Ar. 25Ä* 47. Jahrgang
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Oonnerstag, 5. 3tmt 1930
Vor wenigen Jahrzehnten war die Rhön dem Wanderer völlig unbekannt, wenige kannten sie. sie galt als rauh und ungastlich. Die Fremden, die der Zufall dorthin brachte, fanden die De- völkerung arm und verschlossen. den Boden karg. Manche jedoch kamen gerade ob der Unberührt- heit der Landschaft, wegen der herben Schönheit der Natur und der stillen besinnlichen Art ihrer Bewohner wieder. Ihre Zahl wuchs von Jahr zu Jahr, war jedoch im Derhältnis zu anderen schönen Teilen unsere, Vater. landes m>6) zu gering, um all- gemein auf die Rhön als Erholungsstätte für die breiten Massen des B o l k e» aufmerksam zu machen. Das wurde mit einem Schlag« anders, als in der Nachkriegszeit die S« g« l f l i e g e r« i die Rhön in den Blickpunkt der gesamten Oesfentlichkeit lenkte. Di« Rhön in der Inbegriff der deutschen Segelflieger«! g«. worden, dem großstadtmüden Arbeiter aber ist sie als Wandergebiet. als billig« Aufenthaltsstätte noch viel zu wenig bekannt. Für Snobs und elegant« Weltenbummlcr ist si« allerdings nichts, die ungemein spröde Bergnatur, die Reiz« von ungeahnter Lieblichkeit birgt, will erobert sein� In sanftem Schwünge der Berglinien, im Wechsel von Berg und Fels, Wald und Wies«, und mit der großen Einsamkeit der Moor« ist sie für den geplagten Großstadtmenschen«ine Freuden- spenderin ohnegleichen. Bon Berlin aus über die Strecke Frank- furt— Bafel erreicht man Fulda , O-Zug-Station, in wenigen Stunden Fahrt durch landschaftlich reizende Gegenden. In Fulda , wo man zwecks Besichtigung der Sehenswürdigkeiten Station macht, beginnt man am besten seine Rhöntour. Die Stadt Fulda birgt viel« Schätz« kulturhistorischer Art, wer Zeit hat, soll ruhig zwei Tag« oder«iium daran setzen, um si« zu besichtigen. Genannt seien der Dom, erbaut 1704/13, der«in« Nachbildung der Peterskirch« in Rom ist(hier siegt auch Bonifaciu« begraben), ferner die Michaelis- kirch«, die ästest« Kirche Deutschland», erbaut 820, mit unt«rirdrschen Verließen, in die sich fanatisch« Mönche selber lebendig begruben. Ein Ueberblestifel aus dem Mittelaster das jüdisch« BierteL Noch viele andere Ding» wären beachtenswert, die ab«r über den Rohmen des ArtiMs hinausgehen. Von Fulda au» fährt man mit der Klein. bahn zur Station Mieseburg in idyllischer Fahrt und beginnt von hier au, den Ausstieg zu dem SN Meter hohen Mieseburg. Ueber groß«, weit ausgedehnte Moränenfelder mit zum Teil rissigen Felsblöcken geht der Weg, einer bequemer, der andere, für rüstige Wanderer. romantischer in zirka zwesstündigem Marsch zur Kupp« der Mieseburg, mo eine wunderbar« Fernsicht den oben Ankommen- den belohnt. Dortselbst Kapellen mit riesiger, frei aufgestellter Kreu- zigungsgrupp«. Nach kurzer Rast, Untorkunstsheim ist vorhanden, geht «s wieder bergab nach der anderen S«it« zu, um Abtsroda zu erreichen. Ueber wunderbare.höhen, springend« Gebirgsbäche und stille Waldwiesen gelangt man in etwa 4 bis 6 Stunden zum Fuße der W a f s e r k u p p« in das freundlich« Dörfchen Abtsroda. Hier kann man billig sowohl in Gasthäusern als auch privat übernachten, wenn man es nicht eiliger hat, die Wafsevkuppe selbst aufzusuchen. In wild zerklüftetem Eelärid« schlängest sich der Weg gut begehbar in I bis 2 Stunden zur Wossertuppe.
