3)er Uioyoi und feine Familie Ein heiteres Indianer mär chen/ SrmähH ton 9£ans tftudolf tRieder
Der Sorjot lebte mit seiner Frau, einem Sohn und einer Tochter. Sie lebten im Walde , es ging ihnen so, daß sie meist nicht mußten, was sie essen sollten. Eines Morgens zog die Frau mit den Kindern los, um Holz zu holen. Sie hackte die Aestc des umgefallenen Baumes heraus, da sprang plötzlich ein Hirsch aus, der sich in dem Gesträuch verkrochen hatte. Es lag tiefer Schnee, der Hirsch brach bis zum Bauche ein. Di« Frau sprang rasch hinzu und sing ihn am Schwänze. .Laust, holt den Vater, daß er den Hirsch schießt!" Die Kinder eilten noch Hause:„Komm schnell. Die Mutter hat einen Hirsch gesangen. Du sollst ihn schießen." Er lief hinaus, hockt« einen Ast von einem Baum und ein paar Stöcke aus einem Strauch.„Geht zurück. Sagt, ich komme gleich." Dann warf er die Stöcke fort und suchte sich zwei andere. Er lies wieder in die Hütte. Die Riemen an den Schneeschuhen fehlten,'er machte sich neue. Er ging eine Streck« und kehrte wieder um.„Jetzt werden wir ja genug zu essen haben." Er holte den Sack mit getrockneten Beeren, schüttet« ihn au» und verzehrt« den ganzen Inhalt. Nun niachte er sich einen Bogen und zwei Pfeile. Dann zog er los. Die Frau hielt noch immer den Hirsch am Schwanz. Zuerst stampfte sich der Koyot vor einem Baum den Schnee fe't, damit er gut stehen könne. Dann zielte er. Dann rief er:„Laß jetzt los!" Sie ließ den Hirsch los. Der Hirsch begann zu laufen, und der Koyot schoß. Erst lief der Hirsch auf der harten Schneekrust«, in dem Augenblick, als der Koyot schoß, sank er tief in den Schnee,— der Pfeil flog über ihm hinweg. Der Koyot zielte und schoß wieder. Da kam der Hirsch an ein« harte Stell« im Schnee und stand hoch,— der Pfeil flog unter ihm durch. Der Koyot hatte kein« Pfeile mehr, und der Hirsch lief davon. Der Koyot warf ihm noch seinen Bogen noch. Nun standen ste da. Di« Frau sprach:„Ich habe Hunger, ich gehe nach Hause." Das klein« Mädchen weinte, es mochte nicht mehr gehen. Die Frau mußte es auf dem Rücken trogen. Der Knabe weinte auch. So kamen sie in die kalte Hütte.„Wer hat die ganzen Beeren gegessen?" Nichts war mehr übrig von ihrem Wintervorrat. Di« Frau nahm da» Mädchen wieder auf den Rücken, alles andere warf sie hin und ließ es liegen.„Das war nun die letzt« Enttchlschuqg. Ich habe genug von solch einem Leben." Sie ging mit der Tochter davon. Der Koyot blieb mit seinem Sohne allein. Miskolum hieß der Knabe, das Mädchen Quotaptsek. Miskolum begann zu weinen. „Weine nicht. Die Mutter wird schon wiederkommen, wenn sie hungrig wird. Wo sollte ste auch hingehen?" Di« Frau kam ober nicht wieder. Hungrig war sie schon, als sie fortzog. Sie ging durch den Wald zu anderen Leuten und blieb bei ihnen. Ein paar Tag« warteten der Koyot und der kleine Miskolum, dann zogen sie ebenfalls fort, sie folgten der alten Hirschspur. Sie wanderten umher und kamen an«inen Bibcrdamm.„Nun werden wir bald zu essen haben." Der Koyot ritz den Damm ein, daß das Wasser abfloß und das Biberhaus im Trockenen stand. Er griff hinein, zog einen jungen Biber heraus und schlug ihn gleich tot. Die Biber sprachen:„Der Koyot ist außen. Er wird uns alle umbringen. Wir müssen uns verstellen." Sie bissen sich in die Lippen: alz er sie herauszog, ließen sie Blut aus dem Maule tröpfeln und stellten sich tot. Der Koyot freut« sich:„Seid ihr schon tot!" Da» ist gut. dann Hab' ich keine Arbeit." Er legte die Biber nebeneinander ans User und ging, um Feuerholz zu holen. Bor. her band er die Biber mit den Schwänzen an dem kleinen Mis- kolum fest. Kaum war er außer Sicht, so standen die Biber auf:„Ich mein«, wir gehen nun wieder ins Wasser." Sie sprangen in das tiefe Wasser und zogen den schreienden Miskolum mit. Der Knabe schrie:„Dater. Vater!" Das Hörle der Koyot und kam zurück. Er sah noch die Füße
