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Nr. 347 47. Jahrgang

3. Beilage des Vorwärts

Gonntag, 27. Juli 1930

Die

Julirevolution 1830- 27.

bis 29. Juli 1930

Als nach Leipzig and Waterloo die Bourbonen ,, im Troß der verbündeten Heere" nach Frankreich zurückkehrten, ersetzten sie die dreifarbige durch die weiße Kokarde, entfesselten einen weißen Schrecken fondergleichen und zeigten überhaupt den ehrlichen Willen, das Rad der Entwicklung zum Jahre 1789 zurückzudrehen. Aber das ging nicht. Vielmehr zwangen die einschneidenden sozialen und politischen Wandlungen des letzten Vierteljahrhunderts Lud mig XVIII. zur Anerkennung der Charte", der Ver­fassung von 1814, die nicht nur das Verwaltungssystem Napo leons aufrechterhielt, sondern auch die Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesez verbürgte teinerlei Privilegien und Vorrechte, es seien denn die des Besizes! Ludwig XVIII. , der lange in Eng­land gelebt hatte, war bereit, sich mit einer Rolle als halb absoluter, halb tonstitutioneller Monarch abzufinden, aber die Royalisten um ihn, königlicher als der König, unfähig, zu begreifen, daß man troß allem neunzehntes Jahrhundert schrieb, suchten fanatisch die be scheidenen Ansätze zu einer Herrschaft der bürgerlichen Klasse wegzumischen und Junker und Jesuiten zu unbeschränkten

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Herren Frankreichs zu machen.

| die Ordonnanzen einen Berfassungsbruch, einen Staats­streich dar. Aber die Bourgeoisie nahm den Handschuh auf; selbst Chateaubriand, unzufriedener Konservativer und Bour­bonist, rief aus: Die Charte ist zerrissen. Damit treten wir in den Naturzustand zurüd; jeder verteidigt sich, wie er tann. Ich, wenn ein Gendarm mich verhaften will, schieße auf ihn." Konnte die Bourgeoisie nur siegen, wenn ihr das Volk die Kastanien aus dem Feuer holte, so waren in den Pariser Massenquartieren die Erinnernugen an 1793 leicht zu wecken; auch die soziale Not schürte bei sinkenden Löhnen und steigenden Preisen die Erbitterung gegen das Regime, doch da sich unter der Restauration alles politische Leben auf eine winzige Minderheit, auf die 88 000 Wahlberechtigten, beschränkte, griff gewöhnlich politische Erregung nicht auf die Straße über. Und Preßfreiheit? Was sagte das Wort einem Volt, das in seiner erdrückenden Mehrheit des Lesens nicht fundig war! Aber diesmal verschaffte sich die Bourgeoisie durch geschickten Zug ihr Kanonenfutter. Nicht nur die großen Zeitungsdruckereien entließen, weil sich die Blätter der Zensur nicht beugen wollten, ihr Personal, sondern auch sechsundzwanzig der bedeutendsten Indu sechzigtausend Arbeiter auf dem Pflaster, die von selbst mit der bewaffneten Macht zusammenstoßen mußten. Am 27. Juli gegen drei Uhr nachmittags fielen in der Nähe des Palais Royal die ersten Schüsse, zwei Stunden später wuchs die erste Barrita de aus dem Boden, in der Dämmerung tauchte die erste blauweißrote Fahne auf. Am folgenden Tag entbrannte der Kampf auf der ganzen Linie. Das Militär, be­fehligt vom Marschall Marmont, der seit 1814 vielen als ruch loser Berräter an seinem Raiser galt, war zahlenmäßig schwach und innerlich unsicher. Dazu bot das Paris von 1830, Riesenstadt mit 900 000 Einwohnern, aber mit engen, frummen, winkligen Gäßchen statt der breiten Boulevards und Avenuen von heute, dem Bolk das idealste Gelände für eine Straßenschl a cht; ein umgestürzter Karren, ein Küchenschrank und ein paar Matraßen, und die unbezwingliche Barritade war fertig. Auch waren die Jagd flinten , mit denen sich die Aufrührer bewaffneten, den Militär­gewehren fast gleichwertig, und Munition gab es überall; Romantit der Insurrektion: auf öffentlichen Plätzen goß man aus Löffeln und Dachrinnen Flintenkugeln. Der aktiven Kämpfer auf der Seite des Boltes zählte man nicht allzuviel, aber da alte napoleonische Offiziere und Studenten der Polytechnischen Schule sie führten, und unterschiedslos die ganze Bevölkerung hinter ihnen stand, zermürbte fich an ihrem heldenhaften Widerstand die Truppe. An diesem zweiten Tag bemächtigte sich die Revolution des Rat­hauses, der Bank von Frankreich, des Zeughauses und anderer

