Morgenausgabe
Nr. 271
A 137
47.Jahrgang
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Vorwärts
Beeliner Bolksblatt
Freitag
13. Juni 1930
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Vorwärts- Verlag G. m. b. H.
Tragische Folgen einer Wahl.
Neuer Stadtbankdirektor gewählt.- Selbstmord Bern Meyers.
Der Magiftrat wählte geffern zum Borstandsmitglied der| seine Tätigkeit im elterlichen Kaufmannsgeschäft auf, studierte einige Berliner Stadtbaut und der Berliner Städtischen Sparkasse Heren Jahre und arbeitete erfolgreich mit am Aufbau der Arbeiterbant, Erich Feidner, bisher Direktor bei der Danatbant. aus der er wegen persönlicher und fachlicher Differenzen ausschied. Seitdem war er im Michaelfonzern als Bankdirektor tätig, ohne daß ihn diese Tätigkeit befriedigte. Er hatte alle Hoffnung darauf gesezt, durch seine Wahl zum Mitdirektor der öffentlichen Berliner Stadtdurch seine Wahl zum Mitdirektor der öffentlichen Berliner Stadt bank sich wieder einen seiner Gesinnung gemäßeren Tätigkeitskreis zu schaffen. Im Michaelfonzern hatte Bern Meyer noch einen mehrere Jahre lang laufenden Vertrag.
Die Wahl des neuen Stadtbankdirektors hatte tragische Folgen. Genoffe Bern Meyer, der ebenfalls fandidierte, war durch den Ausgang der Wahl derart aus dem Gleichgewicht geworfen, daß er bald nach der Mitteilung des Resultats seinem Leben ein Ende machte. Nachdem er seiner Mutter und seinem Bruder, dem fozialhygienischen Referenten Meyer- Brodwik im DGB. Briefe hinterlaffen hatte, hat sich Bern Meyer erschossen.
Der Tod Bern Meyers beraubt auch die Sozialdemokratische Partei eines treuen Anhängers. Bern Meŋer war 43 Jahre alt. Der Krieg machte ihn zum Sozialisten. Aus Gesinnungsgründen gab er
In der Magistratssigung, die die Entscheidung gegen Meyer brachte, setzten sich die sozialdemokratischen Magistratsmitglieder in erster Linie für die Wahl von Bern Meyer ein. Seine Wahl war dadurch gefährdet, daß durch Beurlaubung einige Magistratsmit glieder fehlten.
So erfolgte die Wahl Feidners.
Regierungsbildung in Rumänien .
Bauernpartei- General Prefan beauftragt.
Die Rückkehr Carols ist mit Wissen und Zustimmung der Regierung Maniu erfolgt. Als Carol in Bukarest eintraf und das Militär auf seiner Seite hatte, schlossen sich auch die anderen Parteien ihm an. Nur die Alliberalen Bürgerlichen Bintila Bratianus traten in Opposition, was zur Abspaltung der Jungliberalen George Bra tiamus, die sich nicht ausschalten wollen, führte.
Da nun die nationalzaranistische Bauernpartei Manius bei dem Unternehmen Carols mit dabei war, erhält sie nun auch die e- gierungsbildung: Der ihr nahestehende General Presan über nimmt die Kabinettsbildung. Er wird auf Wunsch des Königs ein Konzentrationskabinett unter Einbeziehung aller Par teien zu bilden versuchen.
Im Zusammenhang mit dem
Entschluß Manius, die Bildung des neuen Kabinetts nicht zu übernehmen,
gab die Leitung der Nationalen Bauernpartei folgende Erklärung ab: Der Vorsitzende der Nationalen Bauernpartei, Maniu, ist dem König Carol tief ergeben und billigt vollkommen den neuen Stand der Dinge, der nicht ohne seine Mitarbeit herbeigeführt worden ist. Es ist also selbstverständlich, daß er den Entschluß des Königs, ihn' mit der Bildung des Kabinetts zu betrauen, mit großer Befriedigung aufgenommen und als ein Zeichen hoher Wertschätzung betrachtet hat. Er sah sich trotzdem nicht in der Lage, den Antrag anzunehmen, und dies aus zwei Gründen.
1. Seit 15 Jahren befindet sich Maniu ununterbrochen in dem lebhaftesten politischen Kampf und im Dienste der Deffentlichkeit. Seine Gesundheit hat darunter sehr gelitten, eine Erholung Don mehreren Monaten ist ihm durchaus notwendig.
2. Maniu glaubt nicht, daß im gegenwärtigen Augenblick seine Anwesenheit an der Spike der Regierung unumgänglich notwendig sei, er ist vielmehr der Meinung, daß es gut wäre, furz nach der Thronbesteigung König Carols eine Persönlichkeit mit der Regierungsbildung zu betrauen, die sich an den politischen
Wirtschaftspartei gegen Notopfer.
Eine Kleine Anfrage gegen Moldenhauer.
Die Gesetzentwürfe über das neue Dedungsprogramm sind bisher dem Reichsrat noch nicht zugegangen. Der Demokratische Zeitungsdienst kündigt an, daß das Notopfer bereits im Reichsrat auf große Schwierigkeiten stoßen werde.
