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Beilage

Montag, 7. Juli 1930

Der Abend

Spalansgabe das Vorwäre

Eisleben und die Mansfeld A.-G.

Die Tragödie einer Kupferstadt

,, Lieben Brüder, wie lange schlaft Ihr? Ihr müßt stehen ,, tut Thrs nicht, so ist das Opfer, ein betrübtes Herzeleid, umsonst. Seid nicht verzagt, nicht nachlässig; schmeichelt nicht länger den verkehrten Phantasten, den gottlosen Bösewichtern. Fahet an und streitet den Streit des Herrn.. Thomas Münzer an die Mansfelder Berggesellen. 1525. ,, Sie müssen einmal mitkommen auf unseren Sportplay, sich ruhig in das Gras legen und lauschen, wie es dumpf in der Erde dröhnt. Ihnen wird das sicher unheimlich vorkommen, aber wir sind das gewohnt." Ich mußte erst nichts Rechtes anzu­fangen mit dieser Aufforderung, tippte dann im Gespräch mit diesem oder jenem aber doch an und fragte so nebenbei, was das denn eigentlich wäre mit diesem dumpfen Dröhnen. So oft ich fragte, so oft lächelte man, wie man danach nur fragen könne. Das wüßte doch jedes Kind. Dann erklärten die Leute, dann erzählten sie, dann schütteten sie ihr Herz aus, schleppten Dokumente herbei und holten vom Nachbarn alte Urkunden und schließlich sah die alte Lutherstadt Eisleben ganz anders aus: mur allzu deutlich fiel auf das urwüchsig- fröhliche Treiben am Marktplatz der Schatten des Gewerfenhauses der Mansfelder Rupferherren. Und das ehrwürdige Rathaus war ganz beiseite gestellt.

leben stehen 2346 Häufer mit 6528 Wohnungen( Erhebung von 1927),| merden die Mansfelder Berge und Täler nach Kupfer und Silber der Mansfeld A.-G. gehören davon 600 Häuser mit 1900 Wohnun- durchwühlt. Unter der Erde liegt Stollen neben Stollen. Bon gen. Bis 1919 war der Stadtverordnetenvorsteher von Eisleben bis Hettstedt kann man durch diese Eisleben immer ein Oberbeamter der Mansfeld A.-G., wenn nicht Stollen wandern. Das Wasser wird durch einen unter­der Oberberg - und Hüttendirektor selbst. Selbst unter Hintansetzung irdischen Kanal, der mit Kähnen befahrbar ist, bei Friede­gesetzlicher Befugnisse der Stadt wurde den Vorschlägen der burg in die Saale gepumpt. Solange das dem Wasser gefällt. Mansfeld A.-G. der Vorzug gegeben, zumindest alle die Stadt be- Sonst bricht es, wie Anfang der 90er Jahre der sogenannte Salzige treffenden Fragen mit den Vertretern der A.-G. durchgesprochen.. See", in die Stollen und Schächte ein und ruft meilenweite Erd­Bezeichnend für das enge Verhältnis der Stadt zur Gewerkschaft erschütterungen und Nachstürze im Innern hervor. Damals wurden ( das ist die frühere Bezeichnung der heutigen Mansfeld A.-G.) ist in Eisleben 160 Häuser in 13 Straßen schwer beschädigt. Durch das die Anteilnahme der letzteren an den kommunalen Fragen und auch Maulwurfsnetz unter der Stadt Eisleben sind heute noch Berg­die Tatsache, daß die schriftlichen Arbeiten der Stadtverord schäden an der Tagesordnung. Unzählige Risse in den netenversammlung bis Ende 1918 nicht von einem städtischen, Häuserwänden und ständige Wasserrohrbrüche. Jetzt hat die Stadt­sondern von einem gewerkschaftlichen Beamten erledigt verordnetenversammlung der Mansfeld A.-G. eine Mutung zuge­und demgemäß der Einfachheit halber auch die Protokolle nicht im sprochen, nach der vom Klothildenschacht aus 700 Meter tief unter Rat-, sondern im Gewerkenhaus aufbewahrt wurden."( Aus der den Häusern der Linden-, Frei- und Klosterstraße Flöze abgebaut Dissertation des Herrn Dr. Rud. Fahrig ,,, Das Finanzwesen der werden sollen. Die Lutherstadt Eisleben hat den Vorrang für Stadt Eisleben ".) Und da regen wir uns über Ostelbien auf! Der Deutschland , auf eine Art umgekehrtem Vulkan zu stehen. Bis­Hüttenvogt und der Gutsinspektor nehmen sich nichts. weilen hört man tief unten ein dumpfes Dröhnen.

