Ewige Pensionen und vorübergehende llnierMungen
.Aber Herr General, wegen der paar Nebenverdienste werden wir doch nicht Zhre Pension kürzen..
»Die Suppe hat Fettaugen? Hier muß nebenverdient sein! Ihnen wird sofort auf 6 Monate die Arbeitslosem Unterstützung entzogen!"
In der Wochenschrift„Die 5)ilfe" hält der demokratische Reichs- tagsabgeordnete Erkelenz sehr scharfe Abrechnung mit den wirtfchafts- und sozialpolitischen Tendenzen. die die gegenwärtige Regierung beherrschen. In einem Artikel „Fortschrittliche oder reaktionäre Wirts ohaftspolitik" sagt er,>dag stabil« Preise wohl für Produzenten und Verbraucher das Nütz- lichste mären, daß es aber Zeiten gebe, in denen starke Preis- senhmgen unuermcrdlich find. Oos war in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der Fall und ist heute wieder der Fall. Wenn man aber an eine Vcrkoppelung von Lohn- und Preis- senkung denke, so dürfe ein« Lohnfenkung erst ganz zu allerleizt erfolgen.------ �.. i- Preissenkungen seien in Deutschland auf vielfache Art möglich: durch Senkung der Fertigevarcnpreise entspre6)end den stark gc- suntenen Rohstossprelsen, durch Ssnkun-g der Lebensmittelpreise im chandel, durch Preissenkung aus Grund der durch Rationalisierung eingetretenen Verbilligung der Produktionskosten, durch die seit Januar eingetretenen Zm-ocrbilligungcn, durch Festsetzung der Presto nach den Unkosten der leistungssähigsten Betriebe, durch Aus- scholtung der minderlcistungsfähigen Wettbewerber, auch durch Steuersenkung, sobald durch Verminderung der Arbeitslosigkeit Zu- fchüssc an die Arbestsloseiwersichcrung frei werden und durch Lexzicht auf die weitgehend« Selbstfinan- zierung, die gekade die leistungsfähigen Teile der Industrie ans überhoheir Prcsten betrieben haben. Unter dem Kapitel„W er Wind sät, wird Stur in ernten" heißt es: „In dieser Zeit der Wirtschaftskrise wird jedenfalls versucht, Schuld und Last der Krise wesentlich auf die Arbeitnehmer abzuladen. Auch die Dietrichschen Steuern werden ganz über- wiegend vom Lohn oder Geholt getrogen infolge der falschen An-
schauung, daß man so die„Wirtschaft" nicht beloste. Als wenn die Gehalts- und Lohnempfänger nicht auch ein ganz wesentliches Stück der Wirtschaft wären Die Agrarpolitik, soweit sie überhaupt wirk- sam ist, geht überwiegend zu. Last«: der Arbeitnehmer im breitesten Sinn des Wortes. Es gehört nicht viel dazu, um zu prophezeien, daß bei Fortdauer dieser Tendenzen der Lohn- und Gehalts- empsänger in seiner cedenshaltung bald lies unter dos Existenz- Minimum herabgedrückt ist. Das Allereigenartigste be! dieser Erscheinung ist. daß selbst ein i so kluger und den Arbeiterkreisen so nahestehender Mann wie Stegcrwald bei diesen Bestrebung«: Hilst, weil er unbewußtes! Opfer der schlechten„bürgerlichen" Nationalökonomie ist. Er und andere sind Opfer falscher politischer und wirtschaftlicher Tagesphrasen. Stegerwald sollte sich von dem Verfasser des Jahres� berichts des ihm nahestehenden Deutschnationalen chandlungs- gehilfen-Verbondes einige nationalokoruvniiahc Vorlesungen halten lassen. In keinem anderen modernen Jnduftrieland« würden sich die wohlorganisierten Arbeitnehmer sä widerstandslos all« Er- rungeirschafteii der letzten zwölf Jahr« nehmen lassen wie in Deutschland . In keinem Lande herrscht leider, von der öffentlichen Meinung weitgehend getragen, eine wirkschostlich so un- nerhüllle Reaktion wie in Deutschland . Der Staat kapituliert vor der Kapitalflucht und hält sich an den Kleinen schadlos." Wichtiger als der Weltmarkt sei für Deutschland die Erhaltung des inneren Marktes, das heißt die Erhaltung der Kaufkraft der Bevölkerung. Lohn- und Gehaltssenkung ist aber, soweit sie nicht durch Preissenkung ausgeglichen wird, dos Gegenteil von Kaufkraftsteigerung. Deshalb ist die Senkung des Real- lohns der letzte Faktor, an dem gespart werdey soll.
