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Nr. 28947. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Dienstag, 24. Juni 1930

Kritik am System Schiele.

Die Landwirtschaftsdebatte des Reichstags.

In der gestrigen Reichstagsdebatte führte Reichslandwirtschafts­minister Schiele weiter aus: Eine gute Roggenernte ist in diesem Jahr nicht sicher vorauszusehen. Roggenverzehrsteigerung von jährlich 750 000 Tonnen fann eine neue Krise verhindern. Bei der jezigen internationalen Krise bedeuten die Einfuhrscheine eine Ber Ver­Schleuderungsgefahr für einheimische Produkte. Mit Hafer und Gerste ist der internationale Markt überfüllt.

Stärkere Anspannung des Einfuhrscheinsystems nüht also nichts, fondern nur die Einschränkung der Futtermitteleinfuhr. Der Braugerftezoll muß erhöht werden. Der Uebergang vom. Hafer- und Gersteanbau auf Sommerweizen, der bereits beginnt, bedeutet die einzige wirkliche Hilfe.

Die Zucker und Kartoffeltrise ist nicht durch Export, sondern nur durch Verfütterung des Ueberschusses und den Spritbeimischungszwang zu Benzin und Benzol lösbar. Eine viel schwerere Krise droht der Beredelungsproduktion, die feineswegs das Allheilmittel für die Getreideproduzenten ist. Ein ausreichender Zollschutz ist die einzige Hilfe für die Butter-, Käfe- und Fleischproduzenten.

Das Reichsmilchgeseh soll durch Qualitätskontrolle und Absatz­organisation den Milchyverbrauch heben. Eine Ueberproduktion an Schweinen droht aufs neue, mur Exportförderung fann helfen. Maßnahmen zur Verbesserung der Verwendung einheimischer Fette zur Margarine und Seifenfabrikation sind eingeleitet. Die Neu­regelung der Eierzölle, der Abstempelungszwang für Frischeier, die 21bgabe non verbilligtem Futtermais muß die Geflügelzucht heben. Demnächst wird

ein Handelsklaffengefeh für landwirtschaftliche Erzeugniffe vorgelegt werden, das dem Erzeuger eine Haftung für die Güte feiner Produkte auferlegt. Die Preisschere zwischen Agrar- und Industrieprodukten( Agrarinder 109, Industrieinder 152) muß durch Maßnahmen gegen Ueberschwemmung des Marktes nach der Ernte geschlossen werden. Die Industriepreise müssen gesenkt, die Agrar­preise erhöht werden, hauptsächlich durch Senkung der staatlichen und sozialen Lasten.( Sehr richtig! rechts.) Aber auch die Differenz zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen muß verhindert werden. ( Zuruf von den Soz: Dafür sind Sie der richtige Mann!) Die Landwirtschaft ist im Niedergang; die Jugend flieht den not leidenden Acker. Das Land ist die Quelle der Geburtenfreudigkeit, die in Deutschland   zu versiegen droht. Der Zuzug vom Lande kann in der Industrie nicht mehr aufgeommen werden und erhöht die Arbeitslosigkeit. Die Beseitigung der deutschen   Wirtschaftsnot geht uns über die Beseitigung der Not der Landwirtschaft und des teutschen Ostens.