Auf der Wafferkuppe herrscht Wimer und Sommer reges Leben. Untevkunftsmöglichkeiten, auch mit Beköstigung, sind in reichem Maße vorhanden. Es wird fast täglich geflogen, und man kann sich außer an der herrlichen Fernsicht auch an den lautlos fliegenden Flugzeugen satt sehen. Zu schnell schlägt die Zlbschicds- stunde, denn nach Gersfeld , dem auf der anderen Seit« der Wasser- kuppe gelegenen kleinen Städtchen, ist noch ein schöner Weg. Man erreicht diesen Luftkurort in angenehmem Abwiirtssteigen, an Schäfern mit ihren Herden vorbei, an großen Mooren vorüber, in etwa 2 bis I Stunden. Dort hat man ausgezeichnete preiswerte Gasthäuser zum Uebernachten und um ein warmes Mahl einzu- nehmen. Proviant kann man ebenfalls billig hier ergänzen. Von Gersfeld aus geht die Wanderung wester zu den gastsreundlichcn Mönchen de? Kloster? Kreuzberg, dos man durch idyllisch ge- legen« Dörfer in zirka fünf, bis achtstündigem Mass che erreicht. Hier kann man gut und billig übernachten und speisen, denn die Mönche, die dieses Kloster bewirtschaften, sind ganz auf Touristen« verkehr eingestellt und sind überaus humorvoll« Mitbürger. Nicht verschwiegen iverden soll, daß sie«in eigenes Bier brauen, da» sich sehen lassen kann. Vom Kreuzberg genießt man einen wunderbaren Rüifbsick auf die bisher zurückgelegt» Route und eine herrlich« Fern. ficht bis Kissingen , Brückenau usw. Hat man sich hier genügend erbost, dann beginnt man den Abstieg über die mit Rocht so genannt« Kniebreche zum Städtchen Bischof» heim, da» man in etwa einer Stunde erreicht. Zeit bis zum entfernter gelegenen Bahnhof. Hier besteigt man die Meinbahn und fährt bis Reustadtan der Saal«, wo man in den Zug über Mellrichstadt in Meiningen oder Ritschenhausen in den Berliner Zug, über Erfurt führend, umsteigt, mit dam festen Borsatz, bei nächster Gelegenheit, spätestens im nächsten Jahr«, wiederum die Rhön aufzusuchen. Sinsoniekonzerle im Zoologischen Garken. Das Berliner Sinfonie-Orchester veranstaltet in diesem Sommer wiederum jeden Donnerstag ab 29 Uhr im Zoologischen Garten aus- erlesene künstlerische Konzerte unter der Leitung von Dr. Helmuth Thierfelder. Das erste Sinfoniekonzert findet am nächsten Donnerstag, ö. Juni, als Deutscher Mei st erabend statt. Als Solist wirkt Franz Sauer(Baß) von der Berliner Städtischen Oper mit.
Das Ende der„Großsiedlung", j Die 5000 Mitglieder endgültig orn ihre Einlagen gebracht.' Jetzt hat der Zusammenbruch der„Großsiedlung e. SS.- seinen Abschluß gesunden. In einer Mstgliederversammlung wurde den 3990 Mitgliedern eröffnet, daß alle ihre Einlagen endgültig al, verloren zu betrachten sind. Das gesamte Vereinsverinögen beträgt gegenwärtig etwa 73 M. Aber auch dieser Betrag ist bereits vom Fernsprechamt beschlagnahmt. Dem„Vermögen" stehen auf der anderen Teste große Schulden gegenüber, da«in großer Teil der kostspieligen Vorarbeiten, Kalkulationen, Pläne und Reklame» schriften noch nicht honoriert sind. Die ganze Altion, die zu Anfang, noch mit dem Namen des Prof. Gropius hausieren gehen kannte, hat nun das Ende gefunden, dos verantwortungsvolle Fachleute längst voraussahen. Fünftausend Menschen sind um ihre Einlage, die mindestens 23 M. betrug, schmählich betrogen worden. Di« Nachprüfung, wo die Gelder jetzt geblieben sind, ist nun Sache der Staatsanwaltschaft, die auch besonders die Rolle des Diplomingenieurs Fischer zu untessuchen hat. Zur ordnungsmäßigen Liquidation des V«i> eins ist jetzt eine Kommission eingesetzt worden.