seines Sohnes aus dem Wasier stecken. Di« ergriff er und zog ihn heraus, die Biber bissen sich inzwischen los. Nun hotten die beiden nichts als den kleinen Biber zu«siem Der Koyot röstete ihn und zerlegte ihn. Die setten, weichen Stücke gab er dem Miskolum, das zähere Fleisch behielt er für sich. Als aber der Knabe zu esien begann, sagte er:„Komm, wir wollen tauschen." Er atz selbst die fetten Brocken, er aß viel schneller als der Knabe. Als er mit seinem Teil fertig war, verzehrte er auch noch das Uebriggebliebene von dem anderen. Miskolum begann zu weinen. „Weine nicht. Wir werden jetzt weiter wandern." Sie gingen dahin, es war sehr kalt. Der Koyot mußte den Knaben tragen, es wurde immer kälter. Er glitt aus und rutschte eine lange Strecke den Berg hinab, bis er mit dem Knaben gegen einen Baum schlug. Er stand auf. Der kleine Miskolum log da und verzog das Gesicht.„Lachst du darüber, daß ich abrutschte? Ich will'es dir noch einmal vormachen, es ist wirklich lustig." Er stieg hinauf und ließ sich noch einmal herunterrutschen. Der Knabe machte stets das gleich« lachende Gesicht, so rutschte der Koyot immer von neuem herab.„Freut es dich? Worum lachst du nicht manchmal laut?" Er ging hin und ergriff den Knaben. Da sah er, daß er tot war, er war erfroren.„Nun ist er erfroren, und ich wollte ihm Spaß machen." Der Koyot wandert« weiter, er kam jetzt rascher vorwärts. Er gelangte in em Dorf. Ein großes Zelt stand dort, und er spähte hinein. Drinnen saß eine jung« Frau mit dem Rücken zur Türe gewandt, ein Kind lag in der Wieg«. Die Frau gefiel dem Koyoten. Er dachte bei sich:„Wenn die Frau allein wäre, möchte ich gern zu ihr gehen. Aber das Kind ist im Wege. Ach was, ich kann dos Kind auch tottreten." Von seinen Gedanken fing dos Kind zu weinen an. Aus einem Nsbenzelt kam eine Frau herbei, es war die Frau des Kyoten. „Warum hast du das Kind erschreckt? Es ist dein Enkelkind. Deine Tochter Hot hier den Häuptling geheiratet." Die Frau fragte weiter:„Wo hast du unseren Sohn Miskolum gelassen?"„Er ist im Walde erfroren."„Das hätte ich mir denken können, daß er es bei dir nicht gut hoben wird."„Geht es euch hier gut?"„Komm mit in mein Zelt, ich gebe dir zu essen." Er ging mit ihr und bekam reichlich zu essen. Die Frau sprach:„Bleib heute hier im Zelt. Die Männer zogen auf die Hirschjagd. Wenn sie am Abend heimkehren und beisammen sitzen, so setz dich nicht gleich zu ihnen. Warte erst bis morgen." Der Koyot freute sich nun, einen Häuptling als Schwiegersohn zu haben. Am Abend hörte er die Männer drüben im Zelt des Häuptlings. Sie saßen und verzehrten das frische Fleisch. Der Koyot stand aus und ging auch hinüber. Er trat in den Kreis an den Platz neben dem Häuptling. Wie er sich setzen wollte, schob ihn jemand gegen die Wand. Sie reichten Fleischstück« herum, der Koyot streckt« die Hand aus und griff nach einem Stück.„Es ist nicht für dich. Es ist für den nächsten." Sie reichten immer die Fleischstücke an ihm vorbei, er bekam gar nichts. Nachdem sie gegessen hatten, erhoben sie sich und gingen. Der Koyot stand ebenfalls auf. Er sucht« nach seiner Manteldeck«. Sie lag bei der Tür« und war ganz schmutzig. Die anderen hatten sich die Füße daran abgewischt. Der Koyot saß im Zelt bei seiner Frau. Cr war wütend über die Männer. Er sprach:„Was denken sie eigentlich? Bin ich ein Niemand? Ich werde ihnen schon zeigen. Morgen werde ich es ihnen zeigen." Di« Frau gab ihm zu essen.„Red' nicht so laut. Du könntest sie noch ärgerlich machen." Drüben aus dem Häuptlingszelt sprach ein« Stimme:„Wer ist der fremde Kerl? Nun redet er auch nach. Man müßte ihn totschlagen" Der Koyot trat hinaus. Da blies der Wind, daß das Zelt klatschte. Da lief der Koyot erschreckt davon und wandert« weiter.
