OieGchuld der Llntemehmerpartei. Genosse Graßmann über Arbeitslosenversicherung und Lohnsenkungspläne.
In der gestrigen Reichstagsdebatte über Strbcitsmarft und Arbeitslosenversicherung sprach nach Minister Stegerwald Abg. Graßmann(Soz.) Selbstverständlich halt'auch die Sozialdemokratische Partei grundliche Hilfe gegen die ungeheure Arbeitslosigkeit für unbedingt notwendig. Aber dazu müßten größere Mittel angewendet werden, als ein an sich begrüßenswertes Arbeitsbeschaffungsprogramm. Es ist vielleicht der tiefste Grund, warum wir nicht schon zur Sanierung der Arbeitslosenversicherung gekommen sind, daß man in ihr nicht nur etwas wirtschaftlich Unangenehmes und schwer Belastendes sieht, sondern etwas, was dem eigentlichen Welen des Kapitalismus zuwiderläuft: die Aufrichtung einer Sperre gegen die Möglichkeit, die Arbeitsbedingungen je nach dem Schwanken der Konjunktur so festzusetzen, wie die Unternehmer es für richtig halten. Darum ist es eine wichtig« Tatfache, daß die parlanientorische Vertretung der Großunternehmer im vorigen Jahr ein« rechtzeitige und ausreichende Sanierung bewußt hintertrieben hat. Wegen einem viertelprozenl Beitragserhöhung hat man im ZNärz nicht nur die Sanierung hintertrieben, sondern zugleich auch dos Auseinanderfallen der Koalition und die Sprengung der Regie- rung Müller herbeigeführt. Das hat dieselbe Partei getan, die auch heute einer vernünftigen und ausreichenden Regelung absoluten Widerstand leistet. Diese Politik muß die denkbar schlimmsten Wirkungen nicht nur für die Finanzen des Reiches, sondern auch für die Wirtschast selbst haben. Heute weih noch keiner, wie der Etat aussehen wird, wie der Lostenausgleich, wie das Arbeitslosengesetz, und dies« Unsicherheit ist das, was der Minister mit Recht als bewußte Herbeiführung einer Vertrauenskrise bezeichnet hat. und-die die Wiederbelebung der Wirtschaft hindert. Im Augenblick liegen bei den Sanken erhebliche Kapitalien, aber bei einem offiziellen Zinssatz von ZV* Proz. für tägliches Geld, von 3% Proz. für monatliches Geld nehmen die Banken 8 und 9 Proz. bei unter Pari stehender Auszahlung. (Hört, hört! links.) Das aber ist es nicht allein, sondern bei der Un- sicherheit der Lastenverteilung beschränkt man sich bei der Auftrags- Vergebung auf den allernotwendigsten Bedarf und vermeidet eine Auffüllung der Lager. Die Deutsche Volkspartei ist der schlimmste Sachwolter der deutschen Wirtschaft, und wir können täglich de- weisen, wie wenig sie berechtigt ist. sich als Führer der Wirtschaft zu bezeichnen. Meine Partei und die freien Gewerkichaften haben immer in erster Linie verlangt, daß die Arbeitslosen wieder in den Produktionsprozeß einbezogen werden: allerdings, wenn das nicht möglich ist, müssen sie ausreichend versorgt werden. In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Abänderung der Arbeitslosenversicherung rechnet das Institut für Konjunkturforschung mit 2Vi Millionen Hauptunterstützungsempfängern. Die Regierung aber glaubt, einen Durchschnitt von 1,6 bis 1,7 Millionen annehmen zu können, dazu über 356 666 