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Nr. 3ZZ 47. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonnabend, 49. Juli 4930

WodvinMa

Ausflüge Rathenow und Llmgebung. Was uns Rathenow wert wacht, ist seine fichren>d« Stellung auf optischem Gebiet und die starke Entwicklung seines Arbeiter- lebens beides unlösbar mitein­ander verbunden. Aber auch die Stadt als solche, an der Havel ge- legen, und chre, auf der Ostseite schöne Waldungen aufweisende, zudem nicht ganz flach« llmgebung lassen einen fröhlichen Ausflug geboten erscheinen Das alte Rathenow wo? eine feste Inselstadt, von deren Um- wallung heute nur noch wenig zu sehen ist. Auf der sich vorfindenden Erhöhung der Insel wurde di« Ma-- rionfirchc erbaut, romantisch, aber im 16. Jahrhundert gotisch umge- baut. Durch den später hinzugefiig- ten 77 Meter hohen Turm hebt sich die Kirch« hoch über Dächer und Bäume hinaus. Zwischen Altstadt und Bahnhof, auf der Ostseit« des Flusses, ist dann die R e u st a d t ent- standen, die in der Berliner Straße lebhaftes Geschäftstreiben aufweist. An Gelegenheit zu Sportbetätigung und zu kleineren Spazier- ganzen fehlt es nicht: von letzter-"., feien die Touren nach dem aussichts- reichen Weinberg und noch der im 18. Jahrhundert angelegten Kolonie Neu- Friedrichs- darf genannt will man letzter« ein wenig ausdehnen, so wandert man noch zum schmalen, ober lang­gestreckten Wolzen-See. Südlich dieses Sees erstreckt sich die groß« staatlich« Forst Königsheide, in der zwei Touren beliebt sind. Entweder: vom Eintritt in den Wold auf dem �lönigsweg" wandernd und diesen nach Erreichen desBretten Gestells' links verlassend, erreicht nian die Kolonie S p o l i e r e nb'e r g und von da wieder nördlich über Forst Haus Krügershorstnach Rathenow zurück oder: vomKönigsweg' rechts ab über Kolonie Königshütte nach Premnitz , wo die Dachsberge und die Premnitzer Berg« gute Aussichten bieten. Dieses Premnitz ist Station der Eisenbahn, di« van Neustadt a. d. Dosse kommend und ihrem NamenStädtebahn" Ehre machend Brandenburg zu- strebt, so daß Rathenow auf drei Hauptschienenwcgcn erreicht wer- den kann. Und noch eine Kleinbahn nimmt ihren Anfang in Rathenow . Ei« geht nach Paulinenau« mit Abzweigung noch Nauen , und hat in der nahen Station Stechow einen Stützpunkt für die Tour Nennhausen lStation der Hauptbahn), wo einst der Romantiker- dichter Fvuquä als Gutsherr lebt«, K Otze n H o h e s Rott

weitere Umgebung

fmü Aussicht) Sie ch 0 ro. Don letzterem Ort ist es nicht weil nach Ferchefar am Hohennauener See, an dessen anderem, westlichen Ende Hohennauen , Station der Städtebahn, liegt. Dos Gebiet zwischen Nennhausen Siech ow Rathenow hat Wald. Während

Blick auf Rathenow vom Schleusenkanal aus,

die größer« Tour auf 5 bis 6 Stunden veranschlagt werden kann. erfordern die Touren durch die Königsheide etwa die Ihälft« dieser Zeitz Rotlandung eines Verkehrsflugzeuges. Dicht bei der Ortschaft Schönow am Teltowkanal vor den Toren Berlins mußte gestern abend gegen 20 Uhr ein Verkehrs­flugzeug, das sich von Rotterdam auf der Fahrt nach dem Flughafen bofaist», offenbar infolge des schlechten Wetters not- landen. Der Pilot brachte den Apparat auf weichem Acker- gsländc zu Boden. Hierbei überschlug sich die Moschine und bohrte sich mit dem Motor tief in dos Erdreich ein. Dje alarmierte Berliner Feuerwehr war stundenlang mit dem Aufrichten des be- schädigten Flugzeugs beschäftigt. Personen sind nicht zu Schaden gekonunen. Es handelt sich, wie noch mitgeteilt wird, um ein hollöndi- s ch« s Flugzeug von, Typ Fokker-Phagr.

