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Ttr. 331 47. Mrgiuig"l« Jreifiig, 18. 3uli 1930

Vergangenes um den Funkturm Erinnerungen aus Alt-Berlin

Das ist ein zu wette» Feld" so läßt der Alt-Berliner Fan- tan« seinen Briest sprechen, und angesichts der in 146 Räumen untergebrachtsn Ausstellung aus dem Meffcgeländ« im Schalten des Funkturmes wird auch der Berichterstatter aus diesem weiten Felde nur einige Nehren auflesen können. Die wichtig« künstlerisch« Seite ist hier bereits erörtert worden: den anderen dargebotenen Stoff kann man in zwei große Gruppen teilen in das Person. lichc und das Genre Haft«. Ein« Seite des Berliner Lebens ist leider nicht genügend zur Darstellung gebracht das poli­tisch« Moment ist nur durch ein paar Hinweise auf 1848 ver- treten das höfische und militärische dagegen durch zwei Riesen- gemälde. Bismarck fehlt, Lassalle fehlt aber auch Hein« und Börne fehlen es ist eben«in zu weites Feld... Das persönliche. Eine Fülle von Porträts tritt uns in denWerkstätten des Geistes" entgegen sie wiederholt sich später bei der Darstellung de» künstlerischen Lebens. Wo immer das Oelgemälde auftritt, zieht es auch die Blicke der mit dem Berliner Kulturleben weniger Ver- trauten auf sich in die mühsamere Arbeit des Studiums oer Kupferstiche und Lithographien wird sich nur der Kenner hinein- wagen. Alexander von Humboldt hat verdientermaßen zwei Räum« für sich und sein Arbeitszimmer zugewiesen erhalten; sein ebenso bedeutender Bruder Wilhelm tritt uns bei den Philosophen entgegen, aber auch sein Tegel in besten Garten ' kreuzlos«, aber mit der �Ühorwaldsenschen Figur der Hoffnung oe- schmückte Grabstätte die geistige Größe dieses Mannes offenbart ist durch ein« Gartenbonk vertreten, und seine gesellschaftliche Be- deutung wird durch das 1809 von Schick in Rom gemalle Porträt .fein« Tochter Karoline gekennzeichnet. Nennen wir schnell einige be- rühmte Berliner : die Chemiker Wähler und Mit scherlich, den Botaniker Link, den Geologen Buch, den Chirurgen K. F. v. G r äfe und den Augenarzt Albrecht v. Gräfe, deren Frauen«ine v. Alten und eine Gräfin Knuth uns ebenfalls von der Wand grüßen(im allgemeinen sind auf dieser Ausstellung die Damen im Bilde nicht zu gut weggekommen) dann als Richter und Rechtsgelehrt« o. Mühler(Grad' aus dem Wirts- Haus.. Savigny , Stahl, der reaktionäre geistige dem Judentum entsprossene Nöhrvatcr der Kreuzzeitungspartei, als Geschichtsschreiber N i« b u h r und Raumer, als Schöpfer der deutschen Sprachwisseufchaft I. Grimm und S achmann, als Msistcr der Altertumswist«nschast M o m m s« n und C u r t i u s, als Philosophen Fichte. Hegel , Schell ing, Dilthey . als Techniker Beuth, Reuleaux, Borsig, Siemens. Rath«. n a u. Dem Kreis« Nicolais und dem L« s s i n g kreis« schließt sich der wichtige. Politik und Literatur gleich stark beeinflussend« Kr«'» um Darnhagen von Ense und Rahel Lemin an. Nixolais Enkelin, L i lg Parlheij, ist im Bilde vertreten ihre Tagebücher find vor kurzem von B, Lepfiüs herausgegeben worden. Den berühmtesten Vertreter des letztgenannten Nomen?, Richard Lepfius,Forscher im Reich« der Pharaonen", ist «in eigener Raum gewidmet. Auch Theodor Fontane ist nicht nur mit Bild, sondern mit Schreibtisch. Arbeitsprabe und den amüsanten Bildern von Taitte Pinchen und Onkel August vertreten. OaS Genrehaste. Droscht« zweiterJute", Nr. Eins sogar! Jßi« oft hat der bieder« Rastelenker, wenn wir nachts 2 Uhr am Spittelmartt ein. stiegen und eine jener neuen Straßen im Westen als Ziel nannten, die Bitte an uns gerichtet, wieder auszusteigen:Der Jaul kann nich mehr, lln ick wohn' am Gesundbrunnen ." Da war der alte Wilmcrsdorser Omnibus leider fehlt sein Marterkaslen bei be­setztem Raum in der gleichen Lage: vor eister seitdem abgetragenen

