Die verlorene Schlacht
Von Karel Vanek
Der Doktor, von dem ich hier erzählen will, gemahnt in seinen Gewohnheiten ein wenig an die Alchimisten des Mittelalters. Sein Ordinationszimmer ist fensterlos wie eine Dunkeltammer; bloß eine einzige Lampe brennt darin. Auf dem Tische, in dessen unmittelbarer Nähe der Doktor die eingefallenen Brüste der Arbeiter abflopft und das Dhr an den zusammengeschrumpften Busen der Arbeiterinnen legt, brennt diese Lampe, bloß seine Wange und das Buch beleuchtend, in das er seine Aufzeichnungen einträgt. Die Krankenkassenpatienten fleiden fich alle zugleich aus, rechts die Männer, links die Frauen. Der Doktor beflopst den Rücken des Patienten, der Röntgenapparat fummt, und aus den Lippe des Krankenkassenarztes ver= nimmt man zeitweise ein erstauntes Pfeifen. Vielleicht glaubt er, daß sich der Tod aus den Lungen, in die er seine Quartiermacher entsandte, durch das Pfeifen verscheuchen läßt? Aber der Doktor, von dem ich hier erzählen will, glaubt an teine Wunder, sondern nur an die Medizin.
Wenn ihm die Röntgenlampe das Innere des Arbeiters zeigte, dachte er nicht an die Krankheit, die sich anschickte, den Menschen aus der Welt zu befördern, sondern an die Familie, der die Gefahr droht, ihren Ernährer zu verlieren. Und wenn er sein Ohr an die schlaffen, mie Fezzen herniederhängenden Frauenbrüste legte, hörte er das Raffeln, Pfeifen und Knirschen in den Lungen wie Signale, mit denen die Bazillen die Tiefe der Tunnels anzeigten, die sie in die Lungen bohren. Es tam ihm nie in den Sinn, daß der Mensch sterblich ist, er mußte mur, daß das Elend unsterblich ist. Liebe Frau, haben Sie Kinder? Wieviel?" Bier, alle noch klein."„ Mein Gott, mein Gott..." Um jebe Lunge führte er einen erbitterten Kampf. Er wollte nicht, daß Witmen und Kinder weinen sollten; Deshalb fämpfte er so erbittert. Es widerfuhr ihm, daß er zuweilen Den Zweikampf verlor; und da geschah es, daß mehr als hundert Male der Ruf ,, Mein Gott, mein Gott...." in die Finsternis ertönte. Aber wenn er den Kampf gewann, streichelte er die Fläschchen, welche auf dem Tische die Lampe im Kreise umftanden und herzte die Injektionssprize. Mit zärtlicher Hand Liebfofte er die Glasröhre, welche in seiner Hand den Kindern den Ernährer rettete.
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Zu diesem Arzte, von dem ich euch erzähle, fam einmal ein Arbeiter. Jung war er, hatte fünf Kinder und eine ausgewachsene Tuberkulose. Der Doktor stieß, als er die Lunge im Röntgenapparat erblickte, sein gewohntes Pfeifen aus. Unter mehrmaligem Seufzen und noch öfterem ,, Mein Gott, mein Gott..." zog er die Injektionsnadel und das Tuberkulin hervor und stürzte sich in den Kampf. ,, Mensch, Sie dürfen nicht arbeiten. fagte er dem Arbeiter. ,, Dreimal in der Woche müssen Sie zu mir tommen." Und so hörte der Arbeiter auf, in die Fabrik zu gehen und wurde zum häufigen Besucher des Alchimistenzimmers. Woche für Woche verrann. Der Doktor zählte sie nicht mehr. Nur auf die Lunge blickte er, wie sich feine Offensive entwickelte und wie der Tod langsam seine Vorhut zurüdzog. Die Löcher in den Lungen begannen sich zu verfapfeln, so daß er eines Tages dem Arbeiter sagen konnte: ,, Wir haben ge= wonnen! In zwei Monaten werden Sie wieder ein fescher Kerl
Unsere heißesten Junitage
Von Moritz Loeb
aka Chemie und Erbmaſſe
Das Studium der Wirkung chemischer Verbindungen auf die Pflanze hat die Biologen lange Zeit lediglich von ernährungsphysioLogischen Gesichtspuntten aus intereffiert.
