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Morgenausgabe

Nr. 325

A 164

47.Jahrgang

Böchentlich 85 Pf., monatlich 3,60 2. im voraus zahlbar, Postbezug 4,32 m. einschließlich 60 Pfg. Postzeitungs- und 72 Bfg. Poftbestellgebühren. Auslands abonnement 6,- M. pro Monat. *

Der Bormärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit" und ,, Kinderfreund". Ferner Frauenstimme", Technit", Blick in die Bücherwelt"," Jugend- Borwärts" und Stadtbeilage".

Vorwärts

Berliner Bvlksblatt

Dienstag

15. Juli 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflame eile 5, Reichs­mart. Kleine Anzeigen das ettges brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben Arbeitsmarkt zählen für zwei Borte. Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imHaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich Don 81/2 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

G.m.b.H.

Bedenken gegen Artikel 48.

3m Justizminifterium.- Und im 3nnenministerium?

Die Wirtschaftspartei hat im Reichstag einen Antrag| erlogen. Schon unter dem 11. Juli hat der sozialdemokratische eingebracht, der die Reichsregierung ersucht, den Reichspräsi- Parteivorstand sämtliche Mitglieder dringend aufgefordert, an jedem denten zu bitten, daß im Falle der Ablehnung der Deckungs- Tage anwesend zu sein. Diese Mahnung ist am Montag vorlage und der Vorlagen über die Revision des Erwerbs- wiederholt worden." losen und Krankenwesens und der Ausgabensenkungsbestim­mungen der Reichstag aufgelöst wird. Durch den An­trag soll verhindert werden, daß der Artikel 48 in An­wendung gebracht wird, ohne daß der Reichstag aufgelöst ist.

Der Fraktionsvorstand hat ferner die Mitglieder der Fraktion aufgefordert, nicht zur Interparlamentarischen Union nach London zu reisen.

Wie die Telegraphen- Union dazu zu melden weiß, hat Das Kompromiß über die Kopfsteuer. der Staatssekretär im Reichsjustizministerium, Joel, über Der Entwurf eines Gesetzes über die Einführung der Kopf die Frage der Anwendungsmöglichkeit des Artikels 48 ein steuer, der am Sonntag zwischen den Regierungsparteien ver­Gutachten ausgearbeitet, über das von der Reichsregie- einbart worden ist, weicht in einigen Punkten von dem ersten Ent rung strengstes Stillschweigen bewahrt wird. Angeblich soll wurf ab. Danach sind die Gemeinden bis zum 31. März 1931 der Antrag der Wirtschaftspartei auf Auflösung des Reichs- tung zu ihrer Einführung ist nur für den Fall vorgesehen, daß im lediglich berechtigt, die Kopfsteuer einzuführen. Eine Verpflich tages für den Fall der Ablehnung der Deckungsvorlagen usw. Rechnungsjahr 1930 die Realsteuer über den bis zum 1. Juli 1930 unmittelbar auf das Gutachten Joels zurückgehen, das beschloffenen Satz erhöht wird. Vom Rechnungsjahr 1931 ab bis starke Bedenken gegen die Anwendung des zum Inkrafttreten des Grundsteuerrahmengesetzes und des Gewerbe­Artikels 48 äußert. steuerrahmengesetzes ist die Gemeinde verpflichtet, die Kopf­steuer einzuführen, wenn die Realsteuern den Landesdurchschnitt übersteigen. Für die Sentung der Realsteuern und für die Ver­toppelung der Zuschläge zur Kopfsteuer mit den Realsteuersägen find besondere Reichsgesetze in Aussicht genommen.

Und was sagen Wirth, Stegerwald, Guérard, was der Demokrat Dietrich?

Illufionen im Brüning- Lager. Die sozialdemokratische Fraktion wird vollzählig und gefchloffen ablehnen.

In einem Teil der bürgerlichen Preffe, wie in den Wandelgängen des Reichstags, wurde gestern das Gerücht wiedergegeben, daß die sozialdemokratische Reichstagsfraktion bei den entscheidenden Abstimmungen sich nicht in voller Stärke beteiligen werde.

Zu diesen Gerüchten schreibt der Sozialdemokratische Pressedienst:

,, Man tolportierte am Montag im Reichstag das Gerücht, die sozialdemokratische Frattion werde eine Anzahl ihrer Mitglieder abkommandieren, oder es würde ein Teil freiwillig der Abstimmung fernbleiben, um dem Kabinett aus der Verlegenheit zu helfen. Die Hugenberg- Bresse wußte sogar die genaue Zahl dieser Retter anzugeben, nämlich vierzig. Alles erstunten und

Die Regierungsparteien einig.

