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Morgenausgabe

Nr. 327

A 165

47.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Mittwoch

16. Juli 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einspaltige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichs­mart. Kleine Anzeigen das lettges brudte Bort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgebruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, mochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

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Braun antwortet Hindenburg .

Der Reichspräsident ins Unrecht gesetzt.

Die Antwort des preußischen Ministerpräfi-| gierung am Recht festhält und daß der Reichspräsident sich| Der Vergleich mit dem persönlichen Regiment der denten Braun auf das Schreiben des Reichspräsidenten zu- auf der ganzen Linie ins Unrecht versett Borkriegszeit drängt sich auf, die Erinnerung an das Daily­gunsten des Stahlhelms lautet: sieht. Die unverantwortlichen Ratgeber des Reichspräsi- Telegraph- Interview ebenfalls. denten werden das Gegenteil von dem erreichen, was sie wünschten.

Hochverehrter Herr Reichspräsident! Aus Ihrem Schreiben vom 15. Juli 1930 muß ich zu meinem Bedauern ersehen, daß Sie Ihre Teilnahme an den rheinischen Befreiungsfeiern im preußischen Ge­biet nunmehr von der Wiederzulassung der in den Provinzen Rhein­ land und Westfalen aufgelösten Gruppen des Stahlhelms, Bund der Frontsoldaten E. B., abhängig machen. Ich empfinde dies um fo schmerzlicher, als dadurch ein Mihklang in die Be­freiungsfeiern hineinkommen muß, den ich, soweit es an mir liegt, gern vermieden sehen würde.

Um Ihrem Wunsche, Herr Reichspräsident, auf Wiederzulaffung des Stahlhelms in den Provinzen Rheinland und Westfalen ent­gegenzukommen, hat der Herr preußische Minister des Innern mit meinem Einverständnis dem Bundesamt des Stahlhelms gegenüber mit Schreiben vom 14. Juli 1930 die Wiederzulaffung der in diesen Provinzen aufgelösten Gruppen dieser Vereinigung in Aussicht gestellt. In diesem Schreiben, auf das auch Sie, Herr Reichspräsident, Bezug nehmen, hat der Herr preußische Minister des Innern zum Ausdruck gebracht, daß er gegen eine Neubil­dung der aufgelösten Gruppen des Stahlhelms in

Das Spiel dieser Ratgeber war auf eine Sprengung der Preußentoalition angelegt. Am Montag, dem 14. Juli, hat der preußische Innenminister vom Stahlhelm als Vorbedingung für seine Neubildung im Rheinland eine Erklärung verlangt, daß er sich an die Ge­seze halten werde. Am gleichen Tage abends erklärten die Deutschnationalen, sie seien sofort zu einer Unter­toalition gesprengt würde. Am folgenden Tage- noch stügung der Regierung Brüning bereit, wenn die Preußen­ehe eine Antwort des Stahlhelm vorliegen tonnte- hat der Reichspräsident sein Schreiben an Otto Braun gesandt. Noch ehe Otto Braun sich mit dem Reichspräsidenten in Verbin­dung sezen konnte, ist das Schreiben veröffentlicht worden. Es ist zur Veröffentlichung gegeben worden, noch ehe es in den Händen von Otto Braun

mar.

Ton und Inhalt des Briefes wie die Art seiner Ber­den Provinzen Rheinland und Westfalen teine Bedenken geltend öffentlichung zeigen die Absicht, jede Berständigung unmög den Provinzen Rheinland und Westfalen teine Bedenken geltendlich zu machen. Welcher Intrigant hat dem Reichspräsidenten machen würde, wenn ihm von der Bundesleitung des Stahlhelms bindende Zusicherungen für eine fünftige, den bestehenden Gefehen nicht zuwiderlaufende Betätigung gegeben würden. Zu einer nicht zuwiderlaufende Betätigung gegeben würden. Zu einer folchen Forderung bestand Veranlassung, da an der Ernsthaftigkeit der Versicherungen des Stahl

helms auf Grund seiner bisherigen Haltung be­rechtigte 3 weifel gehegt werden mußten, die nur mit besonderen Zusagen der verantwortlichen Bundesführer beseitigt werden können. Eine Antwort des Stahlhelms auf das Schrei­ben des Herrn preußischen Ministers des Innern ist jedoch bisher

nicht eingegangen.

Ihre Auffaffung, Herr Reichspräsident, daß die Auflösung des Stahlhelms in Rheinland und Westfalen dem Sinne des Gesetzes pom 22. März 1921( Reichsgefehblatt Seite 235) zuwiderlaufe, ver­mag ich mir nicht zu eigen zu machen. Ich stelle vielmehr fest, daß die gesetzmäßig zuständigen Stellen Preußens und des Reiches übereinstimmend das Verbot auf Grund einwandfreien und reichhaltigen Tatsachenmaterials erlassen haben. Es ist mir nicht bekannt, inwieweit Ihnen, Herr Reichspräsident, Material vor­gelegen hat, das zu dem in Ihrem Schreiben vom 15. Juli zum Ausdruck gebrachten Urteil führen konnte.

