Trotz der ungünstigen willerung nahm die gestrige Flug- Veranstaltung aus dem Tcmpelhoser Flugplatz, die den Aufkakl zum grätzlen diesjährigen slugsportlichen Ereignis, dem Europa -Rundflug, bildete, einen guten Verlauf. Eingeleitet wurde die Veranstaltung durch Kunst- und Geschick- lichkoitsflüge der Piloten Heidt und der Pilotinnen Thea Rasch« und von Etzdorf. Ungeachtet des böigen Wetters flog U d e t Loopings mit abgestelltem Motor, eine fliegerische Glanzleistung. Um%6 Uhr, also 45 Minuten später als vorgesehen, trafen die ersten in Staaken gestarteten welibewerbteilnehmcr in Tempelhof ein. Es waren Eiebel, Risticz, von Dungert, Stutz, von Massenbach, Polte und King. Nach kurzer Pause erschienen dann die anderen deutschen und ausländischen Maschinen, unter denen sich einige sehr interessante Typen befanden. Gegen 8 Uhr waren alle Flieger in Tempelhof gelandet. Sie wurden von Bürgermeister Scholtz im Namen der Stadt Berlin begrüßt. An dem heute früh, S Uhr, beginnenden Rundflug nehmen die bewährtesten europäischen Piloten teil. Rekord- und Kunstflieger, Fluglehrer und Verkehrspiloten. Leider werden von den 100 gemeldeten Maschinen nur etwa 00 an den Start gehen. Verschiedene Flugzeuge haben Staaken nicht erreicht und scheiden somit aus dem Wettbewerb aus. Am stärk st en ist Deutschland ver- treten. Unter den 30 deutschen Bewerbern sind zu nennen: M orzik, der Sieger des vorjährigen Wettbewerbs, auf M. 23 B der Bayerischen Flugzeugwerke, Ofsermann, von Koeppen, Bruno Loerzer und Polte, ebenfalls auf Maschinen der Bayerischen Flug- zeugwerke. Auf Klenim-Leichtslugzeugen gehen ins Rennen: Siebel, Lusser, Osterkmnp und Spengler. Junkers wird durch den Rekord- flieger Risticz und den Piloten Gothe auf Iunkers-Iunior vertreten. Der Weltrekordflieger Neininger wird die O 13 der Darmstädter akademischen Fliegergruppe steuern. Die zweitstärkste Mannschaft stellt Polen . Unter den zwölf Piloten befindet sich der Militärflieger Z w i r k o, der im vorigen Jahre sinen ö000-Kilometer-Flug über Europa ausführt«. Die Engländer nehmen mit sieben ihrer besten Flieger am Rund- flug teil. Unter ihnen befinden sich Kapitän Broad, der im vorjährigen Wettbewerb den zweiten Platz belegte und die beiden
Damen Lady Bailay und Miß Spooner, die überhaupt die einzigen weiblichen Teilnehmer am Wettbewerb sind. Frankreich , das sechzehn Maschinen gemeldet hat, wird nur mit sechs Flugzeugen auf die Reise gehen. Auch die Spanier haben Pech gehabt. Vier Maschinen blieben aus der Strecke liegen, so daß nur noch drei starten können. Die Schweiz wird durch die Piloten K o l p und Pierroz vertreten. Der am heutigen Morgen stattfindende Start wird ein äußerst interessantes Bild bieten, da alle 00 Maschinen innerhalb einer Stunde das Tempelhofer Feld verlassen haben müssen.