strategischer Buntte und ließ vom Turm der ehrwürdigen Notre Dame eine Riesentrikolore wehen.

noch feelenruhig morgens die Messe besuchte und abends seine Partie Während in dem nahen Saint- Cloud am 28. Juli Karl X . Whist spielte, beschien die aufgehende Gonne des 29. Juli nicht weniger als se chstausend Barrikaden in Paris . Und als mittags der alte Fuchs Talleyrand die Nachricht empfing, daß das 5. und das 53. Infanterieregiment zum Volt übergegangen feien, zog er gelassen die Uhr und bedeutete dem Boten: ,, Merken Sie sich, am 29. Juli 1830, zwölf Uhr fünf, hat der ältere 3 weig der Bourbonen aufgehört, in Frankreich zu regieren." So war es, und zum schauerlichen Sinnbild dessen stopfte man einen Toten dieser Kämpfe auf den Thronsessel im er­

brochenen Tuileriensaal.

Die Kunde der Julirevolution scheuchte ganz Europa auf. Heinrich Heine jubelte auf Norderney : Ich bin ganz Freude und Gesang, gang Schwert und Flamme," und Ludwig Börne , als er fechs Wochen später nach Paris fam, hatte ein Gefühl, als müsse er die Stiefel ausziehen: Wahrlich, nur barfuß sollte man dieses

heitlich Gesinnten des Erdteils, und namentlich die deutschen Liberalen und Demokraten feierten die Pariser Juliſchlacht ats ihren Sieg. Allerdings folgte mur schüchternes Knistern im Gebälk des deutschen Bundes, und sogar die Pariser Julikämpfer wurden schnöde um ihren Lohn geprellt. Volksherrschaft? Republik ? Nichts da! Die Bantiers, an der Spike Lafitte, nahmen die Sache in die Hand und nötigten den Franzosen Ludwig Philipp von der jüngeren Bourbonenlinie als Bürgertönig", als beste mit ihm, die Julimonarchie", faßte es Karl Mary, war nichts Republit" auf. Die Herrschaft der Großträmer begann als eine Aktiengesellschaft zur Ausbeutung des französischen Nationals reichtums, deren Dividenden sich verteilten unter Minister, Kammern, 240 000 Wähler und ihren Anhang. Gleichwohl drehte die Juli­revolution mit mächtigem Schwung das Rad der Entwicklung vor­wärts, und auf die Dauer blieben die Folgen nicht aus. Seit 1815, feit Wiener Kongreß und Heiliger Allianz, war Europa im starrsten Legitimismus, Despotismus, Patriarchalismus und Feudalismus hoffnungslos eingefroren. Die Julirevolution brachte den Beginn

Diese Ultras" betamen erst recht Oberwaffer, als 1824 striellen schlossen auf Verabredung ihre Betriebe; damit lagen heilige Pflaster betreten". Aehnlich war die Empfindung aller frei­Karl X., selber der verstockteste Ultra, seinem Bruder auf dem Thron folgte; seine Lafung: Lieber Holz hacen als nach Art des Königs von England regieren!" Daß jezt den Emigranten von einst eine Milliarde Franken als Entschädigung für ihre Liegenschaften hingeworfen wurde, die die Revolution als Nationalgüter versteigert hatte, daß der Abel in der Armee und den Aemtern die Bürger­lichen an die Wand quetschte, daß das ganze Volt vor den allent­halben errichteten Missionsfreuzen in die Knie sinken mußte, ge­wahrte die Bourgeoisie mit äußerstem Mißbehagen, aber sobald ihre Wortführer, die Liberalen, in der Kammer neue Size er­oberten, schleuderte das Regime ste jedesmal durch eine Verschlechte rung des Wahlrechts zurück, und die Ultras triumphierten desto frecher. Als der zehnte Karl 1829 den Fürsten Polignac, einen gang ausgefochten Ultra, zum Ministerpräsidenten machte, empfand das alle Welt als bewußte Kriegserklärung an die Ten­denzen, die sich nun einmal nicht niederhalten ließen. In der Tat schickte der neue Herr im Mai 1830 die zu wenig botmäßige Kammer nach Hause, und als die Neuwahlen der liberalen Opposition erfled­lichen Erfolg brachten, antwortete er mit den Verordnungen vom 26. Juli, den sogenannten Ordonnanzen; abermals Kammer­auflösung, wiederum Verschlechterung des Wahlgesetzes und Auf hebung der Breßfreiheit.