Die Ofthilfe ist teine Dotation oder Subvention. Die Krankheit der oftdeutschen Wirtschaft droht die ganze deutsche  Wirtschaft zu ergreifen. Die Osthilfe ist also ein Art der Staats­raison. Das Gesetz über die Ablösungsbant ist untrennbar mit der Osthilfe verbunden, damit Umschuldung und Vollstreckungsschutz ge lingen  . Die finanzielle Durchführbarkeit soll nächstes Jahr in der Finanzreform gesichert werden. Da die Siedlung eine national­politische Aufgabe ist, bestimmt das Ostprogramm, daß mindestens 80 Broz. aller Siedlungsmittel dem Osten zufließen. Etma 50 Mil­lionen sollen jährlich an Zwischenkrediten für Siedlungszwecke aus­geworfen werden. Dafür ist aber eine Sicherstellung der Dauer­finanzierung notwendig, die bis zu 225 Millionen geben soll. Für Umschuldung follen Reich und Preußen gemeinsam 400 millionen in fünf Jahren für die noch sanierungsfähigen Betriebe auswerfen. Alle Herabsetzungen des Reichsbankdiskonts ermäßigen nicht den Zinssatz für die landwirtschaftlichen Kredite, die noch immer 8 bis 9 Proz. betragen. Dies und jenseits des polnischen Korridors sollen die Gemeinden Realsteuererleichterungen erhalten. Die Reichsregierung erbittet die Ermächtigung, im Ein­vernehmen mit der preußischen Staatsregierung Ausführungs­bestimmungen zu erlassen, wobei schon bestehende Einrichtungen und Stellen benützt werden sollen. Wenn die Regierung fich trotz der schwierigen Finanzlage bereit erklärt, Bürgschaften für Hunderte Millionen zu übernehmen, so nur im Interesse des großen Werkes, zu dem uns der Herr Reichspräsident aufgerufen hat, näm lich zur Rettung der deutschen   Landwirtschaft und des deutschen  Oftens.( Beifall rechts.)

Die Redezeit wird auf zwei Stunden pro Fraftion festgesetzt, was den Präsidenten Löbe zu der Bemerkung veranlaßt, daß damn die Tagung bis Ende Juli gehen werde.

Abg. Schmidt- Köpenick( Soz.): Einer Reichsregierung, die fein Geld hat für die Arbeitslosen, fann man nicht zumuten, daß sie diese Probleme lösen kann. Wann fommen die Landwirte endlich zur gemeinsamen Regelung der Produktion? Durch zollpolitische Maßnahmen wird nichts erreicht, das sollte man schon erkannt haben.

Geldwirtschaftlich fcheinen die Landwirte noch recht unwiffend zu sein.

Bei der Landwirtschaftlichen   Ausstellung in Köln   hat man einen Rittmeister a. D., weil er behauptete, in Not zu sein, sofort angestellt, und da man ihn nicht zur Bewachung der Ochsen verwenden fonnte, fette man ihn an die Kasse. Zwei Tage rechnete er brav und treu ab, am Abend des Himmelfahrtstages, der starken Besuch gebracht hatte, war er verschwunden.( Suruf rechts: Bei Ihnen ist noch nie etwas unterschlagen worden.) Ach, reden Sie nicht so dumm, folche Schafstöpfe gibt es in der Arbeiterbewegung nicht, die einem Unbekannten sofort die Kasse anvertrauen. Sollten Sie aber Unterschlagungen in Gewerkschaften, Krankenkassen usw. meinen, so erinnere ich Sie an die Vorgänge bei landwirtschaftlichen Ge­nossenschaften, Raiffeisenkassen und dergleichen mehr. Wenn sich bei den Landwirten ein ehemaliger Militär meldet, wird er gleich angestellt. Es wäre wahrscheinlich besser für die Landwirtschaft, wenn nicht so viele Stellen im Landbund und bei landwirtschaft­fichen Anstalten mit ehemaligen Offizieren besetzt wären.

Zu den vielen geschäftlichen Unternehmungen, für die das Mi nisterium gewaltige Summen auszahlt, hat der Rechnungshof zahl­reiche Bemerkungen über ungemügende Kontrolle gemacht. Außer dem wird das Ministerium durch diese Angelegenheiten seinen eigent lichen Aufgaben start entzogen. Was die Binsverbilligung anbe langt, fa tönnen wir auf Grund zahlreicher Mitteilungen feststellen,

baß

Landwirtschaftliche Genoffenschaften heute noch 14, 15 und 16 Bros. 3injen nehmen, und gerade folche Genoffenschaften, die von Reich und Staat unterstützt werden;

fie scheinen auf dem Standpunft zu stehen, daß mur durch hohe Zinsen neues Rapital gebildet wird. Dazu werden noch bei Zahlungs­versäummiffen 5 Proz. täglich aufgeschlagen.( hört, hört! fints.) Bill das Minifterium nicht bem entgegenwirten, daß der Genossen haftstrebt heute ber teuerfte ift?

