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Nr. 285 47. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonnabend, 21. Juni 1930

Die Frauen um Gutmann.

Schlimmer Tag für den des Gattenmordes Angeklagten.

L. R. Prenzlau , 20. Juni. ( Eigenbericht.)

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Die Beweisaufnahme ist so gut mie abgeschlossen Morgen fomunen bie nielen Sachverständigen zum Wort. Das Urteil erfolgt am Montag. Eine Bedeutung wird das Gut achten der Schriftfachperständigen erhalten. Für die Frage der Ueberlegungsfähigkeit des Angeklagten wird das Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen entscheidend sein; auch für die Frage des Affelts. Die Chancen des Angeflagten erscheinen bis auf einen Punft nicht ungünstig, Berhängnisvoll kann ihm die Versiche rung merden. Aber auch hier entsteht eine Fülle von Fragen. Die wichtigsten lauten: Ist anzunehmen, daß ein Mensch wie Gut mann in der Absicht, sich eine Versicherungssumme anzueignen, feine Frau unter derartig verdächtigen Umständen ums Leben bringt? 1nberechenbar ist dieser Mensch aber ob das Gericht sich ent­schließen wird, bei dem Für und Wider einen Mord zu bejahen, erscheint heute zmeifelhafter als gestern. Die mustergültige Berhandlungsleitung im Gegensatz zu der leider sonst all zu üblichen gestattet nicht, über die Einstellung des Vorsitzenden etwas zu sagen. Mit außerordentlicher Ruhe, immer höflich und Entgegenkonunend, hat er während der zweitägigen Verhandlung auch lein einziges tadelndes Wort, feine einzige inquisitorische Frage an den Angeflagten gerichtet. Biel meniger zurückhaltend find die Schöffen. Mehr als einmal gaben sie zu verstehen, daß sie dem Angeklagten nicht glauben und eher zur Ansicht des Staats: anwalts hinneigen. Der Angeflagte ist erschöpft, nicht bloß megen der Hitze, die im Gerichtssaal herrscht 29 Grad Celsius es gab einen schlimmen Tag Heute für ihn. Den schwersten Schlag bedeutete die Aussage des Bruders. Er erhielt diefen Schlag von feiner früheren Braut, Sidi Rossedt. die er nach vielen Jahren im Gerichtssaal mieder gesehen hat. Wie gestern erstanden die Bilder der siebzehn Jahre zurückliegenden Bergangenheit; die Zeugin hatte den damaligen Briefwechsel nachgelesen und gebrauchte in bezug auf den Angeklagten denselben Ausdrud wie der Bruder: Moral insanity( Moralischer Schwachsinn).

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Die erste Braut sagt aus.

Neben der Massage des Bruders des Angeklagten mar der Höhepunkt der Bormittagssigung des zweiten Berhandlungstages die Bernehmung der Jugendfreundin und ersten Braut des Angeklagten, der Zahnärztin Frau Dr. Siddi Rossert geb. Richter aus Berlin , der ersten der vier Frauen, die im Leben des Angeklagten eine Rolle gespielt haben. Im Gegensatz zu dem vorausgehenden nichtssagenden Berhör, Lottchens" machte diese Zeugin, eine elegante fchöne Erscheinung, ihre Befundungen mit ruhiger. fachlicher Un­befangenheit, aber gleichzeitig mit einer für das Wesen des An­getfagten aufschlußreichen Gründlichkeit. Sie erklärte: Ich habe Frig Gutmann stets als einen höflichen, feinen Menschen tennen­gelernt, der mir sicher ein großes Gefühl entgegenbrachte. Er war gut, aber hemmungslos, denn sonst hätte ihn sein Bille, ein güüd Tiches Leben mit mir zu führen, davon abgehalten, Unterschlagungen bei seinem Bater zu begehen, die mich zur Trennung von ihm ver­anlaßten. Es seine Unterschlagungen ans Licht famen, da schrieb er mir, es bleibe ihm fein anderer Weg, als sich das Leben zu nehmen. Allerdings hat man dann, als man ihn suchte, ihn in Sacrom in einem Lofal gefunden, wo er sein Rumsteaf verzehrte. Als ich von den Unterschlagungen erfuhr, als ich sah, daß er nicht der mar, den ich in ihm erblickte, da mar für mich in demselben Mugenblick der Fall erledigt. Sein Vater, der mich sehr liebte und ber auch sehr damit einverstanden mar, daß ich ihn heiratete, hatte die Entscheidung über die Reise nach Amerifa in meine Hände gelegt. Fritz Gutmann hat allerdings nie daran geglaubt, daß es

SINCLAIR LEWIS

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DER ERWERB

Uebersetzt von Cl. Meitner.