Krisenunterstützt«, und sie schätzt die Mehrausgaben für je 166 666 Arbeitslose mehr auf 166 Millionen. Diese Schätzung ist unberechtigt, man kann im Augenblick nicht annehmen, daß die Arbeitslosigkeit zurückgeht. Die Statistik der Arbeitsämter, z. B. desjenigen für Berlin , beweist das Gegenteil. Auch im Baugewerbe ist eine wesentliche Verstärkung der Arbeitsuchenden z» verzeichnen, 86 Proz. mehr als im Vorjahr. Eine Statistik des ADGB . zeigt, daß die Metallarbeiter im Durch- schnitt 17,9 Proz. Arbeitslos« haben, die Kupferschmiede 28,7 Proz., die Textilarbeiter 15,1 Proz., in einzelnen Gruppen noch wesentlich inehr, die Hutarbeiter 29,2 Proz., die Buchbinder 19,5 Proz., die Lederarbeiter 22,5 Proz., die Tapezierer 36 Proz., die Holzarbeiter 29,6 Proz., Di« Fabrikarbeiter trotz der relativ günstigen Lage der chemischen Industrie 26�!' Proz., die Taba-karbeiter 19,5 Proz., alles ohne die Kurzarbeiter. Von den Saisongewerben haben die Maurer 44,2 Proz., die Bauhilfsarbeiter 48 Proz., die Zimmerer 43,8 Proz., die Stcinarbeiter 38,4 Proz. Arbeitslose, selbst in den Saisongruppen einen Durchschnitt von 38,1 Proz. und dazu 13,6 Proz. Kurzarbeiter. Das sind erschütternde Zahlen.(Sehr wahr!) Die Akkordverdienste der Bauarbeiter sind nicht so hoch wie der Minister behauptet hat, so daß sie die Regenzeit und die Wintermonate leicht ertragen könnten. Ein: Stalistik der Bau- berufsgenossenschaft ergibt, daß die Bauarbeiter und in, Baugewerbe Angestellten 1927 verdient haben 1766 M., 1928 waren es 1866 M, 1929 wieder nur 1766 M. Dielleicht hat eine klein« Gruppe etwas mehr verdient, aber ausschlaggebend ist der Durchschnitt.(Zurus
von der Wirtschastspartei: lleberhaupt nicht Akkordarbeit!) Da werden Sie wahrscheinlich nicht die Zustimmung der Unternehmer sinden, die stets mehr Akkordarbeit fordern. Eine Ursache des Rückgangs des Baugewerbes ist, daß man den Versicherungsanstalten durch Auferlegung von Zwangsanleihen die flüssigen Wittel weggenommen hat. Gerade dies hat allgemeines Mißtrauen in die Zukunft hervorgerufen, und die monatelange Unmöglichkeit, rechtzeitig Auslandskapstal zu anständigen Bedingungen hereinzubekommen. Dadurch sind die Ver- hälMisse auf dem Baumarkt so ungünstig gestaltet worden. Ich be- zweifle, ob das Arbeitsbeschaffungsprogramm gutmachen kann, was man in der günstigsten Zeit des Jahres bereits versäumt hat.(Sehr wahr! links.) In den ersten fünf Monaten dieses Jahres hat!:n wir durch- schnittlich 2,3 Millionen Arbeitslose: ihre Zahl müßte für die tolgen- den sieben Monate auf 1,3 Millionen hsruntergehen, wenn der Jahresdurchschnitt nur 1,6 Millionen betragen soll. Diese Regie- rungsschätzung wird nicht zutreffen. Nun will der Entwurf 116 Millionen einsparen. Die Befreiung der Jugendlichen unter 16 Iahren von der Versicherung trifft in erster Reihe die Ungelernten, denn die Lehrlinge sind schon jetzt be- freit. Die Befreiung der gering Beschäftigten ist eine außerordentliche Gefahr für die Heimarbeiter.' Die Befreiung der Hilfsbedürftigen richtet sich in erster Linie gegen die Städte, deren Fürsorgeempfänger die Anwartschaft nicht mehr werden erreichen können. Diese Vorschläge sind in ihrer überwiegenden Zahl gegen den willen der freien Gewerkschaften zustande gekommen. Nicht übernommen hat die Regierung den Vprschlag, die Befreiung des ländlichen Gesindes von der Versicherungspflicht wieder aufzu- heben.(Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Dagegen wird eine gewisse Vedürftigkeitsprüfung eingeführt, die eine außerordentliche Verschärfung bedeutet. Man verdoppelt die jetzigen Sperrfristen von 4 und 8 Wochen. Diese Sperrfristen werden nicht hintereinander abgebüßt, sondern infolge der Eigenart des Arbeitsmarktes kann es vorkommen, daß jemand, der vorübergehend Beschäftigung annimmt, bis zu einem halben Jahr unter dem Diktum der Sperrfrist liegt, der Entwurf aber verlängert die Sperrfrist auf mindestens 16 Wochen. (Hört, hört! links.) Die Unterstützung soll nicht mehr nach dem tat- sächlichen Arbeitsverdienst, sondern nach dem Grundlohn berechnet werden. Dadurch würde jeder, der auch ohne seinen willen unterversichert ist. zu Schaden kommen, weiter werden jene, die es nach einem vorauf. gegangenen Anlerftützungsbezug nicht wieder auf neue 52 Wochen- beitrage bringen können und unschuldig in Rot geraten sind, außerordentlich schwer bedroht. In Zukunft soll jeder Arbeitslose 14 Tag: Wartezeit haben, bisher palt das nur für die Jugendlichen. Ferner soll das Einkommen eines Ehegatten auf die Unterstützung des anderen Gatten angerechnet werden. Hier wird auf kaltem Wege ein« Bediirfnisprüfung ein- geführt, die in striktem Gegensatz zum Gesetz und zu den Pflichten der Reichsanstalt steht. Schließlich soll die Entschädigung, die jemand wegen unberechtigter Entlassung erhält, auf die Arbeitsloienunter- stützung angerechnet werden, was den Fortfall dieser Entschädigung bedeutet. Das sieht noch einer gewissen Billigkeit aus, wie die Ersparnis an jemanden, dem man es zumuten kann. Aber in Wirk- lichtest schafft man damit eine außerordentliche Rechtsunsicherheit, denn wer wird noch als Betriebsrat Kopf und Kragen riskieren, wenn ihm dos gesetzlich gewährleistete Recht aus Entschädigung im Fall unberechtigter Entlassung entzogen wird?(Lebhafte Zustimmung oer So� Wir werden das Gesetz im Ausschuß auf das genauest« prüfen. Di« Wirtschaft ist schlecht geleitet und falsch beraten, wenn sie die Löhne drückt. wir haben stets der Steigerung des Exports das Wort geredet, aber unser Export beträgt nur 26 Proz, und noch weniger von unserer Gesamtproduktion; die übrige,, 86 Proz. müssen vom Inland ausgenommen werden, das kann aber nicht durch Lohnsenkung erreicht werden und nicht durch Verschlechterung der sozialen Gesetzgebung. Als Wahrerin und Lerkünderin der Lebensintercssen des deutschen Volkes geht die Sozialdemokratische Partei auch an diese Arbeit in der Entschlossenheit, nicht nur die Arbeitslosen vor Verelendung zu schützen, sondern jedes Mittel anzuwenden, das sie wieder in Lohn und Brot bringen kann.(Lebhafter anhaltender Beifall der Soz.) (Schluß des Reicks tagsberichts in der 2. Beilage.)