Da nach der Charte über die Breßverhältnisse mur durch ein Gesez, nie durch eine Verfügung entschieden werden konnte, stellten

Karel Čapek : Das Attentat

Was sollte einer an mir rächen wollen?"

Rat Tomfa hatte es fich gerade an dem Abend recht behaglich| nirgends hin, fümmere mich nicht um fremde Angelegenheiten gemacht. Er faß gemütlich bei einer Flasche Wein im Klubsessel und las einen spannenden Kriminalroman als plötzlich draußen zwei Schüsse fielen und von dem Fenster über seinem Kopf Glasscherben niederstürzten.

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Da tat er dann, was wohl jeder getan hätte. Er wartete einen Augenblick, was weiter geschehen werde, dann dachte er streng nach, was denn eigentlich geschehen sei und erschraf. Er sah nämlich, daß jemand das Fenster durchschossen hatte. Dort, gegenüber, in der Tür, war ein Holzspan abgesprungen, darunter steckte das Geschoß. Der erste Gedanke war, auf die Straße zu laufen und den Kerl mit beiden

Der Polizist zuckte die Achseln. Das weiß ich nicht, Herr. Aber vielleicht werden Sie sich bis morgen erinnern. jetzt hier nicht fürchten?"

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Werden Sie sich

,, Ach nein", sprach Tomsa nachdenklich. ,, Merkwürdig", sagte er bedrückt, als er wieder allein war.

des Tauwetters!

glorieuses", wie sie der Franzose nennt, die drei glorreichen Tage", Und dessen sind noch heute, nach hundert Jahren, les trois ein Unterpfand: so vergletschert ein politischer zu. 3. stand auch sein mag, der Tauwind tommt!

Hermann Wendel ,

innerte fich, wi der Roubal schluckte und die Nägel in die Hände grub. Mein Gott, wie muß ich den Menschen verletzt haben. Ich habe es natürlich gleich zu bemanteln versucht, aber wie sich der Arme dabei in die Lippen biß. Der hat Grund, mich zu hassen", meinte der Rat betrübt. Aber er hat sicher nicht auf mich geschossen, das weiß ich, doch ich tönnte mich gar nicht wundern, wenn

Tomfa blickte betroffen zu Boden. ,, Oder lehthin, der Schneider"= erinnerte er sich voll Unbehagen., 15 Jahre habe ich bei ihm nähen lassen, und dann wurde mir gesagt, er sei schwer lungenfrant. Man fürchtet sich natürlich, Kleider zu tragen, die ein Schwindsüchtiger gemacht hat; so habe ich aufgehört, bei ihm arbeiten zu lassen. Und lehthin fam er und bat, ich möge ihn doch wieder mit meinem Bera trauen beehren, seine Frau sei trant, die Kinder sollten aufs Land. Herr des Himmels, wie blaß der Mann war und wie er schwitzte. werde mich bemühen, Herr Rat', stotterte er, zitternd vor Angst und Es geht nicht', sagte ich, ich war mit Ihnen nicht zufrieden."