In einer sehr eingehenden Arbeit ,, Erbliche Veränderung an Pflanzen durch Behandlung mit Chemikalien behandelt Dr.
sein!" Aber der Arbeiter antwortete: zu spät, Herr Doktor! Ich bin schon ein ganzes Jahr im Krankenstand und habe keinen Anspruch mehr an die Krankenkasse, ich muß schon jetzt nut der Arbeit. Stubbe in der Zeitschrift für angewandte Chemie die Frage, ob der chemische Aufbau der Erbmasse durch solche Beeinflussung wieder anfangen. Selbst wenn ich noch nicht arbeiten darf, Herr verändert worden sei. Doktor!"
,, Sie dürfert jest nicht arbeiten. Sie dürfen jetzt nicht mein mühevolles Werk verderben!" brüllte der Doktor.
Doch der Mann zuckte die Achseln. Es ist ja alles eins, Herr Doktor! Der Mensch muß durch etwas freperen. Es ist schon Wurst, ob es der Hunger oder die Tuberkulose iſt."
,, Ein Jahr bin ich schon frant, Herr Doftor! An die Krankentasse habe ich keinen Anspruch mehr, und kein Mensch wird mir etwas geben... Das ist schon so im Gesez, Herr Doktor, daß der Arbeiter nicht länger als ein Jahr frant sein darf."
Dieser Doktor, von dem ich euch erzählte, zerschlug damals alle feine Fläschchen, und die metallenen Bestandteile der Injektionsspritze fand die Bedienerin beim Aufräumen in einer Zimmerede. Das Glas war in tausend Splitter zertrümmert..
( Aus dem Tschechischen übersetzt von Frantisek Hermann und Leo Korten.)
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1929 wurden etwa 150 000 Pflanzen in den Forschungsinstituten in Müncheberg und Dahlem angebaut, die selbst oder deren Eltern bzw. Großeltern als Samen, Keimling oder als junge Pflanzen mit den verschiedensten Chemikalienlösungen behandelt worden waren. Die Mutationen", die in der Nachkommenschaft der gereizten Pflanzen auftraten, weichen in vieler Hinsicht von den bisher beobachteten ab. Aehnliche Formen wurden nach Radiumund Röntgenbehandlung und nach Behandlung der Pflanzen mit abnormen Temperaturen erhalten. Die Bedeutung der Arbeit liegt darin, daß wir nun wiffen, daß schwere Schädigungen der Konstitution auch da auftreten können, wo man sie nie erwartet, und taß bei völlig normalen Eltern sich oft erst in der Entelgeneration ſichtbar genotypisch bedingte Störungen als Folge mutationsauslösender Einflüsse bemerkbar machen.
Unterricht im Schweinegrunzen
Die außerordentliche Borstandsversammlung der Viehzuchter genossenschaft war in vollem Gange.
Nein, nein, Sidor Grigorjitsch! Sie verlangen Unmögliches von mir! Ich verstehe mich wirklich nicht auf solche Künfte", flehte der Genosse Bisjukom.
,, Aber ich bitte Sie!" versetzte der Borstandsleiter in strengem Ton. Im Zeitalter des Aufbaues unserer sozialistischen Wirtschaft muß sich der Sowjet- Genossenschaftler auf alles verstehen. Sie werden es machen, Komarom," wandte er sich an den Schrif.führer, ,, nobieren Sie den Genossen Bisjukow! Ber versteht noch zu grunzen?"
,, Lewandow miaut sehr schön."
