Morgenausgabe
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47.Jahrgang
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Mittwoch
2. Juli 1930
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
Die etatpalttge Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs. mart ..Kleine Anzeigen das ettge druckte Wort 25 Pfennig( auläffig zmet fettgebrudte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Bfennig, jedes mettere Wor 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaber Bählen für zwei Borte Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Haupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.
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Finnische Ausnahmegesetze.
Kommunistische Herausforderung zieht den Faschismus groß.
Helsingfors , 1. Juli. ( Eigenbericht.) In der außerordentlichen Session des Reichstags protestierte die Sozialdemokratie gegen die geplanten Ausnahmegesete. Darauf legte die Regierung drei Gesehentwürfe über den Schutz der Republik , die Einschränkung der Druckfreiheit und die Abänderung des Wahlgesetes vor. Sämtliche Entwürfe richten sich gegen die tommunistische Bewegung, gegen die seit Wochen ein starker Terror ausgeübt wird. Von den 23 fommunistischen Abgeordneten waren nur 15 erschienen. Ein Teil der abwesenden Abgeordneten ist in letter Zeit von Faschisten mit unbekanntem Ziel ber. schleppt worden.
Zugleich mit dieser Drahtmeldung erhalten wir folgenden Bericht ous Helsingfors : Seitdem Finnland durch die Märzrevolution 1917 die staatliche Unabhängigkeit erlangte, der danach entstandene Bürgerkrieg ein Ende genommen und auch der darauf folgende weiße Terror durchliften worden war, ist dem Lande ein Dugend Jahre verhältnismäßig ruhiger demokratischer Entwicklung beschieden gewesen. Die Er innerungen an 1918, an die herrliche Zeit, wo unter dem Schutz der v. d. Golzschen Bajonette die reaktionärsten Schichten der Bourgeoisie das Band unumschränkt beherrschten, leben aber noch unter ihnen fort. Lange schienen sie zur Unfruchtbarkeit verurteilt da kam aber der Kommunismus zur Hilfe und erregte burch seine auf Mostau gestüßte Politik eine Empörung, die, von den Reaktionären zielbewußt geschürt, eine geistige Voraussetzung ber jetzigen faschistischen Wallungen bildet.
Schon seit Jahren hatte der Kommunismus die früher so starke finnische Arbeiterbewegung so geschwächt, daß fie z. B. feinen fräftigen Widerstand leisten tonnte, als sozialistische Arbeiter boykottiert oder durch Tantiemen und dergl. zum Berlassen ihrer Gemertschaften verlodt wurden. Das Signal zur jezigen ,, antitommunistischen"( in der Tat faschistischen) Bewegung gab
das provokatorische Benehmen der Kommunisten, als diese mitten unter der Bauernbevölkerung von Desterbotten demonstrativ in roten Hemden russischen Schnitts auftraten.
Der Mißhandlung der Demonstranten folgte die nächtliche 3er törung einer tommunistischen Druderei in Wasa.
Sogleich verstanden die reaktionären Führer, daß aus dieser fpontanen Bauernbewegung etwas zu machen war. Sie stellten fich an die Spitze und ließen überall von Massenversammlungen Resolutionen gegen den Kommunismus" annehmen, tatsächlich auch gegen die demokratische Ordnung, die als unfähig bezeichnet wurde, den Kommunismus zu befämpfen. Man müffe nicht nur
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Ungerechte Lastenverteilung.
Die Mängel der neuen Deckungsvorlagen.
Unter dem Druck der scharfen Kritik, die die ursprünglichen Finanzvorlagen der Reichsregierung gefunden haben, hat sich das Kabinett zu einer Reihe von Abänderungen verstanden. Dem Verlangen nach größerer Sparsamfeit hat die Regierung insofern nachgegeben, als jetzt statt der ursprünglich vorgesehenen 25 Millionen 100 Milstrichen werden. Wo diese Abstriche vorgenommen werden lionen an den Ausgaben des Reichs für das Jahr 1930 gesollen, weiß die Regierung entweder nicht oder will sie nicht fagen. Sie verlangt vielmehr eine Ermächtigung, um Diese Abstriche aus eigenem Ermessen vornehmen zu können. § la der von der Regierung vorgeschlagenen Ergänzung zum Reichshaushalt bestimmt daher:
,, Bei den Ausgaben des ordentlichen Haushalts sind Beträge in der Gesamthöhe von 100 Millionen Reichsmart ab= zusetzen, deren Höhe im einzelnen von der Reichsregierung festgesezt wird."
