Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts
10 Pf.
Nr. 255
B 127 47. Jahrgang
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Geld geht vor Ehre!
Buschs Erben gestehen- um zu erben!
Noch im Laufe des gestrigen Tages- 24 Stunden nach dem Tode Buschs hat der Rechtsbeistand der Hinterbliebenen, Rechtsanwalt Dr. Heinrich Werthauer, bereits die ersten Schritte unternommen, um das hinterJassene Vermizen sicherzustellen. Seine wichtigste Maßnahme war gleichzeitig ein Eingeständnis der bisher von dem früheren Stadtrat und seiner Verteidigung immer mit Entschiedenheit bestrittenen Tatsache, dah Lutkie, der holländische Geschäftsfreund Buschs, tatsächlich nur ein Strohmann war, soweit es sich um seine angebliche Beteiligung an Buschs Geschäften handelte.
Lutkie ist jetzt durch Eilbrief aufgefordert worden, sofort die an verschiedenen Stellen unter seinem Namen deponierten Gelder für die Erben Buschs freizugeben, weil diese Beträge- wahrscheinlich größtenteils bei den Grundstücksverkäufen verdiente Provi= fionen in Wirklichkeit Busch gehören.
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Um das Geld zu retten, strafen also die Erben den Verstorbenen nunmehr Lügen
und stellen sich auf den in dieser Frage von Luttie eingenommenen, den Erklärungen Buschs entgegenstehenden Standpunkt, daß der Holländer mit diesen Dingen nichts zu tun gehabt hätte und daß fein Name von dem früheren Stadtrat nur benutzt worden sei, um die erhaltenen Provifionen verschleiern zu fönnen. Dabei fann als sicher vorausgesetzt werden, daß Lutfie das alles natürlich auch nicht umsonst getan haben wird, und daß er aus seiner tatsächlich bestehenden Zusammenarbeit mit Busch irgendwelche Vorteile für fich gezogen haben muß. Aber in diesem Punkte wird mohl jezt überhaupt feine Klarheit mehr zu erzielen sein.
Für den Fall, daß Lutkie sich jetzt weigern sollte, die betreffenben nicht unerheblichen Summen herauszugeben, wollen die Erben fofort mit allen zivilrechtlichen Mitteln gegen ihn vor. gehen und sich dabei auch auf die eigenen Angaben des Holländers gegenüber dem Berliner Kriminalfommiffar Seifert ftügen, wonach er, Lutkie, niemals an Busch's Geschäften beteiligt gewesen sei. In rechtlicher Hinsicht will man ferner darauf verweisen, daß die zwischen Busch und Luttie in diesem Zusammenhang getroffenen Abreden nur zum Schein erfolgt und deshalb nichtig seien. Man fann der Entwicklung dieses Nachspiels zu Busch's Tod mit berechtigter Spannung entgegensehen, wobei von vornherein sicher ist, daß es sich bei der Entlarvung Lutfies als Strohmann nicht um die einzige nachträgliche Enthüllung handeln wird.
Gasexplosion im Kalibergwerk. Drei Mann im brennenden Schacht eingeschloffen. Mühlhausen ( Thüringen ), 2. Juni.
In dem Kalischacht Menteroda der Gewerkschaft Bolfenroda ereignete fich am Montag eine Gaserplosion, durch die der Schacht in Brand gefeht wurde. Self Herbst vorigen Jahres hatte man Gase bemerkt, ohne daß der eigentliche Herd gefunden werden konnte. Als am Montag ein Betriebsführer, ein Bergaffeffor und ein Laborant zu Untersuchungen in den kalischacht eingefahren waren, gefchah das Unglüd. Die drei Ceute werden vermißt. Eine Belegschaft von 28 Mann konnte sich durch einen Nachbarschacht retten. Die fofort zur Bergung der Bermißten eingesetzte Rettungsmannfchaft von 40 Mann fonnte bis jetzt durch den dicken Qualm nicht vordringen. Der entstandene Schaden ist bisher noch nicht zu übersehen.
BBG. nimmt Schiedsspruch an.