,, Kazen find in unserem Wirtschaftsplan nicht vorgesehen. Bir brauchen ein Schweinegrunzen. Sie, Legont Mitritsch, wie denken Sie darüber?"
,, Er hat doch einen Tenor, Sidor Grigorjitsch", mandte jemand dem Vorsitzenden ein. Es dürfte ihm schmer fallen, Schweinegrunzen zu markieren."
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,, Tut nichts. Da foll er eben flöten wie ein Fertel" ,, Ist auch Gackern erwünscht?"
,, Jawohl. Wir brauchen Hühner."
Jefim Semjonytsch überträht den lautesten Hahn." ,, Großartig. Notieren wir den Jefim. Kannst du blöken?" fragte der Vorsitzende einen wohibeleibten Genoffen mit himbeerfarbener Nase. ,, Je nachdem. Wenn ich besoffen bin, ja."
ist zusammengesetzt. Beginnen wir mit der Probe. Bisjutow, grunze!"
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Chr- chr- chr--"
,, Halt! Du fauchst ja wie eine alte Lotomotive! Weicher, weicher, weiblicher! Du mußt doch eine Sau vortäuschen. So. Chrju- hrju- fs. Haft du's begriffen?"
Jawohl Chrju- rju- chrju- ts. Stimmit's?" ,, Bravo , Bisjukow. Bist ein Kerl. Und du, Mitjajew?" ,, Sidor Grigorjusch, ich habe mich zu Hause drei Shmden lang auf das Winseln eines Hundes präpariert."
,, Na, meinetwegen, minfele! Und Sie, Genosse Rassenwart, belieben ununterbrochen wie eine Henne zu gadern!"
,, Eine verrückte Geschichte!" wird wohl mein Leser denten. ,, Wer hätte je gehört, daß man sozialistische Genossenschaftler das Grunzen lehrt! Total verrückt!"
Hast recht, lieber Leser. Es flingt unwahrscheinlich. Ist aber eine Tatsache. Dem Bentroffojus war aufgetragen worden, 250 C00 Stück Schweine auf Mast zu setzen. Diese Parteidirettive ist jedoch nicht erfüllt worden es wurden nur 80 000 Schweine gemästet. Dod; die Genossenschaftler versuchten es auf jede Art, die Nichterfüllung der Parteidirettive zu verheimlichen. Als die Kontrollkommission zur Revision in einem Bezirk erschien, wurden dort ganze Trupps von Genossenschaftsbeamten heimlich in den halbleeren Schweineställen untergebracht und mußten an Schweines Statt aus Leibesträften grunzen, um bei den Revisoren den Eindrud zu ermeden,
Nein, du mußt verständig blöten, wie ein fluges Schaf. Rannst daß alles aufs beste bestellt sei. du das?"
,, Leider nein. Aber das Muhen einer Kuh oder vielleicht auch das Medern eines Ziegenbods würde mir mit einiger Mühe gelingen." Auch gut. Nun, Genossen, mir scheint, unser Bieh- Ensemble
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Diese im Chorus grunzenden Sowjetgenossenschaftler haben sich in ihrer Berechnung nicht getäuscht. Fortan dürfte es jedermani flar fein, daß unsere landwirtschaftliche Genossenschaftszentrale die plangemäße Anzahl von Schweinen, und zwar großen, richtigen Schweinen, herangemästet hat.
Jungefellensteuer in Deutschland
Verfügungen sind jedoch feineswegs aufs Mittelalter beschränkt geblieben. Noch im achtzehnten Jahrhundert wurden in Hannover die Hagestolze, die bis zum 42. Lebensjahr nicht geheiratet hatten, auf öffentlichem Martt glatt rasiert, und es war ihnen bei ſtrengster Strafe verboten, Berücken zu tragen; in den Wirtschaften erhielten sie nichts zu effen und zu trinken.
