Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts
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Nr. 336
B 167
47. Jahrgang
66 Anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeile 80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Poßscheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37536. Fernsprecher: Dönhoff 292 bis 297
Die Befreiungsfeier der Reichsregierung und die besondere Befreiungsfeier des Reichsbanners Schwarz- RotGold hatten große Menschenmassen in die alte Rheinstadt gelodt. Schon am Sonnabend famen die einzelnen Züge des Reichs: banners aus den verschiedensten Gauen an. Abends um 6 Uhr wurde am Mainzer Hauptbahnhof der Bundesvorstand mit dem Bundesbanner feierlich abgeholt und durch die Stadt geleitet. Nach 7 Uhr lam Hindenburg von Worms auf dem Dampfer in Mainz an. Nach einer kleinen Rundfahrt durch die Stadt nahm er in dem Palais Wohnung, wo bis vor kurzem der Oberkommandierende der französischen Besaßungsarmee refidierte.
Der Sonntag vormittag brachte die große
Befreiungsfeier des Reichsbanners
Unter ungeheurer Beteiligung der Bevölkerung wurde hier am Sonnabend und Sonntag die Rheinlandbefreiungsfeier abgehalten, zu der Reichspräsident Hindenburg und, als Vertreter der Reichsregierung, der Außenminister Dr. Curtius er schienen waren. In der Stadthalle wurde die offizielle Feier veranstaltet, bei der neben dem hessischen Staatspräsidenten Adelung und dem Mainzer Oberbürgermeister Külb auch Hindenburg eine Ansprache hielt. Sämtliche Reden wurden durch Rundfunk auf fast alle Sender Deutschlands übertragen. Außenminister Dr. Curfius, der den ,, wegen der politischen Ereignisse" in Berlin unabkömm lichen Reichskanzler Brüning vertrat, erinnerte dabei an die Ver= dienste der Regierung Hermann Müller , indem er ausführte:
Auch der Vorgänger bes gegenwärtigen Herrn Reichskanzlers , Herr Reichskanzler a. D. Hermann Müller , weilt zu unserem lebhaften Bedauern nicht unter uns. Die gegenwärtige Reichs Adelebhaften regierung hatte ihn gebeten, bei der heutigen Feier neben dem Herrn Reichskanzler Dr. Brüning das Wort zu ergreifen. Sie wollte dadurch die Kontinuität der deutschen Gesamtpolitit, insbesondere der deutschen Außenpolitit, zum Ausdrud bringen und dem Regierungschef die ihm gebührende Ehre, er
auf dem Riefenplage vor der Stadthalle. Zehntausende Reichsbanner fameraden standen Kopf an Kopf. Die schwarzrotgoldenen Fahnen Ieuchteten in der Morgensonne. Es war ein überwältigendes Bild. Der Mainzer Oberbürgermeister Dr. Kü16, Staatspräsident de Tung, Karl Severing , der Demokrat Lemmer , der Zentrumsmann Kellermann und der Bundesvorsitzende Hörfing sprachen zu den Massen, immer wieder von stürmischer Zustimmung unterbrochen. Besonders Severing und Hörfing, die auf den bevorstehenden Wahlkampf anspielten, wurden lebhaft applaudiert. Der gewaltigen Kundgebung schloß sich ein großartiger Aufmarsch durch die Straßen der Stadtan, der die imponierende Stärke des Reichsbanners und seine mustergültige Disziplin auf das trefflichste zeigte.
Blutige Zwischenfälle.
Im Berlauf der Mainzer Befreiungsfeier fam es zu einigen Zwischenfällen, die geeignet sein können, die im ganzen außerordentlich eindrucksvoll und imposant verlaufene Veranstaltung in ihrer Wirkung zu stören. Nachdem schon am Sonnabend nachmittag ertennbar geworden war, daß die starke Beflaggung der Etadt in Schwarzrotgold und die überaus zahlreiche Be= teiligung des Reichsbanners rechtsgerichteten Kreisen
Morgen Funktionärkonferenz
( Siehe 3. Seite.)
start mißfiel, erfolgten in der Nacht zum Sonntag die ersten Zusammenstöße, denen in den ersten Nachmittagsstunden des Sonntags weitere folgten."
