Morgenausgabe
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Nr.
A 136
47.Jahrgang
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Donnerstag
12. Juni 1930
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
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Nazi- Uniform verboten.
Ein Erlaß des preußischen Innenministers.
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Carols Staatsstreich.
Eine Nation in Estate.
Der preußische Minister des Innern hat am Mitt| Rhein die Schwarzen in Bayern ", womit bie Bane Ist dann die Bombe geplatzt und ein König vom woch durch Erlaß an sämtliche preußischen Polizeiver rische Volfspartei und ihre Regierung gemeint ist.. waltungen das öffentliche Tragen der nationalsozialistischen Parteiuniform verboten. Der Erlaß lautet:
,, Auf Grund des allgemeinen Landrechts wird zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit und Ordnung das öffentliche Tragen der sogenannten Parteiuniform der National fozialistischen Deutschen Arbeiterpartei einschließlich ihrer Unter-, Hilfs. und Nebenorganisationen für den Bereich des Freistaates
Preußen verboten.
Zur Uniform gehören alle Gegenstände, die dazu bestimmt oder geeignet sind, abweichend von der üblichen bürgerlichen Kleidung die Zugehörigkeit zu den genannten Organisationen, insbesondere den sogenannten Sturmabteilungen, Schutzstaffeln und der Hitlerjugend , äußerlich zu bezeichnen, also auch Kleidungs- und Aus rüstungsstücke( z. B. Armbinden), die durch bestimmte Form. Farbe, Schnitt usw. ein Merkmal der genannten Organisationen darstellen. disa
Ich ersuche alle Polizeibehörden, das Verbot mit allen polizeilichen Mitteln, gegebenenfalls auch durch Androhung und Festsetzung von Zwangsstrafen nachdrücklichst durchzuführen. gez. Dr. Waentig." Waffenbeschlagnahme in Berliner Nazi- Lokalen.
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In den gestrigen späten Abendstunden wurden mehrere nationalsozialistische Verkehrslokale von Beamten der politischen Polizei des Polizeipräsidiums überraschend umstellt und die anwesenden Hafenkreuzler nach Waffen durchsucht. In einer Gastwirtschaft in der Lützow straße wurde einem Nationaljezialisten eine mit 8 scharfen Schüssen geladene Maschinen pistole abgenommen. Bei einer Razzia in einem Lokal in der Nähe des Bahnhofs Bellevue beschlagnahmten die Beamten eine dyredschuß pistole sowie mehrere Hieb- und Stich 00018
waffen.
Frick Bersammlung in München verboten.
München , 11. Juni. ( Eigenbericht.)
Als Antwort auf das Uniformverbot der bayerischen Regierung oill Hitler , wie er in einem Parteibefehl angeordnet hat, ab 14. Juni zunächst für die Dauer von 8 Monaten die gesamte Kraft seiner Propaganda auf Bayern tongen trieren. Als Auftaft galt eine 3ertusversammlung in München , in der neben ihm selbst auch der Herr Dr. Frid aus Thüringen auftreten sollte mit dem Thema: hinweg mit den Unterdrückern des erwachenden Deutschland ". Ein anderer Redner, der Bibliothekar des Bayerischen Landtags Dr. Buttmann, sollte die geschmackvolle Frage, behandeln:„ Die Schwarzen am
Die Polizeidireffion München hat diese Versammlung jetzt verboten,
ebenso jede andere Bersammlung, die als Ersatz dienen tönnte. Das | Berbot wird wie folgt begründet:
Die maßlos beleidigende und jeden anständigen Menschen anwidernde Sprache im Zusammenhang mit den hezerischen Ergüssen der nationalsozialisti. fchen Presse in den letzten Tagen läßt erkennen, daß die Berfammlung nur darauf abzielte, die Staatsregierung ver ächtlich zu machen und zum Ungehorsam gegen die von ihr getroffenen Anordnungen aufzuwiegeln. Die geplante Verfammlung war daher als dem Strafgesetz(§§ 110 und 185 Reichsstraf gesetzbuch) zuwiderlaufend zu verbieten."
An der Begründung ist interessant, daß fie fich zweifellos auch auf die beabsichtigte Rede von Frick bezieht.
Schweidnih, 11. Juni.
sozialisten, der zur Zeit in der Berufungsinstanz schwebt, nahm heute Der Landfriedensbruchprozeß gegen die 16 angeklagten National mit der weiteren Bernehmung der Angeklagten seinen Fortgang. Die Angeflagten geben im allgemeinen die ihnen von der Antlage vorgeworfene Körperverletzung zu, behaupten jedoch durchweg, in Not mehr gehandelt zu haben.
lauf. Nach der Berlesung von zwei Flugblättern fam es fogar zu Die Berhandlung, nahm wie die gestrige einen bewegten Ber. einem Zusammenstoß zwischen dem Verteidiger und dem Vorsitzenden, wobei sich diefer genötigt fah, dem Verteidiger das Wort zu entziehen. Die Bernehmung der Angeklagten ist noch nicht abge schlossen.
