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Morgenausgabe

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47.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Donnerstag: 24. Juli 1930 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Verwirrung rechts.

Das Notdach für Westarp , Treviranus und Genossen.

Etwa fünfundzwanzig Abgeordnete des aufgelösten| Reichstags verlassen die Deutschnationale Volkspartei , ein­zeln und in Gruppen. Sie gehen wie auf Verabredung nach einander, damit jeder Tag seinen neuen Fall hat. Sie gehen aber wohin gehen sie?

Diese fünfundzwanzig suchen, wohin sie gehen fönnen, und mit ihnen suchen die, die vor ihnen gegangen sind und in der Boltskonservativen Bereinigung ein provi­sorisches Obdach gefunden haben. Sie suchen eine Organi­sation, die für sie Wahlen macht und ihnen Kandidaturen gibt, fie suchen einen Namen für diese Wahlorganisation und ein Programm, und vor allem natürlich Wähler, die sie wieder in den Reichstag schicken sollen. Es ist ein jonder barer Zustand: die Anwärter auf die Mandate sind beim Beginn des Wahlkampfes vorhanden- aber die dazu­gehörigen Parteien noch nicht!

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Die um Westarp und Treviranus haben in dieser Not beschlossen, ihr Unglück zusammenzuwerfen und unter ein gemeinsames Dach zu flüchten. Sie haben gestern die, Kon­ servative Volkspartei " gegründet. Sie paffen zwar schlecht zusammen. Herr Treviranus ist längst fein Monarchist mehr Graf We starp aber hält nach wie vor am monarchistischen Bekenntnis fest. Das Wesen der Politik des Herrn Treviranus besteht in der Erhebung von Ansprüchen auf führende Posten in Regierung und Di­plomatie, im übrigen ist er ein ausgesprochener politischer Opportunist Graf Westarp ist und bleibt der afte Konservative. Aber sie sind Kameraden in gemeinsamer Mandatsnot!

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Im Gründungsaufruf der neuen Partei heißt es: in einer starten Staatsgemalt. Nur aus Sammlung und ,, Das deutsche Bolt braucht mehr als andere Zusammenfassung Einsatz aller fonservativen Kräfte kann sie erwachsen.

wir das System regelloser Massenherrschaft durch Um unseren Staat start zu machen für diesen Kampf, müssen einen der geschichtlichen Entwicklung und natürlichen Gliederung unseres Boltes entsprechenden Staatsaufbau überwinden. Unser Staat soll wieder ein mehrhafter Staat werden. hierzu müssen in der Staatsführung tonfervative Kraft so zur Geltung tommen, daß der Staat fähig wird. im Kampf um die deutsche Freiheit in der Welt den gesammelten Freiheitswillen einer geeinten Nation einzusetzen. Deshalb rufen wir auf zur Gründung der Konservativen Volkspartei ."

Ein Bekenntnis zur Monarchie enthält dieser Grün­dungsaufruf nicht mehr, das Kompromiß zwischen Trevi: ranus und Westarp hat ihm den Garaus gemacht, dafür ist der Aufruf mehr Westarp als Treviranus. Aber was find neue Programme, was Pläne und Entwürfe- die Mandate sind alles!

So sieht also eine der rechten Flügelparteien des Systems Brüning aus!

Konservative gegen fonfervative Bolkspartei. Es gibt nunmehr zwei fonservative Organisationen: die Kon­fervative Bolkspartei und den Hauptverein der Konserbativen. Der Hauptverein steht zu Hugenberg gegen Westarp, er erläßt gegen die reuz- Zeitung", die für Westarp Partei genommen hat,

Die Sammelfomödie.

Der Schiffbruch der großen Rechten".

Im bürgerlichen Lager wird gewaltig zum Rampfe ge. blasen! Da aber die verschiedenen Stabstrompeter ihre In­strumente gleichzeitig an den Mund setzen und jeder seine besondere Weise spielt, herrscht einstweilen noch ziemliche Ver= wirrung. Vor allem auf der Rechten, wo die Trümmer hertreiben, ist von praktischer Sammlung und.prak­der einstmals so stolzen deutschnationalen Fregatte wild um­Mast des geborstenen Schiffes flammert sich Herr Hugenberg, tischer Vereinigung noch sehr wenig zu merken. An den und die Mitglieder seiner bisherigen Mannschaft machen sich in den bewegten Wogen die rettenden Planken streitig.

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Chaos zusammenzustellen. Da ist also zunächst die Gruppe Versuchen wir eine Art von Führer durch das Hugenberg , die Tag für Tag Austrittserklärungen pro­minenter Parteigänger in Empfang nehmen muß und sich über diese Berluste durch die Veröffentlichung von Treue­gelöbnissen irgendwelcher Stammtische zu trösten versucht. Wahrscheinlich ist sie besonders stolz darauf, daß auch Graf Seidlig- Sandretti, der Führer der immer noch allerdings unter Ausschluß der Deffentlichkeit vativen Partei, seine Mannen dem Herzog aus Westfalen­existierenden Konsers land zuzuführen verspricht. Aber die Zahl dieser Mannen dürfte kaum ausreichen, um ein Lastauto zu füllen, und so hat die Kundgebung des schlesischen Grafen faum eine andere Bedeutung als die, daß sie dem Grafen Westarp, der bisher mit seinem Standesgenossen gemeinsam als treuer Invalide die Wache am Sarge des preußischen Konservativismus hielt, eine schmerzvolle Enttäuschung bereiten wird.