Lloyddampfer gesunken.| Vrondungluck auf der»Targis".- Passagiere gerettet.] New York , 18. Juli.' Der DampferTargiS" des Norddeutschen Llohd, der im Atlantischen Ozean in Brand geraten war, ist gesunken. Passagiere und Mannschaften sind gerettet. Nach Londoner Meldungen war der deutsche DampferTor. gis' auf 33 Grad 56 Mfputen Nord und 36 Grad 11 Minuten West im Atlantischen Ozean in Brand geraten. Die P a s s a- gier«, deren Zahl nicht genau bekannt ist, sowie die Mann- s ch a f t wurden von dem englischen Dampfer»Rangilala' ausge­nommen und befinden sich in Sicherheit. DieTargis" war für die Beförderung van etwa 12 Reisenden eingerichtet. DieRantzi- tata' wird die Schiffbrüchigen am 22. Juli in Southampton landen. lieber die Ursache des Brandes liegen noch keine nähere,, Nach. richten vor._, Taifun und Erdbeben. Die Insel Kiushiu und Korea.schwer heimgesucht. Tokio , 18. Juli. Ei» Taifun, wie tt seit zehn Jahre« nicht vor- gekommen ist, hat die Insel Kiushiu verwüstet. Alle Verbindungen mit der Insel wurden unterbrochen, wes- halb die Nachrichten sehr spärlich sind. Man fürchtet, daß sehr großer Sachschaden angerichtet wurde. Tie Zahl der Toten soll sehr groß sein. Der Taifun bewegte sich in der Richtung auf Korea weiter, das kürzlich durch Ucbcrschwemmungcn heimgesucht wurde. Kiushiu ist die südlichste der großen japanischen Inseln und hat als Hauptstadt den bekannten Hafen Nagasaki . Korea, früher selbständiges Kaiserreich, ist seit 1916 japanische Kolonie aus dem ostasiotischcn Festland. London , IS. Zufi.' Am Freilag wurde der Bezirk Tharrawaddy in der Röhe tvm Rangoou von einem heftigen Erdbeben heimgesucht Zahl- reiche Häuser sind eingestürzt. Die Zahl der loten und verletzten wird vorläufig aus 50 angegeben. Rongoon ist die Hauptstadt von Birma, einem früheren Königreich, das heute Provinz des indobritischen Reiche» in H i n t e r i n d i e n istz 60 Europaflieger am Giari. Lehte Vorbereitungen für den Internationalen Nundflog. Die Besatzungen der zur Teilnahme am Internationalen Bund- flug zugelassenen 60 Maschinen versammelten sich gestern Nach­mittag in Staaken und erhielten oom Vizepräsidenten des Aero- Elubs die letzten Erläuterungen über die Streckenführung und die in organisatorischer und technischer Hinsicht einzuhaltenden Vor­schriften. Am Abend fand dann im Flugverbandshaus eine B e- g r ü ß u n g aller Bundflugteilnehmer sowie der auständische« Sporlkonunissare und der sonstigen an der Durchführung des Unter­nehmens beteiligten Personen durch den Aero-Elub von Deutsch­ land statt. Der heutige Sonnabend vormittag wird in Staaken dazu benutzt werden, um die letzten Vorbereitungen an den Flug­zeugen zu treffen, bei denen diejenigen Teile, die nach der Aus. schreibung nicht ausgewechselt werden dürfen, plombiert werden, Trotz des augenblicklich in Mitteleuropa herrschend«,, schlechten Wetters sind die meteorologischen Aussichten wenigstens für die ersten Tage des Europa -Rundfluges, also für den west. lichcn Teil der über 7366 Kilometer langen Strecke durchaus nicht ungünstig. An, ersten Flugtog, also am Sonntag, werden sich die Flieger auf der Strecke nach Reims Calais aus der Rückseite des langsam nach Osten abziehenden Tiefs befinden, werden also mit allerdings stark böigen Nordwestwindei,, aber nur mit

