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Adolf von Harnack gestorben.

Ein Leben wiffenschaftlicher Arbeit.

Adolf von Harnad, einst der Führer der liberalen Theologie, Geschichtsforscher und Geschichtsschreiber, ehemals Generaldirektor der Breußischen Staatsbibliothet, Präsident der Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, der in Heidelberg vor etwa 14 Tagen erfrantt war, ist dort am Dienstag nachmittag im Alter von 79 Jahren in der medizinischen Klinit gestorben. Die Einäscherung soll in Berlin erfolgen, die Ueberführung wird voraussichtlich ani Donnerstag vor sich gehen.

Mit Adolf von Harnad nerliert die deutsche Geisteswelt einen ihrer hervorragendsten und vielseitigsten Köpfe und einen bis ins hohe Alter hinein tatkräftigen Organisator wissenschaftlicher Arbeit. Das faiserliche Deutschland hatte ihn mit allen Titeln und Orden ausgezeichnet, die es zu vergeben hatte. Harnad stand, obwohl er liberaler Theologe war, und obwohl ihn der Evangelische Ober tirchenrat heftig befämpft hatte, in der höchsten Gunst des Kaisers, der ihn in jeder Weise förderte. Nach dem Umsturz hat er sich aber nicht schmollend zurückgezogen, sondern auf dem neuen Boden weiter mitgearbeitet. Gegen Berunglimpfungen des ersten Präsidenten der Deutschen Republit, unseren Genossen Ebert, ist er mannhaft auf­getreten, und er hat es erlebt, daß sein Sohn Ernst nach der Revo lution der Sozialdemokratie beitrat. Insbesondere hat er dann feine ganze Kraft dem Ausbau der Gesellschaft zur Förderung der Wiffenfchaft gewidmet. Auf einer Reise, die er im Interesse dieser Gesellschaft unternommen hat, ist er gestorben.

Der Sohn eines baltischen lutherischen Theologen und Uni­versitätsprofessors, der am 7. Mai 1851 in Dorpat geboren war, machte als junger Theologe auf deutschen Hochschulen rasch Karriere. 1888 war er Ordinarius für Kirchengeschichte in Berlin . Er führte die Richtung seines Lehrers Albrecht Ritschl zum Siege, und alle Proteste der Orthodoxen fonnten diesen nicht aufhalten. Der fluge Regiffeur der preußischen Universitäten Althoff hatte sich für ihn eingesetzt, und Bismard hielt ihm die Stange. In seinem Lehrbuch der Dogmen Geschichte", das damals zu erscheinen begann, wendete Harnad die kritische Forschung auch auf das Neue Testament an und suchte das Christentum von den Dogmen zu reinigen und für die naturwissenschaftlich gerichtete Bildungswelt zu retten. Das christliche Dogma wurde von dem Urchristentum getrennt und als eine Schöpfung des griechischen philosophischen Geistes erNärt.

In seiner populären weitverbreiteten Schrift Das Wesen des Christentums", die zuerst im Jahre 1900 erschien, hat Harnack versucht, dem Christentum in diesem Sinne eine neue Bafis zu geben, losgelöst vom Wust der Dogmen und der Ueberlieferung. Abgesehen von seiner gelehrten Tätigkeit der Katalog seiner Schriften zählt an tausend Arbeiten auf griff er auch in die Praxis des Lebens ein, indem er das Gemeindeblatt für die Ge­bildeten aller Stände" herausgab, das später zur Christlichen Welt" wurde.

