Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts
10 Pf.
Nr. 245
B 122 42. Jahrgang
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Das Geheimnis um Brüning.
Was wird aus den Reichsfinanzen?
Während in den letzten sechs Wochen die Regierung Brüning es sich als größtes Berdienst angerechnet hat, daß ihr entschlossenes Verhalten die Finanzen des Reichs saniert habe und dadurch eine Steuersentung von mindestens 600 Millionen Mark für das Jahr 1931 absolut gesichert sei, muß sie jetzt eingestehen, daß weder das eine noch das andere zutreffend ist. Selten find bombastische Erklärungen einer Regierung so schnell und fo tläglich zusammengebrochen.
Die Höhe des Fehlbetrages wird von der Regierung auf 737 Millionen Mark angegeben.
Dieser Betrag jeßt sich zusammen aus 450 Millionen für die ArbeitsIojenversicherung, 150 Millionen für die Krisenfürsorge und 137 Millionen für Mindereingänge aus Steuern und Zöllen. Die Schäßung dieser Fehlbeträge ist willkürlich. Es entzieht sich im Augenblick jeder Beurteilung, ob die tatsächliche Entwicklung diese Fehlbeträge vergrößert oder verkleinert.
Der Feuerfampf bei Neuhöfen.
Genauer Bericht aus der Grenzgegend.
Aus der westpreußisch- polnischen Grenzgegend, zurückgewiesen worden. Im preußischen Innenminifterium iff zur erhalten wir folgenden Bericht, der auf sicheren Zeit ein Vertreter des Regierungspräsidenten von Marienwerder zur Feststellungen beruht: Berichterstattung anwesend.
Der Grenzzwischenfall bei Neuhöfen, Kreis Marienwerder , hat Regierungspresse völlig auf deutschem Boden abgespielt und sich entgegen den völlig entstellten Berichten der Warschauer stellt eine äußerst schwere Grenzverletzung durch den polnischen Grenzdienst dar. Neuhöfen liegt an der Chaussee, die über die im Laufe des letzten Jahres abgebrochene Münsterwalder Beichselbrücke nach Münsterwalde( jetzt Polen ) führte. Bon der Brücke stehen zur Zeit nur noch drei Pfeiler im Fluß, der Verfehr wird durch eine Fähre aufrecht erhalten. Außer dem Hauptdeich am rechten Ufer der Weichsel liegt im flachen Bogen um den Brüdentopf herum ein zweiter Deich mehr nach dem Landinneren
Langsam lüftet sich der Schleier des Geheimnisses über die Finanzpläne des Kabinetts Brüning. Während Herr Treviranus gestern noch in einer Versammlung in München erklärte, die Regierung werde von allen Kreisen der Bevölkerung Opfer verlangen, hatte der Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald bereits am Sonntag mitgeteilt, die Regierung beabsichtige nur Erzu. Die Grenze, die allgemein östlich der Weichsel läuft, so daß höhungen der Massenverbrauchssteuern bei gleich zeitiger Senfung solcher Steuern, die die Kapitalflucht begünstigen. Das scheint auch die Absicht der Gesamtregierung zu sein, die sich heute Nachmittag mit den Deckungsvorschlägen des Reichsfinanzministers Dr. Moldenhauer beschäftigen mind.
Zur Dedung dieser Fehlbeträge find folgende Bor= schläge geplant: Bei der Arbeitslosenversicherung sollen für die restlichen neun Monate des Rechnungsjahres
überall ein schmaler Streifen polnischen Territoriums den Fluß einfäumt,
zieht sich an dieser Stelle zwischen den beiden Deichen hin. Auf dem Kamm des zweiten( deutschen ) Deiches steht an dem genannten Wege, etwa 30 Meter von der Grenze entfernt, ein deutsches Zoll hilfsgebäude, in dem im allgemeinen zu den Zeiten des Fähr verkehrs deutsche Grenzbeamte zur Kontrolle der die Grenze Passierenden stationiert sind. Zwischen den beiden Deichen, immer noch etwa 15 Meter von der Grenze entfernt, ist ein Schlagbaum über den Weg gelegt.
Am Sonnabend, gegen 9 Uhr abends, drangen nun zwei uniformierte Beamte der polnischen Grenzwacht in das einfame Gebäude ein. Es ist zu vermuten, daß fie recht dunkle Zwecke verfolgten.