Heute Entscheidung der Funktionäre. Der Aufsichtsrat der Berliner Berkehrs- 2.- G. hat sich gestern mit dem Schiedsspruch des Schlichtungsausschusses beschäftigt, der den Berkehrsarbeitern die gleiche Cohnzulage zufpricht, wie sie die übrigen Städtischen Arbeiter erhalten haben. Mit den Stimmen der sozial demokratischen Aufsichtsratsmitglieder und gegen die Stimmen der Bürgerlichen bei Stimmenthaltung der kommunisten wurde die Annahme des Schiedsspruches beschloffen. Die Funktiomäre der Berliner Berkehrsarbeiter werden heute um 19 Uhr im Verbandshaus der Metallarbeiter ihre Entscheidung treffen.
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„ Eine Schmach! Der Häckel hat hier lehren dürfen, daß wir vom Affen abstammen. Aber jetzt, wo der Günther beweist, daß wir prima- prima nordische Edelraffe sind, will ihm die Fakultät nicht haben!"
Zeppelin auf der Rückfahrt.
Heute früh um 4 Uhr in Lakehurst gestartet. New York , 3. Juni. ( Eigenbericht.)
Das Luftschiff„ Graf Zeppelin " hat 2a kehurst am Dienstag kurz nach vier Uhr morgens zu seiner Rück. fahrt nach Friedrichshafen verlassen. Es passierte kurz nach fünf Uhr mitteleuropäischer Zeit dic New Yorker City. An Bord des Schiffes befinden sich 23 Passagiere. Die Schiffsleitung hofft, Friedrichshafen bereits am Donnerstag zu erreichen. Die Wetterlage über dem Ozean ist ideal. Das Schiff wird zeitweise mit starkem Rücken wind fahren und dadurch seine Stun dengeschwindigkeit erheblich erhöhen können.
Das Luftschiff beschrieb bei seiner Fahrt über New York , von Sirenen begrüßt und Scheinwerfern umipielt, eine lange nach Brocklyn ab, und verschwand rasch in der nicht sehr klaren Schleife über Manhattan , bog dann zur unteren Stadt und weiter mondnacht. Hunderttausende verfolgten auf den Straßen und von den Fenstern den Weg des Luftschiffes, das, niedrig und langsam fliegend, fich zwischen Wolfenfrazern durchzuwinden schien.
Es ist erheblich im Vorschuß.
Unsere Mitteilung, daß Thüringen Vorschüsse auf die Polizeigelder erhalten hat, wird offiziös bestätigt. Da nach ist der Vorschuß bei Thüringen besonders groß. Die Ziffer von 150 000, die wir nannten, stimmt demnach nicht; der Vorschuß ist erheblich größer. Die Bevorschussung ergibt sich aus der Art der Berech nung und Verrechnung, die nach der Kopfzahl erfolgt. Jedenfalls kamen für Thüringen Ende Mai weitere Zahlungen nicht in Betracht.
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Zentrum und Thüringen - Konflikt. Gegen Erschütterung der staatlichen Autorität.
Die von dem Thüringer Kabinett abgelehnte Forderung des Reichsinnenministers Dr. Wirth, die Ernennung nationalsozialisti scher Polizeidireftoren zurückzunehmen, hat jetzt endlich auch dem Zentrum die Augen geöffnet, wohin der Weg bei weiterer Nachgiebigkeit der Reichsregierung gegenüber der thüringischen Obstruktionspolitik führen muß.
So findet das Zentralorgan der Zentrumspartei , die„ Ger= mania", sehr deutliche Worte gegen die zwiespältige und die Autorität des heutigen Staates erschütternde Politik der Thüringer Regierung. Sie bemerkt hierzu:
Man könnte meinen, das Thüringer Kabinett wäre ein ein. heitliches nationalsozialistisches Phänomen. Mit folcher Präzision fann man seine Beschlüsse vorausahnen. Man Bolkspartei, die sowohl in Weimar wie in Berlin in der Regierung will in Weimar die Obstruktion mit dem Reiche. Und die Deutsche fizt, bringt das bewundernswerte Kunstwert fertig, gegen einen Teil ihres eigenen Selbst zu opponieren. Für diese zwiespältige politische Haltung fönnen wir das sei nochmals betont nicht das mindeste Verständnis aufbringen.
