Demagogen und Dilettanten. Zum Kamp? der Volksbühne gegen die kommunistische Zelle. Der Berliner Volksbühne ist der Wwehrkampf gegen die B'ldung einer kommunistischen Zelle nicht erspart geblieben. Das kann nicht überraschen, denn es ist die unverkennbare Absicht der Kommunisten, alle Organisationen der Arbeiter- schaft außerhalb der eigentlichen politischen Parteien zu be- unruhigen, zu durchdringen, zu erobern und zu zerstören. Nach den Gewerkschaften, den Konsumgenossenschaften, den Vereinen für Sport, freies Denken und sonstiges Bildungs- streben mußte notwendig auch die Volksbühne unter kom- munistischen Druck genommen werden. Ebenso selbstverständ- lich ist, daß die kommunistischen Beauftragten diesmal wie stets den Einbruchsversuch unter falscher Flagge machen. An- geblich handelt es sich bei diesen Protesten, Versammlungen, Resolutionen und sonstigen Demonstrationen um Notschreie des Geistes, der Freiheit, der Gesinnung, des Ethos und der Jugend. Solche taktische Dermummung kann nur Naivlinge täuschen: hier sind die sogenannten radikalen Literaten zu nennen. die, Angestellte kapitalistischer Blätter, sich als Partisane der Kultur vor bedrohte Eni- Wicklung pflanzen, wie dies beim Kampf der Volksbühne gegen die kommunistische Zelle(um zwei besonders betrüb- liche Beispiele zu nennen) die Herren K e r r und I h e r i n g mit verblüffendem Dilettantismus getan haben. Es ist er- forderlich, diese aufgeregten Bürger zu fragen, was sie grund- sätzliche oder taktische Auseinandersetzungen des Proletariats eigentlich angehen? Zum mindesten sollten die Herren, die als Schriftsteller doch ernst genommen sein wollen, und deren einige bedeutende Meriten haben, sich nicht in mitleiderregende Hilflosigkeit verirren: es ist geschmacklos und wirkt peinliche Unklarheit, wenn die Feuilleton! st envonZeitun- gen, deren Politik und Börsenvertretung dem Kapital dienen, sich kriegstänzerisches Rot auf- legen und Moskauer Pathos flaggen, während im Parkett Rollkommandos bereit stehen, Rot-Front-Rufe donnern und der Schlachtgesang der Internationale dröhnt. Wie dies den Herren Kerr und Ihering passiert ist, da ihre Koketterie sie trieb im grellbunten, grellen, bunten Märchenbrunnensaal vor der kommunistischen Opposition als Retter der Volksbühne aufzutreten. Wobei festzustellen bleibt, daß die Veranstalter der Heuchelei soviel Selbstachtung hätten besitzen müssen, um nicht bei erkorenen Primadonnen des ästhetischen Bürger- block? sich Hilfe zu holen. Das hat die deutsche Arbeiterschaft nicht nötig. Die übrigen Herren aber sollten Zurückhaltung lernen: es ziemt sich nicht, vom Autoritätsthrönchen herab das Volk zu beweihräuchern, ihm zu schmeicheln und den Weg zu weisen. Kunst und Kultur des Volkes können und wollen autonom sein, autonom in der Wahl dessen, was aus dem Jahrtausenbestand der erprobten Werke erwählt wird, auto- nom in der Zielstrebung. Die Volksbühne wird mit gebührender Aufmerksamkeit lesen und hören, was die Herren Kerr und Ihering, oder wie sie sonst heißen mögen, über die Aufführungen der Volks- bühne zu bemerken haben, aber EingriffederFremd- lingeindieOrganisation sind schross zurückzuweisen. Einfach darum, well die Herren davon nichts verstehen. Hätte. die Volksbühne verabsäumt, neue, leibhastig vorhandene Genies zu rufen, hätte sie lebendige Dichter übersehen, hätte