SJNCIAIRLßWIS

ROMAN Die Iwtter erwachte und gähnte.Er ist ein l'ebens- würdiger und sehr höflicher Mensch, aber ich glaube, Liebling, er ist für dich nicht gesetzt genug. Wenn er nächstens wieder­kommt, erinnere mich bitte, daß ich ihm die Photographien deines Vaters zeig«, ich Hab« es ihm versprochen." Da begann Una über das Problem nachzusinnen, das für alle Mädchen der Großstadt wichtig ist-, wo sie mit ihrem Freund zusammenkommen könnte, da die Parkanlagen un- schicklich waren und ihr eigenes Heim so unerträglich lang- weilig für ihn. Ob nun Walter eine Gefahr mar oder nicht, ob sein« Liebe zornig und rot und oft verletzend war oder nicht Una wußte doch, daß sie ihr mehr bedeutete als die Mutter oder olle Konventionen oder der Ehrgeiz chrer kleinen Stellung. Und mit diesem freudigen Geständnis schlief sie ein, und es begann ein neuer Bürotag denn stets stellt dos Büro von neuem seine Anforderungen, kaum daß die Freiheit des Abends vorüber istz Siebentes Kapitel. 'I 1. Diese Kinder der Großstadt in der es keinen Ort gibt, wo man lieben, wo eins das innerste Wesen des anderen er- gründen und erproben kann mußten miteinander zu den kärglichen Vergnügungen der anspruchsvollen Armen durch- brennen. Walter war in Geldangelegenbeiten ebenso extra- vagant wie in geistigen, ober er hatte viele Schulden, einige Gewissenhaftigkeit und eine Kleinigkeit an Gehaltz Una jedoch ergötzte sich an den bescheidensten Dingen, und ein Risotto war«ine Delikatesse für sie. Er führte sie in ein italienisches Restaurant und zeigte ihr angebliche Künstler. Sie gingen mitsammen auf die Galerie ins Theater zu einem Rührstück, und Una lachte und weinte noch Herzenslust pod hielt während der ganze» Aufführung Walters Hand,

Sie nahm ihren erstenTee" mit ihm: in Panama kannte man nurDamcntees". Ball Scheu bewunderte sie seinen neuen Spazierstock und fühlte sich eingeschüchtert durch seine Kennerschaft in dem ihr neuen Zimmt-Toast, mit der er vor ihr glänzte. Die erstep Blumen aus einem richtigen Blumengeschäft ausgenommen ein Nelkenbukett, das ihr Henry Carson in Panama bei ihrem Abiturium geschickt hatte kamen von Walter; langstielige Rosen in Seidenpapicr und mit einem Goldschnürchen und Walters Karte. Und vielleicht zum erstenmal sah sie den Frühling wirk­lich, empfand das helle Licht des Himmels, der Wolken und des frischen Grüns rings um sich als ihr eigen, als sie sich an einem Sonntag, knapp vor dem duftenden ersten Juni, mit Walter von der Mutter fortgestohlen hatte und im Central Park spazierenging. Sie ging auch mit ihm auf Abenteuer aus, und hatte in ganz anständigen griechischen, japanischen und syrischen Restaurants das prickelnde Gefühl, etwas Gefährliches unter- nommcn zu haben. Zu Hause jedoch wartete die Mutter auf sie, und der Erwerb, das Büro, der Schreibtisch, nahmen ihre ganze Kraft in Anspruch. Hätten sie einander weniger häufig gesehen, märe Walter vielleicht eher geneigt gewesen, Träume für wirkliche Küsse gelten zu lassen und hätte sich damit zufrieden gegeben. Aber er sah sie täglich hunderte Male und doch ging es mit ihrer Liebe nicht vorwärts. Das Nohesein im Büro quälte sie, und Frau Golden hielt sie einander fern. 2. Die Frau, die stets hoch hinausgewollt und müßig ge- wescn war, solange Hauptmann Golden sich für sie geplagt hatte: die getrauert hatte und müßig geblieben war. während Una für sie gedacht und gehandelt hatt«: die immer eine Mischung von Selbstsucht und Liebe gewesen, gewöhnte sich immer mehr und mehr daran, mit der Jugend der Tochter ihre Bequemlichkeit und ihren Konarienvogel zu füttern ein Tierchen mit schwindsüchtiger Stimme unv unsauberen Gewohnheiten. Frou Golden saß gerne bei einem J3uch und liebte Romane, die von junger Liebe handelten. Sie war sanft wie eine gesättigt« Katze und zart wie ein Tüllschleier, zum Teil aus Veranlagung,' zum Teil, weil sie gelernt hatte, daß sie auf diese Wesse aoz beste» erreichte, was sie wünschte, Sie