ROMAN

Meyer& Jessen, Vertrieb, München . Obwohl Una Golden weder pifant noch schön war, nannten sie die Leute, ihrer weichen Zärtlichkeit wegen, Käz chen", und fühlten den Wunsch, sie zu hätscheln, wie ein Kind cin Räßchen hätschelt. Bemerkte man Una überhaupt, so fiel einem zuerst ihr sanftes Gesicht auf, ihr feines mattgoldenes Haar und die ungefaßten Augengläser mit einer dünnen Goldfette überm Dhr. Diese Augengläser gaben dem Geficht einen Mittelpunkt von Sachlichkeit; ohne sie, so fühlte man, hätte Una zu tindisch ausgesehen. Der Mund war gütig wie ihre lebhaften Augen, doch die Mundwinkel zogen fich ein menig herab. Ihr Körper war so frauenhaft weich, daß sie beinahe plump wirfte. Und doch mar fie trotz der runden Hüften und der dicen Knöchel, die ihr ,, ordinär" vorfamen, ein wenig blutarm. Ihre Wangen waren rund, nicht rosig, doch rein und weich, die Lippen blaßrofa. Das Kinn wirfte fühn und hatte fein Grübchen. Meist mar es durch ein oder zwei unbedeutende Bickel entstellt, die Una so sorgfältig mit Buder verdedte, daß man sie niemals jah. Niemand dachte je an sie, außer Una selbst; ihr schienen fie furchtbare Schand­flede, die sie ängstlich vor dem Spiegel untersuchte. fo oft fie sich die Hände waschen ging. Sie wußte, daß sie die Folge her unverdaulichen Goldenschen Küche waren. Sie versuchte fich damit zu trösten, daß auch andere Mädchen an diesem 1lebel litten; aber ihre eigenen Bickel entfeßten sie immer wieder; mit ängstlichem Beigefinger taftete sie sie heimlich ab und überlegte, ob Männer in ihrem Gesicht überhaupt etwas anderes fehen fönnten.

Den besten Eindrud hinterließ sie, wenn sie in ihrem gelbbraunen Regenmantel durch die Straßen eilte, ben gelben Samtfragen hoch aufgeschlagen, auf dem Kopfe einen jener anspruchslosen runden Hüte, die sie gern trug. Denn dann bemerkte man nur das mattgoldene Haar, das um ihre Lehrerinnengläser flatterte, ihr fanftes, gesittetes Wesen und ibre unbedeutende Rleinheit.

am

Todestag der zweiten Frau Gutmann um zehn Uhr vormittags,

also eine Stunde vor der Töfung der Frau Rosi Gufmann der Angeklagte bei ihm gewesen sei und ihm ein Schreiben der München - Gladbacher Versicherung gezeigt habe, in welchem mit­geteilt worden ist, daß die Prämie für Rofi eingegangen fci und daß die Versicherung nunmehr laufe.

nun ganz zu Ende sein sollte und hat mich in Briefen aus Amerita| nannten Bersicherungsgesellschaft war, behauptete h ute, daß beschworen, ihn nicht ganz auszugeben. Darauf schrieb ich ihm, daß er unter der Voraussetzung, daß ich dann noch frei märe, micher por mich hintreten dürfe, menn er ein ordentlicher und brauchbarer Mensch geworden sei. Das habe ich ihm aber mur aus Mitleid ge­fagt. Ich hätte ihm die Trennung auch gröber mitteilen tönnen." Nach einer kurzen Pause murde dann der frühere Schauspieler Her­bert n. Jarraich, der sich jetzt als Unternehmer bezeichnet, über sein Berhältnis zu Lottchen" und Dr. Gutmann vernommen. Jarrosch, der früher in Schaedt Schauspieler mar, hatte Dr. Gut­mann tennengelernt, der seinerzeit die Theaterfritit für eine Schmedter Zeitung übernommen hatte. Jarrosch. der mit Frau Lenz sehr befreundet mar, murde in das Gutmannsche Saus eingeführt und von Gutmann später als Lehrling für die Zahnpragis engagiert. Der Zeuge befundete, daß das Verhältnis zwischen Frou Lotte und der zweiten Frau Gutmann anfänglich ganz gut gewesen sei. Zwischen Lottchen" und dem Angeklagten habe ein Freund­schaftsverhältnis bestanden, bei dem sich nach Aussage des Zeugen, beide Teile leichte Zärtlichkeiten gestatteten".