Zu den Maßnahmen für das Moffereiwesen erinnert man sich der Einlagerung von Weichkäse in Bayern  . Ist Ihnen, Herr Minister, der Käse noch nicht fortgelaufen oder wollen Sie dieses Geschäft meitertreiben, daß, wenn Sie irgendwo zu einer Versammlung ein­geladen find, Sie gleich umfangreiche Maßnahmen versprechen, wie geladen find, Sie gleich umfangreiche Maßnahmen versprechen, wie Sie es im Allgäu mit solchem Erfolg getan haben?( Heiterkeit links.) Es kommt für die Zucht darauf an, Qualitätsware zu er zeugen. Wenn es aber so weitergeht, wie bisher, dann dürfen nicht Reichsmittel dafür verwendet

werden. Der Bericht des Ministers fagt, daß durch Entnahme von 6400 Stüd Großvieh in Nordwestdeutschland   der Marktpreis um 8 bis 10 Mark erhöht worden sei. Aber wie lange hält so etwas an? Die gleich darauf weiter sintende Preisentwicklung beweist doch, wie Die gleich darauf weiter sintende Breisentwicklung beweist doch, wie muglos derlei Maßnahmen sind. Wir beantragen deshalb, die ge­forderten 6 Millionen zur Stügung des Schlachtviehmarktes zu streichen. Auch die öffentlichen Mittel für genossenschaftliche Bieh­verwertung werden zum großen Teil verschleudert. 2080 000 Mart find für den Ausbau der Viehmärkte hergegeben worden, davon hat eine recht überflüssige Zentralftelle der Biehverwertungsgenoffen­fchaften 15 Pro3., nämlich 312 000 Mart befonmmen. Ja, jogar eine halbe Million foll ihr gegeben worden sein. Den Schlachtviehhandel will man auch durch Ueberreichung von Botalen fördern, die unter den Agrariern Wertheim- Bokale" ge nannt werden. Hoffentlich werden diese Pokale später mit deutschem Wein gefüllt und nicht mit französischem. Wie lange sollen noch Reichsgelder für solchen Unfug verwendet werden? Würde in der Kranten oder Arbeitslosenversicherung so gewirtschaftet werden, so wäre die Rechtspresse voll davon.

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Es ist doch bezeichnend, daß amtlich mitgeteilt wird, 250 000 Mart für Kartoffeleinfäuerung mußten den Landwirten zur Verausgabung förmlich eingeredet werden! Die Marktbeobachtung wird in ſatiri­fchen Zeichnungen der Deutschen Tageszeitung" lächerlich gemacht. Das ist die Antwort auf den guten Willen des Reichstags, der Geld dafür bewilligt. Tatsache ist, daß nur 20 Proz. der deutschen   Land­wirte faufmännisch wirtschaften, die große Masse verläßt sich auf Hiffsgelder von Reich und Staat.

Bei der Reichsgetreideftelle erscheinen wieder einmal jene 35 Millionen, die immer wieder durch den Etat reisen und die nur ein Bluff sind.

Der Minister hat gesagt, wir hätten den Maßnahmen zugestimmt, durch die der Roggenpreis auf 230 Mart gebracht werden sollte. Das ist unrichtig, wir haben das mur passieren lassen. Leichtfertige Landwirte, die es auch hier im Hause gibt, haben gemeint, wenn Schiele Minister wird er ist ja ins Ministerium gefommen, als sein Borgänger noch nicht heraus war( Heiterfeit links) dann würde der Roggen fofort auf 230 Mart steigen. Es ist nicht ge­schehen. Nur Einschränkung des Roggenbaues und Förderung des Weizenbaues fann Besserung schaffen.

