suchung eingeleitet worden ift. Kurz nachdem der Artikel er- schienen war, fand eine Haussuchung nach dem Manuskripte in der Redaktion und in der Druckerei statt. Man fand nichts. Seit der Zeit war alles ruhig. Auf welche Ur- fache ist das plötzliche Aufwärmen der Disziplinarsache wider„Unbekannt" zurückzuführen? Im Dezember wurde die Nachforschung eifrig betrieben. Damals wurde uns von einer Seite, die sich als sicher unterrichtet bezeichnete, mit» gecheilt, es sei beabsichtigt, bei allen Registraturbeamten des Magistrats Haussuchung zu halten. Ob der Plan wirklich bestanden hat, wissen wir nicht; einen Rieseneffekt, wenn auch nicht den erwarteten, hätte seine Ausführung gehabt. Nun ist ein starkes Vierteljahr vergangen, und auf einmal platzt die Untersuchung gegen„Unbekannt" über unser Blatt herein. Uebrigens erlauben wir uns eine kleine, bescheidene Frage: Ist denn bei der Stichwahl 1893, als die Depesche über die an- geordnete Verhaftung des Genossen Kunert vorzeitig veröffentlicht wurde, auch eine Untersuchung gegen„Unbekannt" eingeleitet worden?* Wir bitten um gefällige Antwort."— Das ZeugnistzwanaSderfahren gegen die„Saale Zeitung" nimmt, wie diese selbst mittheilt, auch nach der erfolgten Aufhebung der Zwangshaft ihren Fortgang. Die Ent- scheidung des Oberlandesgerichts Naumburg ist in allernächster Zeit zu erwarten. Wie ferner dem„Hamb. Korr." aus Berlin gemeldet wird, sind die Herausgeber hiesiger großer Zeitungs- Korrespondenzen als Zeugen vernommen worden, um die Beamten zu ermitteln, welche die vorzeitige Veröffentlichung von Gesetzentwürfen verschuldet haben. Einen afrikanischen Sieg haben die Italiener zu verzeichnen. Zwar nicht über den grausanHn Menelik , der sich durchaus nicht besiegen lassen will, sondern nur über eine Schaar Derwische. Ein Telegramm aus M a s s a u a h vom 3. April meldet darüber: Oberst Stevani sandte am 2. d. M. II Uhr nachts aus Kassala folgende Depesche an General Baldissera: Das sechste Eingeborenen- Bataillon war in Sabderat geblieben mit dem Befehl, heute früh die südlichen Abhänge des Berges Mokram zu besetzen, um der Karawane, welche Lebensmittel nach Kassala gebracht hatte, den Abzug von dort zu erleichtern. Um 4 Uhr nachmittags wurde das vorgenannte Bataillon von den Derwischen in der überlegenen Zahl von SOCK) Mann Fußtruppen und Reitern unter der Führung verschiedener Emire heftig an» gegriffen. Auf die mir von diesem Angriff überbrachte Nachricht marschirte ich mit sämmtlichen mir zur Verfügung stehenden Streitkräften einschließlich einer Gebirgsbatterie von 4 Geschützen und einer Abtheilung Kavallerie vorwärts und überraschte den Feind, welcher nach kurzem, heftigem Feuer zurückgeschlagen wurde. Auch ein nochmaliger Angriff der Derwische, welche durch mehrere Abtheilungen von Tukruf her verstärkt worden waren, wurde abgeschlagen. Der Kampf begann um S Uhr nachmittags und endete um 9 Uhr abends. Unsere Ver- luste belaufen sich, soweit bis jetzt festgestellt wurde, auf etwa hnndert Todte und Verwundete. Unter den Verwundeten be- sinken sich der Hauptmann Brunelli und der Major Amadost Der Feind erlitt bei seinem überstürzten Rückzug nach Tukruf starke Verluste, im Augenblick kann jedoch eine genaue Zahl nicht angegeben werden. Die Haltung unserer Offiziere und Truppen war ausgezeichnet, trotz eines zehnstündigen Marsches bei außerordentlicher Hitze und Waffev Mangel. Morgen Mittag lasse ich die Karawane abgehe». Das ist nicht viel. Aber trotzdem haben die crispini- schen Chauvinistenorgane den Muth, wegen dieses herrlichen Sieges, der die Kriegstüchtigkeit der Italiener beweise, die Fortsetzung auch des Feldzuges gegen Abessynien zu ver- langen.