In der Nachmittagssigung gab die Hausangestellte Reißert, die zuletzt bei Gutmann in Stellung war, interessante Ausschlüsse über das

Verhalten des Angeklagten unmittelbar vor und nach der Taf.. In der Regel, so erflärte sie. habe sie nachmittags, wenn ihre Haus­arbeit beendet gewesen sei, mit den Kindern spazieren gehen müssen. An dem fraglichen Tag habe Gutmann ihr aber schon morgens ge= mit den Kindern spazierengehen. Diese Aufforderung habe er gegen sagt, sie solle ihre Arbeit fertig machen und dann, also noch vormittags,

11 Uhr wiederholt, und zwar in Gegenwart seiner Frau, die mit ciner dicken Backe, auf dem Chaiselongue lag und dem Mädchen noch jagte: Ja, ja, geht man schön spazieren." Der Angeklagte habe sich Antwort Kartoffelpuffer" habe er ihr noch Geld gegeben, uni dann noch vorher erfundigt, was es zu Mittag gäbe und auf die Schmalz für sie zu besorgen. Als sie um 12 Uhr zurückkam und den Milchmann vor der Tür stehen sah, wollte sie sich beeilen, um den Milchtopf herunterzuholen. Im gleichen Augenblic tam ihr aber schon Gutmann mit dem Topf in der Hand entgegen und sagte ihr, er hole die Milch selbst, sie solle nur noch weiter spazierengehen. Auf ihren Hinweis, daß es doch regne, habe er erklärt, es mache nichts. Gegen 1 Uhr fam sie dann zum zweitenmal zurück und sah schon von weitem, daß Gutmann auf dem Balkon stand. Er teilte ihr dann mit, seine Frau sei von der Leiter gefallen und sei mohl schon tot. Sie folle den Arzt holen. Dabei sei er ganz ruhig und ohne jede Erregung gewesen. Auf weitere Fragen erklärte d'e Beugin, daß zwischen den Ehegatten oftmals 3ant und Streit geherrscht habe. Die Frau habe viel gemeint, meil fie des öfteren mißhandelt worden sei. Sie habe selbst einmal vom Nebenzimmer die Backpfeifen flatschen hören. Einmal habe der An­geflagte seine Frau auch mit einer Kanne Wasser begossen. Auch sei der Ausdruck gefallen: Ich hau dir eine vor den Schädel, daß du liegen bleibst."

Im weiteren Verlauf der Nachmittagssigung wurde der Frage der Bersicherung des Angeklagten und seiner verstorbenen zweiten Ehefrau ein breiter Raum gewidmet. Der Angeklagte Dr. Gut­mann behauptete bekanntlich, daß er am 23. November in Schwedt die Versicherungspolice für seine Frau in Höhe von 43 m. an die München - Gladbacher Versicherung abgeschickt habe und daß er am 26. November ein Schreiben dieser Gesellschaft erhalten have, in welchem es hieß: daß er den Betrag für seine eigene Police nicht an den Agenten Israel in Schwedt , sondern an die Gesellschaft in Berlin über Postscheckkonto schicken solle. Der hierzu vernommene Kaufmann Karl Israel aus Schwedt , der damals Vertreter der ge­

Sie hielt das fleinstädtische Ideal jungfräulicher Unbe­deutendheit für jene Art von Schönheit, welche die Männer am stärksten gefangennimmt, obwohl fie der göttlichen leber legenheit dieser Männer mit jedem Jahr zweifelnder gegen überstand. Daß es die Lebensaufgabe der Frau sei, anständig zu bleiben, sich einen Gatten zu sichern und dadurch sich selbst sicherzustellen, das war ihr unerschütterlicher Glaubebis zu ihrem vierundzwanzigsten Jahr; bis ihr Bater starb.

2.