3)as verängftigte tKind
Ton ä)r. OL WeHael
Als ich kürzlich eine mir bekannt« Familie besuchen wollte und an der Vorsaalttrr klingelte, hörte ich'schon von draußen lautes Weinen. Ich mußte nochmalz klingeln, bis mir die Kinder össneten. Die Eltern waren kurz« Zeit weggegangen, ur�» in ihrer Aowesen- heit hatte der elfjährige Fritz beim Spielen versehentlich mit dem Arm eine Vase heruntergeschlagen, die in tausend Scherben am Boden lag. Fritz, den ich nur als stilles, etwas gedrücktes Kind kannte, schluchzte zum Herzerbrechen, klammerte sich an mich und beschwor mich, ihn mitzunehmen, denn er fürchte sich so vor den Eltern und bekäme gor solche Schläge Meine Beschwichtigungs- verfuche nützten nichts, und er blieb fassungslos, bis ich ihm ver- sprach, wenigstens bis zur Ankunft der Eltern dazubleiben. Diese waren in der Tat aufs höchste erregt und wollten sofort eine „exemplarische" Bestrafung vornehmen. Erst im legten Augenblick gelang es mib,, sie zu einer ruhigen Aussprache auf die Stühle zu zwingen. Diese dauerte«ine Stunde, und wenn der Bater auch schwer zu überzeugen war, so gelang es mir, bei der Mutter Boden zu gewinnen, und damit war die nötige Bresche geschlagen. Leider waren es viel Binsenwahrheiten, die ich ihnen vorsichtig beibringen mußte: vom Strafen in der Erregung, von der Einrichtung und Ausschmückung eines Zimmers, das als Aufenthaltsort der Kinder dient, vom Bewegungstrieb der Kinder, von versehentlichen Hand- lungen, die jedem Erwachsenen genau jm passieren können, von einem hübschen Worte Theodor Fontanes, das ich in feinen„Kinder- jähren" gerade gelesen hatte: daß nämlich„beschränkte Leute von der Erziehungsvorstellung die Vorstellung der Strafe nicht trennen könnten", und schließlich von all dem, was sie mit einer solchen Be- Handlung des Kindes heraufbeschwören! Wie leicht kann ein der- ortig oerängstigtes Kind zu einer unüberlegten, verzweifelten Hand- lung getrieben werden, wie leicht auch auf den Weg der Lüge und damit auf die Bahn einer zunehmenden Entfremdung zu seinen Eltern! Ein Kind wird ja nicht nur von seinem Bewegungstrieb, son- dern überhaupt von den Eigentümlichkeiten seines Charakters und seiner Anlogen viel stärker beherrscht als der Erwachsene. Drückt aber die Autorität de» Erwachsenen zu sehr auf das Kind, versuchen die Eltern gar, ihm seine Welt zu rauben und in die junge Seele etwas hineinzuzwingen, wofür die Natur in ihr keinen Lebensbodsn geschaffen hat, so ersticken sie des Kindes Eigenpersönlichkeit und vernichten bodenständige» Leben. Aeußerlich zeigen solche Kinder stet« ein verängstigtes, verschüchtertes Wesen. Man hüte sich also davor, dem Kinde etwas als schlecht einzureden, was es als«inen Teil seines Wesens in sich fühlt und was zu pflegen ihm Bedürfnis und Seligkeit ist. Man oermeide es, ihm fortwährend zu sagen:
„Du kannst nichts, aus dir wird nichts!" Nein, es gilt lebendig zu machen, nicht zu ersticken und zu ertöten! Nur so wird das Kind einmal eine starke, zielsichere Persönlichkeit. Mitunter schreibt sich die Vcrängstigung des Kindes auch aus einem anderen Erziehungsfehler her, aus der Unsitte, ihm allzu pliantastische, ja furchterregend« Geschichten zu erzählen, bei denen man das Gruseln lernen kann. Werden derartige Vorstellungen einer drohenden Gefahr oder auch nur schreckhafte Bilder in die Kindesseele gepflanzt, so kann schon di«�, Erwartung