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Morgenausgabe

Nr. 285

A 144

47.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Sonnabend

21. Juni 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etnipattige Ronparetezeils 80 Pfennig. Reflame eile 5.- Reichs. mart. Aleine Anzeigen das ettge brudte Wort 25 Pfennig( zulässig met fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes mettere Bor 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaber Bählen für zwei Worte Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Ze.le 40 Pfennig. Anzeigen annahme imhaupt. Geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Höpfer Aschoff dankt!

Er will nicht Moldenhauers Nachfolger werden.

Gelsenkirchen , 20. Juni.

nach Ostpreußen einen Sinn erst dann wieder haben, wenn Der preußische Finanzminister Dr. Höpfer- Aschoff, der der Reichskanzler dem Reichspräsidenten einen neuen Finanz­zurzeit sich auf einer Vortragsreise im rheinisch- westfälischen Indu-| minister vorschlagen- oder seine eigene Demission anbieten

striegebiet befindet, führte auf einer von der Arbeitsgemeinschaft Industriebezirk der Deutschen Demokratischen Partei einberufenen öffentlichen Versammlung unter anderem aus, daß der Reichskanzler Dr. Brüning ihn gebeten habe, nach Berlin zurückzukehren. Er werde dem Rufe Folge leisten und seine Vortragsreise im Industrie­gebiet abbrechen. In Berlin werde man zweifellos an ihn die Frage stellen, ob er Reichsfinanzminister werden wolle. Aber", so jagte der Minister, ich denke nicht daran. Ich habe nicht den Willen, Reichsfinanzminister zu werden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich in diesem kabinett fruchtbare Arbeit leisten tann. Ich würde dabei nur große Schwierig. keiten haben, die für meine Partei von großem Schaden sein würden."

Der Reichskanzler Dr. Brüning, seit gestern bis auf weiteres sein eigener Finanzminister, hatte die geplante Reise zum Reichspräsidenten auf den Anfang der nächsten Woche verschoben. Gerüchte, wonach der angeblich schwer enttäuschte und verärgerte Reichspräsident ihn gar nicht mehr zu empfan­gen wünsche, sind wenig glaubwürdig. Der Grund, warum die Reise des Kanzlers nach Ostpreußen aufgehört hat, eilig zu sein, liegt viel näher. Denn der Reichspräsident sollte doch Herrn Moldenhauer zum Bleiben bewegen. Nach­dem nun Moldenhauer trotzdem gegangen ist, wird die Reise

wird.

M

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Nun ist die Hoffnung Brünings, er würde die Ernennung höpfer Aschoffs zum Reichsfinanzminister vorschlagen können, in nichts zerronnen. Höpfer- Aschoff hat gar nicht ge­wartet, bis er wieder in Berlin war er hat Brüning in öffentlicher Versammlung eine Absage erteilt, wie sie schneidender faum gedacht werden kann. Daß ein deutscher Reichskanzler von einem Mann, den er zum Eintritt in ſein Kabinett auffordern wollte, öffentlich einen solchen Korb erhalten hat, ist in der Geschichte noch nicht dagewesen. Das ohnehin schon start gesunkene Ansehen der gegenwärtigen Reichsregierung hat durch diese Absage einen neuen schweren Stoß bekommen.

Sozialdemokratische Richtlinien.

Der Vorstand der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion stellte am Freitag, dem Auftrag der Fraktion entsprechend, Richtlinien für die leberwindung der Wirt­schafts- und Finanzkrise auf. Da ein großer Teil der Fraktionsmitglieder sich am Freitag wegen des Wahl­tampfes in Sachsen befand, fonnte die nächste Fraktions­fizung, die über diese Richtlinien zu beschließen hat, erst zu Montag, den 23. Juni, einberufen werden.

Reichsbahn will Lohndruck.

Schreiben des Verwaltungsrats an den Reichskanzler.