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Bom Brofgesetz verlangen wir, daß es das Brotgewicht festeht. Nach der ersten Ausschußberatung ist diese Beftimmung auf Be­freiben der Wirtschaftspartei gestrichen worden. Nicht das Weingefeß, sondern mir der Bau von Qualitätsweinen tann unseren Wingern helfen. Aber in der Pfalz   haben die Wein­bauern revoltiert, weil die banerische Regierung die minderwertigen Reben zerstören ließ. Was geschieht gegen das Hafenkreuzlertreiben in der Zoffener Landwirtschaftsschule? Ein Lehrer, der dagegen auf­trat, ist gefündigt worden.( hört, hört! links.)

Mit unserem Agrarprogramm und unserer Kritik stimmt über­ein, was die ,, Handels- und Industriezeitung" ausgeführt hat. Aber der Reichsverband der Industrie, der die Kartellpreise nicht herabsetzt, hat auch nicht das Recht, der Landwirtschaft vorzu­schreiben, was sie fun foll.

Der Minister hat uns im Ausschuß eine Karte von Deutschland über­Der Minister hat uns im Ausschuß eine Karte von Deutschland   über­reicht, auf der die Verschuldung der einzelnen landwirtschaftlichen Produktionsgebiete eingezeichnet ist. Der Minister sprach dann da­von, daß Ostpreußen   durchweg zu 100 Proz. verschuldet sei; auf der amtlichen Karte war aber nur ein ostpreußischer Kreis mit einer Verschuldung von über 80 Proz. des Einheitswertes eingetragen, die übrigen Kreise mit einer weit geringeren Verschuldung. Der Einheitswert ist aber wesentlich geringer als der Verkehrswert, so daß die

wifliche Berschuldung nur 30 bis 40 Proz. des Wertes beträgt. Ich habe Material von Großgrundbefizern der östlichen Provinzen, die zu ihrem nicht gerade kleinen Besitz noch Tausende von Morgen dazu pachten oder taufen konnten. Die Nachrichten über die Zahl der Zwangsversteigerungen von landwirtschaftlichen Betrieben werden von den Landwirtschaftskammern start übertrieben, da jeder einzelne Versteigerungstermin, der meistens für ein Be­figtum mehrmals angefeßt wird, als neue Versteigerung in die Statistit aufgenommen wird. Die bisherigen Umschuldungsmethoden garantieren feineswegs, daß mir Unterstützungswürdige und-be­dürftige in den Genuß der Kredite kommen.

Es fommt oft genug vor, daß bereits umgeschuldete Betriebe jetzt schon wieder in Schwierigkeiten sind. Wir lehnen die Mittel für Befizerhaltung durchweg ab. Bir menden uns auch gegen das Verfahren der ostpreußischen Generallandschaft, die, wenn ein Käufer für verschuldete Betriebe auftritt, die Hy­pothefen zurückzieht, um den Befit dem verschuldeten Landwirt zu erhalten. In der privatkapitalistischen Gesellschaft muß eben jeder einzelne Befizer die Berantwortung für seine wirtschaftliche Unfähig teit tragen. Man hat die Notwendigkeit der Ostpreußenhilfe auch mit dem besonders ungünstigen Klima begründet. Man hat aber, wie auch bei anderen Zahlen, die Verhältnisse des ungünstigsten Kreises einfach verallgemeinert, so daß man das ganze Zahlenmaterial, mit dem die Osthilfe begründet werden soll, mur als einen Bluff bezeichnen fann.( Erregter Widerspruch rechts.) Das Gebiet der Hilfsmaßnahmen muß eine feste Begrenzung erhalten. Endlich einmal muß das Schlagwort von den blufenden Grenzen verschwinden, von der Not, die bis an die Eibe reicht. Wir be­dauern den Berlust von deutschen   Gebieten, aber wir müssen uns damit endlich einmal abfinden. ( 3urufe rechts: Nein, niemals!) Wir protestieren dagegen, daß ein öftliches Notgebiet bis zur Elbe   und ein westliches Notgebiet fast ebenso weit durch das Geschrei der Intereffenten geschaffen wird, so daß vielleicht nur nod, der Wasserkopf Berlin   in der Mitte übrig bleibt, der für alle Not aufkommen soll.( Lebh. Beifall b. d. Soz.) Abg. Hergt( Dnat.): Es ist demoralisierend für die Landwirte, einzeln um Hilfe betteln gehen zu müssen, was bei dieser individuellen Subventionspolitik unvermeidlich ist.