Das dumpfe Dröhnen

Eisleben ist, wenn auch nicht der geographische, so doch der Irgend jemand hat einmal von der reichen Industrie wirtschaftliche Mittelpunkt des Mansfelder Kupferfchiefer. Eislebens gesprochen. Diese Industrie" sieht folgendermaßen bergbaus. In weitem Bogen spannen sich um die Stadt drei aus: zwei Buchdruckereien mit 60 Beschäftigten, zwei Maschinen preußische Kreise, der Mansfelder See-, der Mansfelder Gebirgs fabriken mit 30, eine Zentralheizungsfirma mit 12, eine Korbwaren­und der Sangerhäuser Kreis. In diesen Kreisen wohnen über fabrit mit 20, eine Gasanstalt mit 6 Arbeitern. Dann ist eine Malz­64 kleine Städtchen und Dörfer verteilt 120 000 Menschen. Da- fabrik da, die beschäftigt während der Kampagne 25 Mann, wenn von arbeiten nach einer Erhebung der Mansfeld A.-G. 20 843 Be- die Möbelfabrik gerade etwas zu tun hat, dann hat sie 20 Leute, wohner auf den Schächten und Hütten. Diese rund 20 000 Arbeiter die Tabatfabrik hat 20 Frauen und die Zwiebackfabrit", das ist in and Angestellten haben 46 974 Angehörige, so daß 56 Proz aller Wirklichkeit eine Bäckerei mit 3 Gesellen und 2 Lehrlingen, die Einwohner, genau 68 417 Menschen sich in einem direkten Ab ,, utfabrit" hat überhaupt nur 2 Lehrmädchen, und in der Fahnen­hängigkeitsverhältnis von der Mansfeld A.-G. befinden. fabrit" sigt der Fabrikant ganz allein. Also die ganze Industrie" Die geringste tonjunkturelle Erschütterung des Kupferschieferberg beschäftigt vielleicht 500 von der Mansfeld A.-G. un baus wirft sich bis in die abgelegenste Arbeiterhütte aus. Es liegt abhängige Arbeiter.( Vgl. Fahrig, Finanzwesen, a. a. D.) eine Statistik vor, die von 1880 bis 1926 die Bevölkerungsziffer Wenn jemand in dieser Aufzählung das Wasserwert und das Eislebens mit der Belegschaftsstärke der Mansfeld A.-G. vergleicht. Elettrizitätswert vermissen sollte, dem sei verraten, daß die Jedes Fallen oder Steigen der letzteren bewirkt mit Stadt Eisleben dergleichen nicht besigt. Wasser und Strom peinlichster Genauigkeit eine gleichgerichtete Kurve bei der liefert die Mansfeld A.-G. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, aus­Einwohnerzahl Eislebens. In den kleinen Ortschaften aller wärtige Industrien heranzuziehen, eine Berliner Textilfirma wollte dings wirken sich derartige Schwankungen bei der Erdgebundenheit sich in Eisleben ein Wert errichten, ebenso eine Hamburger des Mansfelder Bergmanns zur Katastrophe aus. Maschinenfabrik, aber daraus wurde nichts, weil die Mansfeld A.-G. tein Interesse daran hat, daß ihre billigen Arbeitskräfte von besser zahlenden Betrieben weggeschnappt werden.

Nach Abschluß der Rationalisierung.

Am Ende der Inflation beschäftigte die Mansfeld A.-G. auf thren Kupferschieferberg- und Hüttenwerfen einschließlich des Hett­ stedter Messingwerts 23 300 Arbeiter, heute nach Abschluß der Rationalisierung nur noch 16 100 Mann. Die Handarbeit hat der Preßlufthammer und die Schüttelrutsche abgelöst, und in dem gleichen Maße, mie sich die Belegschaftsstärte ver. ringerte, steigen die Produktionsziffern. Die fleine Tabelle hier gibt Auskunft darüber, was rationalisieren heißt:

