Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts"
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Nr. 286
B 142 47. Jahrgang
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Der Reichstag begann heute um 10 Uhr die Beratung des Amnestiegefegentwurfes, damit verbunden ist eine fommunistische Interpellation über die Hochverratsprozesse fommunistischer Redakteure.
Abg. Leutheußer( D. Vp.) gibt eine umfangreiche Erklärung ab, die die Annahme des Ausschußentwurfes enthält. Da die Separatisten und andere politische Verbrecher des besetzten Gebietes auf der Verlangen der Entente straffrei bleiben müssen, ist es auch nur gerecht, die Männer zu amnestieren, die Verräter getötet haben. Abg. Pied( Komm.): Infalge der Amnestie wurden die meisten Fememörder freigelaffen, aber die gefangenen Kommunisten mußten
Besprechung, aber noch fein Entscheid.
Die angekündigte Besprechung des Reichskanzlers ..t dem preußischen Finanzminister Dr. Höpter Aschoff über die Besekung des Reichsfinanzministe. riums hat um 11 Uhr begonnen. Bis zur Stunde hat aber Höpker- Aschoff noch keine Zusage gegeben.
Vielmehr läßt Herr Brüning halbamtlich mitteilen, daß er eine Entscheidung darüber, wen er den Reichspräsidenten als Finanzminister vorschlagen wolle, noch nicht getroffen habe.
Diese vorsichtige Formulierung ist sicher auf eine glatte Ablehnung Höpker- Aschoffs zurückzuführen.
weiterfigen. So z. B. wurde der achtsache Mörder Leutnant Schulz wegen Krankheit" freigelassen und deshalb wird auch gegen' seinen Romplicen Fahlbusch nicht verhandelt. Auch jetzt will man eine reine Fememörderamnestie machen. Der Redner zählt dann die schweren Verurteilungen auf, die gegen Kommunisten wegen Aufruhr usw. verhängt worden sind, und denen gegenüber die verschiedenen Amnestien nicht angewendet werden, z. B. gegen Kommunisten, die gegen die Kapp- Truppen gefämpft haben. Weil er einen Kapp Spigel erschossen haben joll, ist der Arbeiter Leiß noch im Frühjahr 1929 in Untersuchungshaft gesetzt worden; man will ihn wegen Mordes verfolgen, obwohl er beteuert, nicht einmal am Transport dieses Spitzels teilgenommen zu haben, der geflohen ist und dabei erschossen wurde. Abg. Dr. Bayersdörfer( Bayer. B.-P.): Wir sind grundfäß lich gegen Amnestien, wollen aber wegen der Rheinlandräumung
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eine Ausnahme machen und da kann man die
Berbrecher aus nationaler Gesinnung
nicht unberücksichtigt lassen.
Abg. Dr. Everling( Dnat.) rühmt die Schwarze Reichswehr , deren Dank sich der Reichsjustizminister verdient habe. Die Bezeichnung Fememord ist nur zum Zweck der Hetze erfunden. Das höchste deutsche Gericht hat bestätigt, daß es sich dabei um Dienst ausübung handelte und nicht um Mord. Die Sozialdemokratie hat sich zwei Tage nach ihrem Verrat selbst amnestiert( 3uruf von den Sozialdemokraten: Für diese Behauptung amnestieren wir Sie! [ Heiterkeit]). Ich hätte damals auf eine Amnestie von dieser Seite für meine Person verzichtet.( Ironische Zurufe, Widerspruch links.) Abg. Landsberg( Soz.):
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Den Kommunisten sage ich, daß es sich jetzt nicht um eine allgemeine Amnestie handelt, denn die ist nicht zu erreichen, sondern ausschließlich um die Frage, ob man einem Gesetz zustimmen kann, dessen Hauptinhalt die restlose Amnestierung der Fememörder ift. Wir stehen durchaus nicht auf dem Stendpunkt, daß eine Strafe bis zum letzten Augenblick vollstreckt werden muß. Wir haben durch unsere ganze politische Bergangenheit bewiesen, daß wir das Gnadenrecht nicht nur für das schönste Recht, sondern fogar für eine Pflicht des Staates halten. Die Strafe soll dem Berurteilten nicht Qual bereiten. Hat ein Teil des Strafvollzugs den Zweck der Besserung erreicht, so sind wir selbstverständlich dafür, daß von der Vollstredung des Strafrechts Abstand genommen wird. Diese Haltung fann uns aber nur dazu veranlassen, individuelle Gnadenerweise zu befürworten, mo es angebracht erscheint. Bir haben darüber hinaus durch unsere Bergangenheit gezeigt, daß wir auch allgemeinen Amnestien durchaus nicht ablehnend gegenüber stehen. Das uns jetzt vorliegende Gesetz ist schon die fech st e Amnestie in der Republif. Allen früheren Anneftien haben wir zitgestimmt, aber den Vorbehalt, den wir immer gemacht haben, ( Fortfehung auf der 2, Seite.)