In England hat es im fiebzehnten und achtzehnten Jahrhundert ebenfalls Junggesellensteuern gegeben; freilich waren die Säße dort äußerst niedrig und wurden mit Freuden bezahlt. Ledige Aristofraten wurden jedoch höher veranlagt. In Argentinien tennt man feit etwa zwanzig Jahren eine progressiv ansteigende Junggesellensteuer, die sich erst vom 75. Jahr ab auf die Hälfte vermindert. Und vor dem Krieg haben einige deutsche Bundesstaaten, wie das Fürstentum Reuß, von Unverehelichten über dreißig Jahre Steuerzuschläge erhoben. Während des Krieges lag der Gedanke erst recht nahe; so hat die Stadt Leipzig im Jahre 1916 die Besteuerung der männlichen Junggesellen beschlossen, und erst der unglückliche Ausgang des Krieges und die Bereinheitlichung der Steuergesetzgebung machte den ausgiebigen Erörterungen ähnlicher Projekte ein Ende.
Der erste der drei eigentlichen Sommermonate genießt bei uns, und mit Recht, feinen sonderlich guten Ruf. Er ist als Regenmonat menig günstig angeschrieben, und es fommt hinzu, daß diese oft mochenlangen Regenperioden meistens sehr fühl und unfreundlich zu fein pflegen. Besonders das zweite Monatsdrittel ist wegen seiner Sälterückfälle berüchtigt; diese bilden in meteorologischer Hinsicht eine weit auffälligere Erscheinung als die sogenannten Eisheiligen, einmal, weil die Junirüdfälle mit viel größerer Regelmäßigkeit eintreten als die Temperaturstürze vor der Maimitte, und dann, weil Das Reichsfinanzministerium hat auf seiner verzweifelten Suche| in den Schuldturm geworfen zu werden. Derartige primitiv- draftische fie in der von Ende Januar bis Ende Juli aufsteigenden Kurve der nach neuen Steuerquellen Geschichtsfenntnis bewiesen: die Jung mittleren Tagestemperaturen den stärksten Rückschlag erkennen laffen, gefellensteuer, die das Reichskabinett soeben beschlossen hat, stellt der während dieser ganzen Zeit im langjährigen Mittel vorkommt. jedenfalls eine der beliebtesten und am häufigsten angewandten AbErfreulicherweise gibt es aber auch Ausnahmen von dieser Regel. gaben dar, die die Geschichte der Staatsfinanzen verzeichnet Nur Bereits im vorigen Jahr hatte sich die zweite Junidekade durch waren es meist bevölkerungspolitische Gründe, die den Gesetzgeber heiteres, trockenes und sommerlich warmes Wetter ausgezeichnet, veranlaßten, den Hagestolzen so schwere Lasten aufzuerlegen, daß während das erste und legte Monatsdrittel kühl und regnerisch ge- sie es für ratsam hielten, lieber eine Familie zu gründen. In mejen waren. In diesem Jahre aber haben wir gerade während neuester Zeit hat man dieses Mittel besonders in Italien und in der Zeit, in der die sogenannte„ Schaffälte" ihre größte Ausprägung der Türkei angewandt. Die Nationalversammlung in Angora zu zeigen pflegt, eine Hochdruckwitterung von ganz ausgesprochenem beschloß im November 1928 ein Gesez, nach dem alle türkischen Hundstagstypus. Sie ist im Juni weit feltener, als man zu glauben Junggesellen besteuert werden und außerdem den Witwen von Be geneigt ist; tritt fie doch in dem jetzt ablaufenden dritten Jahrzehnt amten auch im Fall ihrer Wiederverheiratung der Weiterbezug ihrer des 20. Jahrhunderts so ausgeprägt zum erstenmal auf. Wohl Pension gesichert bleibt. Die Denkschrift des türkischen Statistischen tommen im Juni fast alljährlich schon recht heiße Tage mit Höchst Amtes über Maßnahmen zur Behebung des Beburtenrückganges temperaturen von 