Der Kampf um die Volksbühne. Eine außerordentliche Delegiertenverfammlung. In den Musikersälen tagte gester» eine außerordentliche Delc- giertenversammluirg � des Vereins Berliner Volksbühne . Der Ge- schästsführer Dr. N e st r i e p k e wies m seinem Bericht darauf hin, daß trotz der Nöte der Zeit die Volksbühne im ganzen aus eine erfolgreiche Spielzeit zurückblicken könne. Es soi bedauerlich, daß die Arbeit, wahre Kunst dem Volke zu geben, durch einseitig be- cinfluht« Elements gestört worden wäre. Es sei ober bezeichnend, daß unter dem jetzt ausgeschlossenen Arbeitsausschuß der Sonder. obteilungcn sich die größten Versäumnisse bei der Benutzung der statutemnäßig sestgesetzten Theaterkarten gezeigt hätten. Die Ver. säumnisziffer erreiche manchmal M Proz. Redakteur W c idn e r legte die Gründe dar, die es unmöglich inachten, die Zusammen, arbeit mit diesem Arbeitsausschuß der Sonderabteilungen weiter durchzuführen. Der Ausschluß mußte erfolgen, weil diese Mitglieder ihre Stellung aus parteipolitischen Gründen heraus mißbrauchten, um die Volksbühne zu zerfetzen und ihren Zwecken dienstbor zu machen. Wir sind radikal, wir sind für die Jugend, wir sind vor. wartsstrebend. Aber wir lassen nicht die Volksbühne in ein radi- koles' scheinrevolutionäres Teitdenztheatcr umwandeln. Karlheinz Martin betonte, daß er den Sonderabteilungen immer mit be- sonderer Liebe gegenübergestanden habe. Dieser Arbeitsausschuß aber habe, während der ganzen Zoit seines Bestehens nicht einen einzigen positiven Vorschlag gemacht. Er sei nicht nur für die künstlerische Höhe des Gebotenen verantwortlich, er müsse auch darauf sehen, daß die Finanzen in Ordnung seien. Seit man Piscotor wieder.zu einer eigenen Bühne verhelfen wolle, habe der Konflikt sich zugespitzt. Piscotor könne für seine eigenen Pleiten einstehen, er aber könne nicht für«ine Pleite der Volksbühne ein- stehen. Cr bedauere den Konflikt und den Ausschluß sehr, aber er könne stch nicht von der radikalen Phrase einfangen und in seiner Arbeit um«ine gesunde, dem Dolke wahrhaft dienende Volksbühne beirren losten. Die Diskussion, die in der Hauptsache von einer kleinen, aber um so lebhafteren lärmenden kommunistischen Minderheit be- stritten wurde, drohte ins Uferlose zu gehen. Ein Redner der Mehrheit sagte mit Recht: Es handelt sich ja bei den Bestrebungen der Opposition gar nicht um Kunst für's Volk, gar nicht um positive Mitarbeit, sondern um den Willen der' Komtmmisten, die proletarische Einrichtung der Volksbühne zu zerschlagen und zu zerstören!
Reichsbund der Kriegsbeschädigten. Fünfter Bundestag in Mainz . Mainz , ZO. Mai.(Eigenbericht.) Der Reichsbund der Kriegsbeschädigten hat in Mainz seinen S. Bundestag abgehalten. Aus dem Geschäfts- bericht ging, hervor, daß die Mitgliederzahk des Bundes gewaltig angewachsen ist. Gegenüber 324 S80 Mitgliedern zu Beginn der Berichtszeit sind jetzt 472 369 zahlende Mitglieder zu verzeichnen. Di« Sterbekaste des Bundes Hot an 43 484 Mitglieder 1242141,95 Mark Sterbeunterstützung gezahlt. Die Tagung endete mit der Wiederwahl des Bundes- Vorstandes per Akklamation. Borsitzender des Bundes- Ausschusses wurde der sozialdemokratisch« Reichstagsabgeordnete Roßmonn. f- Die-verschiedenen Mt Annahme gelangten Entschließungen«nt- balten im wesentlichen folgend« Gesichtspunkie: Einstellung und rücksichtslos« Bekämpfung jeglichen Abbaue» der Unterftützungsjätze, baldige und endgültig« Regelung der Versorgung der Kriegsopfer nach den Grundsätzen des Reichsbundes. Forderungen zur Um- gestoltung des Spruchverfahrens, Ablehnung der Einführung einer allgemeinen Sperrfrrft und Forderungen zum Siedlungs. und Wohnungswesen. Die Frage der Beitragserhöhung für die Sterbe- koste soll auf der nächsten � Rcichskonferenz geklärt werden.