Als Severing mit dem Bundesführer des Reichsbanners Hörfing und dem demokratischen Reichstagsabgeordneten Lemmer im Auto, das von einem Chauffeur in Reichsbannerkleidung gesteuert wurde, das Stahlhelmspalier vor dem furfürstlichen Palais, in dem Hinden burg wohnte, durchfahren, wurden sie in der unglaublichsten Weise angepöbelt. Erst mit Hilfe der Polizei konnte der Weg zur Anfahrt an das Schloß freigemacht werden. Es war überhaupt auffällig, daß in letzter Stunde 2000 Stahlhelmleute, die vorher nicht angesagt waren, zur Spalierbildung befohlen wurden. Noch verwunderlicher
Es muß sich zeigen..
BRAVEREI
BESITZER
,, Es muß sich zeigen, ob wir ein Staatsvolt oder ein Bolt von 3nteressenten find." ( Cette Erklärung der Regierung Brüning vor der Reichstagsauflösung)
HAUS
BESITZER
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In der Tat- nämlich so war es unter Brüning!
weisen, unter dessen Leitung die Verträge abge= schlossen wurden, die die Befreiung des Rheinlandes ermöglicht haben. Zugleich sollte damit sinnfällig gemacht werden, daß über alle Parteiunterschiede hinweg und trotz aller Kämpfe um materielle Interessen die führenden Staatsmänner mit dem gesamten Volk in den höchsten Fragen der Nation einig zu wirken vermögen. Wir bedauern die Ab= wesenheit des Herrn Reichskanzlers a. D. Hermann Müller um so mehr, als der Grund für sein Fernbleiben leider ein plötzliche Erkrankung ist."
Alle Redner betonten noch einmal die Wichtigkeit der Räumung als Erfolg der Berständigungspolitik und gedachten der Staatsmänner, die an' dieser Verständigungspolitik teilnahmen, besonders Dr. Stresemanns. Dem amtlichen Festakt schloß sich ein Frühstück an, an dem der Reichspräsident teilnahm. Am Nachmittag verließ der Reichspräsident Mainz und fuhr nach Wiesbaden zur dortigen Befreiungsfeier.
Vormittags war der Reichspräsident durch die Straßen der Stadt Maing und der Bororte gefahren, unter starkem Jubel der Bevölkerung. Taufende von Schulkindern mit Ich war 3- rotgoldenen Fähnchen bildeten Spalier. Auch das Reichsbanner fehlte nicht. Im Laufe der Rundfahrt wurde das von Benno Elfan geschaffene Befreiungsdenkmal enthüllt, das die heffische Staatsregierung der Stadt Mainz gestiftet hat.
Todesfall in der Kinderrepublik
Vorsichtsmaßnahmen getroffen, fein Grund zu Gorgen.
Die kinderfreunde find durch einen Todesfall in der Kinderrepublit am Priwall in der Lübecker Bucht in Trauer versetzt worden. Von den zuständigen Stellen erfahren wir folgendes:
Bei dem Todesfall handelt es sich um eine Jugendgenoffin aus Danzig, die schon vor der Fahrt nach Lübeck eine Halsentzündung hatte, so daß der behandelnde Arzt von einer Teilnahme an der Fahrt a briet. Um dem Kinde die Ferienfreude nicht zu nehmen, haben die Eltern es dennoch, ohne daß die Kinderfreunde um die Krankheit wußten, mitfahren lassen. Es wurde Diphtherie festgestellt, der das Kind dann erlegen ist. Vi er leichtange= stedte Kinder, zwei aus Berlin und zwei aus Hamburg, sind sofort ins Lübecker Krankenhaus überführt und befinden sich bereits auf dem Wege der Befferung. Lebensgefahr liegt nicht vor.
Die Kinderfreunde haben sofort eine Kommission ins Lager geschickt, die sich aus dem Sachverständigen Dr. Mend vom Reichsgesundheitsamt, Dr. Julius Moses und dem Leiter der Kinderfreundebewegung Dr. Löwenst ein zusammensetzt. Durch die Lagerleitung und den Lagerarzt find alle Maßnahmen getroffen, um jede Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Es besteht nach den Berichten, die heute früh bei den Kinderfreunden in Berlin einliefen und uns sofort übermittelt wurden, für die Etlern kein Grund zur Besorgnis.
aber war, daß diefer anti republikanischen Kampforga. Schweres Unglück bei Gewerkschaftsfest. Italienischer Einigungsfongreß
nisation an solch exponierter Stelle der Platz zur Spalierbildung angewiesen werden konnte.