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Zusammen mit Stöder gründete er den Evangelisch- sozialen Rongreß, trennte sich dann aber ganz von Stöder und leitete den Kongreß weiter unter der Devise des Evangelischen, Sozialen und

Nationalen

Der fritische Geschichtschreiber, der auch die Hand an bas Apostolische Glaubensbekenntnis gelegt hatte, wurde im Laufe seiner weiteren Entwicklung zum reinen Forscher. Er war Mitglied der Akademie der Bissenschaften und übernahm im Jahre 1906 die Leitung der Berliner Staatsbibliothet, von der er im Jahre 1921 zurüdtrot Mertwürdig, daß der Theologe und Historifer dann immer mehr zum Organisator der wissenschaftlichen Arbeit wurde und hierin die Krönung seines Lebenswerts fend. Als Präsident der Raifer Wilhelm- Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft stellte er feine Kraft in den Dienst der praktischen Wissenschaften, die von der Naturbeherrschaung aus das Leben meistern wollten. Als Re­prafentant, als vielseitig geschulter Redner und tuger Bermittler hat er hier Bedeutendes geleistet und auch nach Erreichung der gesetz­lichen Altersgrenze im gleichen Sinne seine Tätigkeit fortgesetzt.

Die historisch- kritischen Arbeiten Harnad's haben ihre Darstellung in der Geschichte der Wissenschaften er hat auch eine Geschichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften verfaßt aber der Sinn für das Dogmatische, den er selber zerstören half, ist erioschen, und so wird seine gelehrte Arbeit nicht über die Bezirke der rejnen Wissenschaft hinausdringen. Ob seine Synthese Christentum und Bildung oder auch Christentum und Wissenschaft für die Zukunft noch Erfolge verspricht, sei dahingestellt. Cher wird wohl das Christentum im sozialen Sinn noch Lebenskraft ermeisen. Die Leistungen Harnads als Generaldirektor der Bibliothek hat bei den Fachleuten mancherlei Kritik hervor gerufen, aber alle haben sein großes Geschick und seine welt­gewandte Art anerkannt. Der Weg, der ihn von der Theologie und Metaphyfit zur reinen fritischen Forschung und schließlich zur praf. tischen Arbeit in der Organisation der Wissenschaften geführt hat, bezeichnet zugleich den Entwicklungsgang des 19. Jahrhunderts, und so fann unter die rastlose Arbeit dieses langen und erfolgreichen Lebens Faustens Altersweisheit gesetzt werden: Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich fie erobern muß."

3m Braunhemd vor Gericht. Satentreuzler Kundgebung der Angeklagten. Schweidnih, 10. Juni.

Der Landfriedensbruchprozeß gegen 16 Na­tionalsozialisten, gegen die in erster Instanz im vorigen Dezember vor dem hiesigen Schöffengericht verhandelt worden war, fand heute in der Berufungsinstanz seinen Fortgang. Die Angeklagten hatten am 27. September v. 3. eine sozialdemo. tratische Bersammlung gefprengt und dabei mehrere Bersonen verlegt. In erster Instanz wurden neun von den Ange flagten freigesprochen, die übrigen zu verhältnismäßig geringen Geld und Gefängnisstrafen verurteilt. In der heute beginnenden Berujungsverhandlung waren die Angeflagten in den Uni­formen der SA.( Sturmabteilung ) der NSDAP . erschienen, und zwar entgegen der ausdrücklichen Anordnung des Vorsitzenden. Dieser Verstoß fomie wiederholtes ungebührliches Benehmen an Gerichtsstelle trug den Angeklagten eine Geldstrafe pon je 20 Mart( 63m. 1 Tag Haft) ein. Den Angeklagten wurde be­deutet, daß die Anordnung, nicht in Braunhemden im Sigungsfaal zu erscheinen, fortbestünde, so daß sie es felbst in der Hand hätten, weitere Bestrafungen dieserhalb zu ver meiden. Im übrigen brachte der heutige Verhandlungstag mur, die Bernehmung der einzelnen Angeklagten und einen Lokaltermin in dem damaligen Bersammlungsfaal.

Reinhard von Gehren , Landeshauptmann der Brovinz Heffen­Nassau und Mitglied des Preußischen Staatsrats ( bürgerl. Ar­beitsgemeinschaft), ist 66jährig in Karlsbad an einer Lungen tzündung geftorben

Thronwechsel in Bukareſt .

11910

So, Vater, nun mach deinen Greek alleene!"

Goldregen aus Amerika .

300 Millionen Freigabegelder für die Reedereien.

Washington , 10. Juni.