Erzförderung.. Kupfer

Feinfilber

1924 734 600 18543

91 381

Kupferschladen- Pflastersteine 14 000 77,5

Stromerzeugung

1929

939 100 Tonnen 22 893 123 370 Kilo 30 600 Tsd. Stück 108,8 mill. Wh. Das alles bei einer um 7200 verringerten Belegschaft. Es ist die Frage zu beantworten: wo sind diese 7200 wegrationalisierten Hundetrecker und Fördermänner, Schlepper und Häuer geblieben? 2000 Mann fonnten im Leuna werf unterkommen, jeden Morgen fahren drei direkte Zugpaare Sangerhausen- Leuna die einstmaligen Mansfelder Kumpels zu den Retorten des Chemietrusts. Nur werden diese Züge von Woche zu Woche dünner besetzt, entsprechend der sintenden Belegschaftsziffer des Leunamerts. Ein paar weitere tausend Mansfelder Arbeiter wanderten in die Braunfohlen reviere um Halle a. d. S. ab. Besonders gesucht war das Mansfeld benachbarte Oberröblinger Revier. Aber auf jeder Braun­fohlengrube stehen heute ebenfalls die Eimerkettenabraumbagger und die Schüttelrutschen, und so wurden nach und nach die Mansfelder Kumpels auch im Braunkohlenbergbau überflüssig. Jetzt sitzen sie als Kumpels auch im Braunkohlenbergbau überflüssig. Jetzt ſizen fie als Ausgesteuerte auf den Wohlfahrtsämtern. Induſtrie außer dem Kupferschieferbergbau besigen die drei preußischen Kreise nicht. Warum, werden wir bei der Behandlung

des Falles Eisleben sagen.

Denn eine

Es ist niederschmetternd und aufpeitschend zugleich, wie eine Handbewegung der Mansfelder Kupferbarone Tausende von Berg­arbeitereristenzen vernichtet. Die Mansfeld A.-G. tritt ihre Kali­quote auf dreißig Jahre für 12 Millionen Mark an das Kali syndikat ab, der Kalischacht Dittrichhall, das Kaliwert Wans­ leben und die Chlortaliumfabrit Eisleben werden stillgelegt. Und 800 Arbeiter liegen auf der Straße. Den im Sanger häuser Kreis beheimateten, ins Mansfelder Revier zur Arbeit tommenden Bergarbeitern zahlt die Mansfeld A.-G. eine Fahr geldentschädigung. Das paßt der Direktion eines Tages nicht mehr, der Röhricht- und der Barbaraschacht werden still gelegt und 300 Mann liegen auf der Straße. Die Gemeinden Blankenheim , Rieſtedt , Pölsfeld und Obersdorf( Kr. Sangerhausen) find zum Aussterben verurteilt. Es ist vielleicht ungezogen, es zu fagen, aber es ist die Wahrheit: das Elend der Rationali­sierten mildert die Staublunge, jene unentrinnbare Berufskrankheit der Mansfelder Bergleute. Mit 50 Jahren hat ein Häuer derartige Steinflumpen in seiner Lunge, daß er taum noch atmen fann. Die Knappschaft muß ihn invalide schreiben. Und so fehlt dort der fünfzig bis fünfundfechzigjährige Dauererwerbslose, der auf unseren Berliner Stempelstellen sehnsüchtig den Eintritt seines Versicherungsalters erwartet. Ich fragte einen Invaliden, was er Rente bekommt. ,, 105 Mart." Die Wohlfahrt würde ihm 42 Mart geben.

Und min das dumpfe Dröhnen". Seit acht Jahrhunderten

Deutschland von außen

Kritische Betrachtung von Heinrich Hemmer

Bon der Flut amerikanischer Europareisender fommt eigentlich nur eine fleine auslaufende Welle zu uns hereingeschlagen. Gesell­schaftlich und historisch ist der Yankee( und natürlich erst recht der Kolonialbrite vor allem an England interessiert, und verbringt dort seine meiste Urlaubszeit; für die, amüsen. entbedürftigen Amerikaner ist seit jeher Paris der irdische Himmel gewesen, für Naturschönheit ist die Schweiz vorgemerkt und Italien überdies für Kunst und Klima"- Deutschland interessiert heute hauptsächlich eine gewisse Kategorie von amerikanischen Geschäftsleuten. Die haben vor allem den Eindruck, daß Deutschland heute Amerika mehr ähnelt als irgendein anderer europäischer Staat, daß Deutsch land schneller amerikanisiert wird als Großbritannien . Der Yankee Landes ursprünglich aus Deutschland stammt( jeder fünfte Ameri­faner ist ja auch deutschen Ursprungs).

entdeckt zu seiner Ueberraschung, daß viel von der Kultur" seines

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Der amerikanische Geschäftsmann besucht Deutschland vielfach zu Studienzwecken. Es interessiert ihn die deutsche Finanz­struttur: the financial structural movement, wie er sich aus­drückt; die systematische Perfektionierung landwirtschaftlicher Be­triebe, die tunliche Ausschaltung des Imports durch Rohprodukt erjazz. Darüber entdeckt man erst, wie groß der deutsche Einfluß drüben iſt, 3. B. auf das amerikanische Nährmittel und Nährmittel­zubereitungssystem, bemerkt Anlehnungen an die Architektur, Be­wässerungsanlagen ja, weiß Gott , sogar das dicke Tischgeschirr haben die beiden Länder( und nur sie) gemeinsam.

