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Morgenausgabe

Nr. 333

A 168

47.Jahrgang

Wöchentlich 85 Pf., monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Postbezug 4,32 m. einschließlich 60 Bfg. Postzeitungs- und 72 Pfg. Poftbestellgebühren. Auslands abonnement 6, M. pro Monat. *

Der Vorwärts" erscheint wochentäg lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abenbausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit und Kinderfreund". Ferner Frauenstimme", Technik", Blick in die Bücherwelt"," Jugend- Vorwärts" und Stadtbeilage".

pione

Jonoitonbitus

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonnabend

19. Juli 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einspaltige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichs mart. ,, Kleine Anzeigen das lettge druckte Wort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgebruckte Worte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Haupt­geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Vorwärts Verlag G.m.b.H.

Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

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Wahltag: 14. September!

Notverordnungen aufgehoben: nach Rheinfeiern wird weiter verordnet

Amtlich wird mitgeteilt: Der Reichspräsident hat auf Vorschlag des Reichskabinetts durch Ver­ordnung vom gestrigen Tage den Termin für die Neuwahl des Reichstages auf Sonntag, den 14. Sep­tember d. J., festgesetzt.

Ein Aufruf der Reichsregierung

Und unsere Antwort!

Das Reichskabinett veröffentlicht einen von jämtlichen Ministern unterzeichneten Wahlaufruf an das deutsche Volk. Hier ist dieser Aufruf und unsere Antwort dazu:

An das deutsche Volt! Der Reichstag hat die Mittel verweigert, deren das Reich zur Durchführung seiner Aufgaben bedarf.

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Das ist nicht wahr! Die Sozialdemokratie war bis zum letzten Augenblick bereit, dem Reiche die nötigen Mittel zu bewilligen wie sie immer dazu bereit war. Sie hat bis zu­letzt positive ernsthafte Vorschläge gemacht, die von dieser Re­gierung nicht aus fachlichen, sondern aus parteipolitischen Gründen beiseife geschoben worden sind!

Die Notverordnungen des Herrn Reichspräsidenten sind von einer geringen Mehrheit abgelehnt worden, die in sich uneinig und zur Uebernahme der Verantwortung nicht fähig ist.

Diese Notverordnungen stellten einen Verfassungs­bruch dar, fie mußten deshalb aufgehoben werden. Die Par­teien, die sich für sie eingesetzt haben, haben die Verfaffung ver­letzt, die Demokratie gefährdet und sich mit schwerer Schuld beladen!

An das Bolf ergeht jetzt der Ruf, selbst über seine Zukunft zu entscheiden.

Um seiner Zukunft willen muß das Bolf entscheiden gegen diese Regierung der Berfassungsverlegung, es muß sein Recht um der parlamentarischen Demokratie sichern gegen dies Kabinett!

Will das deutsche Volk der Reichsregierung der fagen, was zur Ordnung der Finanzen, zur Erhaltung der deut­ schen Wirtschaft und zur Sicherung der sozialen Verpflichtungen nötig ist? Das ist die Frage des 14. September.

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Mit uns das Bolt, mit uns der Sieg!

Schlußsitzung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion.

Unmittelbar nach Schluß der letzten Sihung des aufgelöften| Reichstag den Kampf um die Rechte der Arbeit gekämpft haben. Reichstags versammelte fich die sozialdemokratische Fraktion noch einmal in ihrem gewohnten Beratungsfaal. Der Parteivorsihende, Genoffe Otto Wels , hielt eine Ansprache, in der er ausführte:

Genoffinnen und Genoffen! Was wir foeben unten im Saal erlebt haben, war nur ein Aft in dem großen Kampf zwischen kapital und Arbeit.

Nicht bloß um Parlamentsrecht, sondern um Volksrecht haben wir in dem soeben auf­gelösten Reichstag gekämpft. Parlamentsrecht ist Volksrecht.