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Während Hugenberg Absage auf Absage entgegennimmt, hat sich Graf We starp mit Herrn Treviranus ,, per­ständigt". Der Mann, des bisher noch ,, mit Gott für Kaiser

Die neue Partei hat einen leitenden Ausschuß, der aus die folgende Erklärung: nicht Organ der Konservativen, ihre und Reich" stritt, will Arm in Arm mit der Gruppe, die

den Herren Habermann, v. Kamecke, v. Lettlom= Borbed, v. Lindeiner- Wildau, Dr. Rade­macher und Treviranus besteht. Daneben wurde ein Beirat gewählt, dem 13 Mitglieder angehören, darunter Dr. v. Dryander, Dr. Hoesch, Lambach, Dr. Lejeune- Jung, Graf Schulenburg und Graf Westar p. Geschäftsführende Mitglieder des Bei­rats sind die Herren Dr. v. Dryander und Lambach. Darunter sind zehn Reichstagsabgeordnete. Da wird nicht jeder Chancen haben, wiedergewählt zu werden!

,, Die Kreuz- Zeitung " ist Einstellung insbesondere zum heutigen Staat verstößt gegen fonservative Staatsauffassung und stellt einen Bruch mit ihrer eigenen Tradition dar. Entscheibend ist nicht die von dem Blatt verschiedentlich ausgesprochene theo­retische Ablehnung des heutigen Systems, sondern die tatsächliche Unterſtüßung einer Politit der Mitte, die auf entschloffenen Kampf verzichtet."

Die Konservativen beider Fakultäten liegen sich schon in den Haaren!

diesen Kampfruf für einigermaßen überholt und jedenfalls zweckmäßig erachtet, das Jahrhundert in die Schranken fordern. Wieviele von denen, die bei der letzten Abstimmung mit Weftarp gegangen sind, auch jetzt bei ihm bleiben wer­den, ist freilich noch nicht ausgemacht, denn es gibt einen Magneten, der auf sie vielleicht eine stärkere Anziehungskraft ausübt, als die doch immerhin etwas unflare Vereinigung von unentwegter Kaisertreue und Konjunkturanpassung. In­zwischen hat sich nämlich der Landbund als selb= ständige Partei aufgetan. Das heißt, eine eigentliche Bartei will er nicht sein. Nach wie vor, so sagt er, bleibe fationen gegenüber jedem Parteigebilde oberstes Gebot. Aber aus Abneigung gegen die Parteigebilde stellt er eigene Listen auf und gründet also ein neues Par­teigebilde. Das Landvolk soll gesammelt werden aus­schließlich zur Wahrung seiner berufsständischen Belange. Die allgemeine Politit spielt feine Rolle. Der Spedzoll ist alles. Ein neuer Inter­essentenhaufen" wird sich organisieren.

2,71 Millionen suchen Arbeit. induſtrie ftüßzen zuſammen mit der Konferveninduſtrie noch etwas die Unabhängigkeit und Selbſtändigkeit der Landbundorgani­

Erfte Julihälfte bereits Stillstand auf dem Arbeitsmarkt.

Die neuen amtlichen Arbeitslojenziffern haben die Befürchtung der Gewerkschaften, daß die sommerliche Entlastung des Arbeitsmarktes bereits zu Ende ist, vollauf bestätigt. Zum ersten Male seit dem Höchststand des Winters hat die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger in der Arbeitslosenversicherung feine Abnahme erfahren; das Anwachsen der Zahl der verfügbaren Ar­beitsuchenden hat sich in verstärktem Maße fortgefeht; ebenso ist die Zahl der Krisenunterstützungen weiter angewachsen.

Am 15. Juli wurden 1470 004 Hauptunterstützungsempfänger in der Arseitslosenversicherung und 380 698 in der Krisenunter­fiühung gezählt. Damit sind beide Unterstühungseinrichtungen zu­fammen mehr als doppelt fo start belastet wie in der gleichen Zeit des Vorjahres, nachdem die Ueberlagerung auf rund 938 000 angewachsen ist. Die Zahl der verfügbaren Ar­beitsuchenden belief sich am 15. Juli auf rund 2 770 000. Eigentliche Arbeitslose verbleiben nach Abzug derer, die noch in gekündigter

und Stillegungsanträge. Nur gewisse Teile der Bekleidungs­den Arbeitsmarkt, während in der Schuhindustrie die Arbeitslofig

feit ebenfalls rapide zunimmt.

Wachsende Arbeitslosigkeit in England.

London , 23. Juli. ( Eigenbericht.)