30 Grad und sogar auch etwas mehr vor; aber hatte den entscheidenden Anstoß dazu gegeben. Mussolini hat schon diese heißen Junitage find fast stets vereinzelte Erscheinungen, die vor vier Jahren diese Steuer ausgeschrieben, die einmal dem ewig eine furze Schönheitsperiode zu beschließen pflegen. Sie enden fast geldbedürftigen Staatsfädel eine neue Einnahmequelle erschloß und| immer mit Gewittern, die ihrerseits längere fühle Regenperioden zugleich die Eheunlust wirlsam bekämpfen sollte. Die älteste Jungeinleiten. Deshalb lassen sich aus diesen vereinzelten heißen Juni- gesellensteuer, von der die Geschichte erzählr, ist im alten Rom vertagen im allgemeinen auch feine Schlüsse auf den Witterungs- ordnet worden, als Kaiser Augustus die Leg Papia Poppäa erließ. charakter des ganzen Monats ziehen. Bezeichnend in dieser Hinsicht wie die alten römischen Geschichtsschreiber jedoch in ihren Annalen war besonders der Juni im Jahre 1921, in dem weite Teile Mittel- vermerken, scheint diese Besteuerung der Ledigen nicht die bevölke europas, besonders Norddeutschlands, die höchsten Temperaturen rungspolitische Wirkung gehabt zu haben, die sich die Lenker des hatten, die der erste Sommermonat während dieses ganzen Jahr Staates versprochen hatten. Neben dieser Junggesellensteuer des zehnts aufzuweisen hatte. Am 4. Juni 1921 ftieg das Qued filber Staifers Augustus gab es im alten Rom auch eine Steuer für reiche 3. B. in Kassel auf 33, in Berlin auf 34/2, in Magdeburg auf alte Jungfern. Die Römer sind ja im Erfinden neuer Abgaben sehr 35 Grad Celsius, und den gleichen hohen Wert von 35 Grad er geschickt gewesen. Witwen, Slaven , Freigelassene, Haustiere, jogar reicht Grünberg in Schlesien einen Tag später.( Erst am letzten die Toten wurden besteuert. Der Kaiser Commodus betrieb mit dem Donnerstag find in Mitteldeutschland an einem Junitag wieder ein- Berkauf von Lizenzen auf Grabstätten einen überaus schwunghaften mal 34 Grad Cesius erreicht worden.) Auf die paar heißen Juni- Handel, er führte Steuern auf Heiraten, Fenster, Säulen ein und zog tage von 1921 waren dann aber volle vier Wochen höchst fühlen, als erster die Freudenhäuser zu besonderen Abgaben heran; noch regenreichen und unfreundlichen Wetters gefolgt, so daß das Ge weiter ging der Kaiser Bespasian, der sogar die natürlichsten mensch samtbild des ersten Sommermonats vor neun Jahren alles andere lichen Verrichtungen mit einer Steuer belegte und, als man ihm als sommerlich war, und der Juni 1921 der zweitkälteste des ganzen Sarüber Borhaltungen machte, das berühmte Worf„ Non olet" sprach. Jahrzehnts wurde, der nur noch von dem unerhört kalten Juni 1923 übertroffen worden ist.
Einen wirklich heißen Juni hatten wir zuletzt im Jahre 1917. Er war der wärmste Monat des ganzen, auch sonst recht warmen und beständigen Sommers, und er brachte in allen Landesteilen Temperaturen bis nahe an 35 Grad Cefius. Noch heißer, zugleich auch sehr trocken, war der Juni 1915. Damals stieg am 9. Juni in Lüneburg das Quecksilber bis auf 35,7, am 10. Juni in Berfin auf 35,1 Grad Celsius. Um auf ähnlich hohe Junitemperaturen zu fommen, muß man schon bis auf den außerordentlich heißen Juni 1889 zurückgehen, in dem die Hitze zwar ausdauernd gewesen ist, was zu einem besonders hohen Monatsmittel der Temperatur geführt hatte, in dem aber die Höchsttemperaturen auch 34 bis 35 Brad Celsius nicht überschritten.