Schulter an Schulfer mit den Gewerkschaften wird die Partei weiter­fämpfen für die Arbeit gegen das Kapital, für die Notleidenden gegen die Satten. Während in allen anderen Parteilagern Zersplitterung oder Berwirrung herrscht, stehen wir geschlossen und unerschüttert da. Das haben die Wahlen in Sachsen gezeigt, das werden die Reichstagswahlen noch stärker und besser zeigen! Das arbeitende Volk hat jetzt einen bedeutenden Anschauungsunterricht erhalten dafür, daß die Sozial­demokratie die einzige Hüterin seiner Rechte ist. konnten doch die großmäuligen kommunisten im lehten Stadium des Kampfes nichts anderes fun, als hinter ihr her laufen und ihr alles nachmachen. Den Kampf, den wir hier geführt haben, werden wir jeht in das Land hinausfragen.

Nach unserem Wahlfieg im Mai 1928 entsprach die Uebernahme der Regierung durch uns dem Willen der Wähler. Die bürgerlichen Parteien haben Schwierigkeiten auf Schwierigkeiten gehäuft, u m Das Volk wird den Unterschied zwischen der den willen der Wähler zu durchkreuzen und sie haben Regierung Hermann Müller und der Regierung die Berschlechterung der wirtschaftlichen Berhältnisse zu ihren Brüning erkennen und danach entscheiden. 3weden ausgenügt. Schließlich haben sie es lieber zu einer tataficophalen Zuspigung kommen laffen, als daß fie die Sozial- Partei Deutschlands vergleichbar. Keine politische Organisation in Keine politische Organisation der Welt ist der Sozialdemokratischen demokraten an der Macht beteiligt hätten. Deutschland reicht an sie heran.

Sie haben die Verfassung angetastet, aber die deutsche Arbeiterschaft wird dafür sorgen, daß die Bäume der Diktatur nicht in den Himmel wachsen. Deutschland darf und wird kein Italien werden.

Fraffionen fommen und gehen, die Partei bleibt. Es bleibt die große Arbeiterbewegung, es bleiben die Gewerkschaften, mit denen zusammen wir in diesem mir' in

Mit uns das Bolt, mit uns der Sieg!" Wir werden den Sieg erfämpfen unter unseren alten roten Fahnen. Den Empfindungen, die uns in diesem Augenblid erfüllen, geben wir Ausdrud mit dem Rufe:

,, Die deutsche Sozialdemokratie, sie lebe hoch!"

Donnernd flang durch den Saal, der so manche geschichtliche Kämpfe erlebt hat, der Widerhall. Das war die lehte Sihung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion in dem aufgelösten Reichstag.

Dem Bolte und dem Staate alles- diefer Notverordnungen außer Kraft! Notverordnungen außer Kraft! Geschlagen und gestäupt.

Regierung des Verfassungsbruches nichts! Alles zur Sicherung der Finanzen, der Wirtschaft, der sozialen Berpflichtungen nichts für Pläne, die die sozialen Berpflich­tungen beschränken und abbauen wollen. Fort mit der Re­gierung des Angriffs gegen die Arbeiter­schaft, damit Bolf und Staat gesichert, die sozialen Ver­pflichtungen gerettet werden können!

Die Reichsregierung wird dafür sorgen, daß Reich, Länder und

Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen können.

Die Reichsregierung wird mit der opf steuer, die der Reichsfinanzminister selbst als abenteuerlich bezeichnet hat, die Erfüllung dieser Aufgaben nicht fördern, sondern zer. stören!

Wer den Boden des Gesetzes verläßt, gefährdet das Ganze und seine Aufgaben!

Das Kabinett Brüning hat um reaktionärer Pläne willen, um der Ausschaltung der Arbeiterschaft willen die Krise herbeigeführt, es ist unfähig, sie zu lösen!

Das Volt muß sich von den Krisenmachern und den Reaktionären befreien und die Bahn frei machen für die verfassungsmäßige Ordnung das ist die Aufgabe des 14. September!

Wahrung der Volksvertretungsrechte.