Er weist außerdem darauf hin, daß der Verkehr in erheblichem Maße durch die Beförderungssteuer verteuert wird. Eine Steuer, die praktisch nur von der Deutschen Reichsbahn- Gesellschaft zu tragen ist, da Schiffahrt und Kraftwagen und der größte Teil der privaten Bahnen von ihr nicht getroffen werden. Sie wird von der Gesellschaft mur für die Reichsregierung erhoben, die Ein­Eine Ermäßigung derselben könnte zum Ausgleich von notwendigen Tariferhöhungen benutzt werden.

Der Präsident des Verwaltungsrates der Deutschen Reichsbahn- Gesellschaft, C. F. v. Siemens, hat an den Reichskanzler ein Schreiben gerichtet, in dem auf die Finanzlage der Reichsbahn hingewiesen wird und gleich zeitig auf den Weg, wie eine weitere Belastung der Wirt­schaft durch Erhöhung der Gütertarife vermieden werden kann. Er gibt der Hoffnung Ausdruck, daß die Reichsgänge erscheinen nicht in der Einnahmenachweisung der Gesellschaft. regierung durch allgemeine Senkung der Per sonalausgaben eine weitere Tariferhöhung dem Wirtschaftsleben ersparen kann.

In dem Brief heißt es u. a.:

Die Verkehrslage der Reichsbahn hat sich im Jahre 1930 in jedem Monat steigender Weise äußerst ungünstig entwickelt. Heute schon läßt sich feststellen, daß selbst bei einem Wiederansteigen die Betriebsausgaben die Einnahmen um mehrere hundert Millionen übersteigen werden. Der Gene­raldirektor hat die sächlichen Ausgaben schon seit längerer Zeit ge­drosselt, sie sind jetzt aber auf einem Tiefstand angelangt, der wohl furze Zeit getragen werden kann, aber auf mehrere Jahre die Sicherheit des Betriebes in Mitleidenschaft ziehen muß. Die für die Gesellschaft feststehenden Ausgaben zergliedern sich neben den fächlichen in die Reparationssteuer, die unabänderbar ist,

die Personalausgaben, die sich zusammensetzen aus 1188 Millionen Mart für Beamtengehälter, 958 millionen Mark für Arbeiter­löhne und 482 Millionen Mark für Pensionen, sowie 318 Mill. Mark für Soziallasten usw.

Sie sind in ihrer Gesamtheit seit Gründung der Gesellschaft nach dem heutigen Stand um über 700 millionen oder 31 Pro3. gestiegen, obgleich das Personal in derselben Zeit um 62 000 Köpfe verringert worden ist. Die Reichsbahn - Gesellschaft ist nicht in der Lage, hierin eine Aenderung aus sich heraus eintreten zu lassen oder vorzuschlagen, da sie nach dem Gesetz ihre Beamten ent sprechend den Reichsbeamten entlohnen muß und die Arbeitslöhne durch Bestimmung des Reichsarbeitsministers, der den Schiedsspruch vom 24. Mai 1929 für verbindlich erklärt hat, ihre Gültigkeit bis zum 31. März 1931 haben.

Der Verwaltungsrat hält sich für verpflichtet, den Reichskanzler besonders auf das Steigen und die Höhe der Personalausgaben hinzuweisen, da sie den wesentlichsten Teil der Gesamtausgaben ausmachen, eine Herabsehung am direktesten der Gesellschaft eine finanzielle Entlastung geben würde, aber nicht im Machtbereich der Gesellschaft, sondern nur dem der Reichsregierung liegt.

Andere Wege für die Ausgabenfenfung zur Herstellung des finanziellen Gleichgewichtes find nicht vorhanden. Die aite Monopolstellung der Reichsbahnen für den Verkehr ist immer mehr im Schwinden begriffen.