Hauptmann Golden hinterließ seiner Frau und seiner Tochter einen guten Namen, eine Anzahl Schulden und elf hundert Dollars in Hypothefarversicherungen. Das Begräb nis war faum vorüber, als die Nachbarn- der Möbel händler, der Kaufmann, der höfliche alte Arzt mit sanftem Mitgefühl und großen Rechnungen daherkamen. Als alle Schulden bezahlt waren, blieben den Goldens nur sechshundert Dollar, feinerlei Einkommen und der gute Name. Alle recht lich denkenden Menschen stimmen darin überein, daß ein guter Name mehr wert ist als alle Edelsteine der Welt, doch Una hätte meniger Ehre und mehr Edelsteine vorgezogen. Sie war so sehr damit beschäftigt, ihre Mutter zu trösten, daß fie faum um ihren Bater trauerte. Sie nahm alles in die Hand- Beldsachen, Hauswirtschaft, Rechnungen. Frau Golden war von der Erfenntnis überwältigt, daß Hauptmann Golden, so schwerfällig und schal er auch gewesen sein mochte, fie angebetet und fie in ihrer feinen Lebensart, in ihrem Berlangen nach Kultur ermutigt hatte. Sie be trauerte ihn jetzt mit plöglich hervorbrechender Aufrichtigkeit, sehnte sich nach seinem Geplauder- und war sich gleichzeitig bewußt, daß ein schwarzes Kleid und ein blaffes Gesicht den Reiz ihrer schlanken. zarten Erscheinung erhöhten. Gie schluchzte an Unas Schulter; sie sagte, daß fie vereinsamt sei, und Una tröstete sie standhaft und fah sich nach Arbeit um. Eine der bekanntesten Formen menschlichen Zusammen lebens ist die der beschäftigungslosen Tochter und der ver­mitmeten Mutter. Taufende Male schon hat man die Tochter ohne Beruf gefehen. die allen Lebensdurst und ihre Jugend einer verwitweten Mutter opfert, die ihr dafür wenig Heiter feit, wenig Geld und eine nofdürftige Sicherheit bietet. Sie wird dreißig sie mird fünfunddreißig. Die Tochter altert und altert. Mit vierzig ist sie so alt mie ihre nie welkende Mutter. Sie ist liebevoll und von der rührenden Hoffnung befeelt, Pianistin oder Krankenpflegerin zu werden; nie hat sie sich damit ausgeföhnt, eine alte Jungfer zu werden- obwohl

Der zu diesem Frgentompler dann vernommene Versicherungs inspektor Wilhelm Menzel von der München - Gladbacher Versiche rungsgesellschaft fonnte auf Befragen des Staatsanwalts nicht be­stätigen, daß in dem Zimmer, in dem die Unterschrift der Frau Gutmann angeblich stattgefunden haben soll, die Ehefrau vielmehr, es sei ihm unmöglich gewesen, festzustellen, ob Dr. Gut­des Angeschuldigten überhaupt nicht gewesen sei. Der Zeuge erklärte mann seiner Frau den Versicherungsantrag vorgelegt habe oder nicht. Da diese ganze für die Beurteilung des Falles außerordent­lich wichtige Frage ungeflärt bleibt, beschloß das Gericht, die Ber­ficherungsaften von der München Gladbacher Gesellschaft heranzu ziehen, um am Sonnabend diese Angelegenheit nach Möglichkeit zu

flären.

Bon weiteren Zeugenaussagen mar nur die Betundung eines Schwedter Tischlermeisters von Interesse, dem für seire Garderungen das Herrenzimmer Gutmanns verpfändet worden war, wovon der Zahnarzt aber später einige Einrichtungsstüde nach an jemand anders weiter verpfändete. Auf die Borhaltungen des Tischlermeisters, der zu seinem Gelde kommen wollte, soll Gutmann menige Tage nar der Tat erklärt haben: Warten Sie noch bis Donnerstag, dann wird sich alles regeln."

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Staatsanwalt gegen Borsitzenden.