Die Entscheidung über die endgültige Entschädigung an die deutschen Reedereien wegen der während des Krieges be­schlagnahmten deutschen Schiffe ist jetzt gefallen. Der Schiedsspruch der Regierungskommission setzt die Entschädigung für die 94 be­schlagnahmten Schiffe auf 74,2 Millionen Dollar, also auf rund 311 Millionen Mart fest. Hierin sind die bis zum Dezember 1928 aufgelaufenen Zinsen einbegriffen. Diese Entschädigungs­fumme der Vereinigten Staaten iff um 125 Millionen Mart höher als der Betrag, den die feinerzeit nom Präsidenten Wilson ein­gefehle Schäßungstommiffion genannt hatte.

Die Entscheidung des amerikanischen Schiedsrichters Remid iff endgüffig: Mit den Ratenzahlungen wird alsbald begonnen wer­den. Zur Zeit stehen nach dem Freigabegejek als erfte Rafe 105 millionen Mart zur Verfügung. Den Löwenanteil der Ent­fchädigung werden die Hamburg- Amerika- Linie , der Norddeutsche Clond und die Nepfun"-Reederei in Bremen erhalten.

Mit der jetzt gefällten Entscheidung des Schiedsrichters wird der Schlußstrich unter die Liquidations und Freigabepolitit der Bereinigten Staaten gegenüber Deutschland gezogen. Wie schon

Der Königsrummel in Bukarest .

Doch feine Einheitsfront.

Der Freudentaumel in Rumänien über die Rückkehr des vor sechs Jahren schimpflich abgesetzten und verbannten Carol dauert an. Doch hat sich bisher der Widerstand der Liberalen " nicht brechen lassen, so daß die Bemühungen um die Bildung eines Kabinetts der Einheitsfront, dem auch die Bratianu - Partei angehören wollte, bis­her erfolglos geblieben find. Infolgedessen ist die für gestern erhoffte Bildung der Regierung noch immer nicht erfolgt.

Auch die von ihm geschiedene Prinzessin Selene hat Carol zu seiner Thronbesteigung telegraphisch beglückwünscht, aber dem designierten Ministerpräsidenten Mironescu gegenüber gestern abermals eine Wiedervermählung mit Carol abgelehnt. Die Krönung soll erst im Ottober stattfinden, weil man hofft, bis dahin das geschiedene Ehepaar mieder versöhnen zu fönnen Man glaubt, daß die Königin- Mutter Maria nach ihrer Rückkehr ihren Einfluß auf die Schmiegertochter in diesem Sinne erfolgreich ausüben wird. Maria, die in den beiden letzten Tagen in Ober­ ammergau meilte und angeblich trok der Ereignisse in Rumänien ihre mehrmöchigen Aufenthaltspläne in Süddeutschland nicht ändern wollte, hat sich nunmehr doch entschlossen, schnellstens nach Bukarest zurückzukehren. Sie wird daher heute mittag den Orientexpreß in München besteigen. Dagegen ist ihrem früheren Freund Bring Stirbey der Baden in Bufarest anscheinend wieder zu heiß' ge­worden. War er doch eine der Ursachen der Zerwürfnisse innerhalb der Familie Hohenzollern- Sigmaringen : Carol hatte ihn vor mehreren Jahren geohrfeigt, und Maria hatte für ihn Bartei er­griffen. Nun hat er seine nicht geringen Güter verkauft und Rumänien angeblich endgültig verlassen.

Aus Budapest wird entschieden dementiert, daß ungarische Kreise eine Aktion zugunsten jener ungarisch - rumänischen Personalunion eingeleitet hätten, die Carols Londoner Freund Barbu Jonescu als das Ziel des neuen Rönigs angedeutet hatte.

Wer ist für wahre Befriedung? Desterreichische Sozialdemokraten für Uniformverbot.

Wien , 10. Juni.