Lustfahrt und Sicherheit. Die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt hielt kürzlich im Harnack-Haus in Dahlem ihre diesjährige Hauptverfamm- lung ab. Professor Hoff gab einen allgemeinen Bericht über die Tätigkeit der DVL. im letzten Jahr und erklärte besonders die Schwierigkeiten, die durch die immer weiter hinausgeschobene Ver- legung der DVL. und dadurch bedingte Unmöglichkeit entständen, den erforderlichen Ausbau einzelner Forschungsanlogen vorzuneh- men. Darauf berichtete Dr. ing. Friedrich See was d über Er- gebniste aus dem Arbeitsgebiet der ärodynamischen Abteilung der DVL. Ueber Aufgaben der Flugzeugtaktik sprach Dr. ing. Karl Thalau, der kurz die Stellung der allgemeinen Statistik inner- halb der Mechanik umriß und dann auf die besonderen Aufgaben einging, deren Lösung von der Statistik der Luftfahrzeug« gefordert wird. Die Forderung nach Leistung, so führte de? Redner aus, zwinge den Statistiker einerseits zu schärfster Baustoffausnutzung, die Forderung nach Sicherheit andererseits verlange äußerste Vorsicht bei der Bemessung seiner Bauwerk«. Den durch diese Vorsicht bedingten Mehraufwand an Gewicht im Lauf« der Zeit durch Schaffung genauerer Unterlagen bis auf ein Mindest- maß abzubauen, sei mit eine der wichtigsten Aufgaben der For- schung auf diesem Gebiete. Sie könne nur gelöst werden durch fort- laufende systematische Untersuchungen der wirklichen Bcanspruchun- gen der Lustfahrzeuge in theoretischer und versuchsmößiger Be- ziehung sowohl im Laboratorium als auch im praktischen Nug- betrieb.
Bestialisches Verbrechen an Vierjähriger. Das Kind schwer verletzt.— Täter entkommen. ! i Ein furchtbares Sittlichkeitsverbrechen wurde b e i \' Hermsdorf entdeckt. Hier fanden Spaziergänger im Walde ein kleines Mädchen, das laut weinte und dessen . i Wäsche stark mit Blut besudelt war. Die Leute nahmen sich s der kleinen an und brachten sie zu der Kriminalpolizei in Hermsdors, die für die sofortige Unterbringung im Dominikus- - T Stift Sorge trug. * Die Untersuchung durch den Arzt ergab schwere Ver- letzungen am Unterleib, die aus ein b e st i a l i s ch e s S i t t- lichkeitsverbrechen schließen lassen. Der Zustand ist vor- läufig so bedenklich, daß Lebensgefahr besteht. Aber auch wenn das Kind gerettet werden kann, wird es nach dem Gutachte» des Slrztes nie wieder gesund werden. Inzwischen war am Freitag- mittag ein« 45-3 Jahre alte Gerda K. aus der Lynarftraße am Wedding als vermißt gemeldet worden. Es stellte sich heraus, daß die kleine Vermißte das beklagenswerte Opfer des Verbrechens geworden war. Das Kind wohnte bei seinen Großeltern und war am Freitag, wie es zu tun pflegte, um 10 Uhr vormittags zum Spiel auf die Straße gelaufen. Als die Großmutter es zum Essen rufen wollte, war es verschwunden und niemand konnte Auskunft geben. Im Krankenhaus wurde die tlejne Gerda vorsichtig befragt. Dos Kind kann nur angeben, daß ein unbekann- tcr Map» mit einem Fahrrad gefragt habe, ab es einmal mit„ums Karree� fahren wolle. Auf die Zustinnnung des Kindes habe der
Rodler es auf die Lenkstange gesetzt und sei mit ihm weggesahren. Ueber die einzelnen Straßen kann die Kleine keine Auskunft geben. Im Hermsdorfer Walde geschah dann das furchtbare ZZer- brechen. Die Kriminalpolizei ist zur Zeit bemüht, durch Befragen anderer Kinder aus jener Gegend vielleicht die noch sehr dürftig« Beschreibung des Verbrechers zu ergänzen. Aeltere Personen haben vielleicht am Freitagvormittag auch den Vorgang beobachtet. Ihre Bekundungen wären von größter Wichtigkeit. Es ist möglich, daß der Radler, um die Kleine vertraulicher- zu machen, ein Geschäft besucht und dort Süßigkeiten gekauft hat. Wer nach irgendeiner Richtung hin Auskunst geben kann, wird ersucht, sich bei der Dienst- stelle E. 4 im Polizeipräsidium zu melden.
