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Berliner volksbla«
. Sonnabend 5. 3uli 1930 Groß-Äerlin 10 Pf- Auswärts 15 pf. Die elnkpaltig» Nonpareillezesl« nv Pfennig. Reklame�eile ü.— Reichs-
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Die Volkspartei will verhandeln. Ver Zeniralvorstand läßt der Reichstagsfrattion freie Hand.>
Die Tagung des Zentralvorstandes der Deutschen Volks- Partei hat deutlich erkennen lassen, daß die Volkspartei keinen offenen Bruch mÜ der Regierung Brüning will. Der Partei- Vorsitzende Dr. Scholz übte zunächst janfte Kritik cm der Regierung: ..Die Regierung Brüning, die mit unserer lebhaften Zustimmung 'M Frühjyhr ans Ruder kam, schien uns allen der Beginn einer Zeit zu sein, die bürgerliche Wirtschafts, und Finanzpolitik zum Durchbruch bringen würde. Das stark« Vertrauen, da« weit über die Kreise der Zentrumspartei hinaus in den ganzen bürgerlichen Kreisen der Regierung Brüning entgegen. gebrocht wurde, ist leider durch ihre bisherige Tätigkeit nickst in »ollem Umfange gerechtfertigt worden.' Dann ging er auf die Deckungsvorlagen ein und erklärte: „Auf der einen Seit« wird es im Volk schwer verstanden werden. wenn die Deutsche Volkspartei diese bürgerliche Regierung 'M schwersten Augenblick im Stiche läßt. Aus der anderen Seit« steht unsere grundsätzliche Auffassung, die im Programm der Regie- rung Brüning keine Erfüllung findet. Ein« gewiss« Freiheit des Handelns müssen Sie in diesem Augenblick der-Reichetagsfraktion geben." Abschließend stellte Dr. Scholz fest, daß die Volkspariei durchaus zur Verständigung bereit fei. wenn man ihr Entgegenkommen zeige. Worin das Entgegenkommen be- stehen soll, führte Jocholz in folgendem aus: Jbi« Deutsche Volkspartei müsse in erster llinie die Zusicherung erlangen, daß die unbeschränkte Zu j ch u ß p fl ich t de» Reiches zu? Arbeitslosenversicherung des«' t i g l wird. Es gell«.fern«, die Reichs Hilfe und hie Tinkommensteuererhöhung zu bekämpf CM.. Als Ersatz schlage die Deutschs Volkspartei eine weiter« Ausgabenfenkung und die Ei ns ü h ru ng der Kopf st euer»or. Wenn es möglich gewesen sei. in einer Frist von wenigen Tage» die Etnsparuvgsmöglichkest um beinahe hundert Million«» zu erhöhen, so werde es auch möglich sein, noch weitere 5)0 Millionen zu sparen, um die Euckommensteuererhohung über» flüssig zu machen." Der Zentraworstand nahm nach diesen Ausführungen die folgende Entschließung an:, „Der Zentralvorstand der Deutsch1!» Volkspartei stimmt den Ausführungen des Parteiführers und Vorsitzenden der Reichstags- fraktion, Reichsminister a. D. Dr. Scholz, zur politischen Lage zu- Er dankt der Reichstagsfraktion für die Klarheit und Eindringlich- fett, mit der st« die in der Finanzpolitik einzuschlagenden Wege auf-