Anhöhe wurde angehalten und der Schiffner bat die Herren, au«- zusteigen und die Anhöhe zu Fuß zu nehmen. Man kann sich denken, welche Revolutionen Straßenbahn und Stadtbahn hervor- riefen. Für denS e ch s e r- O m n i b u s" schlug Meyer-Färster, der Alt-Heidelberger, vor: er solle scharf zufahren, nirgends halten, die Fahrlustigen sollten auf eigene Gefahr auf- und abspringen.., soich ein Eingriff in die Bevormundung des Publikums war natür-

Eins der ältesten Häuser Berlins in der Petrigasse. iich undenkbar. Sehr interestaitt sind die Kojen der Bertiner Innungen: Zimmerleute, Schlosser, Tischler, aber auch Fischer und Schiffbauer sind vertreten. DerSchnoddrige" Berliner so heißt eine Rubrik ist nach Gebühr berücksichtigt: Name, Nmme, Paula Erbswurst,die sich immer vergriff". Harsenjul«, Wurstmaxe grüßen uns im Guckkasten die komisch« Mm«, du Titre fehlt auch nicht: da sie Geld hotte, wurde ihr die Perwechslnng von mir unk»; mich ebensowenig übel genommen wir demPapa Wrangel ", der, aufgefordert, zu erklären, aus welchen von vier Dollen er erscheinen werde, zurückschrieb: ich komme auf allen Vieren. Post, Polizei, Zeitungewesen geben wieder eine ernsthafte Note der Volkslebens childerung, die natürlich auch die Volksbelustigungen umfaßt. Allerdings«was spar. sam vielleicht steigt einmal«ine besondere Ausstellung über da» Berlin , das sich amüsiert bzw. zu amüsieren vorgibt. Erscheinungen wie Eafä Moore, Orpheum usw. so recht aus den Provinzler besonders denWollonkel" zugeschnitten(den jetzt dergrüne Wöchner" nbgelöst hat), sind typisch« Erscheinungen Berlins ge° wesen. Mit einem Ausblick auf die kommunale Arbeit an der kommenden Generation(in Bildstatistiken des städtischen Nachrichten­amtes) entläßt uns da« eigentliche Berlin aber sofort sind

19 Vorort« und Bezirke zur Stelle um uns zu zeigen, wis es früher in Eharlottenburg, Spandau , Treptow ujw. ausgejehe« hat. Und dann treten wir ins Freie, in den Platz, der das Symbol der neuen Zeit den Funkturm umgibt. Welch ein Umschwung aus dem Gebiet der Technik noch eben sahen wir im Bilde die an ägyptische Fronarbeit gemahnende Arbeit der Aufrichtung der Granitsäule vor dem Museum, und jetzt schweifen unsere Blicke be- wundernd und liebkosend zur Spitze des Funkturms empor. Und in dem bequemen elektrischen Wagen gedenken wir schaudernd des zweistöckigen Eisenbahnwagens, mit dem man einst den Sonntags- verkehr meistern wollte... Explosion in Gpielzeugfabrik. Ein Schwer- und ein Leichiverlehler. In einer Metallfpielwarensochrik im Hause U s e r st r. 6 aus dem Gefundbrunnen ereignete sich am Donnerstag nach. mittag eine folgenschwere Explosion. In der Lackiererei werden dort kleine Blechteile lackiert und in einem Gastrockenofen bei ziemlich Holser Temperatur zum Trocknen gebracht. Kurz nach 14 Uhr erfolgte plötzlich eine Explosion. Der Trockenofen wurde auseinandergerissen und durch den starten Luftdruck wurden in dem Raum Verwüstungen angerichtet. Ein Fenster wurde mit dem gesamten Rahmen aus den Hos hinaus geschleudert. Der S3jährige Werkmeister Johannes Ebel aus der Harzerstraße 94, der im Augenblick der Explosion dicht neben dem Trockenofen arbeitet«, kam sehr schwer zn Schaden. Neben Arm- und Beinbrüchen erlitt er innere Per- leßungen, die sein« Ueberführung ins Jüdische Krankenhaus er- forderlich machten. Ferner erlitt ein Hilfsarbeiter leicht« Verletzungen. Di« Ursach« der Explosion konitte bisher noch nicht einwandfrei festgestellt werden. * Große Ausregung rief gestern nachmittag ein Feuer hervox, das auf dem Gartengeläüde des Lankwitzer Krauten- Hauses in einem Halbmassiven Schuppen ausgebrochen war. Der langgestreckt� Schuppen, der als Aufenthaltsraum für Arbeiter diente, brannte unter starker Rauchentwicklung trotz aller Bemühungen der Feuerwehr völlig nieder. Der Straßenver« kehr mußte längere Zeit umgetettet werden. Das Feuer ist vermutlich durch Fahrlässigkeit entstanden. Das Fliegertreffen in Staaken . Weitere Ziundflugteilnehmer eingetroffen. Nachdem in den gestrigen Morgen- und Vormittagsstunden wegen des schlechten Wetters nur wenig« Maschinen in Staak«« angekommen waren, setzte um die Mittagszeit ein förmlicher Massenandrang" ein, denn aus allen Himmelsrichtungen träfe« zahlreiche Rundflugteilnehmer des In- und Auslandes ein. daruitter die Engländer Lady Bailay und Carberry, der Spanier Nanarro, aus Dessau das Geschwader der Junker s- . Junioren" mtt den Flieger« Rifticz, Rosder und Gotihe, serner von Stuttgart -Böblingen der Ktemm-Flieger Spengler. Da Dsutschland in der Meldeliste bei weitem an erster Stelle steht, sind vor allem deutsche Maschinen nertreten. Bis Mittwoch abend waren 17 ein- getroffen, darunter die bekannten Flieger Polte, Poß, Offermann, Siebet und Freiherr von Freyberg. In größerer Stärke kamen am gleichen Tage sieben Pol«, aus Posen. Berlin erhöht das Schulgeld nicht. Der Magistrat hat in seiner Sitzung am Mittwoch, dem 16. Juli, beschloffen, für das laufende Etatjahr keine weitere Schulgelderhöhung eintreten zu lassen. P r e ti- ß e n hat bekanntlich vor kurzer Zeit ein« solch« durchgeführt. Da die Stadt Berlin aber bereits am 1. April die Sätze für das Schut- geld erhöht hotte, kommt eine weitere Erhöhung für das Jahr 1930 nicht mehr in Frage.