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Worauf es den Nationalsozialisten anfommt, ist ja in den legten Wochen ausgiebig diskutiert worden. Es steht qußer Zweifel, daß bei ihren politischen Spiegelfechtereien in erster Linie agitato. risch parteipolitische Erwägungen eine Rolle spielen. Jede weitere Sinauszögerung einer flaren Entscheidung müßte dieser Agitation nur immer neues Wasser auf die Mühle leiten. Der Staatsgerichtshof wird wissen, daß er bei dem Urteil. zu dem iba im Falle einer Sperrung der Polizeizuschüsse das Thüringer Kabinett zwingen mill, gerade diese Zusammenhänge wird berücksichtigen müssen. Die Nationalsozialisten scheinen sich der Hoffnung hinzu geben, daß eine rein formal- juristische Stellungnahme des Staatsgerichtshofes zu ihren Gunsten ausschlagen tönnte, Darum betonen
wir, daß die Auseinandersetzung in diesem Falle wirklich nicht um politische formalia, sondern um sehr, sehr handgreifliche politische heutigen Staates und seiner obersten Organe." realia geht. Es geht, furz gesagt, um die Autorität des
Wir haben von Anfang an ernstlich darauf aufmerksam ge= macht, daß die zögernde Politit des Reichsinnenministers sozialisten Frick gewesen ist. Das Thüringer Kabinett hat es verDr. Wirth nur Wasser auf die Mühlen der Politik des Nationalstanden, Herrn Wirth solange hinzuhalten, bis die Ernennungen erfolgt find. Wenn Herr Wirth jetzt nach reichlich langem 3ögern auf die Maßnahmen zurückgreift, die sein Vorgänger Severing bereits verhängt hatte, und das Zentrum diese Maßnahmen voll und ganz billigt, so ist dies im Interesse der Wahrung der staatlichen Autorität immerhin zu begrüßen.
Die Sperrung von Polizeizuschüssen für Thüringen , die Herr Birth jetzt verhängt hat, bedeutet allerdings erst eine Zahlungsiperre vom 20. Juni ab, da das Land Thüringen bis zu diesem Termin beim Reich bereits Vorschuß genommen hat. Auch ist nicht zu verkennen, daß Dr. Wirths Zögern den thüringischen Nationalsozialisten die Möglichkeit verschafft hat, sich in der Zwischen zeit gewisse Machtpofitionen zu sichern.
Nationalistische Mörder vor Gericht. Der Ueberfall in der Görliger Straße.- Der Staatsanwalt beantragt je vier Jahre Zuchthaus.
Tiger Straße, bei dem vier Kommunisten angeschossen In dem Prozeß gegen die sieben Nationalsozialisten wegen des Ueberfalles auf das fommunistische Berkehrslofal in der Görund der eine von ihnen, der Arbeiter Neumann, durch einen ungenschuß getötet wurden war, wurde heute vor dem Schwurgericht I die Beweisaufnahme geschlossen. Staatsanwaltschaftsrat Dr. Fischer beantragte gegen die Angeklagten Born, Ried und Gentbeil wegen schweren Landfriedens. bruches und gemeinschaftlicher schwerer Körperverlegung sowie Körperverlegung mit Todeserfolg je vier Jahre Zucht haus und weitere 6 Monate Gefängnis wegen unbefugten Waffenbefizes sowie fünf Jahre Ehrverlust, gegen Gentbeil außerdem noch drei Monate Gefängnis wegen Nötigung. Gegen die Angeklagten Kobierowski, Löwe und Gering wurde wegen einfachen Landfriedensbruches je ein Jahr Gefängnis beantragt, bei dem siebenten Angeflagten Wernicke dagegen Freisprechung. Das Urteil ist am späten Nachmittag zu erwarten.