Bell gegen Karumidse. Aufgei-egte Szenen im Tscherwonzenfolscher-prozeß. Das richige Dohinplätschern im Tscherwon.zenfälscherprozeß bei vollständiger Jnteressenlosigkeit der breiten Oeffentlichkeit wurde gestern durch erregte Szenen unterbrochen. Die Einheitsfront, die in der ersten Verhandlung von sämtlichen Angeklagten strikt eingehalten wurde, hat diesmal einen Riß er- halten Bell, dieses piychologische Rätsel, ist aus der Roll« ge- fallen. Er wandte sich gestern mit aller Schärfe gegen Karumidse und Sadathicraschwili. Er protestierte energisch dagegen, daß man ihn als Psychopathen hinstelle: er sei vollkommen normal. Wenn cr in eine Depräffion hineingeraten sei. so sei das bei den Machenschaften des Herrn Karumidse, der für den ganzen georgischen Schwindel verantwortlich ist, kein Wunder. Bell? Verteidiger,.Rechtsanwalt Dr. M e n z. versuchte seinen Klienten zu b-schwichrigen-, das Wort„Schwindel" sei nicht wörtlich zu nehmen, vielmehr georgischer'Jargon. Bell ließ sich aber nicht beruhigen. Aus die Frage des Staatsanwalts, ob die Georgier auch ein persönliches Interesse an den Tscherwonzensälschungen gehabt hätten, meinte er, er könne das nicht mit Bestimmtheit sagen, doch sei den russischen Emigranten, bei deren trostlosen materiellen Verhästnissen jedes Mittel recht gewesen. Er, Bell, habe in der ersten Derhand- lung dem Wunsch« seiner Mitangeklagten nochgegeben und Karumidse geschont, er habe geglaubt, daß dieser Georgier sich über die Verhältnisse des Landes geirrt hätte. Run wolle er aber die Wahrheit sagen. Das ganz« georgische Komitee sei von den Tscherwonzensälschungen unterrichtet gewesen. Der Vorsitzende des georgischen Komitees Kedijo hätte ihm gegen. über Sadothieraschwili einen kleinen Verbrecher genannt, der Politik machs-und über Karumidse geäußert, sie glaubten, er sei ein Agent der Sowjetregierung.... Bell sprach sich allmählich in einer derartige Erregung hinein, daß sein Verteidiger Menz den Antrag stellte, ihn auf seine Der- haiidlltngssähigkeit zu untersuchen. Inzwischen kam es zur Ver- nehmung eines Leumundszeugen, des Major Heiß aus München , eines früheren Führers der Reichsflagge. Bell hatte unter ihm gearbeitet und sich vorzüglich bewährt. Auch in der Niederwerfung des mitteldeutschen Aufstandes unter Hölz war er tätig. Selbswer- ständlich hat er auch am K a p p- P u t s ch gemeinsam mit dem Zeugen teilgenommen. Kann man sich einen besseren Leumunds- zeugen denken? Bell ist als Politiker rehabilitiert. Niemand wird ihm nun zutrauen, daß er sich für die Tscherwonzen aus Eigennutz interessiert habe. Rechtsanwalt Bär aber beantragt« die Ladung Kodijas zum Beweis dafür, daß Karumidse und Sadathieraschwils nur aus politischen Motiven gehandelt haben. Im Lause der Verhandlung erlitt Bell einen Nervenzusammenbruch. Am Montag sollte General Kreß von Kressenstein vernommen werden. Rechtsanwalt Menz erklärte jedoch heute, von dem Zeugen Abstand nehmen zu können. Rechtsanwalt Bär behielt sich ober die Ladung dieses Zeugen noch vor: er müsse allerdings vorerst Rück. spräche nehmen mit Karumidse. Das Gericht war der Ansicht, daß eine derartige Rücksprache überflüssig sei und man auch ohne diesen Zeugen auskommen könne. Daß Kreß von Kressenstein seinerzeit Karumidse ein Empfehlungsschreiben mitgegeben habe, wurde als wahr unterstellt.