GensaiioneNe Erklärung Luiktes. llnterredong mit einem Vertreter deck??otterdamer „Voorwaorts-. Amsterdam , 4. Juni. (Eigenbericht.) Der Rotterdamer Kaufmann Luttie, der im Besitz eines Millionen-Vermögens de? Berliner Stadtrats Busch sein soll, erklärt« einem Vertreter des sozialdemokratischen Rotterdamer„B o o r- woarts", daß an den Behauptungen der Berliner Press« kein w a h r e» W o r t sei. Er habe Busch ISIS kennengelernt. Busch habe damals von ihm LebensmtttelfürdieStadtBerlin bezogen. Im Ialzre lS24 habe er Busch ein« Vollmacht zugehen lassen, um«ine private Zlngelegenheit für seine Frau zu regeln. Diese Bollmacht habe Busch nicht zurückgegeben, sondern mißbraucht. um unrechtmäßig erworbenes Geld mit seinem Namen zu decken, Unterschlagungen zu verbergen undIahr« hindurch Steuern zu hinterziehen. Er(Lutkie) habe, i ohne sein Wissen, viel« Jahre als Strohmann für die Geschäfte von Busch gedient. Auch sei es unwahr, daß er vergiftet« Kaninchen an Deutschland geliefert habe. Er lehne daher auch die Verant» wortung für die Forderung an Busch ab, die aus seinen Namen! verbucht sei. Magistratsdebatie über die BVG. Schorfe AvScivandersetzunsi zwischen ÄürgermeisterScholh und Stadtrot Aeuter. Wie wir berest« in unserer gestrigen Abendausgabe mitteilt«� beschäftigt« sich her Berliner Magistrat gestern mit der Finanzlage dar B« r t« h r s g e s e l l s ch o f t. Di« Sitzung bracht« jedoch nicht die Ueberraschungen, die viel« erwartet hottest.. Erst nachdem alle lausenden AngeleFenheiten erledigt waren, kam es zu einer Aussprache über die Verkehrspolitik der Stadt. Gegenüber dem volksparteilichen Bürgermeister verteidigte Stadtrot Reuter ix« bisherige Politik de? Derkehrsgelellschaft. Die Debatte mußte jedoch vorzeitig abgebrochen werden, weil der Bürgermeister die Sitzung verließ, um sich.zu einer Be- sprechung ins Oberprösidium zu begeben. Um die Frage «wer eventuellen Tarifänderung einer Lösung näher zu! bringen, wurde dem Unterausschuß des Magistrats für die Ver> kehrsangelegenheiten die Materie zur weiteren Beratung übergeben. Heute wird im Haushaltsausschuß die Beratung de» Etats der Berkehrsgesellschast fortgesetzt werden. Den Standpunkt � der sozialde, nokratischen Rathaussraktion wird voraussichtlich der Stadtverordnete L o e w y vertreten.
Wer die Jahre verstrichen, er wurde ein reifer Mann und verfaßte noch immer nichts anderes als genial» Bemerkungen, die, in verarbeitetem Stande, ein talentvolles Werk hätten abgeben können. Er machte sich auch an ihre Ausarbeitung, aber je weiter dieselbe fortschritt. desto mehr verloren sie von ihrer Glut. Und zuletzt lagen all seine unvollendeten Arbeiten wie Aschenhäuschen vor ihm. kalt und ohne Funken. Und wie es oft mit den rötesten Rosen und den hellsten Tenören der Fall ist, daß sie nämlich steril sind, so kann es wohl auch gerade bei den größten Genies vorkommen, daß die Schaffenskraft ihnen fehlt und sie sterben müssen, ohne Frückste getragen zu haben. Aber darin liegt manchmal keine Tragik für sie, das heißt, in solchen Fällen, wo iynen auch der Schaffensdrang abgeht. Und trotzdem verrichten sie eine nützliche Aufgabe in der Allgemeinheit, denn sie vermögen so manches blutarme Talent in Glitten zu tauchen, indem sie in ihrem eigenen Feuer verbrennen. Ich Hab- bei mir gedacht, daß der Hauptmann die Tra- gödie seines Lebens gewiß entdeckt haben wird, qls er in der verglühenden Asche grub. Und die große, wahnwitzige Sinn- losigkeit des Lebens hat ihn dann manchmal mit ihrem Atem gestreift, so daß der Staub dieser Asche ihm über die S-clc flog, bis sie verweht war. Di« Umstände bewirkten, daß ich seine Papiere später alle durchsehen mußte, auch seine Tagebuchaufzoichnungen. Und dabei wurde mir klar, daß Gott sein Wesen gespalten und ihm die Leiden vieler Seelen auf einmal auferlegt hatte. Sein Gesicht war von Lastarn verheert. Und doch er- rötete er bei jedem gewagten Worte. Und vielleicht verhielt es sich so, daß sein Aussehen und sein geradezu lächerlicher Wscheu vor jedem freien Wort— sogar unter Kameraden— sich aus Perioden Ichrieb, die ihn Tags und Nächte hindurch m Orgien versinken ließen, aus Perioden gleich denen, die i. Hie Geschichte der Borgias überschatten,