von etwas Unbekanntem, was nicht in den alltäglichen Vorstellungskreis hin- einpaßt, im Kinde gewohnheitsmäßige Angstzustände hervorrufen. Es ist oft st-hr schwer, derartig verängstigten Kindern wieder die Welt des Wirklichen mit ihren Maßstäben zum unverlierbaren Be- wußtseinsinhalt zu machen. Nur ruhiger Zuspruch, Geduld und schließlich reger Verkehr mit den verschiedensten gleichalterigen Ge- spielen werden hier zur Gesundung führen und das Kind zum Selbst- oerttauen gewöhnen. Don Pestalozzi stammt das Wort:„Menschen sind Rätsel yon Gott." Es ist nicht oerwunderlich, daß sich gerade ihm, einem der ersten, der tiefer in die Seele des Kindes zu forschen wußte, diese Beobachtung immer wieder aufdrängte. Liegt doch auch die Viel- fältigkeit menschlicher Wesensanlagen in der Jugend ganz besonders klar zutage! Ein solches Rätsel sind süt den Erzieher oft die- jenigen Kinder, deren Gefühlsleben besonders stark entwickelt ist. Sie pflegen heutzutage nicht die große Meng« auszumachen, finden sich aber unter Knaben genau so häufig wie unter Mädchen. Sie sind femer besaitet als die anderen, ojt ruhen in ihnen künstlerische Anlagen, aus denen bei rechter Pflege und Beachtung Bedeutendes werden kann: mitunter fehlt ihnen aber die Brücke, die vom Kinder. land in die wirkliche Welt führt. Schüchtern bis zur Aengstlichkeit, werden sie rot und verlegen, sowie man sie nur anspricht, und unter ihren robusteren Kameraden fühlen sie sich vereinsamt, zumal sie bäufig in der Abgeschlossenheit der Kinderstube aufgewachsen sind. Karl Scheffler schildert in seinem„Jungen Tobias"«inen solchen Knaben und sucht gleichzeitig nach einer Erklärung seines Wesens: „Die Verlegenheit war ihm wie«in körperlicher Zwang, sie war wie ein« Lähmung... von den fremden Menschen ging für ihn ein Strom von Willen und Kraft aus, der ihn vollkommen oerwirrte. Vor dem, was ihm stärker erschien, wurde der Knabe verlegen, weil er sich selber gering vorkam. Es sst schwer zu sagen, was es iNit dieser peinigenden Verlegenheit auf sich hat, ob die Verlegenheit mehr etwas Körperliches von feitet» der Nerven ist oder etwas rein Seelisches, dergestalt, daß seelssche Kräfte mit Hilfe ftr Verlegenheit Absperrungsmaßregeln gegen die Außenwelt ergreisen, um in der
ihnen wesentstchen Entfastung nicht von außen g«stärk zu werben.* E» bedarf keines Wortes, daß gerade hier eine zielbewußte Leitung des Kindes vonnöten ist, daß nian es früh an fremd« Gesichter, Menschen und Eindrücke gewöhnen muß. Mit Geduld und sachlichem Zuspruch wird auch hier allmählich der rechte Ausgleich zwischen einer derartigen Charakteranlog« und den Erfordernissen der Wirk- lichkeit erreicht werden können. Das verängstigte Kind ist— ganz gleich aus welchen Quellen die Verängstigung stammt— für das später« Leben schlecht gerüstet. Aus derartigen Kindern pflegen die Menschen hervorzugehen, die in- folg« ihres herabgedrückten Selbstbewußtseins niemals Kraft ent- wickeln können und keiner Lage gewachsen sind. Bei ollem, was sie tun, fragen sie nur danach, was die anderen von ihnen denken, und statt Selbstsicherheit und Glaube an sich selbst folgt ihnen wie ein Schatten jene Lebensangst, die es ihnen immer wieder unmöglich macht, das Leben und den Erfolg.zu zwingen. Eltern und Erzieher sollten daher olles tun, um beizeiten einer Verängstigung und Der- schüchtevung des Kindes vorzubeugen!