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Die Wirtschaftspartei auch eine Regierungspartei hat einen sonderbaren Weg eingeschlagen, um ihren Einfluß auf die Gestaltung des Deckungsprogramms geltend zu machen. Sie hat im Reichstag eine Kleine Anfrage eingebracht! Die Anfrage lautet:
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„ Die Reichsregierung soll nach unwidersprochenen Nach richten zu Lasten der sogenannten Fest angestellten eine Sondersteuer in Höhe von 4 Prozent des Einkommens planen. Wenn diese Steuer auf die Angestellten ausgedehnt wird, so würde diese Belastung Bevölkerungsfreise treffen, die schon heute kaum in der Lage sind, die für Alter, Krankheit und Invalidität erforderlichen Rücklagen zu machen und deshalb mirtschaftlich erheblich schlechter gestellt sind, als die durch Pension für Alter, Krankheit und Erwerbsunfähigkeit gesicherten Beamten. Ist die Reichsregierung bereit, bei Ausarbeitung des
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Kämpfen weniger oder gar nicht beteiligt hat. Ma niu ist davon überzeugt, dem König und dem Lande einen großen Dienst dadurch erwiesen zu haben, daß er vorgeschlagen hat, den Auftrag zur Kabinettsbildung entweder einem der Bizepräsidenten feiner Partei oder dem General Presan zu erteilen. Dieser letztere steht nicht mur. nicht mehr im attiven Dienst, sondern auch außerhalb der politischen Strömungen. Selbstverständlich würde ein solches Kabinett mit der Lösung gewiffer dringender Regierungsprobleme binnen einer verhältnismäßig furzen Frist beauftragt werden, und dies ohne das bisher Erreichte zu beein trächtigen und den Grundsäßen der Nationalen Bauernpartei zu widersprechen. Der Vorsitzende dieser Partei hat noch einmal beweisen wollen, daß sie das Interesse des Staates höher als das persönliche oder das Parteiinteresse stellt. Auf ein sehr herzliches und dankerfülltes Telegramm, worin Carol dem Präsidenten der französischen Republik teine Thronbesteigung infolge des Willens der Nation" mitteilt, hat Doumergue folgende Antwort gegeben:.
Ich bin durch die Botschaft sehr gerührt, die mir Eure Majeftät übermittelt haben, um von der Thronbesteigung Kenntnis zu geben und die Gefühle treuer Freundschaft zum Ausdruck zu bringen, die Eure Majestät gegenüber Frankreich und seiner Regierung befeelen. Ich bringe die aufrichtigsten Wünsche zum Ausdruck, daß Rumänien, ein Land, das allen meinen Landsleuten so sehr am Herzen liegt, unter der Regierung Eurer Majestät auf dem Wege des Wohlstandes weiter fortschreiten möge."
Noch nicht Gattin, aber schon Königin.
Bukarest, 12. Juni. König Carol hat ein Defret unterzeichnet, durch das die Brin seffin Selene zur Königin von Rumänien proflamiert wird. Die Ehescheidung soll aufgehoben werden; bevor das aber noch geschehen ist, wird Helene Königin. Vielleicht hat sie das zur Bedingung der neuen Ehe gemacht.
biesbezüglichen Gefeßentwurfes diesem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen und die in Aussicht genommene Belastung der Angestelltenschaft ganz fallen zu lassen, bzw. lebig lich auf diejenigen Festbefoldeten" zu begrenzen, bei denen ihrem Bertragsverhältnis, ihrer Stellung und ihrem Einkommen nach eine unmittelbare Notlage durch eventuelle Kündigung nicht ein
treten fann."
Die Zustände im Brüning- Block müssen erbaulich sein, wenn eine derartige Kleine Anfrage" möglich ist!
Zürich, 12. Junt.
Auf Einladung der sozialistischen Studentenschaft Zürich joll Reichsinnenminister a. D. Karl Severing am 18. Juni n 3ürich über das Thema:" Parteien und Parteibindungen in Deu.schland" sprechen.
Das Züricher Kommunistenblatt Rämpfer" fündigt dazu an, daß die Kommunisten den Vortrag besuchen" werden Demgegenüber stellt das sozialdemokrat sche Boltsrecht" fest, daß die sozialistisch gesinnte Arbeiterschaft Zürichs auf der Hut sein und allen Störungsversuchen entgegentreten werde.
Bostichedkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter. Angestellten und Beamten. Wallitr 65 Dt Bu Disc- Gel Depofitentafie Lindenstr 3.
Der Genfer Kongreß der Bölferbundsligen.
Genf, 11. Juni .( Eigenbericht.)
