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Donnerstag
10. Juli 1930
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
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Massentod in der Grube.
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Katastrophe im Neuroder Revier.- Bisher 67 Tote.
Ein furchtbares Grubenunglück hat sich am Mittwoch nachmittag gegen 16 Uhr auf der Wenzeslaus. Grube bei Neurode durch einen Kohlengas ausbruch zugetragen. Bis 20 Uhr 50 Min. konnten von zwei Steigerabteilungen, die zusammen 191 Mann stark waren, im ganzen 50 Zote geborgen werden. Unter ihnen befindet sich der Steiger Schwertner. Der Kohlensäureausbruch ereignete sich auf dem Kord. Schacht in Ausdorf bei Neurode und zwar auf der 1. und 2. Sohle. Die Rettungsmannschaften aus den umliegenden Gruben arbeiten fieberhaft.
Bisher 67 Tote.
Rettungsarbeit im Giffschwaden.
Breslan, 9. Juli.
Die Rettungsarbeiten gestalteten sich außerordentlich schwierig, da die Kohlensäure das Vordringen der Rettungsmannschaften stark behindert. Die lebend Geborgenen leiden unter Vergiftungserscheinungen, die ihre Ueberführung in Krankenhäuser notwendig machte.
Der Gastod im Bergbau.
Das Rohlengestein mancher Flöze enthält Einschlüsse von Gasen. Werden diese Hohlräume bei der Kohlenförderung angeschlagen, so strömt das meist unter Drud stehende Gas aus. Bläser" nennt daher. der Bergmann diese gefährlichen Stellen. Es fönnen Kohlen stoff Wasserstoff- Berbindungen darin sein, besonders das sogenannte Grubengas( Methan), aber auch Kohlenstoff- Sauerstoff- Berbindun besonders das Kohlendioxyd CO2, das gemeinhin Kohlenfäure" genannte Gas Gerade das Neuroder Revier liegt unter schwerem Bergbrud, der den Abbau schwierig und kostspielig macht, außerdem noch die Gasbildung fördert.
Bis 21.50 Uhr waren in Hausdorf 67 Tote gegen, borgen. 48 Personen, der größte Teil mit Vergiftungs. erscheinungen, find ins Lazarett eingeliefert worden. Man hofft, von den eingeschlossenen 73 Bergleuten wenigstens einen Teil noch lebend bergen zu können.
Bis 1 Uhr morgens sind keine weiteren Verunglück ten lebend geborgen. worden. Auch die Zahl der Toten hat sich nicht erhöht.
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Genau vor einem Jahre, im Juli 1929, hat die Schlag metterfatastrophe von Baldenburg 27 Todesopfer dahin gerafft. Heute ist tiefe Trauer im Neuroder Revier eingefehrt. Das ist das Bergarbeiterschicksal- ein färgliches Leben bei schwerer Arbeit unter Tage, dann eines Tages der Maffentod. Die Ernährer von vielen Bergarbeiterfamilien kommen
Das Neuroder Kohlenrevier.
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Umfall nach rechts.
Abbau der Darlehenspflicht für die Arbeitslosen versicherung!- Kopfsteuer.
Kabinettsfizungen, Fraktionssizungen und wieder Ka binettssigungen. Besprechungen der Führer der Regierungsparteien und wieder Fraktionssizungen.
Endlich 10. Juli, 1 Uhr morgens, neueste Meldung: Das Kabinett hält nach wie vor an seinen bisherigen Deckungsvorschlägen fest, ist aber bereit, sie im Sinn der gestern mit den Parteiführern vereinbarten Vorschläge zu ergänzen.
Neu ist das alles ja nicht, aber gerade darum widers legt es die Behauptung, seit dem 1. April d. I. sei es anders und besser gemorden als zuvor. Anders in mancher Beziehung gewiß, aber besser in feiner!
Immerhin hat es sich früher bei solchen Verhandlungen darum gehandelt, eine Mehrheit zustande zu bringen. Die Verhandlungen aber, die jetzt geführt werden, dienen zunächst nur dem Zweck, jene Minderheit, die fich parlamentarisch noch zu Brüning bekennt, auf eine ge= meinsame Marschlinie zu einigen. Erst wenn das gelungen oder auch mißlungen ist, will die Regierung in der nächsten Woche die Entscheidung des Reichstags herbeiführen.