hatte für Una eine ebenso bewundernde Anhänglichkeit wie früher für Hauptmann Golden: und sie lenkte den neuen Herrn des Hauses genau so wie den früheren. Vergnügt lauschte sie allen Anordnungen, war einfach entzückt von Vorschlägen, daß sie etwas tun solle, und vergaß dann alles höchst anmutig. Frau Golden war«ine Meisterin anmutigen Vergesiens. An Dinge, die sie nicht tun wollte, erinnerte sie sich höchst selten zur rechten Zeit. Es war keine Ausrede; sie vergaß wirklich und gründlich. Una, die jeden Morgen ins Büro hastete und stets vev- zweifelte Anstrengungen machte, um nicht zu spät zu kom- men, mußte sich täglich damit aufhalten, eine Liste der Dinge aufzuschreiben, die ihre Mutter tun sollte. Denn sonst im Banne der Magazinsgeschichten, die sie stets vergaß und ahnungslos immer wieder las hätte Frau Golden ver- gessen, einkaufen zu gehen, die Kartoffeln zum Kochen zuzu» stellen, das Badezimmer aufzuräumen... Und oft brachte sie es noch fertig, Unas Zettel zu verlieren, den sie dann mit zitternden Lippen, doch mit geringer Ausdauer, suchte. Kam Una stumpf und müde von des Tages Plackerei heim, fand sie das herzlichste Willkommen und die Arbeit ungetan; kein Gemüse war fürs Abendessen, kein frisches Borwasser war für ihre schmerzenden Augen vorbereitet. War Una zerstreut, hatte sie das Verlangen, allein zu sein, um sich ein wenig zu sammeln, dann pflegte Frau Golden zu seufzen:Sag', Liebling, Hab ich dich mit irgend- was geärgert? In jedem Fall, ob Una nun schweigsam oder ärgerlich war, die Mutter brachte es zuwege, gekränkt, doch tapfer zu sein: rührend und betrübt, doch niemals soweit un- beherrscht, daß sie den Tränen freien Lauf gelassen hätte. Und Una mußte sich dann küssen und streicheln lassen, ehe sie entwischen und das Abendessen bereiten konnte. Nach dem Essen war Frau Golden stets bereit, alles zu tun, was Una wollte Karten zu spielen, oder vorzulesen, oder spazierenzugehen nicht sehr weit: sie war ja so zart, wie jedermann wußte, aber ein hübscher kleiner Spaziergang mit ihrer lieben, kleinen Tochter... Um solcher Unter- Haltung willen war sie gerne bereit, ihre eigenen abendlichen Lieblingsbeschäftigungen aufzugeben, wie Patiencelegen, Lesen und hübsche kleine Spaziergänge... Aber sie wollte nicht, baß Una ausging und sie allein ließ, auch nicht, daß böse, böse Männer wie Wolter sie ins Theater führten, als wollten sie ihr ihre liebe Tochter stehlen,(Forts, folgt.)