Die Frattionen der Regierungsparteien haben sich auf die Dedungsvorlagen und das Kompromiß über die Kopffteuer geeinigt. Die demokratische Reichstagsfraktion hat ihre Zu ſtimmung zur Kopfsteuer in einem längeren Schreiben an den Reichstanzler begründet, dessen Schluß lautet:

,, Der letzte Grund, weswegen wir unter Zurückstellung wesents licher Bedenken unsere Unterschrift zu leisten bereit sind, besteht in der Erkenntnis, daß ohne wesentliche Opfer von allen Seiten eine Einigung der Parteien über eine auf par lamentarischem Wege zu verabschiedende Finanzreform überhaupt nicht zu erzielen sein würde, daß aber die wendigkeit alsbaldiger Maßnahmen von niemand verneint werden kann, der sich der schweren Gefahren bewußt ist, die sonst Reich und Wirtschaft bedrohen." Man könnte in diesen Säßen schon die Ueberleitung zu einem Ilmfall der Demokraten in der Frage der Anwendung des Artikels 48 sehen...

Bostscheckkonto: Berlin 37536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65. Dt. B. u. Disc.- Ges.. Depofitentafle Lindenstr. 3.

Mit Westarp oder Artikel 48!

In jedem Fall ohne und gegen die Sozialdemokratie.

Heute nachmittag steht im Reichstag die zweite Lesung der Finanzvorlagen auf der Tagesord nung. Man erwartet, daß der Reichskanzler Dr. Brüning die Debatte mit einer Erflärung einleiten wird. Danach wird fich das Hauptinteresse auf die Abstimmungen richten. man sagt, daß die Regierung je nach dem Ausfall dieser Abstimmungen ihre Entschlüsse fassen wird, man spricht in diesem Zusammenhang wieder vom Artikel 48.

Die Regierungsparteien haben gestern beschlossen, die im Ausschuß gefallene Regierungsvorlage wieder einzu­bringen und einen Entwurf einer Kopfsteuer hin­zuzufügen. Das ist eine Kriegserklärung an die Sozialdemokratie und ein Werben um die Gunst der Deutschnationalen . Unter dem Druck des Reichskanzlers haben 3 entrum und Demokraten es unterlassen, mit der Sozialdemokratie Fühlung zu nehmen, obwohl sie wissen, daß die Sozialdemokratie bereit war, mit ihnen zu die Brücke nach rechts geschlagen: ob sie tragfähig ist, verhandeln. Durch die Einbringung der Kopfsteuer hat man müssen die nächsten Tage zeigen.

Gelingt der Regierung Brüning zum zweitenmal, was ihr im April dieses Jahres zum erstenmal gelungen ist, dann ist die Lage ohne weiteres flar. Dann haben wir eine Bürgerblockmehrheit, die zwar etwas morsch und nur durch stärksten Druck zusammenzuhalten ist, auf die gestützt aber die Regierung Brüning verfassungsmäßig regieren kann. Die Oppositionsstellung der Sozialdemokratie gegenüber dieser Mehrheit ist von selbst gegeben.

Wenn aber die Spekulation mißlingt, wenn die deutsch­nationale Hilfsmannschaft zur Mehrheit nicht reicht, dann will, so, heißt es, die Regierung Brüning mit dem Artikel 43 regieren. Der Staatsstreich ist unterwegs, und als sein Vora reiter erscheint pünktlich schon wieder der alte Schwindel von den angeblichen Präzedenzfällen aus Friedrich Eberts Zeit.

Von den fünf Verordnungen finanzieller Natur, die Ebert in den Jahren 1923 und 1924, also in stürmischer Beit erließ, hat feine einzige neue Steuern oder Steuererhöhungen eingeführt. Vielmehr handelte es sich in der Hauptsache darum, die Steuersäge den heftigen Schwankungen der Währung anzupaffen. In keinem dieser Fälle ist der Ausnahmezustand des Art. 48 zu dem 3mede verhängt worden, die Verordnungen erlassen zu fön­nen, er bestand vielmehr schon zuvor. In feinem dieser Fälle ist etwas verordnet worden, etma weil man wußte, daß der Reichstag dafür nicht zu haben sein würde.

Was die Regierung Brüning vorhat, ist das gerade

Das Gemüt beim Zechenkapital Frohe Botschaft für Deutschösterreich. Gegenteil von dem, was damals geschah. Ein Ausnahme­

Kürzung der Knappschaftsversicherung beantragt- einen Tag nach der Beifetzung der Opfer von Neurode. Im sozialpolitischen Ausschuß des Reichstages wurden Montag abend die Beratungen über die Novelle zur Krankenversicherung be­endet. Nach Schluß der Beratungen begründete der Zechen direktor Leopold einen deutsch nationalen Antrag, worin die Regierung aufgefordert wird, nunmehr auch eine Novelle zur Knappschaftsversicherung vorzulegen und diese der verschlechterten Krantenversicherung an

zupassen.

Abg. Aufhäuser( Soz.) beantragte fofort zur Geschäfts­ordnung gegenüber diesem Roheitsaft, der einen Tag nach der Beisetzung der Opfer von Neurode vorgenommen werden soll, Uebergang zur Tagesordnung.

Es wurde so beschlossen.

Brot nach Gewicht!

Bom Reichstag beschlossen.