mit dem Kommunismus, sondern auch mit der faulen Demokratie aufräumen, man donnerte gegen die Berufspolitiker" usw. Es gelang nicht, allen gesunden Bauernverstand in dem antikom Die Bauernpartei und ihre Regierung merkten die Absicht. munistischen" Strudel zu ertränken. Gegen die ganze Bewegung und besonders gegen den„ Marsch auf Helsingfors " entstand auch im Bürgerkreis eine Opposition. Die Demokratie erwies sich für die Bauernschaft und die bürgerliche Intelligenz als unentbehrlich. Etwas mußte aber den vom Faschismus aufgestachelten Scharen geopfert werden und man wählte die Rechte der Arbeiterschaft.! Die Regierung arbeitete Gesetze aus, deren unmittelbarer 3wed ist, alle fommunistische Tätigkeit unmöglich zu machen und die Kommunisten aus dem Reichstag zu vertreiben. Diese Gesetze würden aber die Arbeiterschaft überhaupt bedrohen und die Ent. fernung der Kommunisten aus dem Reichstage würde dessen Zu- Zu dieser Ausschaltung des Reichstags liegt aber feinerfammensetzung in einer für die Reaktion förderlichen Weise ändern. lei sachliche Veranlassung vor. Für größere Ersparnisse ist Um auf den Reichstag einen Druck auszuüben, wurde eine Mehrheit im Reichstag leicht zu erzielen. Wenn dennoch der Marsch nach Helsingfors vorbereitet: es etwa die Reichsregierung diese Mitwirkung des Reichstags nicht 10 000 Bauern nach der Hauptstadt entsendet werden. wünscht, so bleibt nur die Annahme übrig, daß sie die ErIm ganzen Lande treiben die Faschisten Terror, den sparnisse am Wehretat zu vermeiden wünscht, obwohl sie hier zu verhindern die Regierung zu schwach ist. Die führenden sparnisse am Wehretat zu vermeiden wünscht, obwohl sie hier Kommunisten und vor allem die Abgeordneten werden aufgespürt am leichtesten durchzuführen sind. mind in Autos weggebracht, mehrere find über die russische Grenze gejagt worden.
Die Sozialdemokratie hat gegen diese Erscheinungen laut ihre Stimme erhoben. Zahlreiche Arbeiterversammlungen haben die Aufrechterhaltung der gefeßlichen Ordnung und ihre Verteidigung gegen faschistische Butschversuche gefordert.
Auf seine eigene Stärfe angewiesen, wäre der Faschismus von geringerer Bedeutung; aber seiner strammen Organisation und feinen lügenhaften Berführungsparolen gegenüber mangelt es in den demokratischen Schichten an Organisation, an Entschloffenheit und an Klarheit.
Finnländischer Ingenieur im Sowjetgefängnis gestorben.
Helsingfors , 30. Juni. ( Oft- Expreß.) Ueber Leningrad traf die Nachricht ein, daß in Swerdlowst im Uraf( früher Jekaterinburg ) der finnländische Ingenieur Edvin Svedberg im Gefängnis gestorben ist. Svedberg mar
Herbst verhaftet worden, der Inhalt der Anklage ist in Finnland unbekannt geblieben. Alle finnischen Schritte, um die Freilassung Svendbergs zu erlangen, blieben erfolglos. Svedberg war der Entdecker der Asbestlager in Basjenewo im Ural , deren Verwaltung er dann dreißig Jahre als Generaldirektor geleitet hat.
Die Befreiungsfeiern.
3m Rheinland und im Reich.
Trier , 1. Juli. Auf der mitternächtlichen Befreiungsfeier der Stadt Trier , die in Anwesenheit von etwa 30 000 bis 35 000 Menschen auf dem Balastplay stattfand, sprach nach einem gemeinsamen Gesang und einem Männerchor- Vortrag der Oberbürgermeister der Stadt Trier , Reichsverkehrsminister von Guérard und der preu| Bische Handelsminister Dr. Schreiber. Von Guérard überbrachte den Dank der Reichsregierung. Anschließend gedachte Dr. Schreiber Dr. Stresemanns, dem sein allzu früher Tod es versagt habe, die Früchte seiner Lebensarbeit zu sehen. Auch er rief Den Saarländern einen herzlichen Gruß zu und betonte unter Hin weis auf die Saarverhandlungen, es sei selbstverständlich, daß nur solche Bereinbarungen in Frage kommen könnten, die die Interessen des Saargebietes voll wahrten.
Bayern feiert ohne Schwarzrotgold. München , 1. Juli.
Die Befreiungsfeier in München begann gestern abend mit einem Zapfenstreich der Garnison . Die Stadt hatte reich geflaggt, doch hielten es nicht einmal bei dieser nationalen Reichs feier die staatlichen und kommunalen Behörden für notwendig, die Reichsflagge zu hissen. Der
von München hatte sich am Vormittag zu
einer Festigung im Rathaus versammelt. In der Bürgermeister
Dr. Küfner ein Bild von dem Ringen um den Rhein und von den Lasten und Leiden der Besagungszeit in der Pfalz entwarf. Die
Nationalsozialisten und die Kommunisten nahmen an der Kundgebung nicht teil. Am Schluß der Stadtratsfizung ließen die Nationalsozialisten eine Erklärung abgeben, die ihr Fern bleiben von der Festsizung mit dem Uniformverbot der bayerischen Staatsregierung und mit der Unterzeichnung des YoungBlanes begründeten. Bürgermeister Dr. Knüpfer rügte hierbei die Behauptung des nationalsozialistischen Redners, daß an die Stelle der französischen Unterdrückung die Polizeidiktatur und oie Knechtung des eigenen Volkes durch die bayerische Staatsregierung getreten sei. Mit Ausnahme der deutschnationalen Fraktion hatten die Mitglieder der übrigen Parteien bei Abgabe der nationalsozialistischen Erklärung den Sizungsfaal verlassen.