Das Reich ernennt. vre! neue Mitglieder im Verwaltungsrat der Reichsbahn. Durch die Beendigung der ausländischen Kon- trolle bei der Reichsbahngesellschaft waren vier Sitze im Ver- waltungsrot der Reichsbahn neu zu besetzen. Das Ernennungsrecht steht dem Reichsverkehrsmimstcr zu. Reichs oerkehrsminister Steger- wald Hot drei von diesen vier Sitzen jetzt besetzt, und zwar durch den Industriellen Hackelsberger mis Lörrach in Baden , K o mm«rzien rat Grund von der Handelskammer Breslau und den christlichen Gewerkschaftssekretär Kaiser . Der vierte Posten bleibt Sachsen vorbehalten. Die sächstsche Re- gierung hat«ine Entscheidung noch nicht getroffen. Hackelsberger ist ein Großindustrieller der Konserven- in d u st r i e, der auch zahlreiche Aufstchtsratspoften in der deutschen Glos-, Gummi- und Porzellanindustrie inne hat. Gnmd-Brcslau gehört dem chemischen Großhandel an und ist Vorstandsmitglied. im Deutschen Industrie, und Handelstag. Der Reichs- oerkehrsminstter Stegerwald hat also durch dies« Ernennungen das Gewicht der Privatwirtschaft im Verwaltungsrat der Reichsbahn noch erheblich verstärkt. ZU« es bei dem Zentrums- minister zu erwarten war. gehört der einzige, weiter, Arbeiter- Vertreter den christlichen Gewerkschaften an, wofür nur Gründe der Parität vorgebracht werden können: dem Stärke- Verhältnis der Gewerkschaften gibt die Ernenming wcht Ausdruck. Di« 700 000 Arbeiter und Beamten der Reichsbahn bleiben noch wie vor zu schwach vertreten. Die russische Oppssision wird lebendig. Sehr deutliche Vorstöße. Moskau . 30. Mai.(Ost-Expreß.) Di« Bericht« über die Bezirkskonferenzen der Kommunistischen Partei, die gegenwärtig im ganzen Sowjetstaat stottftnden, zeigen. daß die Rechtsopposition ein« verstärkte Aktivität entfaltet. Auf einer Bezirkstonferen.; in Solotuchino(Gouvernement Kursk) erklärte«in Vertreter der Rechtsopposition, es sei u n m ö g- [i ch, daß Leu te wie Bucharin , Tomski und Ry ko w, bekanntlich die Führer der Rechtsopposition, die mehr als 30 Jahre Mitglieder der Partei feien, sich i m I r r t u m befänden. Die Po. litit der Partei im Dorfe fei falsch.„13 Jahre haben wir diescnRichtstuern.den Armbauern, geholfen, wo- bei wir den Sozialismus auf Kohlköpfen aufbauen wollen.' Ander« Vertreter der Rechtsopposition erklärten, daß„die Partei die Masse» betrügt'. Die Selbstkritik sei nur eine spanifche Wand, hinter der die innerparteiliche Demokratie völlig unbmick- sichtigt werde. Bemerkenswert ist, daß auch zum erstenmal Trotz- kjpen wieder offen gegen die„Generallinie' der Partei austraten.
Kn'ck, der Verbieterich.
