewerkschaften erklärten von vornherein: wir sind für 4 Proz. Beitrag aber nur dann, wenn feine Vertrag und für ein Notopfer der Besserfituierten. Das schafft schlechterungen beschlossen werden. Wir sind für 4 Proz. Beieinen Weg ins Freie.
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Die Vertreter der Arbeitgeber, die der bürgerlichen Gewerkschaften und der öffentlichen Körperschaften wollten diesen Weg nicht gehen. Für sie schaffte der Vertreter des Preußischen Wohlfahrtsministeriums Plattform durch die Vorlegung eines Antrages, der Beitragserhöhung auf 4 Proz. und Zahlung der Säge der Krisenunterstützung für die Arbeitslosen, die nicht 52 Wochen Anwartschaft erreicht haben, vorschlug. Die Familienzuschläge sollen nicht vermindert werden. Diese Regelung für alle Arbeitslosen mit furzen Anwartschaften soll die Regelung für die Saisonarbeiter überflüssig machen.
Für diesen Antrag stimmten 4 Vertreter der öffentlichen Körperschaften, drei Arbeitgebervertreter, die Christen und Hirsche sowie der Präsident der Reichsanstalt. Der Antrag Rügler wurde mit 10 gegen 6 Stimmen, d. h. gegen die Stimme der freien Gewerkschaften angenommen. Mit diesem Antrag sollen 65 millionen gespart werden.
Beschlossen wurde ferner gegen die freien Gewerkschaften die Beseitigung der Unterstüßung für Jugendliche bis zu 17 Jahren, womit 12 Millionen eingespart werden sollen. Weitere 8 millionen will man dadurch ersparen, daß beim 65. Lebensjahr der Anspruch auf Unterstügung erlischt. 6 Millionen will man einsparen, indem man die 13 Beitragswochen, die bisher bereits zum Bezug der Krisenunterstüßung berechtigten, notwendige Anwartschaftszeit anrechnen lassen will.
nicht mehr in die für den Bezug der Arbeitslosenunterstützung
Das Rechenerempel für die Neufinanzierung des Arbeitslofenschutzes würde sich also folgendermaßen gestalten: Bei einer durchschnittlichen Arbeitslosenziffer von 1,5 Millionen ein Kostenaufwand von 1550 Millionen Mart . Bei 3½ Proz. Beitrag ein Aufkommen von 1015 Millionen. Durch Erhöhung des Beitragssages auf 4 Proz. eine Mehreinnahme Don 145 Millionen. Reichszuschuß 200 Millionen, Einbe In einem Interview erklärte Frau Naidu. Freunde ziehung des ländlichen Gesindes in die Arbeitslosenversiche= hätten versucht, sie von ihrem Vorhaben abzuhalten. Sie rung, soweit nicht langfristige Arbeitsverträge vorliegen- werde aber an der Spike der Freiwilligen marschieren ein Erfolg der freien Gewerkschaften bei den Verhandlungen und versuchen, die Polizei. und Militärwachen des Salz im Vorstand, 15 Millionen und Abwälzung der Verwal depots zu durchbrechen und den Stacheldraht zu durchtungskosten der Krisenunterstützung auf das Reich 10 Milschneiden, der das Salzdepot umschließt.
hat mit der Organisation eines Marsches nach dem staat Frau Naidus Schwägerin, Kamali Tschattopadhyaya, lichen Salzdepot Wagala, zehn Kilometer von Bombay entfernt, begonnen. Dieser Marsch soll am Sonnabend und Sonntag unter Führung von Frau Kamali unter
nommen werden.
lionen. Dazu die bereits aufgeführten Ersparnisbeträge. Das geben. Es würden also immer noch rund 100 Millionen alles zusammen würde eine Summe von 1476 Millionen erfehlen.
Auf Drängen der freien Gewerkschaften wurde der Ausbau der Krisenunterstügung und die Uebernahme des Gemeindefünftels der Krisenunterstügung