Bei den Zusammenstößen am Sonntag hatte das Reichsbanner bis 6 Uhr abends 10 Berletzte, darunter drei mit schweren Messerffichen. Die Stahlhelmleitung hat geradezu provozierend gehandelt. Unter anderem wurden große Stahlhelmabteilungen vor der Durch fahrt des Reichspräsidenten ohne Notwendigkeit demonstrativ durch die Straßen geführt, in denen das Reichsbanner zur Spalierbildung Aufstellung genommen hatte.
Koblenz, 21. Juli .( Eigenbericht.) Am Sonntag abend wurden in St. Go ar drei Lastautomobile, auf denen sich Kieler Reichsbannerleute befanden, von mehreren Dugend Stahlhelmleuten aus dem Hinter halt überfallen und mit Steinen bombardiert. Der lleberfall war systematisch vorbereitet worden und konnte unter den Augen der Polizei ausgeführt werden. Zum Glück gab es nur wenige Leichtverletzte. Automobile und Reichsbannerleute aus Köln wurden, als sie St. Goar passierten, ebenfalls mit einem förmlichen Steinhagel der in einem Hinterhalt persteckt liegenden Stahlhelmleute empfangen. Die Kieler Reichsbannerleute famen von Mainz, wo sie am Sonntag an der Rheinlandfeier des Reichsbanners teilgenommen hatten,
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12 Personen in Velten verletzt. Der verhängnisvolle Laftfahn.
Ein bedauerlicher Unglücksfall, bei dem zwölf Personen zum Teil schwere Verlegungen erlitten haben, ereignete sich am Sonntagabend auf dem Gewerkschaftsfest des Ortsaus schusses des ADGB . in Velten in der Mark.
Das Fest, das um 14 Uhr seinen Anfang genommen hatte, verlief bis in die späten Abendstunden hinein in schönster Harmonie. Die Beltener Gewerkschafter fonnten eine große Zahl von Gästen aus Berlin und den umliegenden Ortschaften begrüßen. Bei Eintritt der Dunkelheit sollte am Beltener Hafen ein Feuerwerf abgebrannt werden. Ein Teil der Zuschauer, etwa 100 bis 120 Bersonen, hatten auf dem Deck eines leeren Lastkahnes, der auf der gegenüberliegenden Hafenseite verankert lag, Aufstellung genommen. Plötzlich brach das Verdeck des Lastkahnes, das der schweren Belastung nicht gewachsen war, krachend ein. Etwa 25 bis 30 Per sonen, Erwachsene und Kinder, stürzten über 3 Meter tief in das Innere des Kahnes hinab. 12 Personen erlitten bei dem Sturz Knochenbrüche und innere Verlegungen. Glücklicherweise maren sofort mehrere Arbeiter- Samariter zur Stelle, die sich der Verunglückten annahmen. Bei fünf Personen waren die Verlegungen so schwerer Natur, daß ihre sofortige Ueberführung in das Hermsdorfer Dominifus- Krankenhaus erfolgen mußte.
Bernichtungsfampf gegen den Faschismus.
Paris, 21 Juli,( Eigenbericht.) Unter dem Vorsitz Turalis hat die italienische sozialistische Partei in einem zweitägigen Kongreß in Paris die feit 1922 dauernde Spaltung zwischen Mehrheitssozialisten und unabhängigen überbrüdt. In einer einstimmig angenommenen Entschließung erflären die italienischen Sozialisten, daß gegenüber dem fiegreichen Faschismus das Proletariat nicht das Recht habe, fich im Bruderstreit zu zerfleischen. Hauptaufgabe der neuen Einheitspartei sei, dem Faschismus einen Kampf bis aufs Meffer zu liefern, auch mit dem Mittel des Aufstandes der unterdrückten Bevölkerung.
Der Chefredakteur des Avanti", Pietro Nenni, gab einen eingehenden Bericht über die Beziehungen zwischen Frankreich und Italien, die dank der künstlich aufgepeitschten imperialistischen Forderung des Faschismu so schlecht wie möglich seien und den Frieden Europas aufs schwerste bedrohten. In einer Entschließung verlangt die Einheitspartei, daß die 2. Internationale einen allgemeinen Propaganda tag gegen das friegerische Treiben des Faschismus abhalte, und dessen Katastrophenpolitik vor aller Welt bloßstelle.
Den Schluß des Kongresses bildete ein feierliches Bankett, zu | dem von der Arbeiterinternationale Vandervelde und Adler