Vierter Stock unter Wasser. Das Hinausschieben der notwendigsten Häuscrrcparaturen hat während der Regenpcriodc in Berlin zu katastrophalen Erscheinun- gen geführt. Da ist j. B. eine im vierten Stock des Hauses Berlin N., Rosenthaler Straße 10, gelegen« Wohnung. An nicht weniger als 25 Stellen schoß das Wasser in Strömen in die Schlaf st übe der Bewohner, die ihre Betten in der Nacht fluchtartig verlassen mußten. Eine altersschwache Zimmerdecke ist an verschiedenen Stellen bis auf die Holzdiele des darüber gelegenen Hausbodens bloßgelegt, an den Wänden läuft das Wasser entlang: die Lichtleitung ist völlig durchnäßt und darf wegen Erdschlußgefahr gar nicht benützt werden. Dieser trostlose Zustand dauert schon ungefähr vierzehn Tage an und hat sich jetzt nach den
letzten Regengüssen zu? Katastrophe entwickelt. Trotzdem die Be« wohner bereits den Hauswirt auf die dringende Reparatur auf- mertjam machten, ist bisher nichts geschehen. Die ganze Wohnung ist völlig durchnäßt, das Mobiliar beschädigt, die Luft un-> gesund und moderfeucht. Ueberall sind Wasserbehälter aufgestellt� um das eindringende Naß aufzufangen. Aber Nässe und Feuchtig- keit zeige» sich immer wieder an neuen Stellen. Und wer hilft hier?!
Touristenunglück in Tirol. Vier Chemnitzer Touristen vom Blitz getötet. Wien . Ig. Juli. 1 Ueber ein schweres Touristenunglück in den Pihtaler Alpen , das vier Todesopfer forderte, wird berichtet: Vier Mitglieder der Sektion Chemnitz des Alpenvereins, und zwar die drei Borstands- Mitglieder Franz L o l t e r h o s, Kurt T r u e l ond Dr. Walter S e y f a r l h sowie der Ingenieur Fritz Seifert, unternahmen gesteru von der Chemnitzer hülle aus eine Tour über die Silber- schneide auf die Geige in den Pitz taler Alpen und gerieten, als sie angefeUt über den Gletscher gingen, in ein furchtbares Gc- witter mit schwerem Sturm. Als die vier Touristen nicht mehr in die Schutzhülle zurückkehrten, wie sie versprochen hatten, machte sich eine Führerexpedilion auf die Suche nach den Bermißleu. Sie fand drei der Touristen an einem Seile hängend als Leichen auf. Die Leiche des vierten verunglückten konnte bis zur Stunde noch nicht geborgen werden. Aller Wahrscheinlichkeil nach wurde die Gruppe vom Blitz getroffen.__________
Willis klägliches Ende. 2V2 Jahre Gefängnis für den Juwelen raub in derMohstraße Der kühne Handstreich„Modell-Willis', der am 8. November in einer Pension in der Motzstraße einem Juwelier Sch. aus Hanau einen Koffer mit Juwelen im Werte von 125 000 M. e n t- wendete und damit ausrückte, beschäftigte gestern das Schöffengericht Berlin-Schöneberg unter Vorsitz von Lanogerichtsrat Schenk. „Modell-Willi",«ine in den Lebeweltkreisen bekannte Persönlichkeit, ist der 37jährige Kaufmann Willi P e r l e w i tz. Perlewitz' Vater war Zimmermann in Spandau . Als er starb, gab der Vormund den Jungen, der Maler werden wollte, in eine Landwirtschastsschule nach Prenzlau . Der Neunzehnjährige riß aus, trieb sich in Berlin in homosexuellen Lokalen� umher, machte Be- kanntschasten in Paris, Nizza , Monte Carlo . Seine Freunde hatten Gew. In Wiesbaden lernte er den Juwelier Sch. kennen. Zehn Jahre lang währte mit Unterbrechungen die Freundschaft. Wenn Sch. aus seiner süddeutschen Heimatstadt nach Berlin kam, etwa alle drei Wochen einmal, war ihm P. ein lieber Gesellschafter. Aar 8. November v. I. erzählte P. seinem Juwelenfreunde, der Verlobte des Fräulein„Polly", der Freundin der Tänzerin Dolly, wolle seiner Verlobten Juwelen schenken. Er forderte ihn auf, gemeinsam zu Dolly zu gehen, um bei ihr Pollys Adresse zu erfahren. Während Sch. im Wohnzimmer der Pension wartete, begab sich P. in das Schafzimmer der Tänzerin: kam zurück und sagte, sie wünschte die Juwelen zu sehen: nahm das Köfferchen, ging, um sie ihr zu zeigen, und kehrte nicht wieder. Sch ungeduldig geworden, drang in das Schlafzimmer, fand hier die Tänzerin, aber der schöne Willi war verschwunden. P. blieb unauffindbar. Einige Monate später verhaftete man ihn in Paris ohne Juwelen und ohne Geld. Er hatte einen Teil der Drillanten bereits am 8. November einem Russen gegen eine Anzahlung von 7000 M. zum Verkauf überlassen, war am selben Abend nach Köln gefahren, hatte hier am nächsten Tage den Rest der Juwelen für 4000 M. losgeschlagen und mit einem falschen Paß, der auf einen schwedischen Namen lautete, Deutschland verlassen. Sch war in den Verdacht geraten, mit dem schönen Willi ge- meinsame Sache gemacht zu haben. Die Juwelen waren mit 75 000 M. versichert. Die Versicherungsgesellschaft vermutete Versicherungsbetrug. Es lag auch der Verdacht nahe, die Tänzerin habe mit dem schönen Willi gemeinsame Sache gemacht. Die Ver« Handlung zerstreute diese Vermutungen. Das Urteil lautete auf 2M Jahre Gefängnis. Die Karriere des schönen Willi ist damit vorläufig zu Ende.