Una stürzte ins Schlafzimmer zurück, um schnell noch ieinmal ihre Nase zu pudern und einen letzten Blick auf Haare und'Fingernägel zu werfen; dann stolzierte sie langsam zur Türe, um Walter einzulassen, während Frau Golden steif. mit gc kreuzten �Händen, dastand und wie eine Photographie von lsiüh aussah. So kam der unordentliche Walter in ein ausgesprochen wohlgeordnetes Familienmilieu und muhte sich wie ein junger Redakteur mit einer lauteren Seele benehmen. Sie machten Konversation Mein Gott! Was für Kon- versa:! on sie machten! Frau Golden erkundigte sich höflich nach Herrn Babsons Meinung über das Wetter, über die Be- wohner von New Nork, über die Arbeit ihrer kleinen Tochter Uno, über populäre Größen der Stadt, den praktischen Wert von Automobilen und die diätetischen Vorteile von Dohnen der großen, weißen Bohnen nämlich, nicht der kleinen braunen sie hatten beide Arten in ihrem Garten zu Hause gezüchtet und habe Herr Babson selbst jemals einen Garten besessen, oder kenne er Panama ? Und erfüllte Una ihre Pflichten im Büro wirklich zur ollgemeinen Zufriedenheit? Alle die Zeit über trillerte Frau Goldens Kanarienvogel vergnügt und offenkundig von der Unterhaltung befriedigt. Una hörte betäubt zu, während Walter fortwährend die dümmsten Sachen mit seinem Gesicht machte er zwickte sich die Lippen und klovfte sich auf die Zähne und rieb sein Kinn, als wäre er unrasiert. Er nahm feine Augengläser ab, uni sie zu putzen, oerschlang seine dünnen Beine zu einem Knoten pnd sagte unaufhörlich:Ja, das hat sicherlich viel für sich." Ein Viertel vor zehn erhob sich Frau Golden, gähnte wie �in kleines Kätzchen hinter ihrer weißschimmernden Hand und sagte:Nun, ich glaube, ich muß zu Bett gehen... Ich finde diese Maientage so ermüdend. Sie nickt auch, Herr Babson? Frühlingsfieber. Ich kann einfach nicyt genug schlafen... tteblwo. itetfc' picht m lange