Gegen 8 Uhr abends tam es zu einem nicht gewöhnlichen Bor­fall im Gerichtsjaal. Trotz der drückenden Hitze in dem kleinen Saal, in welchem über 100 Menschen sigen und in dem während des ganzen Tages kein Fenster geöffnet wird, wollte der Vorsitzende noch länger verhandeln. Der Oberstaatsanwalt hatte schon vorher mitgeteilt, daß mehrer Geschmorene ihm mitgeteilt hätten, sie fönnten der Berhandlung nicht mehr folgen. Kurz nach 8 Uhr erklärte der Vorsitzende schließlich, daß die noch übrig bleibenden Zeugen und Eachverständigen erst am nächsten Tag gehört mürden. Gleichzeitig teilte er mit, daß er am heutigen Sonn­abend bereits um 8 Uhr mit der Verhandlung beginnen und dann bis nachmittags durchverhandeln wolle, damit die Berliner Pro­deßteilnehmer rechtzeitig nach Berlin zurüdfchren fönnten. Kaum batte Landgerichtsdirektor Achilles diese Dispositionen mitgeteilt ols Oberstaatsanwalt Dr. Hardt aufsprang und rief: Das geht auf teinen Fall, daß wir ohne Mittagspause verhandeln, da mode ich nicht mit. Kein anderes Gericht würde sich so etwas erlauben. In Berlin wären solche langen Verhandlungen überhaupt unmöglich, nur in Prenzlau nimmt man sich das heraus!" Daraufhin verlor der Vorsitzende seine bis dahin bewahrte Ruhe und erwiderte nicht minder scharf: ,, Wenn der Ton hier derort heftig wird, dann sehe ich mich auch veranlaßt, einzugreifen und diesen Ton, Herr Ober­staatsanwalt, energisch zurückzuweisen, vor allem den Ausdruck, daß nur in Brenzlau so etwas möglich sei.

Mit dieser in einem Gerichtssaal recht ungewöhnlichen und natürlich großes Aufsehen erregenden Kontroverse zwischen dem Borsitzenden und dem Anflagevertreter schloß der Vorsitzende, Land­gerichtsdirektor Achilles, die Sizung mit der lauten Erklärung: Die Sigung beginnt morgen um 8 Uhr früh."

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sie sich oft darüber luftig macht; häufig bringt sie durch das fortwährende Betonen, daß sie eine alte Jungfer" sei, ihre umfruchtbaren Jahre peinlich zum Bewußtsein. Die Mutter ist liebevoll und wünscht mit den Interessen ihrer Tochter in Fühlung zu bleiben"; nur hat die Tochter feine Interessen. hätte sie sich mit achtzehn aufgebäumt, hätte sie starrköpfig darauf bestanden, daß die Mutter sie entweder in Gesell­schaften begleite oder sich zufrieden gebe, allein zu bleiben, hätte sie sich Interessen" verschafft, so hätte sie unter den jungen Leuten eine Rolle spielen fönnen. Doch die Zeit der Auflehnung geht vorüber, so sehr die Tochter sich auch danach sehnen mag, unter jüngeren Frauen jung zu erscheinen. Die Mutter ist sich ihrer Selbstsucht meist nicht bewußt. Sie wäre unbeschreiblich entsegt, wenn irgendein roher Mensch ihr sagen würde, sie sei ein Vampyr. Zufall, Zufall und Selbstver­geudung, beherrschen sie beide, und das Leben geht vorbei, während die Mutter mit der Tochter Karten spielt und sich sehr selbstlos vorkommt, wenn sie die Tochter hin und wieder eine Gesellschaft besuchen läßt( nur um rasch zur Mutter zu­rückzueilen), die sich darüber wundert, warum die Tochter nichts für Mädchen ihres Alters übrig hat". Dieses häßliche Baar an der Schwelle der billigen Pension, in der es nach Rüche und Spülwaffer riecht; die Mutter, ein stummes, lächerliches Zwergenweibchen, die Tochter eine graue Frau um die Vierzig mit einem Muttermal, einer Warze und einer unheimlichen Schweigjamleit! Oder die reizende Mutter mit den meißen Haaren und den echten Spigen mit der stets für­forglichen Lochter... oder die beschauliche Mutter zu Hause mit der Tochter, die im Büro arbeitet und feinen anderen Berehrer und keinen anderen Lebenszmed hat, als den einen daheim. Das sind Beispiele des Mutter und Tochter­phänomens, jener sehr rührenden und alles zerstörenden felbftlosen Selbstsucht, die alle fünftigen Generationen aus raubt, meil die Mutter nie gelernt hat, die langen Gedanken der Einsamkeit zu ertragen, weil sie nicht felbständig schen fann und in sich selbst feine heitere Stimme hört...

In Panama gibt es viele solcher Mütter und Töchter. Waren sie wohlhabend, so faffierte die Tochter die Zinsen ein, besuchte Rechtsanwälte, gehörte einem Klub an und be­mühte sich. in Gesellschaft jung auszusehen. Waren sie ous dem Mittelstand, so wurde die Tochter unrettbar Lehrerin. Waren sie arm, so wusch die Mutter fremde Wäsche, und die Tochter besorgte die Zustellung. Demnach mar es unas vor­gezeichneter Beg, Lehrerin zu werden.

( Fortießung folgt.)