Brudergrüße aus Desterreich. Glückwunschtelegramm des Bundespräsidenten .
Der österreichische Bundespräsident, Miklas , hat an den Reichspräsidenten von Hindenburg folgendes Glückwunschtelegramm mich Eurer Erzellenz zu versichern, daß dieses für die Geschichte gerichtet:„ Anläßlich der vollendeten Rheinlandräumung drängt es des gesamten deutschen Bolles denkwürdige Ereignis auch beim deutschen Volk in Desterreich brüderliche Gefühle und auf
richtige Freude auslöft".
( Siehe auch 2. Seite.)
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den. Die wichtigsten Alenderungen sind: Auch die Deckungsvorlagen sind geändert wor
1. Alle Vorlagen gelten nur bis zum 31. März 1931 und treten dann außer Kraft.
2. Die Reich shilfe erfaßt jezt nur noch die Beamten und Angestellten von Reich, Ländern und Gemeinden und der übrigen ganz oder überwiegend öffentlichen Unternehmungen. Der Steuersatz ist von 4 Proz. auf 2% Proz. des Gehalts ermäßigt. Die Freigrenze ist von 1200 mt. auf 2000 Mt. erhöht. Der Familienstand wird durch Freilassung der Kinderzulagen in Höhe von je 240 mt. berücksichtigt.
3. Die Ledigen steuer ist verschärft worden. Sie be= steht aus zwei nebeneinanderlaufenden Maßnahmen. Einmal soll der 25 prozentige Abschlag wegfallen und außerdem soll von einer bestimmten Einkommenshöhe ab ein 10 prozentiger Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben werden.
4. Neu ist, daß alle Einkommen über 8000 m t. jährlich einen Zuschlag von 5 Broz zur Einkommensteuer zu entrichten haben.
Die Befristung aller Dedungsvorlagen soll den vorübergehenden Charakter der Maßnahmen zum Ausdruck bringen. Wenn man auch daran zweifeln kann, ob die Sanierung der Reichsfinanzen in einer so turzen Frist durchgeführt werden fann, so wird man dennoch gegen diese Befristung nichts einwenden können. Andererseits ist wichtig, daß die höheren Säge für die Lohnsteuer nur für acht Monate gelten, weil sie erst am 1. August erhoben werden können. Das trifft auch für die Reichshilfe zu. Dagegen werden die Zuschläge zur veranlagten Einkommensteuer für ein ganzes Jahr erhoben.
Im Hauptstreitpunkt, der Reichshilfe, hat die Reichsregierung nachgegeben und die höheren Ange= stellten der Privatwirtschaft von der Belastung freigelassen. Daß sie diese Gelegenheit benutzte, um auch die Aufsichtsratsbezüge, die ursprünglich mit herangezogen werden sollten, zu befreien, entspricht nur den Tendenzen innerhalb der jetzigen Regierung. Der Steuersag ist zwar herabgesetzt. Wenn auch die Freigrenze erhöht werden soll, so ist doch die wichtige Forderung nach Staffelung des Steuerjazzes entsprechend der Höhe des Einkommens nach wie vor unerfüllt. Vergleicht man die in Aussicht genommene Belastung der Reichshilfe mit der bisherigen Belastung durch die Lohn bzw. Einkommensteuer, so wird das Unrecht, das darin gegenüber den unteren Beamtengruppen liegt, erst deutlich. Die unteren Beamten sollen etwa das Doppelte ihrer bisherigen Steuerbelastung tragen, während die der oberen Beamten bis auf ein Viertel der bisherigen Belastung sinft.
Dieses Unrecht wird um so stärker empfunden werden, menn es bei den hohen Einkommen über 8000 Mt. jährlich bei dem vorgesehenen Zuschlag von 5 Broz. der Einder Beamten muß sein, daß zuvor alle anderen Steuerquellen fommensteuer bleibt. Voraussetzung für eine Sonderbelastung restlos ausgeschöpft werden, soweit das ohne Gefährdung der Wirtschaftslage geschehen kann. Ein fünfprozentiger Zuschlag
zur Einkommensteuer dürfte bei Einfommen von 10 000 mt. etwa 50 mt. betragen. Dieselbe Summe aber zahlt ein Be