Frid als Sachverständiger.
Schweidnih, 11. Jumi. Im Nationalsozialistenprozeß erklärte der Verteidiger Dr. Frant heute, daß die Staatsanwaltschaft den Berliner Kriminalkommissar Stumm als Sachverständigen geladen habe, behalte sich aber vor, einen politischen Gegensachverständigen zu benennen, und zwar nenne er heute schon den thüringischen Staatsminister Frick.
Zum Schluß ermahnte der Vorsitzende die Angeklagten, bei dem morgigen Erscheinen ihres Führers Hitler sich jeder Ovation im Gerichtsfaal zu enthalten. Darauf wurde die Sigung auf Donnerstag vertagt.
Der Notetat muß voraussichtlich verlängert werden.
bisher überhaupt noch nicht endgültig festgestellt worden sind. Selbst wenn der Reichsrat außergewöhnlich schnell arbeitet, dürfte er mit ihnen taum vor Ende der nächsten Woche fertig werden, so daß sie dem Reichstag frühestens in der übernächsten Woche zu gehen fönnen.
Am tommenden Montag nimmt der Reichstag seine Arbeit| dem Reichsrat zugeleitet werden, da sie im Reichsfinanzministerium wieder auf. Auf der Tagesordnung seiner ersten Sigung stand bisher die zweite Beratung des Haushalts des Reichsarbeitsministeriums. Da Reichsarbeitsminister Dr. Stegerwald jedoch mitgeteilt hat, daß die vom Reichskabinett beschloffene Vorlage über die Aenderung der Arbeitslosenversicherung dem Reichstage an diesem Tage noch nicht vorliegen wird, so ist eine Umstellung der Tagesordnung notwendig. Statt des Arbeitsetats wird der Etat des Reichsministeriums des Innern zuerst zur Beratung gelangen.
Auch der Haushaltsausschuß des Reichstages nimmt am Montag seine Beratungen mit der allgemeinen Finanz= debatte wieder auf.
Reichsfinanzminister Dr. Moldenhauer wird die vom Reichskabinett beschlossenen Deckungsvorlagen be gründen.
In diesem Gremium wird also auch die erste Klärung der Stellung der Parteien zu diesen Fragen stattfinden. Da aber die Gesetzentwürfe noch nicht vorliegen, jo tann es sich nur um eine vorläufige Stellungnahme handeln.
Wann die Gesezentwürfe über die Arbeitslosenversiche rung, das Notopfer, die Ledigensteuer usw. den Reichstag beschäftigen werden, steht noch nicht fest. Sie werden erst in den nächsten Tagen
Unter diesen Umständen ist es fast sicher, daß die Ver. abschiedung des Etats und der umfangreichen Deckungsvorlagen nicht mehr rechtzeitig vor dem 1. Juli erfolgen kann.
Deshalb muß der Notetat, der am 30. Juni abläuft, noch einmal Derlängert werden.
Dem Reichstag steht also eine arbeitsreiche Tagung bevor. Bei der Bedeutung der dringlichen Borlagen wird die Sozial demotratie verlangen, daß die gründliche Beratung den Borrang erhält vor dem erfahrungsgemäß sehr starken Ferienbedürf. nis des Reichstags. Selbst wenn also auch das Ausgaben fentungsgeseß, zu dem das Reichskabinett erst am kommenden Freitag Stellung nehmen will, bis zum Herbst verschoben wird, ist an eine Bertagung des Reichstags vor Mitte Juli nicht zu denken.