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Diejenigen Amerikaner, die uns nicht aus jingoistischen( d. h. chauvinistischen) Motiven verdammen, neigen jetzt sehr dazu, uns zu überschäßen. Sie sehen die schönen Früchte am Baume, die morschen Stellen bemerken sie nicht. Gelber mit gefundem poli­tischem Sinn begabt, ahnt der Amerikaner nicht das Maß unserer inneren Berriffenheit. Er sieht uns wie einer, der recht wohl wüßte, wie er sich solche Fähigkeiten und Tüchtigkeit, wie er sie antrifft, zunuze machen würde. Das Maximum aus seiner Beranlagung zu machen, ist ja die Stärke der Anglofachysen.

Das Gesehene bleibt in den meisten Fällen rein äußerlich im Gedächtnis haften ohne Ergänzung durch Lektüre. Wie viele Dantees sprechen denn wirklich deutsch ? Und wie viele von diesen find imftande oder willens deutsche Bücher zu lesen! Bestenfalls fommt wieder nur Fachliteratur in Frage. Vom deutschen Geistes leben weiß man auch in den USA.( wo doch relativ das Maximum Interesse für uns da ist, welches immer noch ein minimum darstellt) fast gar nichts. Uebersetzt wird das, was der anglosächsischen Dentweise am nächsten kommt, das, wovon man sich einen Erfolg verspricht. Die Zeitungen bringen meist nur, was ihnen in den Kram paßt. Selten einmal erscheint in einer Monats­schrift ein wenigstens zusammenfassender, wenn auch nicht un­parteiischer Artikel. Während man drüben jeden letzten Schlupf­winkel der englischen Seele tennt und sich gerne mit franzöfifchen Kenntnissen brüstet, ist die Unkenntnis deutscher Angelegenheiten groß, nein ungeheuerlich

Ich habe immer das Gefühl, als müßte man jedem einzelnen Eisleben lebt von der Mansfeld A.-G. Hier ist das Lohn Amerikaner, der seinen Fuß auf deutschen Boden setzt, von steuerauffommen der Stadt 1924: Dom Jahre die Staats wegen alle nötigen Aufklärungen geben; denn was Mansfeld A.-G. führte 438 600 Mart Lohnsteuer ab, alle übrigen diese Leute für Eindrücke über den Ozean nehmen, geht durch die Berttätigen Eislebens 61 400 Mart, das ist ein Siebendel. In Eis- Presse; das ist so ziemlich der einzige solide Stützpunkt der

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Wir fagten, Konjunkturschwankungen im Kupfer­Schieferbergbau teilen sich der letzten Mansfelder Arbeiterhütte mit. Oder zum mindesten will dies die Mansfeld A.-G., sie will ihr Rifito auf die Schultern der Arbeiter abwälzen. Vor einem Jahr noch foftete ein englisches Gewichtspfund Elek­trolyttupfer 24 amerikanische Cents, heute jedoch nur noch 14 Cents. 3um Ausgleich dieses Preissturzes soll die Belegschaft, d. h., wie wir gesehen haben, mit Angehörigen und mittelbar Ab­hängigen die Bewohner dreier preußischer Kreise in eine erheb= liche Herabsetzung der Löhne als Voraussetzung für eine wirtschaft­liche Weiterführung der Betriebe" einwilligen. Bis zu 18 Pro 3. sollen die Mansfelder Jammerlöhne getürzt werden. Und gegen diesen Raubzug richtet sich der Kampf der Bergarbeiter.

Aber abgesehen davon bleibt die groteste Tatsache bestehen, daß Eisleben , Hettstedt , Mansfeld und 60 Dörfer dazu hungern müssen, wenn die Coppers Exporters Incorporated in New York mit dem Kupferpreis spielt. Und wir wollen hoffen und wünschen, daß es den Eislebener Marktfrauen, die wissen wollen, was sie heute ver­kaufen, und den Eislebener Hausfrauen, die wissen wollen, was sie taufen fönnen, erspart bleibt, hiernach erst jeden Morgen die Kupfer­notiz der New- Yorker Warenbörse befragen zu müssen. Denn sie haben schon ,, ein betrübtes Herzeleid" genug. Wo für Mansfeld erst der Anfang vom bitteren Ende begonnen hat. Fritz Köhler .