— Südafrika nehmen die Dinge eine üblere Wendung für die Weißen in den Aufstandsgebieten Rhodesias, da der Ausbruch der R i n d e r p e st in den südlicheren Land- strichen den ausschließlich durch Ochsenwagen betriebenen Transport erschwert. Ueberdies sind die Eingeborenen in Betschuanaland durch die zwangsweise Tödtung ihres von der Rinderpest befallenen oder bedrohten Viehes in große Aufregung versetzt worden, so daß man sogar auch dort einen Aufstand befürchtet. In der Ortschaft Maseking im Betschuanaland herrscht große Aufregung. Die Farmer bringen ihre Familien nach der Stadt in Sicherheit. Eine Versammlung der Einwohner von Maseking bat den Gouverneur der Kapkolonie , ihnen Truppen zu Hilfe zu senden. In Kapstadt befürchtet man jetzt, daß im ganzen 200 Weiße durch die Matabeles ermordet worden sind.— In Johannes- bürg find 400 Mann ausgehoben, um den Truppen in Bulu- wayo zu Hilfe zu kommen, aber es heißt, daß die Bevölkerung von Rhodesta nicht sehr geneigt sei, die Hilfe der Uitlanders anzunehmen. Stimmung, daß wir die Nachsicht des Gottes des Propheten bedürfen, wenn dieser der wahre ist. Bekanntlich gelten für die Gläubigen sieben Pilgev fahrten nach Kairuan ebensoviel als eine nach Mekka . Nach ein oder zwei Kilometer dieser erschöpfenden Wanderung sehen wir im Nebel in der Ferne vor uns einen dünnen, spitzen, kaum sichtbaren Thurm, dessen graue Spitze sich in den Wolken verliert, eine unbekannte und fesselnde Er- scheinung, die allmälig deutlicher wird, und die Gestalt eines in den Himmel ragenden zierlichen; Minarets an- nimmt, ohne daß man etwas anderes außer ihm er- kennen kann. Wir marschiren langsam diesem grauen Pharus zu, während uns der Regen in das Gesicht peitscht. Allmälig verschwindet der Thurm wieder, später erscheint rechts verschwommen ein mit einem Dome gekröntes Bauwerk. Es ist die Moschee, die man die des Barbier nennt, und endlich wird die Stadt hinter dem Regenschleier sichtbar, eine undeutliche Masse, und der Minaret erscheint jetzt weniger groß, als vorhin, wo er allein sichtbar war. O diese traurige, in der sandigen Einöde verlorene Stadt! In den engen und gewundenen Straßen sehen uns die in ihren Verkaufsschuppen sitzenden Araber vor- überziehen. Wenn uns eine Frau begegnet, erscheint sie uns in ihrer schwarzen Kleidung zwischen den gelben Mauern wie der Tod, der spazieren geht. Von dem tunesischen Gouverneur von Kairuan Li- Mohamed-el-Marabout wird uns Gastfreundschaft angeboten, einem General des Bey's und sehr frommen Muselmann, der schon dreimal nach Mekka gepilgert ist. Er führt uns mit schwerfälliger und beflissener Höflichkeit in die für die Fremden bestimmten Zimmer, wo wir große Divans und wundervolle arabische Decken finden, in die man sich ein- wickelt, wenn man schlafen geht. Ilm uns zu ehren trug einer seiner Söhne mit eigenen Händen alles herbei, was wir nöthig hatten. Wir diniren denselben Abend bei dem französischen Konstil und Zivilkontrolleur, wo wir eine�sehr liebens- würdige Aufnahme fanden, die uns wieder warm machte und uns für unsere traurige Ankunft entschädigte. (Fortsetzung folgt.)! Buluwayo. 8. April. Die Telegraphen- Verbindung zwischen Buluwayo und Salisbury ist wieder hergestellt. Ceci! Rhodes ist im Begriff, mit seiner Eskorte von 1S0 Mann von Salisbury nach Gwelo aufzubrechen.