Subventionspolifif iff immer Korruptionspolitit. Mit den jahrelangen Steuerstundungen, die den Landwirt immer fchwerer beloften, muß endlich Schluß gemacht werden. Die Zu­tunftszahlen ber Ofthilfe tönnen uns night imponieren, weil

wir an Moldenhauers Beispiel verlernt haben, an Ver­sprechungen zu glauben. Wenn uns zugemutet wird, unter dem Drud der Not der Landwirtschaft dem Junttim zwischen Osthilfe und Finanzreform zuzustimmen, so weise ich diese unmoralische, ja un­fittliche und unteusche Zumutung entschieden zurück.( Heiterfeit links.) Man sollte die Not des deutschen   Ostens und der deutschen  Landwirtschaft nicht immer erst wieder nachweisen müssen, sondern sie endlich als feststehende Tatsache anerkennen. Mit dem Gebiets­verlust findet sich im Reichstag hoffentlich mur der Abg. Schmidt­Köpenid ab. Zum Schutz der Grenzen vor der slawischen Flut müssen alle Mann, auch die Sozialdemokraten auf die Deiche.( Bei­fall rechts.)

Abg. Bornefeld- Ettmann  ( 3.): Die Ausführungen des Abg. Schmidt- Köpenick sind eine Entgleisung. Der Mangel an Rapital macht es der deutschen   Landwirtschaft so schwer, ihre Betriebe zu rationalisieren.

Der Bauer weiß, daß 3ölle allein ihm nicht helfen können, daß fie aber auch unentbehrlich find.

Man soll die Behauptung nicht so tragisch nehmen, daß unsere Handelsvertragspartner durch die deutschen   Agrarzölle beunruhigt find. Man muß unter Umständen auch zur Kündigung von Handels­perträgen schreiten, um die Butter- und Milchzölle überhaupt wirf­fam werden zu lassen.

Abg. Günther( D. Vp.) schildert an Beispielen die Not der Bauern. Troß der stark gefunkenen Roggenpreise ist das Brot in Frankfurt   a. M., auch das Roggenbrot, erheblich verteuert worden. Die Schuldigen sollten festgestellt werden.

Abg. Hepp( Christlichnat. Bauernp.) fodert Lösung der Zoll­bindungen für so ziemlich alle Lebensmittel. Bei dem deutsch  - pol­nischen Roggensyndikat des Dr. Baade scheint der deutsche Roggen­bau zu furz zu fommen und der polnische zu gewinnen.

Hohe Zinsen fordern die landwirtschaftlichen Genossenschaften nur zwangsläufig nach dem Beispiel der Preußentaffe. Die Reichsanstalt für Angestelltenversicherung hat jetzt den Leihzins von 6 auf 8 Pro. erhöht.

Abg. Lang( Bayer. Bp.) flagt über das Vordringen der groß­städtischen Asphaltkultur" auf dem Lande. Der Bergnügungstaumel verdrängt die überkommene Sitte, die Bauernfinder verlieren die Heimat. Retten Sie das schwerbedrohte bodenständige Bauerntum! Abg. Hoernle( Komm.): Der Weizenzoll, der Bermahlungszwang, der sogenannte Verfütterungsanreiz find von der Müller- Regierung übernommen und von der jezigen Regierung ausgebaut worden und verschaffen nur den Großagrariern glänzende Sondergeschäfte. Das Auslandsgetreide sintt im Preis; die Getreidepreise in England werden ständig in die Höhe getrieben.

Obgleich Inlandsweizen in Deutschland   gar nicht mehr vorhanden ist und auf der Berliner Börse   nicht mehr notiert wird, wird der Vermahlungszwang für Inlandsweizen aufrechterhaiten.