öffentlichen Meinung. Man muß sich vor Augen halten, daß es in der ganzen Neuen Welt eine Pressesitte ist, heimgekehrte Europafahrer zu interviewen. Was diese in ihrer hausbackenen Art dem Reporter ihrer Heimatszeitung erzählen( und das wird in Schlagzeilen festgehalten), gilt als glaubwürdigeres Material denn die bezahlten Tüfteleien europäischer Schöngeister( wenn sie über­haupt gelesen werden). Der foloniale Familienvater gilt zu Hause, wo er eine Farm oder ein Provinzgeschäft besitzt, als der vera nünftige, verläßliche Nachbar, sein Urteil über Deutschland ist maß gebend bei kleineren Leuten, die nicht auf Reisen gehen können, ja selbst oft dann, wenn diese deutscher Abstammung sind. Sie tennen den Jon oder Jad, und was er sagt, gilt als unverbrüchliche Wahrheit.

Wäre es unter diesen Umständen nicht am Platze, eine gewisse Auslandspropaganda im Inland zu betreiben, zumal die im Ausland betriebene vollkommen unzulänglich ist?

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Wenn mun immerhin unsere Beziehungen zu den USA.( nament­lich die ökonomischen) gepflegt werden, so hat es ganz den Anschein, als ob uns die übrige koloniale Welt nichts anginge. Bezüglich Kanada , Australien , Neuseeland , Südafrika ( und Südamerika ) inter­essiert uns, ob wir gegebenenfalls dort unterschlüpfen können, falls mir feine anderen Existenzmittel mehr an der Hand haben was die Bewohner dieser Länder von uns halten, scheint uns ziemlich schnuppe zu sein. Das ist ein geradezu grotesker Fehler unserer Einstellung. Wenn bloß die Deutschen die jeweiligen Besucher der englischen Kolonialwelt sprechen hören könnten! An diesen liegt es nicht, daß unsere Beziehungen feine besseren sind, man bringt uns da allerhand Sympathien entgegen und einiges Verständnis- in diesem Falle aber sind wir die Ungebildeten, die Unaufgeklärten. Allein das im Englischen verpönte Wort ,, Kolonien" führt uns voll­ständig irre. Das Wort ,, Kolonie" ist eine Beleidigung in England. Und das Wort, colonial", wie man die Ueberseeanglosachsen in England nennt, ist ein Schimpfwort, etwa gleichbedeutend mit Kolonialpöbel. Kolonie kommt von Straffolonie. Das war die ur sprüngliche und heute gern vergessene Besiedlungsform. daher die neuen Bezeichnungen: dominion, common wealth usw.

Wir denken immer an unsere ehemaligen Kolonien, die, ob gut, ob schlecht, so doch jedenfalls von der Wilhelmstraße aus verwaltet wurden und ein Stück( erotisches) Deutschland waren. Die( nur fo genannten) englischen Kolonien sind sich selbst regierende große Reiche, angegliederte, ihre eigenen Bäffe ausstellende Staaten, der eine ein ganzer Kontinent für sich, alle kommende neue ,, Amerifas", Zukunftsstaaten, die uns genau wie die USA . jeden Tag mehr betreffen. Aber bahnen wir politische, ökonomische oder geistige Be ziehungen mit diesen Ländern an? Nein, wir schmeißen alle von Briten bewohnten Ueberseeländer in einen großen Topf und kleben darüber den Zettel Inhalt Großbritannien ".

Schon vom bloßen Auftreten des englischen folonialen Menschen fönnten wir lernen.( Ich sehe deren genug in Berlin W und erkenne fie sogleich an ihrem selbstbewußten und zugleich legeren Auftreten.) Das sind feine rauhen Kolonisateure, Urbarmacher, sondern( zumeist) Kleinfarmer, eingesessene Bürger junger, rasch aufblühender, ihre Besonderheiten ungestüm ausprägender, ehrgeiziger, stolzer Länder, die sich um kein haar geringer dünken als der vielbewunderte Dank.

Wir sollten uns danach richten Die neue Zeit hat die neue Welt, die neueste Welt in den Vordergrund gedrängt. In vieler Hin sicht ist das moderne demokratische Deutschland dem englischen kolonialen Ideal noch näher als die vielgenannten USA .