— Chronik der Majestätsbeleidigungs- Prozesse. Gelegentlich einer Unterhaltung über die Hinrichtung Breitrück's soll sich das Hamburger Kontrollmädchen Maria D., welches von der Schuld des Hingerichteten nicht überzeugt war, in einer Weise geäußert haben, die eine Kollegin und Konkurrentin als Majestätsbeleidigung auffaßte und sofort denunzirte. Die Angeklagte gab vor Gericht auch zu, die betreffende Aeußerung gethan zu haben, vermag aber irgend eine Beleidigung, welche Absicht ihr übrigens auch völlig fern gelegen habe, nicht darin zu erblicken. Anders der Herr Staatsanwalt, welcher eine Majestätsbeleidigung für vorliegend erachtet und eine Gefängnißstrafe von drei Monaten beantragte. Der Vertheidiger Dr. Peppler kann in den von der Angeklagten zugegebenen Worten keine Beleidigung der Person des Kaisers finden und beantragt sowohl aus objektiven wie auch aus sub- zektiven Gründen Freisprechung, welch' letzterem Antrage enb sprechend das Gericht auch erkennt. Die Freisprechung ist er- folgt, weil das Gericht überzeugt ist, daß der Augeklagten das Bewußtsein der Beleidigung des Kaisers gefehlt habe. »* Deutsches Reich. — Zwei erledigte Reichstagssitze in Bayern . Außer dem Wahlkreise Ansbach-Schwabach ist nun auch das Mandat des 4. schwäbischen Reichstags-Wahlkreises durch den heute gemeldeten Tod des Abgeordneten Domkampitular Reindl (Zentrtim) erledigt. Reindl, der das 80. Jahr noch nicht erreicht hatte, war von 1831—1892 Mitglied des bayerischen Landtages und gehörte feit 1831 ununterbrochen dem Reichstage an. Reindl wurde in der Hauptwahl mit großer Majorität gewählt, er erhielt 10 339 gegen 3091 nationalliberale, 1098 sozial demokratische und 2320 bauernbündlerische Stimmen. In Ansbach -Schwabach erhielt der Demokrat Kroeber in der Hauptwahl 2638 Stimmen gegen 2818 deulschkonservative, 2662 nationalliberale und 1733 sozialdemokratische Stimmen; er wurde in der Stichwahl mit 3605 Stimmen gegen den Deutsch konservativen gewählt, der 6333 Stimmen erhielt. Der Wahlkreis Jllertissen wird vorläufig unbestritten der Zentrumspartei verbleiben, dagegen wird sich um das Mandat des Kreises Ansbach-Schwabach ein sehr heftiger Wahlkampf ent- wickeln. Von.demokratischer Seite soll Dr. Quidde aufgestellt werden.— — Wiederaufnahme ehemaliger Reichs- a n g e h ö r i g e r. In Einschränkung des Erlasses vom 3. Februar vor. Js. hat der Minister des Innern unterm 17. Februar den Regierungspräsidenten wieder überlassen, denjenigen Anträgen auf Wiederaufnahme, die von ehemaligen Reichsangehörigen ausgehen, die vor dem Verluste ihrer hiesigen Staatsangehörigkeit der Militärpflicht genügt haben oder noch minderjährig sind, ohne zuvorige Einholung einer Zustimmung zu entsprechen; bezüglich aller übrigen auf Naturalisation gerichteten Anträge, denen die Regierungspräsidenten stattzugeben beabsichtigen, ist jedoch auch ferner nach dem Erlasse vom 3. Februar vorigen Jahres zu ver- 'ahren.— — Der Abgeordnete Eugen Richter hat dieser Tage seinen Austritt aus dem Verein zur Förde- rung der Handelsfreiheit erklärt. Dieser Schritt wird von Herrn Richter nahestehender Seite damit motivirt, daß der- artige Vereinigungen für die praktische Politik bedeutungslos 'eien; sie verschlängen viele Mähe und Geld, die an anderer Stelle(d. h. für Zwecke der freisinnigen Volkspartei) besser ver- wendet werden könnten. Die Konkurrenten Richter's von der „Berliner Zeitung " meinen, daß er durch seinen Austritt aus dem Freihandelsverein seinem Unmuth über die Begründung des Schutzverbandes gegen agrarische Uebergriffe" habe Ausdruck geben wollen, die ohne sein Zuthun erfolgt ist.— — Die Freisinnigen und der Schutz der Handlungsgehilfen. Die„Freisinnige Zeitung" ent- rüstet fich weidlich darüber, daß wir den Abg. Schmidt-Elber- eld, den Vertreter der freisinnigen Partei in der Reichskommission 'ür Arbeiterstatistik, getadelt haben, weil seine Unterschrift unter den Vorschlägen der Reichskommission betr. den Schutz der Handelsangestellten fehlt. Tie„Freisinnige Zeitung" stellt dies als einen bloßen Zufall dar. Der Abg. Schmidt fei durch Reichstagsgeschäfte verhindert gewesen, den Abstimmungen beizu- wohnen. Ist es etwa auch blas ein Zufall, daß die„Freisinnige Zei- tung" des Abg. Eugen Richter und die„Hamburger Nachrichten" des Herzogs von Lattenbttrg eines Herzens und eines Sinnes ~iitd, wenn es sich darum handelt, jeden Schutz der Handels- angestellten zu verhindern?