gezeigt Hai: Abkehr von einer Politik, die finanzielle Schwierigkeiten vorwiegend durch roeüere Erhöhung der Steuerlast beseitigen chll und dadurch dte Lage nur noch weiter verfchimmert. Demgegenüber fordern wir mit der Reuhstagsfraktron Wirtschaftsbelebung durch Senkung der Produktionskosten, damit Preis- senkung und größtmögliche Ausgab ensenkung in ollen Etats von Reich, Ländern und Gemeinden. Die neuen Finanz- vorlogen der Reichsregierung lassen wohl Anihtze zur Um- kehr erkennen, aber zu einer wirklichen Gesundung bedarf es ganzer Arbeit. Der Zentralvorstand fordert die Reichstags- froktion auf, bei dar Beratung der Vorlagen mit allem Rochdruck auf«ine Umgestaltung hinzuwirken, die den oufge- stetzten Zielen Rechnung trägt." Die Volkspartei wird demnach den Versuch unternehmen. die Deckitnasvorlo�en de? Kabinetts in ihrem Sinne umzu- gestalten. Sie scheint nach den'Lehren der Sachsenwahl keine Neigung zu haben, eine Krise herbeizuführen, die in einer Reichstagswahl enden könnte. Kritik am Ziheinlandaufruf des Kabinetts. Beim Begnu».seines Referats gedachte Scholz der Befremng des Rheinlandes und der Verdienste Stresemonns. Er führte aus: „Alls diese'Dinge wollen wir im Gedächtnis behalten. Aber wenn, wir dieses Rlchwergessen aussprechen, und wenn wir dadurch fnnn«» wekdiin an die Melle , ck» dunkelsten Tage deutschen Schick- sal«, dann muß sich um so Heller und leuchtender abheben der Rom « des Mannes, der dieses Schicksal gewendet hat: Gustav Stresemann . Mit t' e f st e m Bedauern haben wir davon Kenntnis nebwen müssen,.. daß die R ei ch»r q ai e ru y g in ihrer Proklamation den Rameii Stresemonns schamhaft o er« schwiegen hat" Diese Kritik am Rheinländaufruf der Reichsregierung wurde durch stürmischen Bestall der Versammlung unterstrichen. Die Besprechung der Kraktüms fuhrer. D>e am Freitag von der Regierung mit den hinter chr stehenden Parteien eingeleiteten Besprechungen sollen in den nächsten Tagen fortgesetzt werden. Im Verlauf der Besprechungen legten der Reichs- konzler. der Reichsfinonzminister und der Reichsarbeitsminister den Standpunkt der Reg,«rung zu den neuen Deckungsvorlogen dar. Die Fraktionsführer teilten dann die Auffassungen ihrer Fraktionen zu den Deckungsplänen mit.
fj elf la gfo r».«L Zuli. lEigenbericht.) Der aogekünWgte Marsch der faschtstischea Cappo- Ccaie«ach helsiaqfo'r» findet am nächsten Montag statt. Ts find 15 000 gemeldet, außer den Tansendn» aus d« Provinz helsingfor». Die ioverpol>lische Loge ist noch role vor sehe ernst. Heute morgen, 2 Uhr, drangen m Förssa, Südsinnland, un» bekannte Männer>n die Wohnung des als Kochmunstt bekannten Arbeiters cholnn» und erschossen ihn nach kurzem Wortwechsel. Die Täter sind entkommen, sie find höchstwahrscheinlich Faschisten Sn Rakkila wurden in der vergangenen Rächt mehrere Schüsse aus das Bolkshaus abgegeben. Als der sozialistische Wächter aus dem Hause kam, empfing ihn ein neuer Kugelregen. Die Täter sind ebenfalls unerkannt entkommen-, sicher waren es auch hier Faschisten Der bekannte Senator Soinhusond, der die Regierungsbildung übernommen hat. stt«in Vertrauensmann der Lappo-Männer. Da die Regierung nicht die Unterstützung der sozialdemokratischen Frak- tion zu den Schutzgesetzvorschlägen erhalten wird, ist bestimmt mit Reichst agsouflösung zu rechnen 2!« neuen Wahlen werden im Innern des Landes un'er faschistischem Terror stattfinden Auch sst es praktisch unmöglich, daß die Kam- mu nisten unter irgendeinem Decknamen Wahllisten aufstellen können Vorsichtige Bauern. Eia verstächiiger Zowacks. Marschau, i Juli. Aufsehen erregt der Austritt des Mg, Efeplai aus dem Re- zietzvngsblock. Tjeplok wandte sich an die Bauernpartei w!t d-r Bitte um Aufnahme. Die Bauernpartei erklärte sich bereit, ihn auf- zunehmen, wen» er östentüch die Gründe für seinen Austritt aus