So unflar und verworren nun auch alles noch ist, eines ist doch vollkommen flar: die Regierung Brüning sucht ihre Mehrheit ausschließlich und allein nach rechts. Sie ist dem Gesez treu geblieben, nach dem sie angetreten ist; fie will eine Regierung, wenn auch nicht ganz offen gegen, so doch bestimmt ohne die Sozialdemokratie sein. Nachdem fie mit einer Brüstierung der Sozialdemokratie ihr Dasein begonnen, ihre ersten Finanz- und Zollmaßnahmen gegen die Sozialdemokratie durchgesezt hat, steuert sie mit anerfennenswerter Konsequenz ihren Kurs fort: den Kurs einer Bürgerblodregierung, die durch steigende Zugeständnisse an Agrariertum und Sozialreaktion ihre Eristenz au erhalten versucht.
So ist denn auch jetzt nicht entfernt davon die Rede, ob und wie man ein für die Sozialdemokratie annehmbares
Ganz nahe an der tschechoslowakischen Grenze, in einer Ent #fernung von nur vier Kilometern, liegt das Städtchen Neurode Die Rettungsmannschaften arbeiten sich an die Ein- mit seinen 8500 Einwohnern. Es wird überragt vom Eulen gebirge, und es wird durchflossen von der fleinen aldiz. geschlossenen heran. ensund Gif eines Landratsamtes und eines Amtsgerichtes, das dem Land gericht Glatz untersteht, ist es der Typ der schlesischen Kleinstadt, die industriellen, proletarischen Charakter erhält durch den Stein tohlenbergbau in der Nähe. Unfern ist das Bad Zentner brunn mit seinem Erholungsheim, das von Kurgästen aus dem ganzen Reiche aufgefucht wird, die jetzt gleichfalls durch die furcht46 Jahren, stand die Stadt, die im Regierungsbezirt Breslau gebare Katastrophe in Erregung versetzt sind. Schon einmal, vor legen ist, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. 1884 wurde Programm zustandebringen könnte. Man zerbricht sich ledig= fie durch einen furchtbaren Brand heimgesucht, der viele öffentlich den Kopf darüber, welche Zugeständnisse man noch nach liche Gebäude, viele Anwesen zerstörte. Neurode war in früherer rechts machen kann. Augenblicklich geht der Kampf um Beit vor allem durch seine bedeutende Tuchfabrikation be- eine Verschlechterung des§ 163 des Arbeitslosentannt. Bon der Kleinstadt ging ein starker Haufierhandel mit Decken gesezes, der die unbeschränkte Darlehnspflicht des Reiches und Teppichen, Tuchschuhen und Bändern aus. Die Chronik der vorsieht und um die Kopfsteuer für die Gemeinden. Stadt rühmt ihre mechanischen Webereien, Spinnereien, Färbereien und Handwebereien. Sie nennt ihre chromolithographischen Anstalten, die weit über Schlesien hinaus Ruf und Ansehen er langten.- Die früher sehr bedeutende Tuchfabrikation ist zurück. gegangen. Neurode wurde zum Zentrum des Steinkohlen bergbaugebietes, dessen Ausbeutung heute zu dem furchtbaren Unglüd führte, von dem wir berichten.
nicht mehr heim.
Die Trauer von Neurode ist die Trauer der gesamten deutschen Arbeiterschaft. Mit tiefem Mitgefühl empfindet sie den Schmerz der Hinterbliebenen, der Witwen und Waisen, die trauernd an den Särgen ihrer Ernährer stehen. Ihr Leben wird nun noch grauer, noch färglicher sein als bisher. Waldenburg und Neurode beide bekannt als Gegenden der schlimmsten Armut, in denen ein fleißiges, aber armes Arbeitsvoll mit der Not des Daseins fämpft. Nun noch trauriger bekannt durch die schrecklichen Katastrophen, die zur Not den Tod fügten.
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Knapper Sieg Snowdens.
Drei Stimmen Mehrheit der Arbeiterregierung.
2ondon, 9. Juli. ( Eigenbericht.)
In der heutigen Unterhaushikung entging die Arbeiterregierung mit 278 gegen 275 Stimmen einer Niederlage und damit das Parlament seiner Auf
lösung.