sie llnbedingtheiten, Hundertprozentiges vernachlässigt— dann dürsten die literarischen Herren Rügen austellen. In» dessen: welche Neutöner nennen denn die Herren? Bestenfalls Belanglosigkeiten, Umstrittenes, Vergeßbares. Die Volts- bühne ist nicht hostärtig, sie läßt sich Kritik ihrer künstlerischen Arbeit gern gefallen, aber sie wird niemals bürgerlichen Zaungästen gestatten, sich in die Interna der Organi- sation zu mischen. Die Herren Kerr, Ihering und Kollegen sind nicht fähig zu beurtellen, ob die Sonderabteilungen seit Jahren die alleinige, anregende, umschmelzende, vorwärts- stoßende Kraft der Volksbühne sind... ob es ohne die Sonderabteilungsn niemals zur Direktion Karl Heinz Martin gekommen wäre... ob ohne den Jdeendruck der Sonder- abteilungen das Slnfangsrepertoire Martins nicht lebendig gewesen wäre... ob drei Piscator-Aiiffiihrvngen in nächster Zeit den Sonderabteilungen gegeben werden können, ob die Abwehr der Volksbühne gegen die Zersetzungsgefahr der kom- munistischen Zelle richtig oder falsch ist. Darum können cnt- sprechende Deklamationen der literarischen Herren auf die Volksbühne keinen Eindruck machen. Am allerwenigsten aber wird die Volksbühne sich beirren lassen durch den schreckenden Hornstoß: sie vergewaltige die Jugend. Ach nein, die sozial- liberal dilettierenden Herren sehen auch hier nur die kommu- nistische Jugend, sie vergessen aber, daß die Jugend heute genau wie die Alten und schlimmer aufgespalten ist in Par- teien. Gruppen und Grüppchen. Mit der Jugend, die zu ihr gehört, fühlt die Volksbühne sich eins, und das Meer dieser Jugend hat wahrlich weitgespannte Ufer, auch mangelt ihm weder Tiefe noch Kraft. Die Volksbühne ist keiner Partei gehörig: sie dient der Idee des Sozialismus. Wenn es innerhalb der Organisation der Volksbühne zu Meinungsverschiedenheiten kommt, wenn Kampf aufspringt zwischen den marschierenden Kolonnen des in letzter Wurzel und im letzten Ziel doch einigen Volkes, sollten die Nachhuten der Vergangenheit, auch wenn sie von Geltungsillusionen glitzern, sich zurückhalten. Es wirkt un- erträgliche Komik, sich vorzustellen, was die Herren wohl denken mögen, wenn revolutionäres Arbeitertheater gefordert wird, und noch interessanter wäre es zu wissen, wie sie sich verhalten würden, wenn solch revolutionäres Ar- beitertheater aus dem Spiel zur Wirklich- k e i t emporstiege. Robert Kreuer. Haksnkreuzunruhen in Kiel . Die Parteifreunde des Herrn Frick provozieren. kiel, 24. Mai. (Eigenbericht.) Seit einiger Zeit marschierten allabendlich die Nationolsaziolistcn in einem Trupp von 4«) bis SO Mann durch die Straßen Kiels. Ihr Verhalten dabei war, wie üblich, durchaus provokatorisch. Ihnen folgte in der Regel«in spontan gebildeter Zug Kommunisten und die Polizei hatte nicht geringe Mühe, die Hausen voneinander fernzuhalten. Trotzdem kam es nunmehr zu einer Schlägerei. d.i der mehr als 12 Personen verletzt wurden und eine?sn�hl Kommunisten und Nationalsozialisten verhaftet wurden. Auch bei der Reinigung der Straß« durch die Polizei benahmen sich die Nationalsozialisten überaus provozierend, so daß es in der Tot nur der Lejonnenheü der Polizei zu danken ist. daß ernstere Zwijchenjälle vermiede»»»erde» konnte»,
Thüringer Freiheiisgeöei.
Fälschung und Gistmischerei. pariser Aaiionalistenireiben gegen Gaarverhandlungen.