dsm Regierungsblock bekanntgibt, vstenbar fürchtet der Partei- vorstand, Cjeplak sei aus dem Regierungsblock gar nicht ausgetreten. sondern nur als Beobachter der Bauernpartei abkommandiert worden Englische SchutzzoNpsychose. Die großeaBanlen bekennen sich als Gegner des Freihandels tondo«, 4. 3 Uli(Eigenbericht.) linier dem Druck der sehr schweren englischen wirlschaslskrise hol die englische Schutzzollbewegung eine sehr bedeulsame Verslär. kung erfahren. Eine Versammlung führende» englischer Bankiers hal eine EnlschNeßung gefaßl. nach der innerhalb des eng- lischeo Imperiums allein in der Form von Handelsverträgen dos Prinzip des Freihandels noch durchgeführt werden soll, während zur Fernhaltnng tmperlnmsremder waren für das gesamte britische Reich Schutzzölle geschaffen werden sollen. « Kein Zweifel, daß diese Entschließung, wenn sie richtig icher- mittell stt, sehr hohe Bedeutung hat, denn die englischen Ban- ken konnten bisher als Vertreter des grundsätzlichen Freihandels für England angesehen werden.
Riesenexplosion bei Leeds . Bisher 12 Tote geborgen. L o» d o«. 4. Juli. (Eigenbericht.) Jn Eastleford bei Leeds flog gestern ei» riesiger Benzinta«? i« die Lust. Die Zahl der Toten und Ver- letzte» ist sehr gros»- Biöher wurden 12 Seiche« ge- borge»; man rechnet mit etwa ZV Tote«. Einzelheiten über das Unglück bringen wir in der Beilage.
Von Louis« stechro«<Z«r, M. d. R. Die sogenannte Ledigensteuer, die das Kabinett Brüning vorgeschlagen hat, ist eine der unsozialsten und ungeredsiesten Steuern. Sie soll alle diejenigen steuerpflichtigen Personen. erfassen, die nicht verheiratet find oder waren. Nicht mit er- faßt werden also verwitwete oder geschiedene Personen, b«- freit werden ferner uneheliche Mütter, die für ihr Kino sorgen. Ob auch der uneheliche Vater,"der für sein Kind Alimente zahlt, frei bleiben soll, ist vorläufig ungeklärt, aber mehr als zweifelhast. Mit dem Gedanken der Ledigensteuer ist seit langem ge- spiest morden. Man hat diesen Gedanken als eine soziale Tat gepriesen. Wer ihn so anpreist, dürfte sich schweÄich über die Auswirkungen im klaren sein. Wer ist den nrh e u t e ledig? Es ist nicht mehr nur der Junggeselle, der aus egoistischen Gründen die Gründung einer Familie ablehnt. es ist in weitaus größerem Umfange neben dem Manne, den die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, häusiq auch die Wohnungsnot, an per Ehe hindern, cor allem die Frau. Wir haben im Kriege über 2 Millionen Männer vor laren. Die Folge davon stellte die Volkszahlung des Jahren 1925 fest, nach der auf 1000 Männer im Alter von 20 bi? 45 Fahren 1150 Frauen kommen und auf 1000 Männer im Aster von 30 bis 35 Jahren sogar 1325 Frauen. Daß ferner zahllose Frauen deshalb unverheiratet bleiben, weil Krank - hest. Kriegsbeschädigiing, sonstige Berufsunfahigkeit, iowie. Arbeitslosigkeit und andere soziale Nöte die