— — Gegen den D r. Kayser macht der Silber- Arendt, ein Freund des Hänge-Peters, einen Vorstoß, indem er Kayfer's Abberufung von der Leitung des Kolonialamtes verlangt, weil er Peters im Stich gelassen habe. Das alles wird den Peters nicht retten.— — Versahren gegenMünter. In der Untersuchung gegen den srühereu Gendarmen, jetzigen Korpsschreiber Münter wegen Meineides hat, wie der„Rheinisch-Westsäl. Arbeiter-Ztg." aus Berlin geschrieben wird, der die Voruntersuchung führende General v. Rauch die betreffenden Gerichte um die Uebersendimg der sämmtlichen Akten aus den Münter-Beleidignngsprozessen ersucht, auch werden mehrere Richter als Zeugen vernommen werden. Danzig , 4. April. (Eigene Mittheilung.) Auch in Danzig regen sich die Koinmerzienräthe zur Bekämpfung der Agrarier und nebenbei auch der Sozialisten. Eingeleitet wurde die große Aktion durch eine hier am Montag abgehaltene Ver- ämmlung zur Einführung des sogenannten Schutz> Ver- bandes. Ein echter Kommerzienrath führte den Vorsitz und hatte zugleich das einleitende Referat übernommen. Der Herr bemühte sich, in längerer Darlegung seinen Zuhörern klar u machen, nur die Auswüchse der agrarischen Agitation hätten die Gründung des Schutzverbandes veranlaßt, der nicht eine Or- ganisation der Kommerzienräthe, wie der„Vorwärts" gespottet, son- dern eine Vereinigung aller Staatsbürger werden sollte. Interessant waren einige Punkte seiner Rede, so z. B. hat nach ihm der Handel nur die hehre und aufopferungsvolle Aufgabe„Waaren und Lebensmittel von solchen Orten, wo Ueberfluß davon vorhanden t, nach anderen, an denen Mangel an solchen sich vorfindet, zu 'chaffen." Ganz besonders schien der Artikel des„Vor- wärts"„Der Kommerzienrath auf dem Kriegspfade" den Herrn verschnupft zu haben. Er muß ihn aber gar nicht verstanden haben, denn er erzählte, der„Vorwärts" werfe den Kommerzienräthen vor, daß sie ihre eventuellen Erfolge„int Bruderkriege" nachher kapitalistisch verwcrthen wollten. Weiter dozirte er, Kapital fei aber doch nur aufgespeicherte Arbeitskraft. In der Diskussion produzirte sich u. a. auch Herr Joche m. als Sozialdemokraten-, nicht Sozialistentödter. Er sei nicht Vor- wärtsmann, denn er könne nicht Anhänger eines Blattes sein. das es abgelehnt habe, gegen einen Angriff auf ihn eine Ein- 'endung seinerseits anzunehmen. Dann betete er die alten Ladenhüter unserer Gegner nach: die Sozialdemokraten wüßten nicht was sie wollten, von den ls/4 Millionen Wählern seien keine 100 000, die verständen, was Sozialismus sei. Es prach dann der Reichstags-Abgeordnete Richert, der erklärte, es nicht recht begreifen zu können, wie Jochem denn so lange der Führer einer solch' unwissenden Gesellschaft sein konnte, und im übrigen seine freisinnigen Lehren propagirte. Unser Genosse B e r g e r erklärte dann den Herren, daß die Sozial- demokraten bestens dankten für den ganzen Schutzverdaud und meinte dann gegenüber dem Herrn Jochem, daß er es nicht begreife, wie der Herr sich so über die Schlußrufe ereifern könne, er, der doch seine eigenen Genossen früher mit der Polizei bei der geringsten Gelegenheit hinauswerfen ließ; im übrigen warne er vor Herrn Jochem. Mit gewohnter Ekstase wollte nun Herr Jochem. besonders wüthend über den Beifall, der Berger's Worten folgte, sich gegen diesen wenden, doch konnte man unter den fortwährenden