Die Völkerbundstadt Genf sieht sonst nur amtliche Delegierte, Außenminister, Botschafter, Beamte und Barlame tarier in offizieller mission auf den beiden Ufern des Sees und der Rhone zu internationalen Regierungstagungen persammelt. Zu Pfingsten waren diesmal die Vertreter der freien Völkerbundsvereine zusammengekommen. Angehörige Don 22 europäischen Staaten vert andelter drei Tage lang ungehindert von Regierungsinstruktionen und doch in naher Berührung mit dem Bölkerbunde, seinen Problemen, Schwierigfeiten und Hemmungen. Gerade in dieser dämmernden Mittelstellung zwischen dem Licht, das von der öffentlichen Meinung ausstrahlt, und der Finsternis, in der nach der Vorstellung vieler die Regierungen noch immer leben, haben die Völkerbundsligentongreffe in vergangenen Jahren vielerlei fruchtbare und dankbare Arbeit geleistet. Ganz abgesehen von ihrem wirksamen Einfluß auf die Erziehungsarbeit, die jetzt zu dem Vorschlag eines vom Völkerbund einzuberufenden internationalen Erziehungstongresses geführt hat, sei nur daran erinnert, daß es der Kongreß der Böllerbundsgesellschaften war, der vor zwei Jahren, im Haag, zuerst die Forderung der Ständigen Minderheitstommiffion aufstellte, die sich dann die Sozialistische Internationale zu eigen machte und mit den. Antrieb dafür bildete, daß es wenigstens zu einigen Verbesserungen im Minderheitsbeschwerdeverfahren fam; und es war der Kongreß im vergangenen Juni in Madrid, der über die Tragweite des Art. 19, über die Revision von Verträgen verhandelte, Berhandlungen, die unmittelbar und fruchtbar auf die Völkerbundsverhandlungen im vergangenen September einwirften. Der diesjährige 14. Kongreß gewann sein spezifisches Gewicht dadurch, daß auf ihm zum ersten mal auf einer internationalen Tagung nicht einzelner Persönlichkeiten, sondern ve Verbänden Stellung genommen wurde zum BriandMemorandum über die Bildung einer Art europäischer Union.
Wie stets war der Kongreß aufgeteilt in vier Seftionen, Erziehung, Wirtschaft und Soziales, Minderheiten, politische und Rechtsfragen. Die Wirtschafts- und Sozialkommission ( Bors. Dr. Dernburg, M. d. R.) legte fozialpolitische Entschließungen vor, die eine für die Ausdehnung des Mindestalters für den Eintritt in den Beruf auf 15 Jahre ( Berichterstatter: der englische Angestelltengewerkschaftler Elvin) und die andere für die Abschaffung der 3 wangsarbeit. Die Plenartagung über diese Frage erhielt befonderes Gewicht durch die eindrucksvollste Rede des Kongresses, eine Ansprache Albert Thomas ', der mit tiefem Ernst auf die beiden großen Aufgaben der menschlichen Bernunft in der Gegenwart hinwies, mit der Arbeitslosigkeit und der Orgnisation des Friedens fertig zu werden. Die Minderheitenom mission und der Kongreß machten sich die eine der beiden von der deutschen Liga für Völkerbund durch Dr. Junghann vorgelegten Entschließungen zu eigen; sie fordert alle europäischen Staaten auf, in ihre nationale Gesetzgebung die kulturellen Mindestrechte der Minderheiten einzuführen. Die Politische und Rechtskommission- Borsigender der holländische internationale Anwalt und Bölkerbundsdelegierte Limburgh, zugleich Präsident des Kongresses- behandelte vor allem die Organisation des Friedens. Aus drei von der englischen und einer von der deutschen Liga vorgelegten Entschließung destillierte eine Unterfommission einen Gesamtentwurf über die Untersagung des Krieges, die internationale Regelung von Streitigkeiten die Sicherheit und über die Abrüstung heraus, der mit nur geringer Aenderung auch das Plenum passierte. Wie ein polnischer Vertreter mehr beschwerdeführend als beifällig bemerkte, war die Unterfommission aus Angehörigen von vier Rheinpaktmächten zusammengesezt: dem französischen Völkerrechtler Scelle, dem kürzlich zum Professor des internationalen Rechts in Brüssel ernannten Genossen Rolin, den Engländern Drury Low und Hudson und für Deutschland Schwarz. Die Entschließung der Unterkommission nahm den Hinweis der legten Abrüstungstagung der Sozialistischen Internationale in Berlin auf, daß die Völkerbundesversammlung bereits 1926 und dann wieder 1928 die Sicherheit für ausreichend erklärt hat, um einen ersten Abrüstungsschritt zu tun, und erklärt mit großer Schärfe von vornherein jede Abrüstungskonvention als eine unzurei= chende Ausführung des Art. 8 des Bölkerbundpaktes, die nicht gleichzeitig die Militärbudgets, das Kriegsmaterial und Bersonal und die Dienstdauer verringert und Kontrollmaßnahmen einführt. In der Vollversammlung führte Rolin gerade als Angehöriger des um seine Sicherheit besorgten Belgiens aus, daß die fortwährende Berschiebung der Abrüstung die größte Gefahr für die Sicherheit darstelle. Gerade die Staaten, die die in den Friedensverträgen festgesetzte Abrüstung bestimmter Staaten aufrecht erhalten wollten. müßten darüber klar sein, daß dies auf die Dauer nur möglich sein werde, wenn sie selbst Schritte zur Ab=