Morgenausgabe
Nr. 291
A 147
47.Jahrgang
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6m3
Mittwoch
25. Juni 1930
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Nächtliche Kabinettfizung. Spiel mit dem Artikel 48.
gegen Volkspartei?
Dietrich Finanzminister- Heute Fortsetzung der Kabinettssitzung haushalt für 1930 in Ordnung gebracht, sondern auch den
Das Reichskabinett trat gestern abend, 8 Uhr, zu sammen, um über die Deckungsvorschläge Dietrichs zu beraten.
Die Beratungen des Kabinetts wurden erst nach Mitternacht abgebrochen. Sie sind jedoch nicht abge. schlossen, sondern werden heute abend um 6 1hr weitergeführt werden. Reichskanzler Brüning will nach dem Ende der Kabinettssitung heute abend oder Donnerstag morgen nach Neudeck fahren, um dem Reichspräsidenten Bericht zu erstatten und ihm die Ernennung Dietrichs zum Reichsfinanz minister vorzuschlagen.
Demnach hat der jetzige Wirtschaftsminister Dietrich sich endgültig bereit erklärt, das Finanzministerium zu übernehmen.
Der Reichskanzler will am Freitag morgen in Berlin zurück sein. Das Kabinett wird dann seine Entschei bungen bekanntgeben.
Einzelheiten werden deshalb offiziell vor Freitag morgen nicht bekannt werden. Es scheint, daß die Frage des Notopfers in der gestrigen Kabinettssitzung überhaupt noch nicht besprochen worden ist.
Bolkspartei beharrt auf ihrem Standpunkt. Die Reichstagsfraktion der Deutschen Bolts partei hielt am Dienstagabend eine Sigung ab, in der die politische Lage, wie sie fich im Laufe des Tages gestaltet hat, erörtert wurde. Die Frattion beschloß eine formulierte Ertlärung, die dem Reichskanzler zu Beginn der Rabinettssigung übermittelt wurde. Für den Inhalt
der Erklärung wurde Bertraulichkeit beschlossen. Es wird jedoch versichert, daß die Fraktion auf ihrem Standpuntt be. harrt und daß die fachlichen Gegensätze zwischen Kabinett und Fraktion unverändert fortbestehen.
Berlängerung des Notetats beantragt.
Die Regierungsparteien haben im Reichstage einen Gesezent wurf zur Berlängerung des Notetats um einen weiteren Monat, also bis zum 31. Juli eingebracht. Die der Regierung für diesen Monat zu erteilende Ausgabeermächtigung wird im allgemeinen auf ein Zwölftel der für 1929 bewilligten bzw. im Haus halt für 1930 vorgesehenen Beträge beschränkt. Lediglich zur Förderung des öffentlichen Luftverkehrs durch die Lufthansa kann die Reichsregierung bis zu einem Sechstel der im Haushalt für 1930 vorgesehenen Mittel ausgeben.
Streichungen am auswärtigen Etat.
Bor wenigen Wochen noch verkündeten alle Zentrums blätter, daß das Kabinett Brüning nicht nur den ReichsParlamentarismus gerettet habe. Nicht lange darauf entdeckte Herr Moldenhauer das neue Defizit Don 750 Millionen Mart, und jetzt geht schon wieder der Ruf durch das Land, daß das parlamentarische System in Gefahr ist. In Gestalt des demokratischen Herrn Dietrich aus Baden taucht ein neuer Finanzdiktator auf. Er soll seine Borlagen auf den Tisch des Reichstags schmettern, daß alles tracht. Wagt der Reichstag zu mucen, so wird er in die Ferien geschickt, und es wird mit Artikel 48 regiert. Berlangt dann aber der unglückliche Reichstag, daß diese oder jene Verordnung der Regierung aufgehoben wird, na dann hat er sich eben die Folgen selber zuzuschreiben! Er wird ganz einfach aufgelöst, und der Artikel 48 regiert weiter.