Tkeue Ausschreiiungen in Wiesbaden . Verstärkung der polizetkräste. Wiesbaden . 4. Juli. Die Ausschreitungen gegen die Separatisten haben heute vor- mittag eine Fortsetzung erlebt. Ein Zigorrenladen wurde überfallen und demoliert. Bor den zerstörten Geschäftslokolen haben sich überoll starke Menschenansammlungen gebildet. Da mit aller Energie gegen die Ruhestörer vorgegangen werden iall, hat dl« Wiesbadener Polizei in Frankfurt Hilf« angefordert. Es sind daher 60 Mann Schutzpolizei unter Führung von Zwei Poli.zeiofsizieren sowie 30 Kriminalbeamte nach Wiesbaden abgegangen.
Schildbürger in Anhali. Ein Streich von Oeutschnationplen bis Kommunisten. Dessau . 4. Juli. (Eigenbericht.) Der Anhaltische Landtag hat mit 1ä Stimmen der Rechten und und der Kommunisten gegen 14 Stimmen der Sozialdemokraten und Demokraten eine Vorlage abgelehnt, mit der die Regierung den in Schwierigkeiten geratenen Anhaltischen Siedlerverband sanieren wollte. Die Summe, die der Siedlerverband für die Liquidation und zur Fertigstellung der begonnenen Bauten braucht, war IV* Million Mark. Die Staatsregierung hat die Hilfe des SMates vorgeschlagen. vm die Folgen von den Sparern, die sonst ihre Guthaben verlleren würden, und den Handwerkern, die Forderungen an den Siedler- verband haben, abzuwenden. Weil die Leitung des Siedlerverbandes in' sozialdemokratischen Händen ist. hoben die Rechtsparteien aus bornierter Gegnerschaft gegen die Sozialdemokratie die Vorlage ob- gelehnt, obwohl die Folgen dieser Ablehnung nicht aus die Sozialdemokraten. sondern die bürgerlichen Sporer und Handwerker fallen. Der Siedlerverband wird min voraussichtlich seinen Kontur» an- melden müsier_
Landwirtschastshilse in Oesterreich . SoziolSemokrakischer Gegenvorschlog. Wien . 4. Juli. (Eigenbericht.) Die Regierung hat im Nationalrat zur Durchführung von Hilf»- maßnahmen für den notleidenden Getreidebau ein Ermächti- gungsgesetz beantragt. Die Mittel sollen durch eine Erhöhung der Zuckersteuer um 18 Groschen, der Viersteuer um 4 Groschen pro Liter und eine zehnprozentige Erhöhung der Warenumsatzsteuer aus- gebracht werden. Der Ertrag dieser steuerlichen Maßnahmen wird auf 83 Mill. Schilling beziffert. Die anfänglich von per Regierung beabsichtigte und auf 100 Mill. Schilling berechnete Wehlabgobe. (die das Kilogramm Mehl um fast 10 Pf. verteuern sollte), ist fallen gelassen worden. Der Sozialdemokrat Dr. Bauer erklärte im Haushastsausschuß, daß die Sozialdemokratie von den neugeplanien Sl«u«rn lediglich die Erhöhung der B i e r st e u e r hinnehmen könne, die anderen Steuern müsse sie ablehnen. Bauer schlug vor. einen Teil der de- nöliaten Mittel durch di« Erhöhung der Einkommensteuer, der il m s g tz st e u e r auf Luxus waren, der Tgonkpre-se in den teureren Sorten und der Besitz st euer aufzubringen. Deutscher psarrer in Rußland verurteilt. Der deutsche Uckriier Koch m Odessa ist wegen angeblicher söwjeefeindlichor llmtr'ede m fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden: außerdem wird er nach Sibirien verbannt.