Reinhardt, der Kestrede< Kultusminister Grimme feierte beim Bankett des Vereins „Berliner Presse' am Freitagabend Max Reinhardt . Aus seiner tiefschürfenden Rede geben wir die Hauptsätze wieder. Brahm spielte Gegenwart und das, was in ihr Zukunft war. Mit Reinhardt wurde das Wunder Wirklichkeit, daß sich die ganze Well in Gegenwart verwandelte. Dem Schüler war der Klassiker kaum mehr als ein Museumsstück gewesen. Max Reinhardt aber hob den Zauberstob der Phantasie und das, was eingesargt und von der Zeit zerstückelt schien, trat alz ein ewig Gegenwärtiges ins Lich; der Lebenden. War Brahms Theater Standort einer Lebens- richtung, so wurde es bei Reinhardt zum„großen Schauspiel- Haus' der Lebens f ü 11(. Brahms gab dem Leben Richtung: durch Reinhardt wurde imfer Leben reicher: Brahms Ziel war Weltver. Änderung: Mar Rem Hardt? Traumist, den Gedanken der Schöpfung dieser Well in Licht und Klang, in Wort und Pause, Song und Tanz, in Leib und Seele, Raum und Farbe noch einmal zu denken. Wie sogt er selbst?„Deshalb erschaffen wir die ganze Well noch einmal in der Kunst.' Sein bleibend junges Thema ist: Die Welt, „die ganze Welt' im Spiel. Hot Brahm der Bühne die Wahrhaftig- k«it zurückerobert/ so ist Max Reinhardts Tat, daß er der Bühne das Spiel zurückgeschenkt hat. Was er zurückentdeckt hat, ist das Theater, das Theater als Theater, als Schauplatz der gespiellen Welt. Für diese seine Welt, die Welt im Spiegel, formt er — die Mensch gewordene Nee der Bühne— stch Spieler über Spieler und schafft in unberechenbar verschwenderischer Fülle bunt- farbige Entwürfe mit einer Schöpferlust wie die Natur. Ihm wird das ganze Welttheater eine Partitur und dabei reckt sein Spiel sich auf zur Größe, denn es ist Einbruch der Ewig- keit der künstlerischen Werte in die Zeit. Bei Reinhardt wird Er- cignis, daß dos Welltheater verwandell wird in Zeit theater, weil ihn. die Sckzau der künstlerischen Werte nicht weniger beseligt als der bliiidsichere Griff, das Bleibende zum Heute zu oerzeiten. Was er auch spielt, stets spielt er uns. Brahm wurde das Theater zur Frage eines sittlichen Entschlusses und zum Tempel des Gewissens. Cr stellte sich zum Kampf und
Freudebringer.
rief die menschlich« Gesellschaft auf zur Einkehr, indem er ihr chr Bildnis zeigt«. Ihr Bildnis gibt auch Reinhardt. Aber während Brahm ihr sagte: Sieh, so bist Du, werde anders, lacht uns Rein- Hardt an: Seht Ihr, so seid Ihr, und Ihr seid niemals anders: ich zeige Euch den Mensche», wie er bleibt in allem Wechsel der Gewänder. Ihm ist der Sinn des Zeitthcaiers, daß es den Schatz der Werte vom Staub der Vergangenheit befreit und ihn im Schein der Sonne zum Blinken bringt, die über unseren Tagen auf- gegangen ist. Für Brahm dagegen war das Zeittheaier der Ort, mo Gegenwart und Zukunft sich berühren. Für Brahm war es die Kraft, die aus der Gegenwart die Zukunft sormt. Er wußte. daß in jeder Zeit die Sehnsucht nach dem Bild de? lebt, das werden soll, und darum zielte sein Zeittheater in die Richtung, wo Gegen- wart in. Zukunft mündet. Max Reinhardt aber schaut im Zeitlichen da» Unvergängliche, das sich hindurchhält durch das Auf Und Ab der Zeiten und immer gegenwärtig ist und so die Menschen aller Zeiten, aller Völker zu einer'Gegenwartsgemeinde eint. Für Rein- Hardt liegt der Sinn des Zeittheaters im Erwerb der künstlerischen Werte zum Besitz der Lebenden. Ihm ward die Kraft, zur Gegen. wart zu formen, was jeder Mensch an Bühnenwerk geschaffen. Und unser ist das Glück, daß Reinhardts Schöpferfreude dos ganze Welttheater überstrahlt vom ernsten Tragiker bis zum Eauseür- stück und zum Film. Die düstere Strenge ist der Heiterkeit gewichen. Brahm hörte schon den Schritt der Masse in die Zeit. Jetzt steht sie auf der Bühne der Geschichte. Ich wünsche Reinhardt, daß er den Höhepunkt des Schaffens, so oft er schon erreicht schien. noch einmal übergipfelt, und daß zu ihm der Dichter stößt, der dieser Masse das Sinngcsicht der Zeit, die wir durchleben, in einem großen Festspiel zeigt. Dann kommt der Tag, an dem ein ganzes Volk ergriffen wird von Freude, die an dem Ansang aller Schöp- fung steht. Dies Hochziel, mächt ich, werde dem Theater der Lebens- fülle. auf seinem Wege zum Volksiheater Richtung: denn„es rundet sich die Welt mis ttefster Freude nur ins Gleichgewicht' (F. v. Unruh). Max Reinhardt schuf der Freude eine Heimat mis der Bühne. Dem Freudeschoffer Reinhordt gelten heute Gruß und Dank.