S/NOAIR LEW/S
'ROM/W
f Es ist wahr, daß Una manchmal ihrem Aerger über die Vergeßlichkeit der Mutter in Worten Luft machte doch nach- her warf sie sich ihre Herzlosigkeit selbst stets bitter vor und erinnerte sich voll Entsetzen jedes harten Wortes gegen die „Kleine Mutter-Heilige", wie sie sie bebend in stillen Stunden nannte, wenn sie eng umschlungen wie ein Liebespaar bei- einander saßen. 3. Frau Goldens Ansprüche an Una waren nie so klar zu- tage getreten wie zu der Zeit, da sie mit Walters Ansprüchen zusammenstießen. Una und Walter besprachen die Sache, doch nach dein einen Abend gezwungener Konversation in Frau Goldens Gesellschaft schienen sie stillschweigend übereingekommen, es sei sinnlos, daß er sie zu Hause besuche. Auch zwischen Una und Frau Golden wurde nicht darüber gesprochen, warum Herr Babson nicht wiederkam oder ob Una sonst mit ihm zu- sammentraf. Una pflegte nur zu sagen, daß sie heute abend „nicht zu Hause sein werde"; plauderten sie jedoch bei einer Tasse Tee miteinander, so zitierte Una Walters Meinung über Omar, über das Freidenkertum, über Automobilzeitun- gen, über das Pfeifenrauchen und das Himalayagebirge, und daraus ging klar hervor, daß sie oft mit ihm beisammen war. Frau Goldens Methode, Opposition zu machen, war sehr einfach. Wann immer Una ankündigte, daß sie ausgehe, um- florten sich die leuchtenden Kinderaugen ihrer Mutter: sie seufzte und fragte zögernd:„Soll ich den ganzen Abend allein bleiben— nachdem ich den aanzen Tag allein gewesen bin?" Una kam sich entsetzlich herzlos vor. Sie versuchte die Mutter zu veranlassen, öfter zu den Sessions auf Besuch zu gehen, neue Bekanntschaften anzuknüpfen, aber Frau Golden hatte alle Anpassungsfähigkeit verloren. Una sah sich oft gezwun- gen, Walters Einladungen abzulehnen: und stets versagte sie es sich, an de» herrlichen langen, freien Sonnabendnach- mittagen mit ihm spazierenzugehen.
