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Morgenausgabe

Nr. 234

A 118

47.Jahrgang

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Mittwoch

21. maí 1930

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Berliner Boltsblatt

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Unterredung mit Gandhi.

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Bereitschaft zu Verhandlungen über ein Dominion Statut.

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London , 20. Mai. ( Eigenbericht. Nachdrud verboten.) Der nach Indien entsandte Sonderberichterstatter des Daily Herald", George Slocombe, bat als erster Besucher seit der Berhaftung Gandhis die Erlaubnis erhalten, den Führer der indischen Freiheitsbewegung aufzusuchen, und hat zwei längere Unterrebungen mit ihm gehabt, die insgesamt vier Stunden bauerten. Die Unterredungen haben in Anwesenheit dreier britischer Justizbeamten stattgefunden. Die erste Unterredung begann mit einem Gedankenaustausch über die britisch indischen Be ziehungen. Der Korrespondent des Daily Herald" fragte Gandhi , was er denn unter seiner Unabhängigteitsforde­rung verstehe; meine er damit Dominion- Rang oder fordere er völlige Trennung von Großbritannien ? Die Antwort Gandhis Lautete :

Ich habe immer gehört, daß man in England mit dem Be griff Dominion Rang Unabhängigteit verbinde. In. dische Behörden sind jedoch nicht dieser Meinung Wenn also die Forderung nach Unabhängigkeit im Gegensatz zur Forderung nach Dominion- Rang von seiten der Behörden bekämpft wird, jo fordern wir selbstverständlich Unabhängigteit."

Auf die Frage, ob nach Gandhi die britischen Dominien wie Kanada und Südafrita nicht in allen wesentlichen Bunkten unabhängig feien, antwortete Gandhi : Indien wird nicht die gleiche Stellung angeboten."

Der Korrespondent erfundigte sich hierauf bei Gandhi ob er bei Beginn der Widerstandsbewegung alle Gefahren in Rechnung gestellt habe, die sich hieraus ergeben müßten, worauf Gandhi betonte,

Ich bin überzeugt," so schließt der Bericht, daß eine ver föhnliche Einstellung der Behörden mit der Bersöhnlichkeit Gandhis beantwortet wird. Gewalt wird jedoch niemals die Kapitulation der einen oder anderen Seite bewirken."

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ursprünglich extremen Standpuntt bedeuten. Roch vor turzem lehnten die Gandhisten je de Berhandlung mit Eng land ab und stellten das in Aussicht gestellte Dominion Statut als völlig ungenügend hin.

Es scheint nun, daß Gandhi nunmehr doch bereit ist, das Angebot der Arbeiterregierung wenn nicht anzunehmen, fo doch menigstens zu diskutieren. Eine solche Bereitschaft würde die Lage in Indien mit einem Schlage verändern

Dieses Interview ist in der Tat sehr bedeutungsvoll, weil die Aeußerungen Gandhis bei aller Intransigenz gewisser Wendungen im wesentlichen ein Einlenten von seinem| fönnen.

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Böß entlassen!

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Er legt Berufung ein.- Berlin bleibt ohne Führung.

auf tonzentrierten, daß Oberbürgermeister Böß seiner Aufsichts­Pflicht als Dberbürgermeister nicht genügt habe. Es wurde ihm dabei besonders vorgeworfen, daß er die Geschäfte der Stadt. bant, eines der wichtigsten Zweige in der Berliner Verwaltung spielte auch die Tatsache, daß der Oberbürgermeister geraume Zeit nicht genügend fontrolliert habe. Eine gewisse Rolle Berilner Bürger gewarnt und über den Stlaret- Standal, der vor Beginn des Gflaret Standals durch einen angesehenen drohte, ins Bild gefegt worden war. Schließlich hatte man cs auch nicht als forreft angesehen, daß Oberbürgermeister Böß über den Fall Stlaret und über seine persönlichen Beziehungen zu den drei Brüdern

3m Disziplinarverfahren gegen Dberbürgermeister Böß fällte| Tapolsti zusammengestellt waren und die sich im wesentlichen dar der Bezirksausschuß gestern nachmittag folgendes Urteil: ,, Der Angeklagte hat seine Pflichten verlegt. die ihm das Amt auferlegt hat, und hat sich durch sein Verhalten im Amt und außerhalb des Amtes der Ach tung, des Ansehens und des Vertrauens, das sein Beruf erfordert, unwürdig gezeigt. Der Angeschuldigte wird deshalb mit Dienst das Risiko sei berechtigt gewesen. entlassung bestraft. Dem Angeschuldigten werden Niemals sei etwas Großes ohne Gefahren erreicht worden. Troßdem auf Lebenszeit zwei Drittel des ihm gesetzlich zu habe Gandhi feiner schweren Besorgnis über die Gewaltätigkeiten stehenden Pensionsbetrages als Unterstützung ge­in Scholapur Ausdrud verliehen. Er fei jedoch fest davon überwährt. Die Barauslagen des Verfahrens fallen dem zeugt, daß die Gewalttätigkeiten nicht von seinen eigenen An- Angeschuldigten zur Last." hängern ausgegangen seien. Diese hätten den Befehl gehabt, alles, selbst Gewalt zu ertragen, ohne Widerstand zu leisten.