Auch aus früheren Zeiten liegen Beobachtungen noch höherer Junitemperaturen nicht vor. Man tann also annehmen, daß die obere Grenzen unserer mitteleuropäischen Junihize bei 35 Grad liegt
Kein Wunder, daß die Finanzminister späterer Jahrhunderte immer wieder auf den Einfall des Augustus, die Junggeseffensteuer, zurückgriffen, wenn in den Staatstassen Ebbe herrschte. Meist hat man ja nach männermordenden Kriegen dem Junggesellentum er bitterte Fehde angesagt. Nicht allein mit Steuer, sondern auch mit Maßnahmen anderer Art versuchte man damals, hartgefottene Junggesellen zu zwingen, ihr Lebensschifffein in den Chehafen einlaufen au laffen. So wurde im Eliaß nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges jeder Junggeselle über dreißia Jahre, der der dreimaligen Aufforderuna. endlich zu heiraten, nicht nachroefommen war, verurteilt. am Pranger zu stehen und vor allem Roft mit faulen Eiern bemorfen zu merden. Nicht genug damit, verfiel sein ganzes und Chut der Kontistation. und er erhielt es erst done wieder zurück. menn er ein Weib heimgeführt hatte. Noch ärger erging es den Sumooefellen in Nürnberg . Wer älter als 26 ihre war und unver heiratet blieb nter länger als zwei Jahre als Mitmer troerte munte drei Viertel seiner Einfünfte abgeben, wenn er es vermeiden wollte,
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Die Heilung von Geisteskrankheiten Die feit 12 Jahren geübte Fieberimpffuren durch künstliche Uebertragung von Malaria oder Rüdfallfieber ermöglichen es, jener unheimlichsten Strankheit, der progressiven Paralyfe oder Gehirngeistigem und förperlichem Berfall in zwei bis drei Jahren, in den crweichung, die ehedem ein Todesurteil bedeutete, vollstreckbar nach meisten Fällen ihre Schrecken zu nehmen und vielfach dem Opfer wieder zu einer erträglichen Daseinsfreude, bestenfalls zur vollen Mathematiker, Aerzte haben, wie Professor Wilhelm Weygandt im
neuen Heft der Koralle" schreibt, nach solcher Kur ihre volle Täfigfeit wieder übernehmen können. Diese von Profeffor von WagnerJauregg in Wien zuerst angewandten Methoden mit ihrem geradezu verblüffenden Erfolg bei der so hoffnungslos scheinenden Paralnie haben den Behandlungseifer der Psychiater gewaltig ange spornt. Auch bei anderen durch Syphilis bedingten Leiden wirkt das Verfahren, so bei der Rückenmarkschwindsucht( Tabes dorsalis), deren quälendste Symptome, die lanzihierenden Schmerzen und ataftische Sehstörung, sich oft erheblich bessern und deren Verlauf gebremst wird. Leider blieb der Erfolg aus bei der verbreitetsten Geistesstörung, dem Jugendirresein, ebenso auch bei Epilepsie, Schlaffrankheit und multipler Sklerose. Immerhin scheint es noch ganz aussichtslos, mit allen verfügbaren Mitteln weiteren Versuchen auf diesem Gebiet nachzugehen.
Auf rein medikamentösem Wege find sonst mur Linderungen und Beruhigungen, feine eigentlichen Heilwirkungen zu erwarten, es sei denn, daß Epileptifer auf Brompräparate und Luminal besonders günstig reagieren. Segensreich und manchmal lebensrettend wirken bei Kranten mit Erregung oder mit Druckband der Haut die warmen Dauerbäder, die gelegentlich Jahr und Tag angewandt werden. KK.