Selten hat das Unterhaus eine so erregte Sigung erlebt wie am Mittwoch bei der Debatte und Abstimmung über einen. Antrag zum Finanzetat, der den Betrag der Einkommen fteuer um jährlich 7 Millionen Pfund her abseßen wollte. Churchill und Lloyd George , die Begründer des Antrags, Arm in Arm gegen die Regierung, waren eine sonderbare Bettgemeinschaft und sie lieferten eine Schlacht, in der Snowden wieder einmal auf der Höhe seiner Fechttunft stand und die ganze Schale seines vernichtenden Hohnes über seine Gegner ausgoß. Mochte auch Lloyd George erklären,
er denke nicht daran, die Regierung ftürzen zu wollen, er fonnte nicht einmal sämtliche Mitglieder seiner eigenen Frattion davon überzeugen. Und der wenderwendische liberale Führer mußte am Schlusse der Abstimmung sehen, wie seine eigene Partei in brei Zeile gerfiel Die Ronservativen dach en micht daran, die Liberalen aus der Sadgaffe zu befreien, in die fie von Lloyd George hineinmanövriert worden waren. Bon 260
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fonservativen Abgeordneten waren 250 zur Stelle, die gefchloffen gegen die Regierung ftimmten. Noch während der Abstimmung hofften die Liberalen, die Konservativen würden einen Teil ihrer Leute aus dem Saale tommandieren. Weit gefehlt! Trogdem fich 12 liberale Abgeordnete der Stimme enthielten, mußten in legter minute vier Liberale für die Regie. rung einspringen, was gerade genügte, um dem Kabinett eine Mehrheit von drei Stimmen zu geben und das Unterhaus vor der Auflösung zu bewahren.
Bon der Arbeiterpartei wurde das Resultat mit minuten langen stürmischen Demonftrationen aufgenommen. Aber der Beifall und das Tücherschwenken galten nicht der Dreistimmenmajorität, sondern der schweren Niederlage, bie Blond George und die liberale Parte verdientermaßen durch ihr Verhalten erlitten hatten Zum Schluß gab es im Saale eine lebhafte Auseinanderfeßung zwischen einzelnen liberalen Abgeord
neten und vor allem
zwischen Lloyd George und Herbert Samuel , weil sich dieser der Abstimmung enthalten hatte.
Welche Folgen das Verhalten von Lloyd George für das Zusammen. arbeiten zwischen Liberalen und Arbeiterpartei in der Arbeits. lofenfrage haben wird, muß abgewartet werden.
Der§ 163 des Arbeitslosenversicherungsgefeßes foll folgenden Zusah erhalten:„ Der Höchstbetrag diefer Darlehen muß vom 1. April 1931 jeweils im Haushaltsgesetz festgesezt werden." So harmlos dieser Zusaz erscheint, so gefährlich ist er in Wirklichkeit. Um dieſe Beschränkung der Darlehnspflicht des Reiches hat die Deutsche Volkspartei seit Jahr und Tag gerungen. Solange die SozialDemokratie in der Regierung war, hat sie sie nicht durchgesetzt. Die Beschränkung der Darlehnspflicht des Reichs ist deshalb so gefährlich, weil sie, solange die Wirtschaftskrise andauert, den Abbau der Leistungen zwangsläufig ermirft.
Ebenso reaktionär und verhängnisvoll müßte sich das andere Zugeständnis, zu dem die Regierung bereit ist, ausmirten: die Kopfsteuer. Noch vor wenigen Tagen hat der Reichsfinanzminister Dietrich die Kopfsteuer ein Abenteuer genannt. Er hat mit den besten Argumenten nachgewiesen, daß die Kopffteuer niemals die finanziellen Bedürfnisse der Gemeinden erfüllen kann, daß sie in ihrer gleichmäßigen Höhe ungeheuer unsozial wirkt und daß ihre Einziehung Berwaltungskosten erfordert, die den größten Teil des Ertrages dieser Steuer aufzehren.
Aber mit all diesen Keulenschlägen hat Herr Dietrich die Kopfsteuer doch nicht totgefriegt. Gestern so gut wie erledigt, steht sie heute schon wieder als Ergänzungsvorlage" der Regierung im Mittelpunkt der Ereignisse.
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Neger=
Die Kopfsteuer vom Volksmund auch steuer" genannt soll einen doppelten 3wed erfüllen. Sie soll erstens die Gemeinden zwingen, ihre sozialen Sie soll erstens die Gemeinden zwingen, ihre sozialen Ausgaben weitgehend einzuschränken. Zweitens foll damit die Sentung der Realsteuern durchgesetzt werden. Der Abbau der sozialen Fürsorge in den Gemeinden, der seit langem von der Deutschen Volkspartei erstrebt wird, um ein wichtiges Hindernis für eine weitere Senkung der Leistungen der Arbeitslosenversicherung und der Krisen fürsorge wegzuräumen, wird durch die Einführung der Kopfsteuer und durch ihre Verkoppelung mit den Realsteuern in vielen Fällen nicht zu vermeiden sein. Hinzu