Schwerindustrie hat er Nachrichtenagenturen und Provinz blätter erworben, und schließlich hat er die Inflation benutzt, um Hunderte von kleinen und kleinsten Blättern aufzukaufen. Northcliffe, Rothermere, Beaverbrook sind in ihrem Genre Erscheinungen, denen man einen gewissen genialen Zua nicht absprechen kann. Aber Hugenberg?! Wer dieses rosige Feldwebelgesicht einmal gesehen, wer diesen Krieger- oereinsredner einmal gehört, wer seine geschwollenen und dabei erschreckend geistesarmen Ausführungen gelesen hat, dem wird es ewig ein Rätsel bleiben, wie ein solcher Mann eine derartige Stellung in einer einstmals großen Partei erwerben konnte. Die Macht des Geldes erklärt zwar vieles, aber doch nicht alles. Hugenbergs Aufschwung mar nur möglich durch die abgrundtiefe Charakterlosigkeit eines großen Teils der Anhänger der Deutschnationalen Volks- parte!. Baldwin kämpft wenigstens gegen die beiden politischen Parvenüs, die nun mit ihrem Geld und mit ihren Zeitungen den Kurs der Partei bestimmen wollen. Aber Westarp? Der deutschkonservative Graf hat alle möglichen unangeneh- men Eigenschaften, aber selbst sein schärfster Gegner wird ihm attestieren müssen, daß er sauber ist. Auch Baldwins Integrität ist in England geradezu sprichwörtlich, und darauf beruht zum großen Teil seine Stärke und sein Ansehen. Während aber Baldwin den Kampf mit den reichen Zeitungs- königen aufgenommen hat, ließ Westarp seinen Antipoden Hugenberg jahrelang gewähren. Er versuchte zu lavieren, nahm jedes Kompromiß an, überließ zunächst die Partei- führung dem von ihm innerlich tief verachteten Hugenberg, um wenigstens die F r a k t i o n s führung zu behalten. Dann mußte er auch diese niederlegen und Oberfohren, einem „jungen Mann" Hugenbergs, überlassen. Heute noch hat er nickt den Mut, das Joch Hugenbergs abzuschütteln, weil er weiß, daß Hugenberg mit seinem Gelde den deutschnatio- nalen Parteiapparat beherrscht. Baldwin sagte am Dienstag:„Die Parlamentskandi- daten, mit denen Beaverbrook und Jeuhermere uns drohen, werden stinken." Mit dem Äelde, das er aus seinen Jnseratenplantagen, aus seinen rechts- und linkshändigen „Heirats"-Annoncen, aus. den Anzeigen über„Massage- Salons" und Nachtlokale fchöfift, wird Hugenberg den Wahl- feldzug s e i n er Kandidaten finanzieren und die wirklich kon- fervativen Elemente, die Anhänger Westarps, verdrängen. Wird dos konservative Bürgertum in England den Kampf gegen die Presselords und ihre„stinkenden Kandidaten" ge- Winnen? Das deutsche konservative Bürgertum hat ihn gar nicht erst geführt und infolgedessen schon verloren.'
Gerichisstrafen in(Schweidnitz . Die Krakeeler kommen aber sehr milde weg. Schweidnitz , 27. Juni(Eigenbericht). Die Tuinultszenen der Nationalsozialisten in der Donnerstag- Sitzung des Schweidnitzer Prozesses sind nicht ohne Folgen geblieben. Zum Schutze der Verhandlung fins seit Freitag Polizei- beamte im Gerichtsgebäude postiert. Am Freitag erklärte der Vorsitzende vor Beginn der Ver- Handlungen zu den Ausschreitungen:„In der gestrigen Sitzung haben die Angeklagten zweimal einen schweren Exzeß veristst. Sie haben sich in der ungehörigsten Weise benommen und durch, Schreien, Johlen und Aufschlagen auf die Bänke die Fort-- führung der Verhandlung unmöglich gemacht. Das Gericht er-- kennt aber an, daß sich die Angeklagten durch die Aeußerungen des Rechtsairwalts Fördcr, der von Nationalbolschewisten und lünstlicher Erregung gesprochen hat, mgßlos erregt worden sind.' Das Gericht hat deshalb beschlossen, unter Berücksichtigung dieser Umstände von einer an sich verwirkten Haftstrafe abzusehen und die Angeklagten wegen ihres ungehörigen Benehmens mft einer Ordnungsstrafe von je 56 Mark, im Unvermögenssolle mit. 2 Tagen Haft, zu belegen."' Diese Verurteilung der Angeklagten steht in keinem Verhältnis zu der Schwere ihrer Exzesse.