Mussolinis Aefflein. Times Faschistengelübde der Hahaenfchwänzler. Wien , 30. Mai. (Eigenbericht.) Alle Heimwehrfunktionäre wurden ans«in neues Programm vereidigt: danach erstrebt die Helnrmehr die Macht tm Staat. Sie verwirft den demokratischen Parlamentaris- mns und den sogenannten Parte ienstaat. Alle Heinnvehrsunktio- näre mußten sich verpflichten, eventuelle Bitten und Forderungen einer Partei den Kampfzielen der Heimwehr imbedingt unterzuordnen.'■ Der Oberfaschist Dr. Eteidle hatte nach dem Korneuburger Heimwehrummel die Namentiste jener christlichsozialen und groß- deutschen Abgeordneten veröffentlicht, die den Anttparlamentsschwur mit geleistet hätten. Da auch Mitglieder der nioderösterreichischen Landesregierung in dieser Liste genannt waren, fragt im die Sozial- demokraten im Landtag danach. Hier erklärten die meisten dieser Bürgerlichen, der Laudeshauptmannstellverttetcr Reith er voran. sie wären.Zwar dagewesen, aber mitgeschwaren hätten sie nicht. Nur ein Großdeutscher, der übrigens die sozialdemokratisch« Anfrage als„unerhörte Frechheit' bezeichnete, dafür beinahe durchgewichst worden wäre und dessen weiter« Rede kaum zu hören war, bekonnte sich als neuvereidigter Steidlereknzt. Gegen die Apolt-Hehe. Der patriotischen Hetz« des Dr. A polt von der Alpinen Montan- gesellschaft— Filiale des r e i chsdeutfch e n Stahlwerk- Verbandes— gegen die Auslandsanleihe für Deittschosterreich est eine Konserenz der österreichischen Banken aus das Schärfste ent- gegen getreten: sie betont in ihrer Entschließung, daß der notleidenden Wirtschaft und dem schwer leidenden Lande nur durch eine Auslands- onleihe aufgeholfen werden kann. Ehristlichsoziale Arbeiter für die Demokratie. Der seinerzeit als Konkurrenz gegen den Republikanischen Schutz. bund errichtete christlichfoziale„Freiheitsbund' ist den Heim- j
wehren angeschlossen, wendet stch aber in einer Entschließung gegen alle Faschisten oder Drktoburbestrebungen und kündigt ihnen den .entschiedensten Widerstand an. Immer noch keine Altersversicherung! Wien . 30. Mal.> Der Ralionalrat lehnte heule den in de? vorige« Sitzung von den Sozialdemokraten gestellten Antrag aus Inkraftsetzung der Alter», und Znvalldenversicherung für Arbeiter mit dem I. Zannar 1931 unter stürnnscheu Cnstgstungs. und Protest. rufen der Sozialdemokraten und heftigen Gegenrufen der Mehrheils- Parteien mit 81 Stimmen gegen 71 Stimmen dchr Sozialdemokralen ab.
England verlängert die Schulzeit. Um die Arbettslosigfeit zu Setämpfen. London , 30. Mai. (Eigenbericht..) Das Unterhaus genehmigte an, Freitag in zweiter Lesung mit 280 gegen 223 Stimmen das von der Arbeitemgicrung zur Ver, ringerung der Arbeitslosigkeit bestimmte Schul. gesetz. Es erhöht in England und W a I e s für 400 000 Kinder das schulpflichtige Alter u m e i n I a h r. Für Schottland , wo die Arbeitslosigkeit am stärksten ist, wird in den nächsten Tagen ein ähnliches Schulgesetz dem Unterhaus unterbreitet. Die Mehrheit jür dieses Gesetz ist ebenfalls gesichert, so daß künftig eineinhalb Mil- lionen englische Volksschüler ein Jahr länger vom Ärbeitsmarkt fern. gehalten werden. Die Vorlagen belasten das Staatsbudget mit rund sechs Millionen Pfund, denen eine Ersparnis von drei Mil- lionen an Arbeitslosengeldern gegenübersteht. Piralenüberfall im Schonghaier Hosen. Inmitten des Ubhaiten Hafennerkehrs von Schanghai Überstelen am Freitag neun chinesische R ä u d« r eine Barkasse und stahlen die'Arbeitsgelder' der Be- sotzung. Der Maschinist wurde getötet, sieben Bootsleute, darunter zwei englische Ingenieure, wurden schwer verletzt.