Der Abend
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H
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Nr. 288
B 143 47. Jahrgang
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Der fächsische Wahltag.
Zusammenbruch der bürgerlichen Parteien/ Von den Nazis geschlagen Die Sozialdemokratie unerschüttert
Dresden , 23. Juni. ( Eigenbericht.)
Die fächsischen Landtagswahlen vom Sonntag haben den bürgerlichen Parteien, die bisher die Regierung bildeten, schwere Niederlagen gebracht. Die Krisenpartei des Herrn Scholz hat nicht weniger als fünf von dreizehn Mandaten verloren, die Hugenberger find von acht auf fünf Siße zurüdgegangen. Die Nationalfozialisten haben die bürgerlichen Parteien über den Haufen gerannt. Das Gefamtergebnis des Wahltages ist das folgende: Landtags wahl
Landtagswahl
Mandate
Mandate
22. 6. 1930
12. 5. 1929
32
922 932
8
363 382
33 13
355 552
13
345 530
12
Wirtschaftspartei.. 276 702 Deutschnationale.. 124 300 Sächs. Landvolt... 120 497 Nationalsozialisten. 376 724 Demokraten..: 83 671 Aufwert- und Volks.
10
304 884
11
5
211906
8
5
140 611
5
14
133 787
5
3
115 289
4
rechtpartei
44142
70 131
3
19 197
40 598
Komm. Oppofition
14 827
22 129.
.
Bolfsnat. Reichsver
einigung
39 351
2
Christl. Soz. Bolts
dienst
57.408
2
ASP.
21
21
Reichstags wahl 20. 5. 1923 999 421 316 017 381 568 232 052
in diesem Bande bei den Parteien die Einsicht durch, daß Länder 1 Partei ist endgültig verschwunden. Sie hat teir parlamentarismus etwas anderes ist als Reichs- Mandat mehr. Im Landtag werden jetzt 59 Size von 96 einparlamentarismus, und daß eine Länderregierung im wesentlichen genommen von Sozialdemokraten, Kommunisten und Nationalverwaltende Funktionen hat. sozialisten. Daraus geht hervor, wie sehr die Stellung der National= sozialisten im Landtag verstärkt worden ist.
Unter dem Gesichtspunkt der Konsolidierung der Regierungsverhältnisse in Sachsen ist diese Wahl katastrophal ausgegangen. Vor allem aber ist sie
tatastrophal für die alten bürgerlichen Parteien.
Diefe haben eine fürchterliche Niederlage erlitten, und die Gewinner der Niederlage sind die Nationalsozialisten, die Volksnationale Reichsvereinigung des Herrn Mahraun und der Christlich - soziale Boltsdienst vor allem aber die Nationalsozialisten.
-
Die Nationalsozialisten haben sich verdreifa ch t. Sie sind 254 488 die 3meitftärkste Partei im sächsischen Landtag geworden. Ihre 145 476 Stimmenzahl ist von 133 000 auf 376 000 emporgeſchnellt. Ihre Mandatsziffer von fünf auf vierzehn. Die Mandatsziffern geben 147 356 deutlich die Verschiebungen wieder.
87 545 34 860
Sämtliche alten bürgerlichen Parteien haben an die Nationalfozialisten Stimmen und Mandate abgeben müssen, die Wirtschaftspartei nicht ausgenommen.