3)ie Stadl der iOOprosenligen OTioral Ein« neue Sittenordnung, die jeden,. der gegen ihre B-- stimmunaen oerstößt, mit Strafen von 100 Dollars oder 30 Tagen Gefängnis bedroht, sst von dem Bürgermeister der Stadt Willaeoochee im nordamerikanijchen Bundesstaat Georgia kürzlich in Kraft gesetzt worden. Danach ist es jedermann verboten, nach ein Uhr nachts bis-zum Sonnenaufgang in den Straßen der Stadt spazieren zu gehen, es sei denn, daß es für eine solche nächtlich« Wanderung eine stichhaltige, den aufsichtführenden Beamten befriedigende Erklärung zu geben vermag. Als gesetzwidrige Handlung gilt ferner, wenn jemand nach Mitternacht bis zum Morgen ein fremdes Haus be- tritt, sofern er dafür keinen befriedigenden Grund anzugeben ver- mag. Eines strafwürdigen Vergehens macht sich auch jeder ver- heiratete Mann, der nicht geschieden ist, schuldig, wenn er bei einer Fahrt mit einem oder mehreren Mädchen betroffen wird, oder ein Vertreter des starken Geschlechts, ganz gleich, ob verheiratet oder ledig, der nach Mtternacht mit einer Frau oder einem Mädchen eine Spazierfahrt macht. Straflos bleiben nur die Fälle, in denen die ertappten Gesetzesübertreter dem Beamten nachweisen können, daß die nächtlich« Fahrt über jeden moralischen Zweifel erhaben sst. Mr. Davis, der sittenstrenge Bürgermeister der guten Stadt Willaeoochee, sst nicht wenig stolz aus seine moralische Tot.„Ich habe bereit» von verschieben«» Magistraten amerikanischer Städte Anfragen über die Wirksamkeit meiner neuen Verfügung erhalten", erklärt« er.„Ich weiß zwar nicht, ob eine andere Gemeinde dem von uns gegebenen Beispiel bereits gefolgt sst. Ich kann es aber allen Kollegen zur Nachahmung empfehlen, die das ehrliche Streben haben, allerlei Dingen«inen Riegel vorzuschieben, wie sie in vielen kleinen Stäbten aus dem Land leider gang und gäbe sind. Mau würde gleichwohl fehlgehen, wenn man etwa annehmen wollte, daß wir in Willaeoochee drakonisch« Sittengesetz« eingeführt haben, die irgendwie in das Berufsleben obex das private Unterhaltungs- bedürfnis einer Dame oder eines Herren eingreifen. Wir fordern nichts weiter als die Wahrung des öffentlichen Anstandes von denen, die ihre Selbstachtung und mit chr die Achtung vor den anderen verloren haben." TTie ifl der Ruß enlf landen? '„Warum küssen sich die Menschen?" fragt Schessels weiser Kater Hiddigeigei im„Trompeter von Säckingen" und bekundet damit die Verwunderung, die die Tierwelt über diese sonderbare Gewohnheit der Menschheit ergreist. Uns aber erscheint dies- süß« Art der Begrüßung und der Liebkosung so natürlich und selbstverständlich, daß wir uns ein« Welt ohne Kuß gar nicht denken können. Auch dies ist «in Irrtum. Bekanntlich gibt es eine groß« Anzahl von Döll-r- gemeinschcssten, die den Kuß nicht kennen und sich von dieser„sinn- losen Prozedur" schaudernd abwenden. Man braucht ja nur an d:e Japaner zu denken, die erst durch den Film die Kußmode kennen- gelernt haben und sich noch heute gegen sie ablehnend verhalten. Auch bei primitiven Völkern fehlt vielfach der Kuß, und man hat daraus geschlossen, daß e» sich dabei um eine verhältnismäßig junge Neuerung in der Geschichte der Menschheit ljandelt. Es ist ziemlich sicher, daß sich Adam und Eoa nicht geküßt haben, sondern für ihre Liebkosungen dos— Nasenreiben verwendeten.