So kam es) daß sie Walter eigentlich nur noch an öffentlichen Orten traf. Er nahm dies übel und lud sie immer seltener ein, mit ihm auszugehen, erzählte ihr weniger auf- richtig von seinen Plänen und Bestrebungen, ein großer Mann zu werden. Er schien sich ein wenig für eine mehl- gesichtige Schauspielerin zu interessieren, die in der gleichen Pension wohnte wie er. Vom Heiraten sprach er nun nie mehr. Das einzige Mal, da er davon gesprochen hatte, war Una ihres Glückes so sicher gewesen, daß ihr diese Formalität ebenso unwichtig er- schienen war wie dem sorglosen Herrn Walter. Doch jetzt sehnte sie sich sehr danach, daß er um ihre Hand anhielte, in der dümmsten, konventionellsten Art rosenroter Romantik. „Warum heiraten wir nicht einfach?" hörte sie sich ihn im Geiste fragen, aber sie wagte nie, es laut zu sagen. An einem heißen, glitzernden Nachmittag anfangs Juli trat Walter knapp vor Büroschluß unvermittelt an Unas Tisch und flüsterte:„Hör' einmal, du mußt einfach heute abend mit mir kommen. Wir werden in einem kleinen Restaurant am Fuße der Palisaden essen. Ich halte das nicht aus, so wenig mit dir beisammen zu sein. Ich werde dich nicht noch einmal auffordern! Du benimmst dich nicht gut zu mir.". „Oh, ich will mich gewiß nicht...* „Komm du? Ja?"- Seine Stimme bebte. Ohne des Bürovolks zu achten, legte er feine Hand auf die ihre. Una war überzeugt, daß Fräulein Moynihan in ihrer ganzen Dicke sie beide beob- achtete. Sie wagte nicht, mit langem Ueberlegen viel Zeit. zu verlieren. „Ja", sagte sie,„ich komme." 4. Es war ein Biergarten, zumeist besucht von jachtlosen, deutschen Iachtsportlern in Iachtkappen und Hemdsärmeln und mit buschigen Schnurrbärten: sür Una aber war es Europa und die Ufer des Rheins— dieses Restaurant am Fuße der Palisaden, in dem sie mit Walter zu Zlbend aß. Es war eine friedliche Stunde, als duftend und dunkel der Abend hereinbrach und sie beide am Geländer der Terrasse lehnten und sinnend auf die Lichter blickten, die ringsum aufsprangen wie leibhaftige lachende Scherze: die im Wasser gespiegelten Lichter vorbeiziehender Schiffe. Walter war still-zufrieden. Er verschonte sie mit seiner dunklen Unrast. Sie war nun keine Büromaschine mehr; sie
fühlte sich eins mit den Liebenden aus den Dorfidyllen, ihre Uebermüdung schwand unter dem Zauber der Stunde, dem ewigen Rauschen des Flusses und dem sanften Wind, der alte Geschichten aus den Bergen mit sich zu führen schien. Sie wäre glücklich gewesen, hätte sie hier stundenlang sitzen und durch das Zwielicht lauschen können, zerstreut mit der Hand über das grobe Tischtuch streichelnd. Doch Walter wurde unruhig. Er starrte die deutschen Iachtsportler und ihre Kinder an. Er schwatzte unnötiges Zeug über eine Katze, die auf dem Geländer hinschlich: er berührte Unas Fuß mit dem seinen und fing plötzlich an, sich laute Vorwürfe zu machen, daß er sie nicht in ein besseres Restaurant geführt habe. Er erklärte mit vielen Worten, daß das gebratene Huhn steinhart gewesen sei—,„elendes Wirtshaus und elendes Essen!" „Nein, es gefällt mir hier wunderbar!" protestierte sie. „Ich bin ganz glücklich hier und möchte es gar nicht anders haben." Als sie ihm ihr Gesicht mit einem zärtlichen Lächeln zu- wandte, bemerkte sie, wie seine Blicke unruhig bald auf den Fluß, bald wieder auf sie gerichtet waren, wie seine Hände zitterten, während er mit zwei Salzstreuern aus dickem Glas spielte. Ein Gefühl der Verlegenheit stieg zwischen ihnen auf. Dann rief er plötzlich aufspringend:„Ach, ich kann nicht still sitzen! Komm, gehen wir unten am Flusse spazieren." Sie fühlte Gefahr. Das Dunkel drunten war nicht mehr traumhaft, sondern schreckensvoll. Sie wollte ablehnen, aber er bat so flehend, daß sie nachgab. Zwischen den Palisaden und dem Fluß, am Fuße der Klippen, läuft ein unbegangener Pfad, der noch ein wenig von seiner Wildheit behalten hat von der Zeit her, da er ein Kriegspfad der Indianer gewesen. Er klettert über Hügel und schlängelt sich zwischen Felsen durch, senkt sich in feuchte Mulden und erweitert sich zu kleinen, grünen Elfenspiel- Plätzen. In der Nacht hat er etwas Geisterhaftes, und der Fluß daneben murmelt von seltsam schaurigen Dingen. Diesen Pfad enllang schlichen die beiden Großstadtkinder, wortlos, nur Walters Hände, die sich um Unas Mitte schlangen, um sie zu leiten, waren beredt. An einer Stelle, wo eine kahle Sandbank in die Strömung des Flusses hinausragte, blieb Walter stehen und flüsterte:„Jetzt wär's schön zu schwimmen." „Ja— es ist ganz warm", sagte Una prosaisch. (Fortsetzung folgt.)