In der am Mittwoch im Unterhaus stattgefundenen zweiten Lesung des Arbeitslosenversicherungsgejeges per langte die Regierung die Erhöhung der vorgeschlagenen Ver­sicherungssumme von 50 auf 60 Millionen Pfund Sterling ( das sind von 1 Milliarde auf 1,2 Milliarden Mart. Red.). Arbeits­minister Margaret Bondfield begründete die Nachforderung mit der ständig wachsenden Arbeitslosenziffer, die Ende des Jahres auf 2,1 bis 2,3 Millionen geschäßt werden müsse.

36 Opfer geborgen.

Auf der anderen Seite ist auch nicht tlar ersichtlich, ob

Herr Treviranus den Anhang, der seinerzeit mit ihm aus der deutschnationalen Partei austrat, und ihm zu einem Ministerposten verhalf, restlos bei seiner Stange halten kann. Der sogenannte Chriftliche Volksdienst, dem die Abgeordneten Mumm, Behrens usw. nahestehen, hat einen Parteitag nach Eisenach einberufen, um dort die Auf= stellung seiner Kandidatenliste zu beschließen.

oder ungekündigter Stellung oder in Notstandsarbeit beschäftigt Die Trauer über die Koblenzer Katastrophe.- Beerdigung Auch dieser Volksdienst ist ein Verband, der dem Treiben der

waren, rund 2 715 000.

Die Zunahme in der Belastung der Arbeitslosenversicherung rührt zunächst von den Bezirken der westdeutschen Industrie her, von denen sowohl Westfalen wie das Rheinland eine Vermehrung der Unterftügungsempfänger aufweisen. Ferner haben die Bezirke Brandenburg , Südwestdeutschland und Ostpreußen eine Verschlechte rung erfahren. Die geringe Abnahme der Unterstützungsziffer in den übrigen Bezirken, von denen Mitteldeutschland noch die ver hältnismäßig günftige Entwicklung hat, konnte in dem Gesamtbild feinen Ausgleich schaffen.

am Sonnabend.

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Koblenz , 23. Juli. ( Eigenbericht.) Nach den letzten Meldungen ist es bisher gelungen. 36 Opfer der Schreckensnacht zu bergen. Bier oder fünf Verunglückte sucht man noch in dem schlam­migen Grund des Flusses. Von den Geborgenen konnten bis jetzt 32 Personen identifiziert werden.

politischen Parteien Fehde ansagt und aus diesem Grunde ganz selbstverständlich berufen ist, eine neue Partei auf die Beine zu stellen. Wenn wir dann noch hinzufügen, daß auch der Jung deutsche Orden mit eigenen Man­batsbewerbern auf die Szene treten wird, so haben wir ein­ungefähr vollständiges Bild von der großen Rechten", die in den Krieg gegen den Marrismus zu ziehen beab­sichtigt, aber heute noch nicht weiß, wie sie den Feldzug be­

Die Beerdigung der Opfer wird am Sonnginnen soll. Der preußische Ministerpräsident Der Zuwachs an Arbeitsuchenden entfällt im Gesamtergeb. abend stattfinden. nis auf die Ronjuntturgruppen. Die Saison- Außen hat angeordnet, daß an diesem Tage alle öffentlichen Ge­berufe haben teine Erleichterung mehr erfahren. Das Bau bäude, die in Berlin schon gestern halbmast geflaggt gewerbe liegt nach wie vor vollkommen danieder. Die hatten, in ganz Preußen die Fahnen auf Halbmast Landwirtschaft verwendet ſtart Maschinen und entwickelt daher eben jeten. Aus allen Teilen des Reiches sind in Koblenz falls feine starke Nachfrage. Bergbau und Metallindustrie bilden weitere Beileidskundgebungen eingelaufen. zusammen mehr und mehr einen selbständigen Krisenherd. Be- Auch Oesterreich hat seinem starken Mitgefühl sonders im Ruhrkohlenbezirk sowie in den Hütten und Balzwerken Ausdruck verliehen. Sehr große Anteilnahme zeigt auch macht die Berringerung der Belegschaft ständig Fortschritte. Auch in den meisten Braunkohlengebieten beginnt der Beschäftigungsgrad die französische Oeffentlichkeit, im besonderen fich zu verschlechtern. Aus fast allen Zweigen der Metallver. die Pariser Presse. arbeitung tammen Meldungen über Kurzarbeit, Entlassungen

( Weitere Meldungen in der 1. Beilage.)

Unterdeffen redet man allerdings von Listenverbindun­gen und gemeinsamen Reichslisten der verschiedenen eben angeführten Fraktionen und Frattiönchen. Die Bächlein sollen schließlich in ein gemeinsames Bett zusammenfließen, und die Veranstalter der einzelnen Unternehmungen find wahrscheinlich der Ueberzeugung, daß die Taktik des ge= trennten Marschierens noch am ehesten einen Erfolg ver­bürge. Wenn nur aus dem beabsichtigten vereinten Schlagen nicht ein vereintes Geschlagen werden wird! Den Wählern wird man es jedenfalls nicht leicht klarmachen tönnen, warum gemeinsame Grundideen durch ein halbes