Bolz läßt köpfen!
Der württembergische Staatspräsident gegen das Reich.
Amtlich wird mitgeteilt: Der vom Schwurgericht in Ravensburg wegen Mordes zum Tode verurteilte Landwirt Julius Zell ist heute früh 6 Uhr im Hofe des Amtsgerichts Ravensburg hingerichtet worden.
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Die Berantwortung für diesen Verstoß gegen das fünfte Gebot der christlichen Lehre trägt der württembergische Staatspräsident Bolz, der Mitglied und Vertrauensmann der christlichen katholischen 3entrumspartei ist!
miller hat in der Regierungserklärung des Rabinetts Der fozialdemokratische Reichskanzler Hermann Miller hat in der Regierungserklärung des Kabinetts der großen Koalition pom 3. Juli 1928 zum Ausdruck gebracht, daß die Reichsregierung bei den Landesregierungen anregen werde, bis zur gefeggeberischen Entscheidung über die Frage der Beseitigung der Todesstrafe das Begnadigungsrecht gegenüber Todesurteilen anzuwenden. Diese Stellungnahme der Reichsregierung hat der damalige Reichsjustizminister am 10. Juli 1928 zur Kenntnis der Landesregierungen gebracht.
Im Rechtsausschuß des Reichstags, ist durch das für die Mehra heit entscheidende Botum des mehr als 80jährigen Rechtsgelehrten Dr. D. Kahl bei der Beratung des neuen Strafgesetzbuches die Todesstrafe gefallen, trotzdem in einer Vorabstimmung durch das Verhalten der Kommunisten die Beibehaltung beschlossent worden war. Deutschland blieb dann zwei Jahre lang die Schande einer neuen Hinrichtung erspart. Es war der württembergia ichen Bürgerblodregierung und ihrem Vorsteher Bolz vobehalten, dem deutschen Bolte diese Schmach heute morgen auf dem Hofe des Amtsgerichts in Ravensburg zu schenken.
Die vorlegte Hinrichtung hat in Deutschland am 13. Januar
1928 stattgefunden. Damals hatte es sich um den vielfachen Mörder Böttcher gehandelt. Aber gerade im Anschluß an diese Hinrichtung, der er beigewohnt hatte, bekannte der preußische Justizminister Dr. Schmidt, daß er nie wieder einer Hinrichtung zustimmen werde. Unter dem sozialdemokratischen Reichskanzler Müller war die Kulturs schande der Todesstrafe praktisch beseitigt. Unter der Bürgerblock regierung Brüning wird sie wieder eingeführt. Auch ein Zeichen der Zeit!
Handelsminister Flandin empfing am Freitag die Vertreter der französischen Presse, denen er einige Ausführungen über die Auswirkungen der neuen amerikanischen Zolljähe und die französische Ausfuhr nach Amerifa machte. Aus den Erklärungen des Ministers geht hervor, daß die Zölle für die verschiedenen franzöfifchen Erzeugnisse von 1½ Proz. für Nüsse
bis auf 1000 Proz. für Knöpfe gestiegen find. Flandin betonte, daß die Veröffentlichung der amerikanischen Botschaft, die von nur ganz geringen Erhöhungen spreche, sich auf eine Gesamtheit von Artikeln bezögen, daß aber die Hauptbelastung eine ganz besondere Art von Waren betreffe, an deren Ausfuhr Frankreich gerade das größte 3ntereffe habe. Die franzöfifche Regierung werde zunächst die Klagen sammeln, die von den verschiedensten Industrien eingingen, um sedann der amerifanischen Regierung vorzuschlagen, die klausel spielen zu laffen, nach der der amerikanische Staatspräsident befugt sei, die neuen Zölle selbständig bis zu 50 Pro3. herabzusehen. Wenn die fran zösische Regierung feine Genugtuung erhalten, sollte, werde man andere Maßnahmen ergreifen.