Kurdeneinbruch in der Ostiürkei. Schwere Niederlage der Negierungstruppen. Angora, 4. Juli. (Eigenbericht.) Auö Ankara wird der Einbruch zweier Kurdenftämmc au» V« x f i e n in die türkische Ostprovinz W a n gemeldet. Die Kurden besetzten mehrere Dörfer. Die türkischen Truppe», die ihnen entgegengestellt wurden, erlitten eine schwere Niederlage. Zwischen Svnjastt und dem Wa»-Se« soll ei» türkisches Regiment von den Kurde» bis auf den letzten Mann»iedcrgemehelt worden sei«. Insgesamt solle» die Türken 30ftv Tote haben. Die türkische Oeffentlichkeit wird von der Presse über de» wahre» Verlauf der Kämpfe völlig in Unkenntnis gehalten. Amtlich wird jedoch der Einbruch der Kurden - stamme in die türkische Ostprovinz bestätigt. �SOMillionenM. für Rotstandsarbeiten Aeim britischen Unterhaus beantragt. London . 4. Juli. (Eigenbericht.) Anstelle der im Staatshaushalt festgesetzten neuneinhalb Mil- lionen Pfund für Wegeboutev hat die Arbeiterregierung dem Unter- hau» eine neu« Vorlage zugehen lassen, di« 21 Millionen Pfund zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch Vornahme von Straßen- bauten fordert. Gegen die Autoraserei. London . 4. Juli. (Eigenbericht) Dg- Unterhaus penpan einen Antrag auf Begrenzung der<?e- schon ndlgkM für Auto, nobile aus ZS englische Meilen In der Debatte wurde festgestellt, daß zur Zeit», England durch Auiomobil- Unfälle täglich durchschnittlich 20 Personen ge- tätet und 500 verletzt werden. Der Verkehrsminister gab ferner dekamst, daß in Zukunft die Polizei mit Automobilen und
Motorrädern ausgestattet werden, um den S chn e lls a h r e r n dos Handwerk zu legen. Die Fußgänger seien heute gejagt wie Hasen, und es müsse rücksichtslosen Fahrern bei-- gebracht werden, daß sie keine Gentlemen seien
Im Zeichen der„Generallinie". Was in Moskau alles rationiert wird. Moskau , 3. Juli(Oit-Expreß). Der Moskauer Konsumvereinsvevband, dem die Lebensmftte!» Versorgung der Bsvölterung der Eowsethauptstodt obliegt, Hot heute eine Bekanntmachung über die Versorgung imMonatJuli veröffentlicht. Danach werden im Äuli folgende Lebensmittel und Bedarfsartikel gegen entsprechende Kartonobschnitte ver- obfolgt: Zucker, Tee, Mokkaroni, Grieß, Grütze, Reis, Sannen» blumenöl, Margarine, Butter, Heringe, Waschseife, Toilsttenseife, denaturierter Spiritus, Fleisch, Mehl und Brot. Da die Butterrotionen an die Arbeiter und Kinder im Juni nicht in vollem Umfange ausgegeben werden konnten, ist die Gellung der betreffenden Kartenabschniste bis zum 5. bzw. 10. Juli verlängert worden,» Oer indische Kamps. Zusammenstöße--- Verhaftungen— Verurteilungen. Bombay . 4. Juli(Eigenbericht.) In dem Dorfe Khersi hatten die Bauern die Steuerzahlung ver- weigert. Eine Polzzeiabteilung wurde beauftragt, die Steuern ein- zutreiben. Als die Polizisten erschienen, wurden sie von einer 2000- köpfigen Meng« mit Backsteinen bewarfen. Da die Stock- gegenmehr fruchtlos blieb, schössen die Beamten Ein Bayer vvird- getötet, viele wurden verwundet. Die Herausgeber des in Maschinenschrift hergestellten„Kon-• oreh-Bulletins", darunter zwei Frauen, find festgenommen worden. V Der Verleger wurde zu 5 Monaten Kerker verurteilt. N« h r u und sein Sekretär haben gegen ihre Verurt«lvng Berufung angemeldet.