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Ich

Warum, ja warum hat man mich erschießen wollen? Ich bin ja bei­nahe ein Einsiedler. Ich erledige meine Arbeit im Amt und gehe nach Hause. Ich habe ja eigentlich mit feinem etwas zu schaffen. Warum also will man mich niederschießen? fragte er sich mit wachsen Händen beim Kragen zu pacen; aber wenn man schon bei Jahren der Erbitterung ob dieser Ungerechtigkeit. Allmählich tat er sich selbst Berlegenheit, und beinahe hätte er gemeint. Ich habe ihn natürlich ist und gewisse Würden genießt, versäumt man gewöhnlich den leid. ,, Man racert sich wie ein Pferd, gönnt sich nichts, lebt wie eine ersten Impuls und entschließt sich für den zweiten. Deshalb lief Herr Schnede in ihrem Gehäuse und frach: einer fommt und will einen

mit dem gewissen Wir werden schon sehen' fortgeschickt, das die Armen so gut kennen. Der Mensch muß mich hassen, es muß fürchter­

Tomsa zum Telephon und rief die Polizei an: Hallo, schicken Sie niederknallen. Mein Gott, welche Bosheit steckt in den Menschen. lich sein, wenn man jemanden ums Leben bittet und so gleichgültig

schnell jemand her; foeben wurde auf mich ein Attentat verübt." ,, Wo?" fragte eine verschlafene und gleichgültige Stimme.

Wem habe ich etwas zuleide getan? Warum haßt mich jemand so entsetzlich, so wahnsinnig?" Es wird vielleicht ein Irrtum sein",

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abgefertigt wird."

Dem Rat wurde immer schwerer ums Herz. Und peinlich wars

,, Bei mir", regte sich Tomsa auf, als ob die Polizei an allem beruhigte er sich, als er am Bettrand saß und einen ausgezogenen auch", erinnerte er sich ,,, wie ich unlängst unseren Diener im Amt

schuld wäre.

,, Ich werde jemanden zu Ihnen schicken", sagte die verschlafene Etimme.

Stiefel in der Hand hielt. ,, Gewiß ist es ein Irrtum in der Person. Der Mensch hat mich einfach für jemand anderen gehalten, auf den er es abgesehen hatte! Ja, so wird es sein", sagte er erleichtert. ,, Warum auch sollte mich jemand hassen?"

beschimpfte. Ich brüllte ihn an wie einen Buben, vor Leuten noch dazu: Was ist das für eine Ordnung', schrie ich., Sie Idiot, ich sollte Sie hinauswerfen' und dann habe ich den Aft, den ich suchte, in der eigenen Schublade gefunden! Und der Alte hat nicht gemudit,

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Der Herr Rat tobte vor Ungeduld; ihm dünfte es eine Ewigkeit, tis jemand tam. In Wirklichkeit war schon nach 20 Minuten ein be­fennener Polizeibeamter bei ihm, der voll Interesse das zerschossene innerte er sich plötzlich etwas verlegen, unlängst habe ich eine recht hat nur gezittert und mit den Augen gezwinkert."

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Fenster untersuchte. Sieben- Millimeter- Kaliber", sprach der Mann und bohrte mit dem Messer die Kugel aus der Tür. ,, Schaut aus, als wäre sie aus einer alten Armeepistole. Der Kerl muß auf dem Zaun gestanden haben; hätte er auf dem Fußsteig gestanden, so würde die Rugel höher steden. Das bedeutet, daß er auf Sie gezielt hat."

..Merkwürdig", sagte Herr Tomsa mütend, ich habe beinahe gedacht, daß er mir die Tür treffen wollte."

,, Wer hat es getan?" fragte der Polizist, ohne sich beirren zu laffen.

,, Berzeihen Sie, daß ich Ihnen das nicht sagen lann; ich habe den Herrn nicht gesehen und konnte ihn deshalb nicht nach seinem Namen fragen."

Das ist eine schwierige Geschichte", meinte der Polizeibeamte friedlich. Wen haben Sie im Verdacht?"

"

,, Verdacht?! Herr, ich habe ja den Kerl nicht gesehen. Und selbst menn er gewartet hätte, bis ich ihm durchs Fenster eine Kußhand zuwerfe, fo hätte ich ihn in der Finsternis nicht erkannt. Wenn ich müßte, wer es mar, so hätte ich Sie nicht herbemüht, meinen Sie nicht auch?"

Run ja", meinte der Beamte beschwichtigend, aber vielleicht merden Sie sich an jemanden erinnern, dem Ihr Tod willkommen wäre, oder einen, der sich rächen wollte. Sehen Sie, es war fein Raubversuch, ein Räuber schießt nicht, so lange er nicht schießen muß. Bielleicht haben Sie einen Feind."