Nach dem Artikel 35 der Verfassung bestellt der Reichstag zur Wahrung der Rechte der Boltsvertretung gegenüber der Reichsregierung, für die Zeit außerhalb der Tagung und nach Beendigung einer Wahlperiode oder der Auflösung des Reichs tags, bis zum Zusammentreten des neuen Reichstags einen Stän­digen Ausschuß.

Außerdem kann nach der Auflösung des Reichstags auch der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten bis zum Zufamentritt des neuen Reichstags tätig werden.

Die Aufhebungsverordnung ist erlassen.

Der Reichspräsident hat am Freitag auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung folgende Ver ordnung erlassen:

,, Auf das Verlangen des Reichstages in dem Beschluß ,, Auf das Verlangen des Reichstages in dem Beschluß Sat 2, der Reichsverfassung die folgenden beiden Ver­vom 18. Juli 1930 werden gemäß Artikel 48, Absatz 3. ordnungen, 1. Verordnung des Reichspräsidenten auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung über Deckungsmaßnahmen für den Reichshaushalt 1930 vom 16. Juli 1930( Reichsgesetzblatt 1, Seite 207), 2. Verordnung des Reichspräsidenten auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung über Zulassung einer Gemeindegetränkesteuer vom 16. Juli 1930( Reichsgesehblatt 1, Seite 212), hiermit außer

Kraft gefekt."

Aber schon neue angekündigt! Erst feiern, dann verordnen.

Nach dem Beschluß des Reichstags müffen die Nofverord­nungen vom 16. Juli außer Kraft gefeht werden. Das Kabi­nett Brüning plant, an ihre Stelle neue Verordnungen auf Grund des Artikels 48 zu sehen. Sie sollen einen otetat, neue Dedungsverordnungen und die Beitrags­erhöhung in der Arbeitslosenversicherung enthalten.

Diese Verordnungen sollen erlaffen werden, sobald der Reichs­präsident von den Rheinlandfeiern nach Berlin zurückgekehrt fein wird. Der Reichspräsident ist gestern abend nach dem Rhein­land abgereift.

Die Niederlage der Regierung Brüning.

Von Rudolf Breitscheid .

Das Kabinett Brüning ist in offener Feldschlacht ge= durch die Auflösung des Reichstags entzogen. Dem Geist der schlagen, aber es ist nicht gefallen. Es hat sich seinem Sturz zurückgetreten wäre. Aber was bedeutet für diese Regierung parlamentarischen Verfassung hätte es entsprochen, wenn es die Verfassung? Von dem Augenblick ihrer Geburt an hat sie ihren Bruch als letztes Zufluchtsmittel ins Auge gefaßt.

Ihr erster Schritt ins Leben war der, der auf den Weg zum Artikel 48 führt, und es wird durchaus in der Konie quenz ihrer bisherigen Haltung liegen, wenn sie jezt die Ver­ordnungen, die ihr das Parlament soeben aus der Hand ge­schlagen hat, vielleicht um den Schein zu wahren mit eini­gen Menderungen im Text aufs neue verkündet. Heuchle­risch wird sie dann wieder erklären, daß es um der Erhaltung der Demokratie willen geschehe, wenn sie die elementarsten demokratischen Grundsäge verlege.

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Die Mehrheit, die dem Kabinett eine Niederlage bereitete, hat zugleich auch schlagend und endgültig die Illusionen zer­stört, mit denen Herr Brüning seine glorreiche Regierung begonnen hatte. Von Anfang an war sein Streben darauf gerichtet, die Minderheit, über die er verfügte, durch deutsch­nationalen 3uzug zu einer Mehrheit zu machen, und wenn er auch an der Möglichkeit zweifelte, die ganze deutsch­nationale Fraktion auf seine Seite zu bringen, jo gab er sich doch der Hoffnung hin, Herrn Hugenberg zu isolieren und aus seiner Gefolgschaft eine genügend große Zahl von Trabanten für sich zu gewinnen. So wurde eine Politik getrieben, die auf die Rechte anziehend wirken sollte. Borteile aller Art auf wirtschafts- und finanzpolitischem Gebiet wurden gewährt oder in sichere Aussicht gestellt, und nicht zuletzt ge=