Preußen greift durch. Nationalsozialistischer Kriminalsekretär entlassen. Der preußische Innenminister hat gegen einen Kriminalsekretär in Hannooer wegen aktiver und in der Oefsentlichkeit aufjallen- der Betätigung für die National sozial! st ische Deutsche Arbeiterpartei das Disziplinarverfahren mit dem Ziele der Dienstentlassung eingeleitet. Gleichzeitig hat der Innen- � minister den nationalsozialistischen Beamten mit sofortiger Wirkunz seines Amtes enthoben. Der Kriminalsekretär hat wiederholt für Versammlungen der Nationalsozialisten Propaganda gemacht, den Vorsitz in Bersamm- lungen der Nationalsozialisten geführt und als Versammlungsleiter gehässige Angriffe gegen die Staatsregierung und Staatssorm ge- duldet. Dadurch hat er sich nach der Auffassung des preußischen Innenministers gegen d!« Pflichten, die ihm fein Amt auferlegt, vergangen und sich der Achtung, des Ansehens und des Vertrauens, die fein Beruf erfordert, unwürdig gezeigt.
Mißtrauensanirag der GpO. Weimar, 27. Juni. Am Freitagvarmittag bracht« die sozialdemokratische Fraktion im Thüringer Landtag einen Mihtrauensantrag gegen die nationalsozialistischen Regieruiigsmitglieder, Staatsminister Dr. Frick und Staatsrat Marschler, ein. Eine Begründung ist dein Antrag nicht beigefügt. Getarnter Stahlhelm. In der neuesten Nunimer der„R« i ch s b a n n« r z e i t u n g" wird darauf hingewiesen, daß der„R h« i n i s ch e Heimat- b u n d", dem eine Reihe führender Persönlichkeiten des rheinisch- westfälischen Industriegebiets angehören, neuerdings dem im Rheinland - verbotenen„Stahlhelm" als Deckung?- organ diene. In letzter Zeit feien auffallend viele Gruppen dieses„Heiwat-Bundes" gegründet worden.
Mit dem Flugzeug nach Breslau desertiert ist«n tschechischer Leutnant: er landet« am Freitag nachmittag auf dem Gandauer Flugplatz und gab an. sich von der Truppe aus persönlichen Gründen entfernt zu haben. Der Flieger wurde vorläufig als Descrteuer in Gewahrsam genommen. Die Außenminister der kleinen Entente haben ein Statut dieses Staatenbundes unterzeichnet.
Ofthilfe vor dem Ausschuß. Sozialdemokratische Forderungen zur Landarbeitersiedlung. Der Reichstagsausschuß für O st fragen begann am Freitag mft der Beratung des O ft h i l s e g e s« tz e s. Nach Abschluß der Beratungen des Ausschusses wird sich der Haushalt--- ousschuß des Reichstages noch mit dem Gesetzentwurf beschäftigen und ihn auf seine finanziellen Auswirkungen hin prüfen. Der Vertreter der Reichsregierung oersicherte am Freitag im Verlauf der Beratungen, daß die Rcichsregierung an ihrem Programm festhalte und im Laufe von 5 Iahren je 56 Millionen Mark an Zwischentrediten für die landwirtschaftlich« Siedlung in dünn- bevölkerten Gebieten zur Verfügung stellen werde. Di« an den vorgesehenen 256 Millionen Mark noch fehlenden Summen sollen in den Rechnungsjahren 1936 und 1931 bereitgestellt werden. Da es angesichts der Finanzlag« des Reiches nicht möglich sei, zur Fort- setzung der Siedlung fortlaufend iieue Zwischenkreditmittel bereit- zustellen, sollen die Zwischenkredite durch einen auf dem Kapital- markt zu beschaffenden