220 Millionen aus einer einprozentigen Beitragserhöhung und 90 Millionen aus der Kürzung der Leistungen erzielt werden. Weitere 90 Millionen werden erwartet aus der Berlängerung der Kontingentierung der 3igarettensteuer auf fünf Jahre, etwa 100 Millionen durch eine weitere Erhöhung der Umsatzsteuer um 4 Proz. und 100 Millionen durch ein Notopfer der Festbesoldeten. Die. dann noch fehlenden 150 Millionen sollen durch Berkauf von Borzugsaftien der Reichsbahn aufgebracht werden. Man wird abwarten können, ob das Reichskabinett sich heute Beamten am Arm verletzte. Dieser schoß sofort wieder und ver diese Vorschläge zu eigen machen wird. Daß es dabei auf
große Widerstände in den Regierungsparteien
stößt, hat der Verlauf ihrer gestrigen Frattionsfigungen deutlich gezeigt. Das Kabinett plant deshalb, um die eigenen Barteien von der Berantwortung zu entlasten und der sonst ziemlich sicheren Niederlage im Reichstag zu entgehen,
einen Teil der Dedungsvorlagen in die Form der Ermächtigung zu fleiden,
durch die der Regierung die Bollmacht gegeben wird, die Steuererhöhungen in der ihr zweckmäßig erscheinenden Form und zu dem von ihr gewählten Zeitpunkt vorzunehmen.
Die Vorschläge selbst zeigen, daß jede soziale Erwägung bei ihnen ausgeschaltet ist. Obwohl sich im Zentrum dauernd gewichtige Stimmen dafür aussprechen, daß auch die Leistungsfähigen Schichten zur Sanierung de: Finanzen mit herangezogen werden sollen, ist dieser Gedanke voll tommen preis gegeben. Statt des Notopfers der Leistungsfähigen erscheint das Notopfer der Festbesoldeten in einer Form, die die größten 1ngerechtigteiten enthält. Bei den Einkommen Von 3600 bis 8000 Mark joll die prozentuale Belastung gleich hoch sein;
die tatsächliche
Belastung wäre also bei den kleinen Einkommen größer als bei den höheren.
Bei den Einkommen über 8000 m. aber soll nur der lohnSteuerpflichtige Teil des Einkommens dem Notopfer unterliegen. Das bedeutet, daß das Notopfer für die hohen Gehaltsempfänger nur erhoben würde von ihrem Gehalt, aber nicht von ihren Nebenbezügen oder sonstigen Kapitaleinkommen, so daß damit der Steuerhinterziehung Tür und Tor geöffnet würden. Noch größer aber wäre die Begünstigung der großen Gehalts empfänger, wenn es zutrifft, daß das
Notopfer nur von der Lohnsteuer, nicht auch von der veranlagten Einkommensteuer erhoben
merden soll. Dann wäre die prozentuale Belastung der hohen EinTommen nur ein Bruchteil der Belastung bei den kleinen Lohn and Gehaltsempfänger!
Auf einen deutschen Kriminalbeamten, der sie stellen wollte, murde sofort ein Pistolen schuß abgegeben, der den deutschen
mundėte den Unterkommissar der polnischen Grenzmacht Listjewitsch schmer durch einen Bauchschuß. Der deutsche Beamte erhielt noch zwei nicht lebensgefährliche Berlegungen an der linken Körperseite, dann gelang es, den zweiten polnischen Ginbringling zu überwältigen und zu feffeln. Eine an der Grenze auf
die beiden
wartende Gruppe der polnischen Grenzwache nahm nun das Gebäude unter Feuer aus Karabinern oder Gewehren. Die Holzwände zeigen etwa 18 Einschläge. Die polnische Grenz wache trat hierbei zunächst an den unzweifelhaft auf deutsch e m Gebiet liegenden Schlagbaum heran. Es blieb den deutschen Beamten, die aus ihren Pistolen das Feuer erwiderten, nichts anderes übrig, als durch das rückseitige Fenster, da der Eingang ändig unter Feuer lag, mit den beiden Gefangenen sich zurückzuziehen. Nunmehr famen einige der polnischen Grenzsoldaten noch auf den Deich und schossen der abziehenden Gruppe nach, glücklicherweise chne zu treffen. Dann zogen sie sich auf polnisches Gebiet zurück. Der Verletzte wurde schnellstens ins Krantenhaus Marienwerder gebracht und operiert, ist aber bald
gestorben. Der unverwundete Gefangene ist der Grenzwach tommissar( Offiziersrang) Bjedrzynski aus Czeco( Dir schau), der früher im polnischen diplomatischen Dienst gestanden haben soll.