Nach einer Meldung aus zuverlässiger spanischer Quelle beabfichtigt die spanische Regierung als Antwort auf die neuen amerifanischen Bollfäße die Berträge mit der amerikanischen Gesellschaft für die Einfuhr amerikanischer Tabate nach Spanien zu fündigen. Der ministerielle Ausschuß, der mit dem Studium der durch die neuen 3ölle geschaffenen Lage beauftragt ist, wird der spanischen Regierung außerdem den Vorschlag machen, den zwischen Spanien und Amerika bestehenden Modus vivendi zu fündigen.
USA . Zollfommission in Gorgen.
Washington, 21. Juni.
Die zahlreich einlaufenden Proteffe gegen das neue Zolltarifgefeh werden fämtlich der Zolltariffommiffion unterbreitet werden, die fie prüfen soll, um die Grundlage für eine Einigung zu suchen. Die Beweglichkeitsklaufel gebe dem Präsidenten Hoover Mittel in die Hand, den Profesten der ausländischen Regierungen und Industrien Rechnung zu fragen. Der Präsident werde alles tun, um wirtschaftliche Repreffalien ausländischer Mächte zu vermeiden,
Rapital ftrömt zu.
Größere Käufe der Reparationsbank in Deutschland . Basel , 21. Juni. Wie der B33. - Dienst von unterrichteter Seite erfährt, ist die B33 ( Reparationsbank) in den letzten Tagen in starkem Umfang als neuer Geldgeber am deutschen Geldmarkt aufgetreten. Das Bajeler Inffitut habe bereits größere Käufe am deutschen Geldmarkt vorgenommen, wobei sich die Erwerbungen auf fürzere und längere Lauffriften bezogen hätten. So hat die Bank Reichsichakanweisungen gekauft, die erst im Jahre 1932 fällig werden und mit 6 Prozent Jinfen ausgestattet sind. Bekanntlich werden am 1. Oktober d. 3. 150 millionen Reichsschahzanweisungen vom Jahre 1926 fällig. Als Erfahz für diese Reichsschahzanweisungen isf nun der erwähnte Betrag bei Fälligkeit im Jahre 1932 von der B33 gekauft worden.
Bei der Reparationsbant in Basel sind jetzt die Einzahlungen auf das Aftienfapital und die lleberweisung der deutschen Einlage in Höhe von 100 Millionen erfolgt. Außerdem erhält sie die laufenden Reparationszahlungen von Deutschland .
Die Bank hat also ständig eine größere Summe flüssiger Mittel zur Verfügung, die sie in entsprechender Weise anlegt. Da die Reparationsbant fagungsgemäß feine bantmäßigen Kreditgeschäfte tätigt, erfolgten diese Anlagen mit furz- und mittelfristiger Laufzeit auf den internationalen Märkten, in diesem Fall also hauptsächlich auf dem deutschen Markt. Da es sich bei den Anlagen der Reparationsbant um große Beträge handelt, sind die Wirkungen dieser Anlagepolitik in Deutschland nicht zu unterschätzen.
Dienstzeit ein Jahr.
Genügend Berufsfoldaten in Frankreich .
Paris , 21. Juni. Rüftungsausgaben machen mußte, einigermaßen zu verwischen, läßt Um den vernichtenden Eindruck, den die Ankündigung der neuen die Regierung heute im Journal Officiel" eine Verordnung er scheinen, nach der am 15. Oktober dieses Jahres die einjährige Dienstzeit endgültig in Kraft gesetzt werden soll, da an diesem Tage die vorgesehene Anzahl von Berusssoldaten eingestellt
jein wird.