Dauerkredit abgelöst werden. Me frei werdenden Zwischenkreditmittel seien in vollem Umfang wieder für neu« Siedlungsverfahren zu verwenden. Abgeordneter M e r t i n s(Soz.) verwies darauf, daß die Be- stimmungen des Reichssiedlungsgesetzes, wonach oerdrängte Land- arbeiter bei der Siedlung zu berücksichtigen sind, uur auf dem Papier stünden. Von den 16 666 Londstellen, die in der Zeit von 1923 bis 1928 geschaffen worden sind, entfielen nur 475 auf Ar- beiter, Angestellte und Beamte, der kleiner« Teil dieser Stellen sei sicherlich nur durch Landarbeiter besetzt. Die gesetzliche Bestimmung habe deshalb versagt, weil die Landarbeiter nicht über die erforderlichen Mittel verfügen. Deshalb stelle seine Partei den Antrag,„aus den im Gesetz zur Verfügung gestellten Mitteln Anzahlungskredile an mittellos«, aber sachlich geeignete Ar- beiter slüfsig zu machen. Di« Ausführungsbestimmung dazu habe der Reichsarbeitsminisier im Benehmen mit dem zuständigen Reichstagsausfchuß zu erlassen". Obwohl sich auch der Regierungs- Vertreter grundsätzlich mit diesem Antrag einverstanden erklärte, wurde er von den bürgerlichen Parteien abgelehnt. Bei der Beratung des Umschuldungsparagraphen, die den Reichsfinanzminister zur Uebernahme von Bürgschaften für 466 Millionen Mark Umschuldungsdarlehen und 256 Millionen
Mark Ablösungsscheine ermächtigt, betonte Abg. Schmidt- Köpenick(Soz.), bah hier eine Ermächtigung gefordert werde. die wegen der politischen Verhältnisse und der Höhe der Summe stark« Bedenken hervorrufe. Auch der Abg. S chl a n g e- Schö- ningen habe zugegeben, daß bankrotte Betriebe nicht gestützt werden dürften. Das sei aber allzu oft geschehen, wie überhaupt bei der Verausgabung von Mitteln Vetternwirtschaft getrieben worden sei. Es sei auch unmöglich, auf Jahre hinaus Mittel zu bewilligen, wie das im vorliegenden Gesetz gefordert wird.
Die Spannung im Mansfelder Revier. Sine sozialdemokratische Anfrage im Landtag. Die sozialdemokratischen Abgeordneten Christange und Drescher(Halle ) haben im Preußischen Landtag folgend« An- träge eingebracht: „In dem Mansfelder Arbeitskonflikt niacht sich bei verschiedenen Landjägern, die zum Schutze von Arbeitswilligen von auswärts herangezogen wurden, ein« starte Nervosität bemerkbar, die schon zu schweren Zusammenstößen geführt hat, trotzdem die Arbeiter- schast anerkanntermaßen ein« bewundernswerte Selbstbeherrschung bewahrt. So haben sich in den Orten Hettstedt , Gr.-Oerner, Siers- leben, Augsdors in dieser Woche Dinge zugetragen, die sofortige Abhilfe erfordern. Rücksichtslos wurde von einigen Landjägern auf Passanten wahllos eingeschlagen: Gewerkschaftsangestellte, die be- ruhigcnd einsprachen, wurden gleichfalls mit Gummiknüppeln traktiert, nachdem schon einige Zeit vorher ähnliche Vorkommnisse aus Eisleben gemeldet wurden. Diese bezeichneten Landjäger üben offene Parteinahm« für die Mansfeld-A.-G. Wir fragen: Ist die Staatsregierung über die gespannt« Situation im Mansfelder Gebiet unterrichtet? Ist sie bereit, diejenigen Beamten, die ihrer Aufgaben in diesem Wirtschafts- kämpf nicht gewachsen sind, abzuberufen?