Ich wäre nach wie vor bereit, die Neubildung des Stahl helms für die in Rede stehenden Gebiete zuzulaffen, falls ich die Ernsthaftigkeit der vom Stahlhelm gegebenen Zusicherungen anzu­nehmen in der Lage wäre und infolgedessen die Gesetzmäßigkeit feines fünftigen Verhaltens als gewährleistet betrachten könnte. Dies wäre möglich, wenn der Stahlhelm die von ihm geforderte Erklärung, die lediglich der geltenden Gefeheslage entspricht, abgabe und damit von sich aus das Hindernis, das Ihrer Meinung nach Ihrer Teilnahme an den Befreiungsfeiern ent­gegensteht, aus dem Wege räumte.

Ich gebe der Hoffnung Ausdrud, daß es gelingen wird, die Bedenken, die sich Ihrer Reise in das Rheinland entgegengestellt haben, noch zu beheben und daß es der Bevölkerung des preußischen Gebietes vergönnt sein wird, doch noch Sie, sehr geehrter Herr Reichspräsident, bei den Befreiungsfeiern begrüßen zu können. Mit dem Ausdrud meiner besonderen Berehrung

3hr sehr ergebener

Braun.

Der Reichskanzler Brüning hat gestern im Reichstag angekündigt, daß er das abenteuerliche Spiel mit dem Artikel 48 wagen will. Zur selben Zeit hat der Reichs präsident die Autorität, auf die das Spiel mit dem Artikel 48 aufgebaut werden soll, selbst ins Banken gebracht. Seine Absage an den preußischen Minister­Seine Absage an den preußischen Minister­präsidenten, seine rechtlich wie staatsrechtlich völlig unbe­präsidenten, seine rechtlich wie staatsrechtlich völlig unbe­gründete Forderung, das Stahlhelmverbot im Rheinland aufzuheben, wird nun dazu führen, daß die preußische Re

Die Antwort der Preußenregierung wie die Darlegun gen, die Otto Braun vor der Presse über die Vorgeschichte des Briefes gab, sehen den Reichspräsidenten auf das schwerste ins Unrecht. Seine Ratgeber haben sich nicht einmal die Mühe genommen, das Schreiben mit vorausgegangenen un­bestreitbaren Tatsachen in Einklang zu bringen!

Diese souveräne Berachtung der Tatsachen ist auch nötig für jene, die den Reichspräsidenten in diese unmögliche Lage hineinmanövriert haben. Denn die Tatsachen sind peinlich.

des Stahlhelm. Er ist es geblieben, nachdem verant Der Reichspräsident ist immer noch Ehrenmitglied wortliche Stahlhelmführer die berüchtigte haßbotschaft gegen die Verfassung aussprachen und billigten. Die Ehre, die er davon hatte, bestand darin, daß er während des Hugenbergschen Boltsbegehrens auf das schwerste angegriffen und in feiner nationalen Ehre beschimpft wurde.

Herr Seldte, der sich jetzt wieder des vollsten Vers trauens des Reichspräsidenten erfreut, war Mitglied des Reichsausschusses für das Volksbegehren, er hat den berüch tigten Zuchthausparagraphen gebilligt, der den Reichspräsi diesen Brief aufgesezt, welche unverantwortlichen Ratgeber denten und feine Minister des Landesverrats bezichtigte. Herr haben den Gang dieser Intrigue gegen das Preußenkabinett Seldte und Herr Düfterberg haben mit dem Stahlhelm bestimmt? Der Gang der Dinge zeigt: der Reichspräsident gegen die Befreiung des Rheinlands gekämpft ist als Werkzeug deutschnationaler Bestrebungen mißbraucht und der Reichspräsident belohnt sie dafür, indem er um ihretwillen der befreiten Rheinprovinz seine Anwesenheit versagt. Der Stahlhelm hat den Sat: das Baterland über die Partei agitatorisch ausgenutzt aber der Reichspräsident ftellt jetzt ausgerechnet den Stahlhelm über das befreite Ge­biet! Das Schreiben des Reichspräsidenten nimmt Bezug auf die Pflicht zur Ueberparteilichkeit aber es nimmt in

worden.

Die unverantwortlichen Ratgeber wollten eine Re­gierungstrije in Breußen herbeiführen. Was sie tatsächlich erreicht haben, sieht einer Reichs präsidententrise verzweifelt ähnlich. Die Vorgänge werden voraussichtlich den Reichstag beschäftigen. Die demo­tratische Reichstagsfraktion bereitet eine Interpellation vor.