Soll man es für möglich halten, daß erwachsene Menschen, Reichstagsabgeordnete, ja, wie man vertraulich erzählt, sogar aftive deutsche Reichsminister mit solchen Plänen spielen? Daß sie im Kabinett erörtert werden, ohne daß auch nur einer aufsteht, um die Herren an die Verfassung zu erinnern, die sie beschworen haben? Was steht denn im Artikel 48 der Berfassung? Daß der Reichspräsident, wenn Im Haushaltsausschuß des Reichstages wurde am Dienstag der die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhebrestliche Teil des Haushalts des Auswärtigen 2mtes erledigt. lich gestört oder gefährdet wird, die zur Wiederherstellung Dabei wurde die von der Regierung beantragte Schaffung von Bot der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötigen Maßnahmen schaften in Buenos Aires , Rio de Janeiro und Santiago abgetreffen darf. Aber nirgends steht in der Berfassung, daß
lehnt.
Ebenso wurde der Posten für eine deutsche Botschaft in Tirana Ebenso wurde der Bosten für eine deutsche Botschaft in Tirana gestrichen und statt dessen nur ein Konsulat bewilligt. Bei den deutschen Auslandsvertretungen wurden an persönlichen Ber waltungsausgaben rund ½ Million Mark gestrichen und bei den Auslandszulagen 2% Millionen. Auch bei anderen Bosten wurden Streichungen vorgenommen.
Arbeitslosigkeit steigt!
3m Juni 2700 000 Arbeitsuchende.
Die Zahl der Hauptunterstüßungsempfänger in| digter Stellung oder in Nofftandsarbeit Befindlichen müssen von den der Arbeitslosenversicherung, die in der ersten Hälfte des Mai noch 2 700 000 verfügbaren Arbeitsuchenden, die am 15. Juni bei den um rund 130 000, in der zweiten um nicht ganz 80 000 abgenommen Arbeitsämtern eingetragen waren, rund 2 647 000 als arbeits. hatte, ist, wie von der Reichsanstalt mitgeteilt wird, in der ersten los gelten.- Junihälfte nur noch um rund 45 000 geringer geworden. Dem steht nicht nur ein weiterer Zuwachs der krisenunterstüßten um rund 13 000 gegenüber, fondern die Zahl der verfügbaren Arbeitsuchenden hat sich zum ersten Male wieder feit Anfang März um etwa 12 000 erhöht!
Der amtliche Bericht über den Stand der Arbeitslosigkeit ist sehr vorsichtig abgefaßt. Trotzdem wird aus ihm der Ernst der Lage deutlich genug ersichtlich. Die neuen Zahlen zeigen, daß nunmehr von einer nennenswerten Entlastung im Laufe des Sommers teine Rede mehr fein tann.
Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird immer bösartiger. Die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger befrug am 15. Juni Mit einer durchschnittlichen Hauptunterstüßungsziffer von 1,6 milin der Arbeitslosenversicherung 1 505 804, in der Krisenunterstühung lionen pro Monat ist jetzt nicht mehr zu rechnen. Es wäre verhäng. 351 984. Die Summe beider Zahlen liegt mit annähernd 1 858 000 nisvoll, wenn die Regierung sich noch jetzt an eine solche Zahl flamum mehr als 900 000 über der entsprechenden mern wollte. Dem Ernst der Situation entsprechend muß sie jetzt Summe des Vorjahres. Die Ueberlagerung der Unterstühten- den soeben veröffentlichten Richtlinien der sozialdemo3iffer ist mithin gegenüber dem Stand vom 1. Juni( 875 000) weifer- tratischen Reichstagsfraktion zur Bekämpfung der hin angewachsen. Nach Abzug der noch in gekündigter oder ungefün-| Arbeitslosigkeit Rechnung tragen.
In einer Woche ist alles geräumt!
General Guilleaumat bestätigt es Briand .
Paris , 24. Juni. ( Eigenbericht.) Der Oberkommandierende der französischen Rhein armee, General Guilleaumat, hat am Dienstag dem Außenminister in längerer Unterredung über die Durch führung der Räumungsoperationen berichtet. Wie ein amtliches Kommuniqué erklärt, hat der General die formelle Versicherung abgegeben, daß die Räumung restlos und pünktlich durch. geführt
von Landau seinen Abschiedsbesuch machen, um alsdann mit feinem Generalftab die Pfalz gleichfalls zu verlassen.