Die Sozialdemokratie ist mitschuldig an den Zollerhöhungen. Die Siedlung soll Landarbeitern den Aufstieg in das Kleinbauerntum von heute ermöglichen. Der preußische Landwirtschaftsminister Steiger hat diese Kleinbauern als die billigsten Aushilfsarbeiter für den Großgrundbesik bezeichnet. Die Osthilfe macht nur ostelbischen Großgrundbesikern und oberschlesischen Industriellen Geschenke.

Abg. Dr. Drees( 3.): Vor einem Jahr wird wohl noch fein Sozialdemokrat geglaubt haben, daß er für einen 12- Mark- Weizen­zoll stimmen wird. Die Einsicht, aus der das geschehen ist, zeigt doch, daß das parlamentarische System nicht so schlecht sein kann. Die Politik Schieles ist nicht wesentlich verschieden von der seines Vorgängers Dietrich. Die scharf ablehnende Haltung der Sozial­demokraten kann man also nur aus ihrer jezigen Oppositions­stellung erklären, ebenso die viel zu weit gehenden Behauptungen des Abg. Schmidt- Köpenick über die geringe Steuerleistung der Land­wirtschaft, bei der übrigens Kinderzahl und Familienlasten ungleich weniger berücksichtigt werden als bei der städtisch- industriellen Be­völkerung. Um 19 Uhr vertagt das Haus die Weiterberatung auf heute

Nationalrüpel.

Diesmal in Deutsch  - Oberschlesien  .

Oppeln  , 23. Junt. Zu polnischen Blättermeldungen über einen Zwischenfall in Rosenberg wird von zuständiger deutscher   Stelle mitgeteilt:

Oberpräsident Dr. Lutaschet wurde am Sonntagabend um 9.50 Uhr von dem polnischen Generalfonful Malhomme aus Rosenberg in Oberschlesien   angerufen, der ihm mitteilte, daß er sich bedroht fühle. Auf die Frage des Oberpräsidenten, ob er dem Landrat des Kreises Rosenberg bereits Mitteilung gemacht habe, erklärte der Generalfonful, daß er sich bisher nur an den Bürger­meister von Rosenberg gewandt habe, der auch sofort gekommen sei, aber mit drei Mann Polizei ausreichenden Schutz nicht gewährleisten könne. Der Oberpräsident verständigte sich darauf fofort mit dem Bürgermeister, der ihm mitteilte, daß die Lage nicht so gefährlich sei und er die Menge schon beruhigt habe.

Der Oberpräsident hat wenige Minuten nach dem ersten Anruf auch mit dem Landrat gesprochen, der die Landjägerei aufbot, wäh rend der Oberpräsident das Oppelner Ueberfallkommando als das nächstgelegene nach Rosenberg in aller Eile entsandte.

Anlaß zu alldem gab folgendes Geschehnis:

stellung, die ohne Zwischenfall verlief, hatten sich polnische Künft­ler gemeinsam mit Rosenberger Polen in einem Restaurant am Ring zum Abendessen versammelt, wobei auch zum Tanze aufgespielt wurde und polnische Lieder gesungen wurden. Darauf sammelten sich 15 bis 20 junge Leute vor dem Gasthaus an und fangen angeblich ,, Siegreich woll'n wir Bolen schlage n". Außerdem wurde ein fleiner Stein durch das offene Fenster geworfen, er fiel in der Nähe des Generalfonfuls Malhomme zur Erde.

Nach Beendigung einer polnischen Theatervora

Als sich die Schauspieler zu dem um 22.30 Uhr nach Ratiomi abgehenden Zuge auf den Bahnhof begaben, wurden sie von einer Anzahl junger Burschen begleitet, bie jo hlten und pfiffen. zu weiteren Belästigungen der Polen   ist es, someit bisher bekannt, nicht gekommen.

Am Bahnhof hatte sich der Landrat eingefunden, um nach dem Rechten zu sehen. Unmittelbar nach der Abfahrt des Zuges war auch das Oppelner Ueberfalltommando an Ort und Stelle; es brauchte nicht mehr einzugreifen.

Nach deutscher Ansicht handelt es sich lediglich um Rüpeleien unverantwortlicher junger Burschen, gegen die mit allen zur Berfügung stehenden Mitteln eingegriffen wurde,