Die Schlafzimmertür hatte sich noch nicht geschloffen, als Walter schon von seinem Stuhl aufsprang und Una in die Höhe hob seine Händ« fest um ihre Knie und Schultern geschlungen und sie dann neben sich auf das Sofa setzte. War ich nicht brav, hah? War ich nicht brav? War ich nicht brav? Jetzt soll noch einer sagen, daß Wally Babson keine brave Konversotionspuppe ist, huh! Ach, du armer Liebling, du warft ja doppelt so verzweifelt wie ich." Und das war alles, was er sagte in Worten. Sie hatten nun ein Geheimnis, ein größeres Gefühl der Intimität, weil sie gemeinsam höflich gewesen waren zur Mutter der armen, kleinen Mutler, die sich in ihrer tragischen Art so gut unterhalten hatte, ohne eine Ahnung zu haben, wie sehr sie im Wege gewesen war. Es bedurfte keiner Worte, um dieser Intimität Ausdruck zu verleihen; Hände und Wangen und Lippen sprechen deutlicher. Sie waren Kinder mit gesundein, starkem Empfinden, jung, unverdorben und unwissend, die nach Leben und Liebe verlangten; die ganze Welt war für sie noch neu trotz aller Sorgen und allen Wartens. Sie waren Diener des Lebens und der Liebe, nicht Herren darüber; doch um so leichter gaben sie sich der Sehnsucht nach dem Glücke hin. Es war ein Kampf des Ver- langens und der Schüchternbeit zwischen ihnen und nicht alles Verlangen war auf seiner Seite und alle Schüchtern- heil auf der ihren. Plötzlich drückte er ihren Kopf gegen seine Schulter und streichelte glättend ihr Haar. Wieder fühlte sie das innigste Zusammenjpiel zwischen seinen Fingerspitzen und jedem Nerv ihres Körpers«in prickelnder Strom. Sie fühlte seine suchenden Lippen ihre Wange entlanggleiten, bis sie den weichen kleinen Fleck hinter ihrem Ohr gefunden hatten. Sie folgte seinen ruhelos über ihre Schultern streichenden Hän- den, die ihren Arm hinabglitten und dann spielend bei ihrer Hand verweilten. Es schien ihr. als hätte seine Hand einen geheimnisvoll eigenen Willen, unabhängig von dem seinen. Schweigend und still verharrten sie so. So blieben sie eine Weile still und sicher aneinandergeschmiegt, doch sie hörte nicht auf zu überlegen, was er wohl als nächstes wagen würde und sie bildete sich ein. daß er über genau dasselbe nachdachte. Er holte tief Atem, und plötzlich öffneten sich ihre Lippen wieder den seinen. Oh, du solltest nicht du hast versprochen..." klagte & jobnld& imstande war, den Kopf zurückzuziehen_

Wieder küßt« er sie. schnell, dann gab er sie frei und begann in größter Eile draufloszureden über nichts und wieder nichts. Vom Büro, vom Theater und vom Ablauf des Frühlings sprach er, doch in Wirklichkeit sagte er ihr, daß, so groß auch seine ruhelose Neugier sei, so sehr auch chre armen kleinen Großstadtkörper sich nach einander sehnte» er sie doch achte. Sie hörte kaum zu, denn zwei Gedanken beherrschten sie vor allem. Traurig fragte sie sich, ob nur ihr Körper ihn reize ob er wohl auch irgendeinen Funken von ihrer ehrlichen, kleinen Seele entdeckt habe. Und ihr zweiter Gedanke war, und sie fühlte ihn wie eine Beleidigung, daß dies nicht die Liebe sei, von der sie in Romanen gelesen hatte.Ich wußte ja nicht, wie es sein wird aber ich hätte nie gedacht, daß es so sein würde", sagte sie zu sich. Und so traf Una der uralte Schrecken des Erdbasten an der Liebe und die durchdringende Freude daran. War die wirkliche Liebe so viel gewöhnlicher, als sie gedacht hatte, so war sie doch auch so viel überwältigender, daß sie froh war, eine Liebende von Fleisch und Blut zu sein, geschlagen, ver- wirrt, befremdet von ihrem eigenen Selbst, und nicht ein Mädchen, das wohlerzogen Phrasen lispelt. Allmählich gelang es Walter, sie zu einer wirklichen Ge- meinschaft mst ihm zurückzurufen, als er das menschliche Ge- schlecht verdammt« als Sklaven die in einem Kerker kämpften, für Land und Fahnen und Titel Krieg führten, und sich Könige nannten Walter hatte dieselben Ansichten über So- zialismus Kopfsteuern und Gewerkschaften wie I. I. Todd aus Chacham sie in den Tagen der Handelsschule verteidigt hatte, doch nun wurden sie blutvvll und menschlich, und schreiend lebendig. Zum erstenmal Walter schenkte ihr so vielezum erstenmal im Leben!" erkannte Una, wie stark der Wunsch nach bewußter, objektiver Gereckitigkeit in jedem Untergebenen ist. Es lag nicht in der Natur der geduldig vorwärtsschreiten- den Ulm , eine schöpferische Denkerm zu sein; und doch sehnte sie sich nach Selbständigkeit, und begierig folgte sie den zweck- losen Hohnreden gegen alle Zivilisation, mit denen der junge Walter seine Freude darüber kundtat, eine Zuhörerschaft zu haben als die braune, alte Fcrmilienuhr der Goldens elf schlug. Himmel!" rief Una.Du mußt nach Hause laufen. Gute Nacht, Liebster." Er erhob sich gehorsam, und chre Lippen suchten ein» Scher picht mchr, Mortschusg falM