Beim Roggenbrotgesetz ist vor kurzem mit einer Reichstagsmehrheit von einer Stimme der§ 4 gestrichen worden, der Brotverkauf nach Gewicht vorschreiben

wollte.

Die sozialdemokratische Fraktion hatte nun beantragt, diese Bestimmung in das Gesetz über den Vermahlungs. zwang für Weizen einzufügen. Dieser Antrag ist gestern bom Reichstag in in namentlicher Abstimmung mit 200 gegen 190 Stimmen bei 8 Enthaltungen zum Be schluß erhoben worden. Da das Gesetz mit diesem Zusatz angenommen worden ist, wird vorbehaltlich der zu stimmung des Reichsrates- Brot künftig nach Gewicht verkauft werden.

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Die Anleihe gesichert.

London , 14. Juli. ( TU.)

Die österreichische Wiederaufbauanleihe ist am Mon­tag in London abgeschlossen und von Finanzminister Juch als dem Vertreter der österreichischen Regierung sowie von den Vertretern der beteiligten Banken unter­zeichnet worden. Die Anleihe wird in New York bereits am Dienstag nachmittag, in London am Mittwoch, in Wien am Donnerstag, ferner in Holland , Italien , Schweden und der Schweiz zur Auflegung gelangen. Die Anleihesumme beträgt rund 62 Millionen Dollar, wird mit 7 v. H. verzinst und erstreckt sich über 27 Jahre.

Rußlands höchste Instanz. Neuwahl des Politbureaus und des Zentralfomitees. Schluß des Parteitages.

Mostau, 14. Juli.

Das Plenum des vom 16. Kommunistischen Parteitage ge­wählten 3entralfomitees wählte zu Mitgliedern des Politbüros Stalin , Kaganowitsch , Molotow, Kalinin , Kaganowitsch , Molotow, Kalinin , Borojchilow, Kirom, Kuibichem, Rytow, Rudiutta und Koffior und zu Erfaßmitgliedern dieses Büros Mikoian , Tschubar , Petromsti, Andrejew und Syrzom. Zu Sekretären des Zentralkomitees wurden Stalin , Raganowitsch, Molotow, Baumann und Bostyschew gewählt, ferner wurde Stalin als Generalsekretär bestätigt. die Oppositionellen Tomsti und sogar Bucharin . Unter den 71 Mitgliedern des Zentralfomitees befinden sich auch

die Arbeit der Zentralfontrollkommission, Kuibyschews über die Der Parteitag hat einstimmig die Berichte Ordschonifidses über Durchführung des Fünfjahresplanes, Jafowlews über die Rolleftivwirtschaftsbewegung und Schwerniks über die Arbeit der. Sowjet- Gewerkschaften gebilligt. Die Schlußrede auf den Parteitag hielt Stalinin.

zustand besteht nicht, es besteht auch fein gesetzlicher Grund, ihn zu verhängen. Der einzige Grund, ihn zu verhängen, be steht darin, daß man Steuern ausschreiben will, für die man im Reichstag keine Mehrheit hat. Was ein solches Vorgehen staatsrechtlich bedeutet, darüber ist ein Zweifel nicht möglich.

Was bedeutet es politisch? Verschärfung des Kampfes zwischen der bürgerlichen Mitte und der Sozialdemokratie. Eine vom Zentrum getragene Regierung spielt Dittatur, die Sozialdemokratie wird ihr sagen müssen, daß ihr Vor­gehen mit der Reichsverfassung nicht vereinbar ist. Die Sozial­demokratie wird in jedem Fall vom Reichstag verlangen, daß er die Verordnungen der Regierung aufheben soll. Wird sich dann eine Mehrheit finden, die durch Ablehnung dieses Ber­langens für das sachliche und formale Borgehen der Regie­rung die Verantwortung übernimmt?

Eine andere Frage: Wie weit kann die Regierung mit dem angemaßten Berordnungsrecht gehen? Staatsrechtlich fann sie damit, wenn sie Steuern ausschreiben darf, alles, also 8. B. auch die Arbeitslosenpersicherung, die Krankenversiche­rung verschlechtern, den Etat ändern. Subventionen entziehen oder austeilen usw. Ihr Recht" zu solchen Maßnahmen ist genau so start und so schwach, wie ihr Recht, ohne den Reichs­ tag Steuern auszuschreiben. Aber politisch sind ihr Grenzen gesetzt. Es ist eine politische Frage, wie weit sie sich mit ihren Diktaten in das Geftrüpp der Unpopularität ver­lieren will. Die Erhöhung der Steuer auf die großen Ein­tommen ist zu ertragen Den Beamten ohne Beschluß des Reichstags Prozent ihres Gehalts abzunehmen, dürfte schon schwieriger sein. Will die Regierung dann etwa noch mit Hilfe des Art. 48 die berüchtigte Negersteuer einführen, so wird sie sich nicht nur beim Reichsrat unbeliebt machen, fondern auch im Volf einen Sturm der Empörung hervor­rufen. Beliebt es ihr dann auch noch, den Arbeitslosen und den Kranten einige Hundert Millionen abzunehmen,