Der Verlust der Deutschen Volkspartei beträgt fast 40 Broz., der Berlust der Deutschnationalen . ist noch stärker. Die, altsozialistische"
Eine so schlagartige und außergewöhnliche Umstellung der Wählerschaft bedarf der Erklärung. Diese Erklärung ist nicht allein damit gegeben, daß die schwere Wirtschaftsfrise den Hang zum Extremismus fördere, und daß also das schwache Wachsen der Kommunisten und das starte Wachsen der Nationalsozialisten konjunkturell bedingt sei. Die Nationalsozialisten haben den Wahlkampf in Sachsen vorwiegend mit sozialistischer Phraseologie bestritten. Sie haben aus propagandistischen Gründen an der Maifeier teilgenommen. Sie haben dennoch nicht vermocht, die Sozialdemokratie und die Kommunisten zu schwächen. Aber sie haben jene Maffen aus den bürgerlichen Parteien an sich gezogen, die klaffenmäßig nicht zum Bürgerfum gehören. Sie haben mit ihrem primitiven Sozialismus der Phrase auf die Schichten gewirkt, die im Laufe der Krise proletarisiert worden sind. In den alten bürgerlichen Parteien ist die Klassenlinie offen aufgerissen. Es ist ein Einbruch in das traditionelle Gefüge der alten bürgerlichen Parteien, die bisher immer noch vermocht hatten, sich proletarische Schichten dienstbar zu machen. Das tann eine Hoffnung für die Zukunft
Reichs- Arbeiter- Sporttag im Stadion
Die Zahl der abgegebenen Stimmen befrug 2 611 017. Die Wahlbeteiligung ift alfo um mehr als 80 000 Stimmen geringer als bei der Wahl im letzten Jahre.
Die Lehren der Wahl.
Diese Wahl ist ein Signal und eine Warnung. Seit 1923 haben sowohl die sächsische Sozialdemokratie als auch die Deutsche Volkspartei , als Führerin des Bürgertums, Niederringungs. strategie getrieben. Jeder glaubte den anderen bei der nächsten Wahl endgültig in die Knie zwingen zu können. Seitdem hat Sachsen wiederholt gewählt, ohne aus der latenten Krise herauszukommen. Nun endet dieser Kampf mit einem Erfolg der faschisti schen Nationalsozialistischen Bartéi. Also hat das Bürgertum gefiegt? Das ist nicht richtig. Der Erfolg der Faschisten ist zugleich eine schwere Niederlage der bürgerlichen Parteien, und der Vormarsch der Hakenkreuzler ist nicht erfolgt unter der schwarzweißroten Fahne, sondern unter der roten Fahne mit dem Hakenkreuz!
Nach dieser Wahl gibt es in Sachsen nur eine einzige große Frage: Warum haben wir gewählt? Wie soll bei dieser Zusammensetzung des Landtages die neue Regierung aussehen. Im legten Landtag hätte eine Koalition aus Sozialdemokraten, Deutsche Volkspartei und Demokraten, die Große Koalition, 50 Mandate von 96 gehabt. Jetzt bringt es die Große Koalition einschließlich des Zentrumsabgeordneten, der auf der Lifte der Wirtschaftspartei gewählt worden ist, nur auf 44 Mandate! Sie hat also feine Mehrheit. Ohne Einbeziehung anderer Parteien gibt es feine Mehrheit für die Große Koalition. Welche Parteien fämen. für eine Erweiterung einer solchen Regierung in Betracht. Entweder nur die Wirtschafts- oder die kleineren Gruppen, die Aufwertungspartei, die Mahraun - Gruppe, der Chriftlich- soziale Volksdienst. Aber gibt es eine Kombination des Bürgertums mit den Nationalsozialisten, wie in Thüringen , dann müßten sowohl die Demokraten als auch die Jungdeutschen der ,, Boltsnationalen Reichsnereinigung" mit von der Partie sein. Man kann die Kombinationen drehen und wenden wie man will. Diese Wahl hat die
Situation in Sachsen noch verworrener
gestaltet, als sie es ohnehin schon war.
Was soll nun werden? Irgendeine Berwaltungsregierung mit Tolerierung von links und rechts, wie sie schon vor der Auflösung des Landtages geplant war, die schlecht und recht die Geschäfte meiterführt, oder ein Experiment nach dem Vorbild von Thüringen ? Bielleicht jetzt sich angesichts des 3wanges der Lage nun menigstens
Unser Bild zeigt den Einmarsch der Sportler beim Reichs- Arbeiter- Sportlag, der am Sonntag große Zuschauermassen nach dem Grunewaldstadion gelockt hatte. Ausführliche Meldungen im Sportteil dieses Blattes.