Schlußrufen leider von dem größten Theile seiner Rede nichts verstehen; hierauf ersolgte nach dreistündiger Tagung Schluß der Versammlung. Meiningen , 5. April. Im Herzogthum ist die b e d i n g t e Verurtheilung(richtiger hieße es bedingte Be- gnadigung) in der Weise eingeführt worden, daß vor dem Vollzug erster Freiheitsstrafen von nicht mehr als sechs Monaten an Personen unter 18 Jahren ein Strafaufschub und nach guter Führung eine Begnadigung erfolgen soll. In geeigneten Fällen greift die bedingte Verurtheilung auch bei wiederholtem Vollzug von Freiheitsstrafen, bei älteren Personen und bei höheren Freiheitsstrafen Platz. Das Verfahren findet auch Anwendung auf die vom Landgericht oder Schwurgericht Meiningen Ver- urtheilten, soweit das Begnadigungsrecht dem Herzog von Sachsen-Meiningen zusteht. — Die sächsischen Dreiklassenwahl-Minister machen nun, nachdem sie den Arbeitern das Wahlrecht entzogen haben, die Staatsanwälte gegen die sozialdemokratische Presse mobil. Ter verantwortliche Redakteur der„Sächsischen Arbeiter- Zeitung" hat sich am 13. d. M. wegen Beleidigung des Gesamml- Ministeriums vor der Dresdener Strafkammer zu verantworten. Auch gegen das Zwickauer Partei-Organ soll vom sächsischen Ministerium Anklage erhoben sein. Die„Leipziger Volks- zeitung" meldet, daß Genosse Heinisch eine gericht- liche Vernehmung hatte, in der ihm mitgetheilt wurde. daß sich die fünf sächsischen Minister durch das letzte, bei ihm gedruckte.„An Sachsens Volk!" gerichtete Flugblatt be- leidigt gefühlt hätten. Danach scheint eine Anklage für Heinisch und den Verleger, Genoffen Schiemann, in Aussicht zu stehen." Die„Sächs. Arb.- Ztg." bemerkt zu diesem Aufgebot von Staatsanwälten: „Wir enthalten uns vorläufig einer näheren Erörterung darüber, ob überhaupt in den mit Strafantrag verfolgten Streit- schriften, welche in anbetracht der besonderen politischen Kampf- läge äußerst milde gehalten waren, eine formale Beleidigung der Minister gefunden werden kann. Wir wollen heute nur dem Glauben Ausdruck geben, daß das Verfahren der sächsischen Minister sicherlich allenthalben, auch in nichtsozialdemokratische» Kreisen, großes Aussehen erregen, aber gar keinerlei Billigung erfahren wird. Der Minister v. Metzsch hat selbst mehrfach zugegeben, daß infolge der Einbringung des Klaffen-Wahlgesetzentwurfs eine bedeutende Erregung im Lande entstanden sei, und ferner, daß er begreife, wenn auf sozialdemokratischer Seite eine starke Erbitterung herrsche. Da wird man sich erstaunt fragen, wie dann die Herren Minister gegenüber einem etwaigen etwas starken Aus- druck, der auf ihren in der Geschichte beispiellosen Plan einer Volksrechtsentziehnng angewendet wurde, so überaus enipfindlich sein können und ihre beleidigte Unschuld vom Strafrichter repa- riren lassen möchten. Mögen die Herren Staatsobersten! Mögen sie ihr großes Werk damit krönen, daß sie die Verfechter des bisherigen Volks- rechts hinter Schloß und Riegel bringen. Sie werden doch selbst nicht meinen, daß dadurch das Urtheil des sächsischen Volkes über die ihm widerfahrene Rechtsverkümmerung gemildert wird. Im Gegentheil. So gießt man Oel in die Flammen des Volkszornes. So schafft man Märtyrer. So läßt man die Erinnerung an das Geschehene nicht einschlummern. So sorgt man für unverminderte, für stets wachsende Empörung des Volkes gegen das Dreiklassen-Wahlsystem. Mag man unsere Parteigenossen prozessiren, weil sie viel- leicht mit einer Redewendung die Grenzen des Beleidignngs- Paragraphen gestreift haben— wir werden unentwegt und nun erst recht den heiligen Kampf für Recht und Wohlfahrt des Volkes fortführen. Ministerielle Ueberempfindlichkeit kann uns daran nicht