Tomfa stuzte. Von dieser Seite hatte er die Sache noch nicht be­

trachbet.

,, Ich habe feine Ahnung", sagte er zögernd und übersah mit cinem Blick sein stilles Leben des Beamten und alten Junggesellen. ,, Wer könnte mich denn so verfolgen? Meiner Seel, ich weiß nicht, baß ich einen einzigen Feind hätte! Rache? Ausgeschlossen. Ich habe nie mit jemanden Streit gehabt. Ich lebe ganz gurüdgezogen, gehe

Der Stiefel fiel dem Herrn Rat aus der Hand. ,, Nun ja", er­dumme Sache angestellt, ohne es zu wollen. Ich sprach mit Freund Roubal, und da entschlüpfte mir eine ungeschickte Anzüglichkeit. Die ganze Welt weiß, daß seine Frau... Er aber liebt sie wie ein Narr. Und ich, ich Idiot, rede so was Blödes." Der Herr Rat er­

Sucher

Thr sucht das Licht und schant, Dort wo der Aether lachend blaut Seit der Erde Anbeginn- Dorwärts dorthin!

Wir können nicht, so sehr das Herz sich sehnt Und sich zu nie geschauten Fernen dehnt;

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Wir müssen kämpfend bei den Werkmaschinen stehn, Hier wo die Riemen kreischen, sich die Räder drehn Wir stehn in einem neuen Licht Der Pflicht!

Mir müssen, was sic uns gebietet, tun Und können nicht mehr träumend ruhn. Daß wir die Pflicht bestehn, muß ewige Sehnsucht untergehn. Doch wenn dann Stille uns umfängt Und alles Blut zum Herzen drängt, Dann peitscht uns der Derachtung eisige nacht Ein stählern Gitter vor der Sonne Pracht Heiß schreit es auf aus dumpfer Qual: 3erbrich den Stahl!

Christoph Wiepreci

Tomsa tonnte nicht liegen bleiben; sogar die Dede bedrückte ihn. Er saß auf dem Bettrand, hielt seine Knie umschlungen und starrte in die Nacht. Und ein anderes Gesicht tauchte vor ihm auf. Das blaffe, aufgedunsene des Kollegen Wanfl. ,, Der Arme! Bürovorstand mollte er werden statt meiner; es wärer für ihn ein paar Hunderter jährlich mehr gewesen. Er hat sechs Kinder und ein böses Weib; die ist so furchtbar mager und zänkisch vom ewigen Sparen. Mittags mürgt sie nur eine trockene Semmel hinunter."

Tomja versant in Gedanken. Ich habe ihn übersprungen, meil er ein so schwerfälliger Arbeiter ist. Sonderbar muß ihm das fcheinen, daß ich ohne Familie mehr verdiene als er, aber fann ich dafür?" Der Herr Rat rieb sich die Stirn, die vom Angstschweiß feucht mar.

,, Ja, und unlängst, da hat mich ein Kellner um ein paar Kronen betrogen. Ich habe den Wirt gerufen und der hat den Kellner auf der Stelle entlassen. Sie Dieb', hat er geschrien ,, ich werde schon da­für sorgen, daß Sie sobald nicht einen anderen Bosten bekommen." Der Herr Rat tonnte es im Bett nicht mehr aushalten; er fetzte fich wieder in seinen Klubsessel und nahm die Hörer des Radios. Aber das Radio mar stumm, die Nacht war stumm, es waren die ftummen Stunden der Nacht. Und der Herr Rat stützte den Kopf in die Hand und dachte an alle die Menschen, denen er jemals begegnet war, an die seltsamen und kleinen Leute, die er niemals verstand und an die er sonst nie dachte.

Am nächsten Morgen ging er zur Polizei. Er war ein wenig bleich und verlegen. ,, Num", fragte ihn der Inspektor, haben Sie Schon einen Verdacht?"

Der Herr Rat schüttelte verneinend den Kopf. Denn fagte er unficher: Es gibt nämlich so viele, die es sein könnten, so viele, daß. Er machte eine hilflose Handbewegung. Man reiß gar nicht, mie niel Menschen man verlegt. Lassen wir die Sache ruhen." ( Deutsch von Anna Aurednicet.)