Bukarest , Pfingsten 1930( Eig. Bericht). Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus und große Männer zeigen ihr Kommen an, indem sie durch ihre Anhänger die Gegner hinter Schloß und Riegel bringen lassen. Himmel gefallen, so sperren sie Draht und Post, Zug und Flugzeug, verbieten den Autoverkehr und verhängen den Ausnahmezustand, stürzen eine Verfassung und neigen fich einer Idee zu, die man in Italien und Rußland , in Spanien und Griechenland , in der Türkei und in Polen Dittatur nennt oder nannte. Ueberzeugungen fallen und fauchend die Städte ihres Wirkens und ein Ordensregen Eide werden gebrochen, eine Königin verläßt ergießt sich über die, die der Sache zum Triumphe verhalfen. Kombinationen werfen Kombinationen um, Zivilisten machen in höchster Politik und Militärs raffeln mit dem Säbel, über dem Lande liegt eine bleierne Atmosphäre und die Szenerie in der rumänischen Hauptstadt, von strahlender Sonne und tiefstem Blau der Unendlichkeit überzogen, riecht ein bißchen nach Spannung, nach Explosion. Was bringt die kommende Stunde, der morgige Tag?... Die Schultern zucken und der Blick richtet sich erwartungsvoll hinauf zu denen, die dies Spektakel arrangierten, zu den Marionetten, die an Striden baumeln und von Hintermännern dirigiert werden, die gleich feindlichen Feldherren die Situation ver schleiern und aus ihrem Herzen eine Mördergrube machen. Und doch wird die Welt beruhigt durch den offiziellen Spruch, den die Regierung hinausfunkt in die vier Richtungen des Windes: ,, I n Bufarest nichts Neues, ganz Rumänien wird von vollendetster Ruhe beherrscht!" Dabei gäbe es etwas Neues, so eine fleine pifante Affäre, die man Staatsstreich nennt. Gar nicht romantisch, gar nicht sensationell: ein Flugzeug neigt sich zwei Stunden vor Mitternacht den Hangars eines nur spärlich beleuchteten privaten Flugplages in der Bukarester Peripherie zu, ein ausgestellten rumänischen Baß vor, seines Botez setzt federnd die Räder auf, rumänischen Boden, ein Mann zeigt einen auf den Namen Eugen Nicolas Beichens Chauffeur bei der rumänischen Ge fandtschaft in Paris , und betritt zum erstenmal feit fünf Jahren den Boden seiner Heimat. Militär sperrt unter dem Vorwande einer plötzlichen Inspektion das Gelände ab, hohe und höchste Offiziere der Bukarester Fliegertruppe salutieren und legen den Treue id in die Hände eines Mannes, der gestern noch den höchst zivilen Namen Carol Careimann trug und heute schon König Carol II. von Ru mänien ist.
In München war das Flugzeug gemietet und bestiegen worden. Der Flug ging über Wien , die Tschechoslowakei , Budapest , Oradea- Mare und Klausenburg und die Ankunft in Bukarest war den Freunden Carols durch ein in München expediertes chiffriertes Telegramm angezeigt worden: Antomme mit der ganzen Familie zweiundzwanzig Uhr- Cica". Nur wenige Persönlichkeiten waren von den dis reften Plänen unterrichtet. Die rumänische Gesandtschaft in Paris hat sich z B. stritt geweigert. Carol einen Baß zur Reise nach Rumänien auszustellen. Man bes diente sich deshalb des Chauffeurs der rumänischen Ges fandtschaft in Paris , der für sich einen Baß beantragte und ihn einem Mitgliede der rumänischen Militärmission aushändigte, der das Bild des Chauffeurs mit dem des Prinzen vertauschte, ordnungsgemäß Die deutschen , österreichischen, tschechischen und ungari. fchen Bisen bei den Pariser Konsulaten einhalte und die ganze Reise auf den Namen des Nicolas" aufzog. Von Paris bis München benutzte Carol und sein Begleiter, Hauptmann Bop, die Eisenbahn. In München wurde das Flugzeug bestiegen, das bis zur rumänischen Grenze durchflog, bei Oradea- Mare jedoch eine Notlandung vornehmen mußte, da das Del ausgegangen war. Auf einen Funkspruch hin entsandte die Garnison Klausenburg einen Militärflieger, der die Münchener Maschine eine Stunde nach der Notlandung fand. Er fonnte in Anbetracht des außerordentlich ungünstigen Landungsgeländes nur mit großen Schwierigkeiten neben der Maschine des Prinzen niedergehen. Nachdem die Münchener Maschine Del übernommen hatte, setzten die beiden Flugzeuge ihre Fahrt nach Klausenburg fort. Während das rumänische Kampfflugzeug bereits den Klausenburger Flughafen erreicht hatte, wartete man hier vergeblich auf den deutschen Apparat. Biertelstunde auf Biertelstunde verging, ohne daß die deutsche Maschine in Sicht tam. Wiederum murde ein rumänischer Militärflieger entsandt, der das deutsche Flugzeug in der Nähe der Ortschaft Badul Crisului vorjand, wo es stieg jetzt in die rumänische Maschine, flog nach Klaufenburg, wegen Benzinmangels niedergehen mußte. Der Prinz wechselte hier auf dem Flugplag seine Zivils kleider mit der Uniform eines Fliegergenerals