Bei der heutigen Absuchung des Geländes wurden drei po nische Patronenhülsen auf deutschem Gebiet geerhebliche Aufregung hervorgerufen. finden. Der 3mijchenfall hat naturgemäß in Marienmerder
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Nach Warschauer Meldungen mill die polnische Regierung durch burch eine unparteiische( oder paritätische) Kommission fordern. Alle ihre Berliner Gesandtschaft in Berlin Untersuchung des Vorfalls diese Meldungen find voreilig, denn zuvor muß natürlich die Wahrheit festgestellt werden, was gewiß am besten durch ge meinsame Untersuchung geschehen wird.
Deutsche amtliche Darstellung.
Marienwerder , 27. Mai. Die weiteren Ermittlungen über den Grenzzmifchenfall haben, wie von maßgebender Seite mitgeteilt wird, ergeben, daß kein deutscher Beamter polnisches Gebiet betreten oder über die Grenze Schüsse abgegeben hat. Den entstellenden Meldungen der polnischen Bresse gegenüber muß festgestellt werden, daß polnische Beamte die Grenze unbefugt überfchritten haben. Zwei dieser Beamten, die im Besitz von Pistolen und Handgranaten waren und die aus bisher noch unbekannten Gründen in die etwa 25 meter von der Grenze entfernt stehende deutsche Paßkontrollbara de eingedrungen waren, wurden festgenommen. Sie haben den ersten deutschen Beamten, der sie linke Hand durchschossen, so daß er zu seiner Verteidigung dort überraschte, sofort mit Schüssen empfangen und ihm die die Waffe gebrauchen mußte. Außerdem haben, wie von mehreren unbeteiligten Zeugen beobachtet worden ist, mehrere pofnische uniformierte und bewaffnete Beamte die Grenze unbefugt bis zu 25 Meter in deutsches Gebiet hinein überschritten und von der Höhe des Deiches aus den mit den beiden festgenommenen Polen abziehenden deutschen Beamten zahlreiche Schüsse aus Karabinern und Pistolen nachgesandt. Der Deich verläuft an der fraglichen Stelle ganz auf deutschem Gebiet, und zwar etwa 20 Meter von der Grenze entfernt. In einer Entfernung von 8 bis 10 Meter von der Grenze auf deutschem Boden wurde eine Anzahl Hülsen von Karabinermunition gefunden. Diese können schon deshalb nicht von deutschen Beamten stammen, weil die deutschen Beamten nur mit Pistolen bewaffnet sind.
Spitzenverbände und Krise.
Gemeinsame Zagung des ADGB . und des AfA- Bundes.
iDe Wirtschaftskrise mit ihren tatastrophalen Folgen scheint sich eher zu verschärfen als abzuschwächen. Unternehmertum und Regierung stehen dieser Wirtschaftstatastrophe augenscheinlich hilfund rallos gegenüber. Die Maßnahmen, die entweder vom Unternehmertum getroffen oder von der Regierung vorgeschlagen werden, find eher geeignet, die Strife zu verlängern und zu verschärfen. Des. halb haben sich die großen die großen freigewerkschaftlichen Spigen organisationen, der Allgemeine Deutsche Gewertschaftsbund und der Allgemeine freie Angestelltenbund, entschloffen, in einer gemeinsamen Bundesusschußsizung am kommenden Freitag Stellung zu nehmen zu diesen dringenden Problemen der Gegenwart. In dieser gemeinsamen Bundesausschußfizung, in der die gewerkschaftlichen Zentralvorstände von 5% Mil lionen Arbeitern und Angestellten ihre gewichtige Stimme in die
Bagschale werfen werden, werden der Leiter der sozialpolitischen Abteilung des ADGB ,, Franz Spliedt, über den Schutz der Arbeitskraft, und der Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung des ADGB. , Wilhelm Eggert , über die wirtschaftliche Katastrophen politit sprechen. Beide Körperschaften werden dann gemeinsame Beschlüsse fassen.
Die Räumung schreitet fort. Abmarsch aus Zweibrüden.
Zweibrüden, 27. Mai. In der vergangenen Nacht ist der Rest der französischen Garnison bis auf ein Abwicklungskommando von etwa 30 Gendarmen abgerückt. Im Laufe des gestrigen Nachmittags hat der Oberbefehlshaber der Rheinarmee, General Guillaumat, in Begleitung eines höheren franzöfifchen Offiziers aus Landau eine letzte Be.