Auf die Frage, ob nach Gandhis Auffassung die britisch- indische Regierung überhaupt eine Niederlage auf sich nehmen tönne, lächelte Gandhi und betonte ausweichend, daß er in 40 Jahren feines fampfreichen Lebens oft beschuldigt worden sei, das Un­

möglichste zu ertragen, daß die Wirklichkeit jedoch, diese Auffassungen

aber widerlegt habe.

Gandhi erklärte, daß er nicht gegen Verhandlungen fel. Falls die Regierung wirklich die Wünsche Indiens zu erfüllen trachte, müffe sie die elf Buntte bewilligen, die er in feinem Brief an den Bizekönig aufgestellt habe.

So lange diese Wünsche nicht erfüllt sind, werden wir bis zu Ende fämpfen- und

wenn es fein muß unser Leben für die Freiheit Indiens

geben."

,, Bon sachlich weitaus größter Bedeutung war die zweite Unterredung mit Gandhi Aus ihr ging hervor, daß Gandhi bereit sei, dem indischen Nationalfongreß Einstellung der paffiven Resistenz und die Beteiligung Indiens an der geplanten gemeinsamen englisch - indischen Konferenz zu empfehlen, wenn folgende Bedin­gungen erfüllt werden:

2. die Salzsteuer muß abgeschafft, Ausschant hochprozentigen Alkohols verboten und die Einfuhr ausländischer Stoffe untersagt werden.

Böß hat gegen dieses Urteil durch seine Anwälte sofort Berufung eingelegt. Der Fall wird also noch einmal das Oberverwaltungsgericht beschäf tigen. Erfahrungsgemäß dauern die Vorberatungen für dieses Verfahren sehr lange, so daß kaum damit zu rech Berufungsverhandlung stattfinden kann. nen ist, daß vor dem Frühjahr nächsten Jahres die

Bis dahin kann auch an eine Regelung der Oberbürger. meist erfrage nicht herangegangen werden und die Reichshaupt­ftadt wird ein weiteres halbes Jahr ohne Stadtoberhaupt sein.

in der Oeffentlichkeit Mitteilungen gemacht hatte, die er später und schließlich war ihm auch der Borwurf gemacht worden, daß der revidieren mußte. Oberbürgermeister beim Kauf der Belzjade für seine Gatin nicht die Borsicht an den Tag gelegt hatte, zu der er als der erste Beamte der Stadt Berlin besonders verpflichtet gewesen wäre.

Gegen 14% Uhr begann die Sigung dann wieder und der Ver­treter der Anklage nahm furz darauf das Wort, um das Er. gebnis der Beweisaufnahme zusammenzufaffen. Bemerkens. werterweise stellte er feinen formulierten Antrag, sondern überließ dem Bezirksausschuß, die Höhe des Strafmaßes felbst zu finden, nachdem Oberregierungsrat Gaede feine Auffassung tahin ausge Desprochen hatte, daß Böß schuldig im Sinne der Anflage sei. Reichstagsabgeordneter Fischer und Dr. Preuß plädierten auf Frei fprechung ihres Mandanten. Die Berteidiger waren der Mei­mung, daß man dem Oberbürgermeister teinen Vorwurf daraus machen tönne, daß er seiner Aufsichtspflicht nicht in genügendem Maße nachgefomnten fei. Die Verwaltung Groß- Berlins sei so ungeheuer verzweigt und zum Teil so unübersichtlich, daß es für einen Oberbürgermeister rein physisch unmöglich sei, sich um alle die Dinge zu fümmern, die täglich in der Verwaltung vorgingen. Er fich lediglich darauf beschränken, die politischen, finanziellen

Jetzt zeigt sich, wie furzsichtig die Politik der deutschnatio­nalen und kommunistischen Rathausfrattionen war, als sie im zember vorigen Jahres den Antrag der Sozialdemokratie, Böß zu pensionieren, zu Fall brachten. Wäre der sozialbemofra tische Antrag damals angenommen worden, hätte die Stadt Berlin viel Geld gespart, ohne daß der Entscheidung des Bezirks. ausschusses oder dem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes por gegrifen worden wäre. tungsgerichts wäre nämlich nur die Pensionssumme zu be Bis zur Entscheidung des Obervermal­zahlen gewesen. So aber erhält der Oberbürgermeister bis zur end. gültigen Entscheidung sein volles Gehalt!