Zu den nationalistischen Blättern Frankreichs , die die deutsch - ftonzöstsch«n Verhandlungen über die Rückgliederung des Saar. g«blet«s systematisch erschweren, gehört namentlich der „Figaro". Es sind nicht nur rein chernmnistische, sondern vor ollem kapitalistische Gesichtspunkte, die dabei eine Rolle spielen: die französische Schwerindustrie hat ihren aus der Kriegszeit stammenden Plan der Annexion des Saargebietes noch nicht aufgegeben. Ihr Emsluß aus die gegenwärtige Poriser Rechtsregierung ist stark genug, um auch die Haltung der"öfstziellcff fxanzLstschen Unter- Händler im ungünstigsten Sinn« zu beeinflussen. Für Deutschland unannehmbare Forderungen, z. B. internationale Privatisierung der früheren siskalischfn preußischen und bayerischen Kohlengruben werden erhoben und zäh verteidlgt. Das ist der Hauptgrund, worum bisher die Verhandlungen keine sichtbaren Fortschritt« machten. Mit welchen unsauberen Mitteln die Nationalisten- presse für ihre Ziele kämpft, zeigt ein?lutsatz des„Figaro" vom 22. Mai. Darin ist ein geradezu hahnebüchener Artikel unter der Ueberschrist zu lesen:„Die öffentliche Meinung des Saargebietes will die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes." Dieser Aufsatz beruft sich auf einen Genfer Bericht, der in. der sozialdcmökratischen Saarbrücker „V o l k s st i m m«" am l(5. Mai erschienen ist. In diesem, vom Chefredakteur des Blattes, dem Genossen Max Braun, ge- zeichnete» Bericht wurde gegen«ine allzu optimistisch« Auffassung über die Aussichten der Mai-Verhondlungen Stellung genommen, die sich aus den Mitteilungen über die Genfer Unterredung Curtius-Briand ergeben könnte. Gegen einen solchen Zwcckoptimismus, der„die eigen« Position schwächen" und obendrein die saarländische Wirtschaft und Verwaltung unnötig beunruhigen könnte, wandte sich Max Braun, der am Schluß seines Artikels die Parole ausgab:„Wenn sich ein annehmbares Arrangement zwischen Deutschland und Frankreich jetzt erreichen läßt, umso besser— wenn nicht, dann ist Abwarten besser, als Bedingungen zu übernehmen, die das gesamte Rllckgtiedcrungs- system im Keime verpfuschen möchten." Durch Herausreißen einiger Satzteile aus diesem Artikel ver- sucht nun ein Zitatenkünstler im„Figaro" den Eindruck zu er- wecken, als ob die Saarbevölkcrung nichts Sehnlicheres wünscht« als die Beibehaltung des Status quo, während ihr die Aussicht auf Rückgliederung ins Deutsche Reich ein Greuel wäre. Frankreich dürfe, so schließt der Artikel des„Figaro", eine Bevölkerung, die es
„befreit"(!) habe, nicht der.alldeutschen Habgier preisgeben"(!!). Jedermann weiß, daß die s o z ia l d e m° k ra kTs che A r- b ei t e rf cha ft des Saargebietes seit dem ersten Tag« der vorübergehenden verwaltungstechmschen Loslösung vom Reiche in der vordersten Front des Kampfes geg«n den sinnlosen Zustand ge- standen hat, der durch den Bersoiller Bertrag geschaffen wurde. Immer wieder habe» sozialdemokratische Delegierte des Saar- gebietes in Genf bei den Bölkerbnndsstellen und den ausländischen Absrülwnge» gezen'dt? nwzosenst-TOndllche � Willkör' ber Regie-' rungskommission und der Besatzungsbehörde protestiert, immer wieder haben sie zum Ausdruck gebracht, daß es sinnlos sei, die Ibjähnge Frist abzuwarten, um einen Volksentscheid zu veran- stalten, der mit jedem neuen Jahre die nahezu hundert- prozentige Bolls st immung für bedingungslos« und restlose Heimkehr ins Deutsche Reich fester ge- stalte. Gerade unsere Saar-Genosscn sind es, die die sranzösischen Jndustriellen-P/äne einer Verstaatlichung der preußisch. bayerischen Gruben bekämpfen. Und es war kein anderer als Max Braun selber, der als Zlbgeordneter der Saar auf dem Magdeburger Parteitag der deutschen Sozioldcmvkratte im Juni 1020 diesen Gefühlen treuer Verbundenheit mit Deutschland beredten Ausdruck verlieh. Gegen die völlige Verdrehung des Sinnes seines Berichtes durch eine plumpe Fälschung in der Redaktion des „Figaro", die Jean Reoire zeichnet, ist er freilich machtlos. Aber anscheinend hassen die sranzösischen nationalistischen Schwer- industriellen, mit solchen Mitteln den Gong der BerhandlungeN beeinflussen zu können. Wir aber sagen der französischen Regierung, daß auch wir, genau wie die„Bolksstimme", lieber bis zum Jahre 1935 warten und den französischen Nationalisten ihre sichere lOOprozentige Abstimmungsniederlage gönnen wollen, als daß wir auf den Abschluß einer früheren Der- einbarung drängen, bei der sich die Franzosen ihr Entgegenkommen zu u na nnehnr baren Bedingungen abkaufen ließen. An der schnellsten Bereinigung der Saarfrage, die als letztes Hindernis einer deutsch -französischen Annäherung entgegensteht, sind beide Völker interessiert. Will sich Herr Briand nachsagen lassen, daß er große Pancuropapläne verkündet und dabei nicht einmal imstande ist. gegen die Forderungen des„Comite des Forges* eine loyale und anständige Lösung des Saarproblems durchzusetzen?