- Der gelehrt« britische Ethnologe Warren R. Dawfcn befchäftizt sich in seinem soeben erschienenen Werk„Der Zügel des Pegasus' mit der Entstehung der Kußsitt- und kommt zu der Pehaupmng. daß der Kuß«in«„entartete"— oder wie wir vielleicht höflicher sagen würden„veredelte"— Form der Zeremonie des Nasenreibens ist, durch die ebenso die alten A-gypter der Pyramide, izeil wie die modernen Maoris von Neuseeland sich begrüßen. Diese Zeremonie wird aus uralten mythilchen Vorstellungen erklärt. Das Reiben der Nasen war eine Erleichterung des Riechens und ursprünglich ein Teil eines heiligen Vorganges, bei dem der Gott den Atem des Lebens in die Nüstern des Königs einblies. Das war die göttliche Methode, um Lebenskraft und Herrschermacht auf den lebenden König zu übertragen und den toten Herrscher dadurch zu neuem Leben zu erwecken. Als dann im Lauf der Zeiten dies« rituell« Zeremonie von den Fürsten auch auf die gewöhnlichen Sterblichen übertragen wurde, wurde da» Nasenrei-ben, d. h. das Einblafen der Lebenskraft in«inen anderen, unter den Völkern als Gruß und Bezeugung einer Freundlichkeit allgemein. Es war eine Weiterentwicklung, als man im europäischen Altertum dazu überging, den Atem direkt von Mund zu Mund zu übertragen, und so-kam e? zu der Berührung der Lippen, die gewiß bald als angenehm empfunden und von den Liebenden eifrig benutzt wurde. So geht also letzten Endes der Kuß auf den Glauben zurück, daß man dem anderen etwas von dem Kostbarsten, was man besitzt, nämlich von seinem eigenen Lebens« odem mitteilt._ Der lehle Engländer am letzten Schandpfahl. Bor 100 Iahren hatten die Londoner zum letztenmal Gelegenheit, einem unterhalt- fomen Schauspiel beizuwohnen, dos Jahrhunderte hindurch der Menge ein« volkstümlich« Unterhaltung geboten hatte. Am 24. Juni 1SZ0 wurde der Pranger in London zum letztenmal benutzt, um einen. Delinquenten, einen gewissen Peter Boß, der des Meineides überführt war, der öfientlichen Schande preiszugeben. Der Ursprung der eniehrenden Strafe-des Prongerstehen» ist nicht bekannt, ober schon im Jahre 1256 war. nach Ausweis eines Bildes, der Pranger in England im Gebrauch. In früheren Zeiten würbe die Sttaie noch durch körperlich« Verstümmelung, wie da» Abschneiden von Nase und Obren oerschärst. Im 16. Jahrhundert, brach sich dann eine mildere Praxis Bahn. Das galt aber auch nur in der Theorie, da es den Zuschauern freistand, ihrer Verachtung nach Gutdünken Ausdruck zu geben. Diese Derachtuna äußert« sich um so brastischer, je unbeliebter sich der Delinquent beim Volk gemacht hatte. In diesem Fall« wurde er häufig genug mit faulen Eiern und anderen Wurfgeschossen bombardiert: es kam sogar vor, daß das Opier gesteinigt wurde. walsischsleisih wird, nachdem das Oet herausgezogen wurde, in Büchsen konserviert und findet unter den E-ingebemenen der Westküste Afrikas bereitwillig« Aufnahme,