Heute vormittag wurde von den französischen Truppen auf dem Militärfriedhof noch eine Feier veranstaltet, bei der Kränze nieder gelegt wurden. Die städtische Festhalle, das Militärlazarett und ein Teil der bis jetzt benutten Kasernen wurden heute zurüdge geben. Der Generalstab der französischen Armee in Mainz wird, wie auf Erfundigungen bei französischen Stellen mitgeteilt wird, Mainz erst am 30. Juni verlassen.
eine Regierung, die sich bei der Balancierung ihres Etats verrechnet hat, ihren Rechenfehler mit Hilfe des Belagerungszustandes verbessern darf. Nirgends steht in der Verfassung, daß die Unfähigkeit, parlamentarisch zu regieren, einer Regierung das Recht verleiht, die Diktatur auszuüben. Dafür steht in der Verfassung etwas ganz anderes. Es steht darin, daß Maßnahmen, die auf Grund des Artikels 48 getroffen sind, auf Verlangen des Reichstags außer Kraft gesetzt werden müssen. Keine Bestimmung der Verfassung gestattet, Berordnungen, deren Aufhebung der Reichstag verlangt hat, meiterbestehen zu lassen, und den Reichstag zur Strafe für fein Verlangen aufzulösen. Mit solchen Gedanken spielen, heißt mit dem Staatsstreich spielen.
Von wem soll die Dittatur ausgeübt werden und gegen wen? Wie sich die Dinge in den letzten Tagen entwickelt haben, erscheint als Subjekt der angekündigten Diktatur das 3entrum und als Objekt- die Deutsche Volks= partei. Bor inapp drei Monaten, waren Zentrum und Voltspartei einig, die Sozialdmokratie auszuschalten und mit Schiele Treviranus ihr Glück zu versuchen. Und jetzt? Jetzt drohen aus dem Froschmäusefrieg, der innerhalb einer regierenden Minderheit ausgebrochen ist, staatsrechtliche Berwicklungen! Jetzt will das regierende Zentrum den Artikel 48 in Bewegung setzen, um den Widerstand der Bolfspartei zu brechen. Wäre es nicht vielleicht doch einfacher gewesen, wenn sich das Zentrum im März mit der So8ialdemokratie geeinigt und mit ihr zusammen die Ueberwindung aller Schwierigkeiten auf parlamenta. rischem Wege versucht hätte? Aber Diftatur! Auch eine Dittatur muß, rein machtpolitisch gesehen, sich auf eine ge= wisse Bertrauensbasis im Bolte, auf eine ergebene und aktive Minderheit stügen können. Mit dem katholischen Klerus allein ist das nicht zu schaffen.
Die Regierung Brüning fann, wenn sie vor dem Reichs tag scheitert, zweierlei tun. Sie fann zurücktreten oder sie fann mit Ermächtigung des Reichspräsidenten den Reichstag auflösen. Nun ist es richtig, daß weder ihr Rücktritt, noch die Auflösung Geld in die Kaffen bringt. Aber ebenso richtig bleibt, daß die Wege, Geld in die Kaffen zu bringen, von der Verfassung vorgeschrieben sind, und daß das Verlassen dieser Wege für die Reichsfinanzen wie für die wirtschaft nur neue Gefahr bedeutet.
Wir verkennen den Ernst der Lage feineswegs, meinen aber, daß ihm mit Ruhe besser beizukommen ist, als mit Nervosität. Seit Wochen und Monaten wird von gewisser
zebet jein werbe. dum 30. Juni bur Gute Fahrt der Atlantif- Flieger Seite mit allen Mitteln einer zweckbewußten B a nit ma che
Die letzte Parade.
An
Die Hälfte des Weges zurückgelegt.
London , 24. Juni. ( Eigenbericht.)
Die letzten Nachrichten. von den Atlantik.
findet hier übermorgen noch einmal eine große Parade der Fliegern sagen, daß das Flugzeug mit einer 100 noch anwesenden französischen Besaßungstruppen statt. schließend werden die Truppen nach Frankreich verlaben. Meilen- Geschwindigkeit fliegt und bei klarem Wetter General Mangin selbst wird am gleichen Tage dem Bürgermeister etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt hat.
gearbeitet. Wenn man heute rühmt, den Etat in nung gebracht zu haben und morgen unter fürchterlichem Angstgeschrei ein neues Riesendefizit entdeckt, so ist das weder die richtige Methode ,,, die Wirtschaft anzufurbeln", noch ein geeigneter Weg, die Reichsfinanzen zu sanieren. Die Reichsfinanzen sind nicht so verwahrloft, die Wirtschaftskraft ist nicht so erschöpft, daß zu topflofer Verzweiflung Anlaß bestünde. Auch ein Fehlbetrag am Ende des Rechnungs