Was das Urteil selbst betrifft, so spiegelt es zweifellos die stim 1. das offizielle Arbeitsprogramm der gemein mungsmäßige Stellungnahme weitester Boltstreise zu gewissen samen Besprechungen, das als Punkt der Tagesordnung schmählichen Borgängen in der Berliner Stadtverwaltung richtig Schaffung einer Verfassung enthalte, durch die wider. Eine andere Frage jedoch ist, ob es dem Anteil des Ober­Indien alle wesentlichen Elemente der Unbürgermeisters an dem Gesamt verschulden gerecht bemißt, und abhängigkeit gewährt werden. tungsgerichts sein. Das Urteil ist widerspruchsvoll, da es an der diese Frage gemiffenhaft nachzuprüfen, wird Sache des Oberverwal Ehre des Berliner Stabtoberhauptes nichts, an seiner Benfion aber wei Drittel übrig läßt. 3ft Böß so, wie das Urteil ihn schildert und hat er das getan, was es ihm vorwirft, dann versteht man nicht, daß er bafür bis zu seinem Lebensende mit 20 000 mt. jähr lich belohnt werden soll. Läßt sich aber umgekehrt die Belaffung von zwei Dritteln seiner Pension als Unterstüßung" rechtfertigen, so tann sein Berhalten nicht in dem Maße unwürdig und ver dammenswert gewesen sein, wie es nach dem Urteil den Anschein hat. Es wird Aufgabe des Oberverwaltungsgerichts sein, diesen offen Es wird Aufgabe des Oberverwaltungsgerichts sein, diesen offen baren Widerspruch im Urteil der ersten Instanz nach der einen oder nach der anderen Seite hin zu bereinigen.

3. die politischen Gefangenen müssen gleich 3. die politischen Gefangenen müssen gleich zeitig mit der Einstellung der paſſiven Reſiſtenz 4. Diz übrigen sieben Punkte seines Briefes an den Vizekönig müssen erfüllt werden.

amnestiert werden.

Diese sieben Puntte schließen u. a. Abschaffung der politischen Sondergefezgebung, sowie die halbierung der Aus. gaben für die bewaffnete Macht in Indien ein.

Der Korrespondent des Daily Herald" schließt seinen Bericht, deffen politische Bedeutung nicht unterschätzt werden darf, mit der Warnung an die Behörden, die Lage müsse zu einer Katastrophe führen, wenn die indische Regierung weiter in ihrem tragischen Irrtum verharre, Gandhi und den indischen Nationalfongreß für eine zu vernachlässigende Größe zu halten.

Der Verlauf der Situng.

Der Bezirksausschuß hatte sich mit den Vorwürfen zu befassen, die im Laufe des Disziplinarverfahrens durch Oberregierungsrat

müllerwaltungstechnischen Bewegungen in großen Zügen zu ver

oder folgen. Sturz nach 15 Uhr zog sich das Gericht dann zur Bera­tung zurüd und nach zwei Stunden erschien der Bezirksausschuß wiedergegebene Urteil, wieder im Saal. Präsident Mooshafe verfündete das oben

das Böß ebenso wie die beiden Berteidiger fichtlich erschütterte.

Die Urteilsbegründung.

In der Urteilsbegründung betonte der Präsident, daß das Ge bürgermeister, einem Beamten in exponierter Stellung, nicht hätte richt in der Belzaffäre einen Vorgang sähe, der einem Ober­passieren dürfen. In der Frage der mangelnden Dienst auffsicht tönne sich dagegen das Gericht der Anschuldigungsschrift nicht anschließen. Die Darlehnsverträge zwischen den Gebrüdern Stlaret und der Stadtbant sowie die mit diesem Kompler zusammenhängenden anderen Geschäfte seien nicht Sache des Ober­bürgermeisters gewesen. Dagegen hätte Oberbürgermeister Böß von dem Zeitpunkt an, als er durch den verstorbenen Obermagiftratsrat Schallbach , dem Leiter des Anschaffungsamts, auf Unregel mäßigkeiten aufmerksam gemacht morben sei, die ernste Pflicht ge habt, energisch durchzugreifen. Wenn auch Obermagistratsrat Schalldach inzwischen verstorben fei und heute nicht mehr zu seinen früheren Befundungen stehen tönne, glaube das Gericht dieser Aussage, da Schallbach von Oberregierungsrat Tapolsti eiblich ver nommen worden fei. els