Eheschließung unmöglich machen, geht daraus hervor, daß bei der gse-ch-n Volkszählung Millionen Frauen im Aller von mear als 20 Jahren alz Meinstehende(neben Witwen und Gsschiedenen in erster Linie Ledige) gezahst wurden. Wenn nun ebenso wie bei manchem Manne auch bei mancher Frau das Motiv dieses Alleinstehens die Slblehnung der Ehe in der beutigen Form ist, so toll doch offen zugegeben werden, daß der weit- aus größte Teil dieser Frauen die Ehe dem heutigen Leben vorgezogen haben würde, wenn sich die entsprechende Möglich- keit dazu ergeben hätte. In welcher Weise sollen nun die Ledigen belostetwerden? Zunächst einmal gab es ja schon immer eine Ledigensteuer in der Form, daß die Ermäßigung von. rund 1 Proz.. die dem Verheirateten für die Ehefrau vom Steuersatz abgezogen wurden, von den Ledigen mitbezah't werden mutzten. D'ese Tatsache bleibt auch jetzt bestehen Eine Verschlechterung erfolgt aber insofern, als der unter dem. Finanzminister Hilferding eingeführte Abschlag von 25 Proz. der Steuer bis zum Höchstbetrage von 3 M. für die Ledigen in Wegfall kommt. Dos bedeutet gerade für die(Ankommen um 220 M. monatlich darum eine" besondere Härte. Da der Abschlag mit 3 M. höchstens beg«vzt war, so bedeutet er prozentual berckbnet für die höheren Einkommen eine geringe Ermäßigung und hier macht sich auch der Weg- fall weniger bemerkbar. Für denjenigen aber, der bisb-m 12 M minus 3 M zahlte oder 10 M.' minus 2,50 M. und jetzt die vollen 12 M. bjrv. 10 M. zahlen'muß, ist dos eine erhebliche Belastung. Zu diesen beiden Ledigensteuern kommt nun aber d'« eigentliche Ledigensteuer hinzu. Sie beginnt mst einem Jahreseinkommen von 2640 M., also 220 M. monatlich. und macht 10 Proz. der Steuer auss Nehmen wir als Bei- spiel ein Monatseinkommen von 300' M., so ergibt sich fol- gende Rechnung:
Monatseinkommen.. steuerfreies Einkommen
ZOO M _100_„ m M
10 Proz. Steuer davon betragen 20 M. In Wegfall kommt der bisherig« Abscklag von 3 M. Hinzu kommen dagegen 10 Prov Ledigensteuer gleich 2 M., ergibt zusammen 22 M., statt bisher 17 M. Wie ist nun diese Sonderbelastung der Ledigen zu begründen? Die Regierung geht davon aus, daß der Ledige materiell weniger zu seinem Lebens- unterhalt gebraucht.als der Verheiratete. Wer weiß, was ein Lediger für sein möbliertes Zimmer zahlen muß, was dazu an Ausgaben für jede Handreichung kommt, wie außerordentlich teuer ferner das Essen im Restaurant oder in einer Speise- wirtschaftet ist, wird schon diese Behauptung ohne weiteres bc- zweifeln müssen. Nun aber sind, wie oben dargelegt, vorwiegend Frauen ledig, und zwar, wie die Statistik zeigt, größten- teils erwerbstätige Frauen, deren Zahl gerade in den letzten zehn Jahren in den alteren Jahrgängen außerordentlich stark zugenommen hat- Wir sind froh darüber, daß dem so ist und daß der Zustand überwmiden ist. daß die unverheiratete Frau als die gefürchtete„alle Jungfer" einen Schrecken für die Familie darstellte. Deshalb brauchen wir nicht zu über- sehen, daß es bei unserer heutigen wirtschaftlichen Lage, wie auch bei dem leider herrschenden Lorurteil gegen ältere Ar- beitskräste. und msbesovdere weibliche Arbeitskräfte, ganz