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Und doch Verhandlungen!

Fühlungnahme zwischen Zentrum und Sozialdemokratie im Reichstag.

Am Dienstag vormittag wurde dem Vorstand der sozial­demokratischen Reichstagsfraktion von berufener Seite die Mitteilung gemacht, daß die Absicht bestände, mit ihm am Abend in verbindliche Verhandlungen einzu­treten, falls bis dahin der erste Artikel des Steuergesetzes an­genommen sein sollte. Es wurde feineswegs von der Sozial­Demokratie verlangt, daß sie selber diesem Artikel zustimmen solle, sondern nur darauf hingewiesen, daß ja schon im Aus­schuß ihre Enthaltung genügt habe, um die Annahme des Artikels herbeizuführen.

Nach diesem Gespräch vom Vormittag wirkte die Rede des Reichskanzlers Brüning einigermaßen überraschend. Denn aus ihr flang deutlich die Abneigung gegen alles Ber­handeln heraus und der Wunsch nach einer raschen Ent­fcheidung auf Biegen oder Brechen. Auch diese Kanzlerrede schloß mit der unverhüllten Drohung, wenn sich der Reichstag der Regierung versage, werde diese mit anderen Mitteln ihren Willen durchseßen. Herr Brüning sprach allerdings von ,, verfassungsmäßigen" Mitteln, aber jeder verstand, daß damit verfassungs midrige gemeint waren.

Nach der Rede des Reichskanzlers beschloß das Haus auf Borschlag des Gen. Dittmann, seine Beratungen für eine Stunde zu unterbrechen. Die sozialdemokratische Fraktion versammelte sich und beschloß, sich bei Artikel I, wie sie das auch schon im Ausschuß getan, der Stimme zu enthalten.

Nach einer wenig belangreichen Debatte tam es plötz lich zur Abstimmung über den Artikel I, der ohne Forma­litäten bei halbgefülltem Hause von den Regierungsparteien angenommen wurde. Die Sozialdemokraten enthielten sich. Damit schienen die Voraussetzungen zu verbindlichen Verhandlungen geschaffen. Es kam jedoch zunächst nur zu einer mehr formalen Besprechung zwischen Brüning und Esser auf der einen, und Müller und Breitscheid auf der anderen Seite.( Nach einem Bericht von TU. handelte es sich um eine Besprechung zwischen Esser, Müller und Breit­ scheid , der der Reichskanzler Brüning als Gast bei wohnte"!) Danach traten die Führer der Regierungs­parteien zusammen, um zu überlegen, ob sie der Sozial­demokratie 3ugeständnisse, besonders auf fozialpolitischem Gebiet, machen könnten. Ein Ergebnis scheint dabei nicht er­zielt worden zu sein, denn die Besprechung endete mit der Aeußerung des Wunsches, die sozialdemokratische Reichstags­fraftion möge bis heute 12 Uhr mittags mitteilen, unter welchen Voraussetzungen sie zur pofitiven Mitarbeit bereit sein würde.

abzu­

Wie man sieht, ist man gestern über Borbesprechungen nicht hinausgekommen, die Verhandlungen kommen nur schwer in Gang. Dennoch begrüßen wir es, wenn die Regierung oder einzelne ihrer Parteien Anstalten treffen, von ihrem sturen sturen Nichtverhandlungsstandpunkt fommen. Gelänge es der Sozialdemokratie, den zur Be­Die Gründe dafür hat nach Wiedereröffnung der Reichs- ratung stehenden Vorlagen die Giftzähne auszubrechen und tagssigung Gen. Reil in einer fraftvollen Rede, die die den Abrutsch zum Verfassungsbruch zu verhindern, so würde Fraftion wiederholt zu stürmischem Beifall hinriß, dargelegt. sie sich damit um die Arbeiterklasse und um das ganze Bolk Die Sozialdemokratie läßt nicht den geringsten Zweifel ein großes Verdienst erwerben. Sie wird darum ihre Be­daran, daß das Gesamtprogramm der Regierung in seiner mühungen zu diesem Ziel nicht aufgeben, solange noch eine will aber fein Mittel unversucht lassen, um die Regierung| lichen Parteien die Verständigung nicht, so wird die Stellung gegenwärtigen Gestalt für sie un annehmbar ist. Sie letzte Aussicht auf Erfolg besteht. Wollen aber die bürger­und die hinter ihr stehenden Parteien von dem verhängnis der Sozialdemokratie in den kommenden Kämpfen m vollen Weg, den sie beschritten haben, abzubringen. noch stärker sein!