Im Justizausschuß des Nationalrates wurde bei der Beratung des Waffengesetzes unter anderem der sozialdemokratische Antrag über das Berbot der uniformierten Selbst. fchuhverbände mit 14 gegen 11 Stimmen abgelehnt.

no

ein großer Teil der an der amerikanischen Freigabe beteiligten in dustriellen Werke, erhalten jetzt die deutschen Großreedereien ihre Freigabegelder, die einen fast vollständigen Ersag für die während des Krieges in den Bereinigten Staaten erlittenen Bers lufte darstellen.

Zur Durchführung des Wiederaufbaus der deutschen Handels. flotte und als Entschädigung für die Kriegsverluste hat das Deutsche Reich den Schiffahrtskonzernen in der Nachkriegszeit große Kredite zu besonders günstigen 3inssägen zur Ber fügung gestellt. Ferner sind in dem Kriegsschäden- Schlußgefeß vom März 1928 hohe Entschädigungsquoten für die Großgeschädigten vorgesehen. Der Reichsfinanzininister bat unseres Grach tens allen Anlaß, die Frage sehr ernstlich zu prüfen, ob das Reich nicht jetzt Gegenansprüche an die Schiffahrtstone 3erne zu stellen hat. Die feinerzeit den Reedereien gewährten Wiederaufbau- Kredite erholten jetzt, wo die Schiffahrtsgesellschaften Bar- Entschädigungen in Höhe ihres gesamten Aftientapitals emp fangen, den Charafter reiner Staatsfubventione n. hierfür ist aber jest um so meniger Blas, als die Brüning- Regie rung zur Behebung ihrer Finanznöte der Masse der Bevölkerung die schwersten Steueropfer auferlegt.

Indische Sozialistenpartei.

3n Lahore gegründet.

Das Büro der Sozialistischen Arbeiter- Internationale teift mit Eine fozialistische Partei ist in Lahore gegründet worden; fie will nicht Ausdrud einer bestimmten sozialistischen Richtung sein,

ſondern wünscht eine gemeinsame Organisation für alle zu bilden.

die an den Umbau der Gesellschaft auf sozialistischer Grundlage glauben. Ihr Ziel ist die Errichtung einer neuen Wirtschafts­ordnung, in der es teine Ausbeutung einer Klaffe durch eine andere gibt. In der neuen Wirtschaftsordnung, die die Partei, erstrebt, sollen alle Produktionsmittel soweit wie möglich dem Bolte gehören und kein Privatfapitalismus is irgendwelcher Form bestehen.

Das unmittelbare Ziel der Partei ist die Ber staatlichung. des Bodens und jener Großindustrien, deren Umwandlung in Ge meinbesig unter Berücksichtigung der bestehenden politischen und. wirtschaftlichen Zustände des Landes vorteilhaft ist.

Die Gründer der Partei erklären, daß der Sozialismus nicht nur eine entscheidende Mission für Sie ausgebeuteten Arbeiter, fondern auch für alle Inder zu erfüllen hat. Sie betrachten den Sozialismus nicht nur als eine Wirtschaftsreform, sondern als, eine neue Auffassung des sozialen Lebens und der sozialen Beziehungen.

Englischer Unteroffizier zu Gefängnis verurteilt.

Peshawar , 10. Jurri.

durch unvorsichtiges Hantieren mit seinem Gewehr den Tod Der Unteroffizier eines englischen Regiments, der am 31. Mai zweier Kinder verursacht hatte, während deren Mutter ver­wundet wurde, wurde zu achtzehn Monaten Gefängnis

verurteilt.

Wie erinnerlich, war es am 31. Mai infolge des Vorfalls in Bejchamar zu Unruhen gefommen, bei denen durch Schüsse der Polizei und des Militärs sieben Personen getötet und neun ver mundet wurden.

Die Barbarei der Todesstrafe.

Stalt Abschaffung

-neue Methoden!

In Nordamerila ist am 2. Juni ein Verurteilter durch ein In das Sterbezimmer, in dem der Berurteilte an einem Stuhl fest­neues Berfahren, durch Gasvergiftung, hingerichtet worden. gebunden war, wurden Giftgase eingeleitet. Zeugen ver­folgten durch ein tieines Fenster die Wirkung des Gafes!