Dieser Mann ließ seine Frau tragen, wenn er sich aus Reisen befand._ Und sogar an seinem Tisch ließ er sie essen. Diese Zustände, dia jeder Disziplin Hohn sprachen, hatte der Amtmann der Regierung gemeldet. Der Hauptmann aber kümmerte sich nicht darum. Alle Versuche, ihn von Lari zu scheiden, waren vergebens. Und doch war diese Frau so gar nichts fürs Auge, groß und � mager, wulstige Lippen, krankhaft brennende, rot- umränderte Augen, deren Blick auf ferne Dinge gerichtet zu fein schien, Dinge, die andere nicht sahen Lari und Jera wurden gute Freundinnen, trotzdem si« von weit verschiedener Nationalität waren. Aber Frauen von Weißen waren sie ja losgerissen aus ihren Stämmen. In vieler Hinsicht standen sie auf dem gleichen gesellschaftlichen Niveau, denn beide waren aus guter Familie, sprachen ver« schiedene eingeborene Sprachen, waren weit gereist und hatten überhaupt«ine ganz gute Erziehung genossen. Außer- dem gehörten sie beide dem heimlichen Bund an, der Mit- glieder aus den hochstehenden Gesellschaftsschichten aller Kongostämme zählt und der vielleicht in fernen Zeiten ein- mal in der Lage sein wird, die vielen Stämme um ein ge- meinsames Ziel zu sammeln. Lari besuchte Hera oft. Und eines Abends kamen sie beide in mein Arbeitszimmer, in dem ich schon den ganzen Tag verbracht hatte, ohne etwas zu tun, ohne mehr als das Ällernotwendigfte zu reden und fast ohne zu essen. Ab und zu trank ich eine Kanne Rotwein oder einen Whisky Half and Half. Ich schlenderte auch hin und wieder von Wand zu Wand, um mich schließlich abermals zu setzen und meinen Gedanken nachzuhangen, die sich glqich düsternen, brodelnden Wetterwolken zusammenballten. Sinnlose Einfälle tauchten auf und versanken wieder, ohne Handlttngskraft wachzurufen. Ein Anfall von Tropenmelancholi« zermarterte mein Hirn- Plötzlich steht Lari vor mir. Glühend brennt ihr Blick mir entgegen. Ihre langen, schwarzen, fast gleichmäßig dünnen Arme streckt sie mir entgegen. Di« mageren Finger rnii den breiten Endgliedern bewegen sich, wie Schlangenbrut sich windet. Sie flüstert:„Iudchi. ich werde deine bösen Ge- danken an mich ziehen und sie in die nachtschwarzen Höhlen des Waldes zurückjagen, aus denen sie gekommen sind. Das tue ich, weil N«ra mich darum bat und weil Pera nicht die Kraft einer Lari besitzt. Aber nie darfst du den Hauptmann davon wissen lassen. denn er wird glauben, Lari hätte sich besudelt!*
Ickz höre sehr wohl, was Lari sagt. Wer ich mag mich: nicht dazu herablassen, solch Gewäsch zu beantworten, zeige ij nur schweigend nach der Tür, um dem Hokuspokus ein Ende zu machen Wer Laris Augen mit den roten Rändern brennen mir> wie Sonnen entgegen, deren Strahlen über wein Hirn hin»' wegsenaen, daß es wie eins Wüste glüht. Und in dieser � Wüste sprießt«ine Blume empor, die wächst und wächst, bis sie üppig und mächtig den Himmel erreicht. Schwer und heiß ist ihr Duft und prächtig und rot ihre Blüte. Und in ihrem Schatten finde ich Ruhe. Mitten in der Nacht erwachte ich in meinem Bürostuhl. Unter anderem Gekritzel stand auch folgendes, nichtssagend« G-dicht auf dem Papier vor mir: Sieh, wein Gemüt ist ein« Wüste, wo außer einer Blum« keine Pflanze wächst.— Wunderbar schön ist di« Blum«, deren Wurzeln im Sande der Wüst« leben. Du warst Som«. du warst Regen, wenn dein Feuor-Tränen-Blick erstrahlte. Dach das Schicksal heißt dich andre Wege als die meinen wandern, und du entschwindest mit halb fremdem Nicken. Streit Ist in mir, und Kampf! Denn auch in meiner Seele wuchert«ine Blume! Blutrat glüht sie, hat ewiges Leben, denn sie durchpulst alle Kraft einer Wüstenseele! Ich konnte mich nicht enssinnen, diesen stammelnden Dichtversuch niedergeschrieben zu haben. Auch hatte ich keine klare Borstellung von d-m Auftritt mit Laru Aber ich hatte ja auch nicht wenig getrunken, und trotzdem die Sonne bald kommen und ich also viele Stunden geschlafen haben mußte, fühlle ich mich müde und zerschlagen. Ich ging zu Bett und schlief bis weit in den Tag hinein. Und an diesem Tag« lud der Hauptmann mich zu Mittag ein. Ich hatte schon immer wenig Verkehr mit den Weißen gehabt, mich üb«? das streng Notweichige nicht mit ihnen ein» gelassen, und dem Hauptmann hatte ich wahrlich noch viel weniger Beachtung geschenkt als allen andern... Wenn«r in Batu war, hielt er sich zumeist in der Messe der Station auf. ...(Fortsetzung folgt.) j