einen Augenblick hindern!" München , 6. April. Das Staatsministerium des Innern hat sämmtliche Regierungen und Kammern des Innern deauftragt, insoweit dies nicht bereits in jüngster Zeit geschehen ist, im Lause des Jahres die in ihrem Bezirk befindlichen öffentlichen und privaten Irrenanstalten , owie die Anstalten zur Unterbringung und Ver- pflegung von Kretins , Idioten und Blöden durch Kommissare unter Zuziehung der ständigen Amtsärzte, bezw. jener Aerzte, welche den ärztlichen Anstaltsdienst zu be« orgen haben, in bezug auf Organisation und Betrieb, auf ärzt- liche, pflegliche und ökonomische Verhältnisse, sowie auf bauliche und innere Einrichtungen einer Untersuchung unterziehen zu lassen und die Ergebnisse dieser Inspektionen dem Staats- Ministerium des Innern vorzulegen.— — Die Abschaffung des VolkSschulgeldes wird in immer mehr Orten Württembergs durchgeführt. In Böhmenkirch und in Lausen beschlossen die bürgerlichen Kollegien. die Erhebung des Volksschulgeldes abzuschaffen; in letzterer Stadt wurde außerdem der Beschluß gefaßt, die Gebühr ür Ankanf des Bürgerrechts von 10 auf 2 M. herabzusetzen. Diese Beschlüsse sind nur dem Drängen unserer Genossen zu verdanken.— — Das württembergische e v an g e li s ch e K o n- i st o r i u m ist zu Kreuze gekrochen in der heiligen Charwoche. Vor einigen Wochen berichteten wir über den Pfarrer Steudel, welcher ivegen Ungehorsam je. im geheimen Disziplinarverfahren seines Amtes entsetzt wurde. Damals wunderte man sich einestheils über dieses Urtheil, anderntheilS staunte man auch darüber, daß Pfarrer Dr. Gmelin, welcher 'ich die gleichen kirchlichen Aenderungen ic. zu schulden kommen ließ, seitens seiner vorgesetzten Behörde ungeschoren blieb. Pfarrer Dr. Gmelin protestirte nun auch in den politischen Blättern gegen obiges Urtheil in ausführlicher Er- klärung und allgemein wurde erwartet, daß das Konsistorium gegen Gmelin sich ebenso unduldsam wie gegen Steudel zeigen werde. Das Konsistorium hat sich aber anders besonnen, es mußre demTruck der öffentlichen Meinung nachgeben und verurtheiltePsarrer Dr. Gmelin infolge der Protesterklärung wegen„grober Verletzung der der vorgesetzien Behörde geschuldeten Achtung" zu einer Geld- ärase von 100 M.; des weiteren wurde er„vor Fortsetzung olcher Ungebührlichkeiten verwarnt."— Wie wir nun ersahre». oll eine weitere Disziplin irung Gmelin's nicht stattfinden und hat sich somit das kgl. Konsistorium eine schwere Niederlage bereitet; denn indirekt gesteht es jetzt zu, daß es Steudel ungerechtfertigt aus seinem Dienste entlassen hat.— AuS Elsafi-Lothringcn. Ein Fall Stenglein yat Ich in den Reichslanden ereignet, der ganz dazu angethan ist, das Ansehen der deutschen Beamtenschaft in den Augen der Elsässer herabznbringen. Gegen den Ober- Landesgerichtsrath Stenglein in Kolmar wurden nämlich eine Anzahl Anschuldigungen er- hoben, die zu einer Disziplinaruntersuchung nöthigten. Ten 'chlimmsten Eindruck macht sein Benehmen einer s r a n z ö- ischen Versicherungsgesellschaft gegenüber. Stcng- lein leidet an einem Herzfehler, wegen dessen er in feiner Jugend vom Militär freigekommen und auch von mehreren deutschen Lebensversicherungen abgewiesen worden ist. Bei der franzöflschcn Gesellschaft L'Urbaine gelang ihm die Versicherung ans grund einer Erklärung, daß er mit keiner gefährliche» Krankheit oder schiveren Gebrechen behastet und daß er niemals von einer Lebens- Versicherungsgesellschaft zurück- »ewiefen worden fei; vom Militärdienst habe er sich seinerzeit reigeloost. Es gelangte zur Kennlniß der Pariser Versicherung, daß diese Angaben unrichtig waren, und das erregte in den
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