Am Schluß des Briefes heißt es: Dem Verwaltungsrat liegt auf Grund des Gesetzes ob, für die Deckung der finanziellen Ver­pflichtungen zu sorgen, sei es durch Beschränkung der Ausgaben oder durch Anpassung der Tarife. In der Begründung des Gesetzes ist auf diese Borschrift ganz besonders hingewiesen worden. Ich glaube dargelegt zu haben, daß eine weitere Drosselung der Aus gaben teils außerhalb des Machtbereichs der Gesellschaft liegt, teils durch die Sorge für die Sicherheit des Betriebes zur Unmöglichkeit gemacht wird. Der Verwaltungsrat hofft, daß die Reichsregierung einen Weg sehen möge, ihn in seinem Bestreben zu unterstützen, das finanzielle Gleichgewicht zu erzielen, ohne durch weitere Tarif erhöhungen das wirtschaftliche Leben immer mehr zu erschweren, die Arbeitslosigkeit vergrößern zu müssen, und dadurch in Deutsche land die Auswirkung der Steigerung der Kaufkraft des Geldes, die sich im Großhandelsinder schon durch einen Rüdgang um 15,5 Punkte zeigt im Lebenshaltungsinder aber bisher nur um 9,8 Buntte-, auf die notwendigen Lebensgüter des Volkes zu verhindern.

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Der Verwaltungsrat ist sich völlig klar darüber, daß besonders in der heutigen kritischen Zeit Gütertariferhöhungen die Arbeit der Reichsregierung zur Verbesserung der wirtschaftlichen Berhältnisse ungeheuer erschweren würde, daß eine solche Maßnahme auch schädigende Wirkungen für den Eisenbahnverkehr selbst aus­übt, er muß aber erneut darauf hinweisen, daß das Gesetz ihm zwingende Borschriften gibt und er für die finanziellen Grundlagen der Zukunft zu sorgen hat."

Der Angriff der Unternehmer auf das Lohnniveau er­hält durch den Borstoß des Verwaltungsrats der Reichsbahn eine mächtige Unterstüßung. Die Leitung des größten öffent­lichen Betriebes tritt an die Seite derer, die eine Lösung der Krise durch Lohnabbau herbeizuführen versprechen. Das

Bostichedkonto: Berlin 37 536.

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Bankkonto: Bank der Arbeiter. Angestellten und Beamten, Wallstr 65 Dt Bu Disc-Gei Depofitenkasse Lindenstr 8.

Bündnis zwischen Schwerindustrie und Reichsbahn gegen Arbeiter und Beamte wird offenkundig.

Es ist zugleich ein Bündnis gegen die deutsche Volks­wirtschaft und die Wirtschaftsvernunft! Daß Lohnsenkung Konjunkturverbesserung bedeute, ist ein Propaganda­märchen, ersonnen, um den sozialreaktionären Charakter des Angriffs zu verdecken. Seit jeher war es das Prinzip des mächtigsten Unternehmertums, in Zeiten der Krise im Kampf um die Verteilung des Sozialprodukts die Arbeiterschaft zu­rückzuwerfen, in Zeiten guter Konjunktur aber ihr den Anteil an der guten Konjunktur vorzuenthalten. Nicht Vollzug einer volkswirtschaftlichen Notwendigkeit, sondern Klassenkampf gegen den Aufstieg der Arbeiterschaft ist die Lohnsenkungs­Wie soll die Krise sich lösen, wenn die Massenkaufkraft entscheidend geschwächt wird?

parole!

den die Reichsregierung auf dem von der Schwerindustrie ge­Der Schiedsspruch von Oeynhausen war der erste Schritt, forderten Wege getan hat forderten Wege getan hat- jezt fordert die Reichsbahn, die zipiellen Schritt, der von der größten Bedeutung sein von denselben Kreisen beherrscht wird, den zweiten prin= würde- zahlt doch die Reichsbahn jährlich 2,14 Milliarden ipiellen Schritt, der von der größten Bedeutung sein Mark an Löhnen und Gehältern! In der Reichsregierung ist unzweifelhaft Neigung vorhanden, solchen Forderungen zu einer Rede in Dresden bereits erklärt, daß eine Senkung der entsprechen Herr Bredt, der Reichsjustizminister, hat in Gehälter der Reichsbeamten erfolgen müsse.