Christlichsoziale Wut über Gchumy. Heftige Attacke der„�eichspost". Wien . 24. Mal. Die Christlich-Sozialen und die Großdeutschen nehmen durch ihre Parteiblätter am Sonnabend dagegen Stellung, daß die gestrige Rebe des Ministers Schumy als Regierung?- erklär ung aufgefaßt werden könnte. Di«„Reichspost" geht soweit, Schumy des Mißbrauchs seiner Stellung als Minister zu beschuldigen, indem sie darauf hinweist, daß Schmny nur von der Minrsterbank habe reden können, da er ja überhaupt nicht Mitglied des Hauses sei. Weder der chrisllich-sozial« Aizc- kanzler B a u g o i n noch der Vertrauensmann der Großdeutschen im Kabinett sei von dem Wortlaut der Rede Schumy« unterrichtet worden. Der Angriff der„Reichspost" spricht zum erstenmal offen die Anschuldigung gegen den Landbund als solchen aus, daß er planmüßig auf die Bildung einer rot-grünen Koali? tion zusteuere. Das Blatt jührt dafür Beispiele aus der letzten Vergangenheit an und zitiert insbesondere das Wort Schumys von den Bauern und Zlrbeitern, die die demokratisch« Grundlage des Staates bilden sollten. Di« Behandlung, die Schumy in der„Reichspost" zuieil wird, ist eine glatt« Kampf- ansage. Wie gespannt die Lage zwischen dem Londbund und den übrigen Mchrheitsporteien ist, kann man übrigens auch daraus ersehen, daß die Christ lich-Sozialen sich geweigert haben, an einer Besprechung der drei Mchcheitsvertrcter teilzunehmen, die aach der geprigen Vollsitzung siMinhe» sollte. Die gestrigen
Ereignisse zeigen, daß ein längeres Zusammenbleiben des Land- bundes mit den beiden anderen Mehrheitspnrtelcn kaum in Frage kommt. Woldemaras unier Anklage. Oer<8x-Oiktator als Hüter der Derfassuna. Sanmo. 24. Mai. Gegen Professor Woldenraras hat die Staatsanwaltschaft wegen seiner Aeußerungcn vor Pressevertretern, daß die litauische Verfassung nicht auf authentischer Grundlage beruhe uird die heutig« Regierung sich zahlreicher Verstöße gegen die Verfassung schuldig gemacht hätte. ein Verfahren wegen Hochverrats eingeleitet. Der Zentratoorstand des Taiüimnkai-Verbandes hat beschlossen, Woldemaras aus der Partei auszuschließen und ihn wegen seiner Behauptungen vor ein Ehrengericht zu stellen. Sokoluikofs fährt doch nach Moskau . Der Sonssetbotfchafter in London , Sokolnikoss, begibt sich im Laufe dieser Woche nach Moskau , um mit der Sowjeiregicrung den fertiggestellten Entwurf des Handelsabkommens zu bespreche,, und sich Instruktionen über, die bevorstehenden politlscken Bertragsverhandlungen zwischen den beiden.Ländern zu holen.(Damit enisallcn alle Kombinationen der konservaliven„Morning Post", die wissen wollte, daß die Sou>< jctregierung eine Reise Sokolmkösss nach Moskau zurzeit vcrhin- der» wolle....