Das ist nicht Wirtschaftspolitit zur Ueber­windung der Konjunktur, sondern Klassenpolitik um den Preis der künstlichen Verlängerung und Verschärfung der

Krije!

Die Bedeutung der Reichsbahn für die Volkswirtschaft geht aus der Lohnfumme hervor, die sie zahlt, ihre Aufträge bilden einen sehr wesentlichen Teil der Gesamtaufträge der deutschen Wirtschaft. Wie aus dem Schreiben des Verwal­tungsrats hervorgeht, sollen eher Aufträge gedrosselt als er­meitert werden. Die Reichsbahn will nicht aktiv an der Ueber­windung der Krise teilnehmen. Sie wird ihre flüssigen Re­jerven nicht zu Aufträgen verwenden, ebenso nicht ihren Anteil an der Mobilisierungsanleihe. Was wird aus der An­turbelungsaktion, dem Arbeitsbeschaffungs­programm der Reichsregierung, wenn die Reichsbahn sich grundsäßlich versagt? Der Verkehrsrückgang der Reichsbahn ist eine Folge der Krise. Ein öffentliches Unternehmen von so gewaltigem Ausmaß wie die Reichs­bahn ist ein wichtiger Faktor für die Konjunktur. Es muß positive Wirtschaftspolitik betreiben, von ihm müssen Antriebe zur Ueberwindung der Krise ausgehen. Das ist eine Forderung im Interesse der Volkswirtschaft, zugleich im Interesse des Unternehmens. Die Wahrung der Rentabi­lität. der Reichsbahn muß durch eine auf die Besserung der Konjunktur gerichtete Wirtschaftspolitik erreicht werden.

Statt dessen unterstützt die Reichsbahn den General­angriff auf die Massenkauftraft. Das ist ihre Einwirkung auf die Krise! Wer redet noch von der Arbeitsbeschaffung? Sie ist hinter der Offensive gegen die Löhne verschwunden.

Angesichts dieses Borstoßes muß man noch einmal darauf hinweisen, daß die Reichsbahn bisher der Reichsregierung noch nicht die Gehälter der leitenden Beamten mitgeteilt hat, die der Reichstag zu erfahren wünschte. Die Antwort auf diese Anfrage besteht in einem Verlangen nach allgemeiner Lohnsenkung. Auch eine Antwort!

Die Arbeiterschaft sieht sich einer geschlossenen Front gegenüber. Die Schwerindustrie treibt. Die Schwer­industriellen im Verwaltungsrat der Reichsbahn mobilisieren ihren Einfluß zugunsten der Unternehmeroffensive, und die Reichsregierung fündigt an, daß die Methode von Deynhausen ein wichtiger Teil ihres Programmes sei. Es ist Kata­strophenpolitit!

Die Verteilung des Offprogramms.

Ausgabe von Anleihen geplant.

Die Mittel des Ostprogramms für den Haushalt 1930 sollen nach neueren Meldungen wie folgt verteilt werden: Von den zunächst für das laufende Haushaltsjahr hierfür bestimmten 126,3 Millionen Mark sollen u. a. 50 Mill. Mark für die Betriebssicherung, 12 Mill, Mark für die Frachtensentung, 37 Mill. Mark für billigung und 0,3 mill. Mart für die Senfung der Schiffahrts die Realsteuersenfung, 7 Mill. Mart für die 3insver abgaben Berwendung finden.

Die Bürgschaften sind für folgende Zwede bestimmt: 225 Mil­lionen Mark zur Beschaffung von Dauerkrediten für die ländliche Siedlung, 400 mill. Mark für die Umschuldung, 50 Mil­lionen Mark für die Kredithilfe an mittlere und feine industrielle Betriebe und endlich 250 Mill. Mark für die Ablösungsscheine. Bei der gegenwärtigen Struktur der in- und ausländischen Kapital­