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SBucker oäer SEeMimgspapi er 1 Ton 3>rivaidosenl 3)r. C. Weygand JCeipsig
Von Herrn Owen X. N o u n g haben wir vor kurzem gehört, daß unser Land zwarkeine großen Reserven an den: habe, wao man im allgemeinen als Rohstoffe bezeichnet", daß wir dagegen in hohem Maße über einen Rohstoff verfügen, der in der Weltwirt- schost zu wenig berücksichtigt wurde, nämlich die Fähigkeit zur wissen- schctftlichsn Forschung und das Geschick, sie in der Gülerprodnktion anzuwenden und zu organisieren. Vielleicht ist es nicht jedem, der so und so viel Millionen von Zeitunzslesern ständig gegenwärtig, daß selbst der Rohstoff für ihr Leibblatt, das Holzpopier, zum guten Teil aus ausländischen Hol. zern hergestellt werden inuß. Denn man kann leider nicht aus jedem Holz billiges Papier machen i in unserem Klima sind es überhaupt nur drei Bäume, die schnell genug wachsen: Buche, Kiefer und Fichte, und fast nur die Fichte liefert heute das fraglich« Aus. gangsmaterial. Die Holzfasern der Buch« und der Kiefer sind zu kurz, das Kiefernholz ist außerdem zu harzreich, leider, denn bekanntlich ist die .Kiefer von allen die genügsamst« und daher auch die billigste. Das heißt nun nicht, man könnte aus Buchen- oder Kiefernholz über. Haupt kein Papier herstellen, nötigenfalls würde das schon möglich sein, solange indessen noch Fichtenholz in«msreichender Menge zu hoben fft. wird man sich kaum dazu entschließen. Aber nicht nur die Technik, auch die Forstwirtschaft, die gegenwärtig in einer wenig beneidenswerten Lag« ist, hat dabei ein Wort mitzureden: die Papierfabriken wollen nicht gar zu dicke, astfreie, gerade Fichten» stamm«, der Holzabfall an Knüppeln und Aesten bekanntlich bei ider Fichte nicht gering findet kein« Verwendung. Holzabsall läßt sich gerade heute bei uns schwer absetzen, nach dem die Holz. v« r k 0 h lun g sin du stri e, die bis vor wenigen Iahren den technisch wichtigen H o l z g e i st, daneben Aceton und Essigsäure lieferte, durch ein rein chemisches, großtechnisches Derfahren immer mehr verdrängt wird, das mit der Kohle und Master als Ausgangs- Materialien und als Besserer der Feind des Guten viel bll- kiger arbeitet. Man kann an diesem Beispiel erkennen, wie in einem verwickel- ten WirtfchastskSrper die Entdeckung neuer, billiger Methoden nicht nur ökonomstch« Fortschritt« mit sich bringt, vorübergehend kommt es auf anderen Gebieten zu Absatzschwierigkeiten, deren LS- sung nicht immer einfach ist. In unserem Fall« gibt es grund- sätzlich zwei Wege: entweder man versucht, auch das Abfollholz noch auf Papier zu verarbeiten, oder wenigstens Pappe daraus zu machen oder man findet«inen ganz neuen Derwendungs�zweck, für den die äußer« Form des Rahstoffes weniger wichtig ist als seine innere Zusammensetzung. An sich wäre der erste Weg schon gangbar. Aber das Papier aus Abfallholz würde, wie gesagt, sicher teurer und wohl auch schlechter sein als das jetzig«. Man würde sich fragen müssen, ob es dann nicht ebensogut oder schlecht mit dem Kiefernholz ginge, und das hieße wieder: noch mehr Abfall. Die heut« noch billige schwedisch  « und polnische Ficht» wäre ständig ein schwer zu ertragen- der Konkurrent, t* sei denn, man legt« hohen Schutzzoll auf die Einfuhr. Auch der zweit« Weg ist in der eigentlichen Praxis noch un- erprobt, wenn auch längst dem Bersuchsstadium entwachsen: mehr als die Hälfte vom Trockengewicht der Holz» besteht aus reiner Zellulose, und Zellulose oder Zell   st.o f s läßt sich heute schon fast ohne Verlust auf chemischem Wege in Traubenzucker über- führen. Traubenzucker ist zwar nicht so süß wie Rüben- oder Rohr. zucker, und er soll auch nicht etwa diesen verdrängen, er soll vielmehr als Diehfutter die Kartoffel oder ausländische Futtermittel zum Teil ersetzen helfen. Die Futterkartoffel hat einen großen wirtschaftlichen Fehler: beim Transport schleppt sie nämlich vier Fünftel ihres Ge- wichts an wertlosem Wasser mit, der Traubenzucker dagegen ist ein ideal konzentrierter Nährstoff von höchsten Qualitäten. Nun ist zwar in der Kartoffel ein wenig Eiweiß, im Körnerfutter noch wehr, im Zucker dagegen keins, aber hier greift eine wichtige neu« Erkenntnis der Nahrungsmittel forfchung vermittelnd ein: wir er- innern un», daß man im Krieg gezwungenermaßen da, Weizen- und Roggenmehl sehr weitgehend ausmahlte, so daß die eiweißreiche Kleie mehr oder weniger vollständig mitnecbacken wurde, und man fft zeitweise so weit gogangen, zu fordern, daß ganz allgemein über- Haupt das ganz« enthülste und geschält« Getreidekorn zum Vollkornbrot" verbacken werden sollte. Es fft indessen noch der Ansicht hervorragender Ernährungsphysiologen recht unsicher ge> worden, ob man damit wirklich ökonomisch handeln würde. Es gibt heute schon zwei Verfahren, um aus dem Holz, aus Ab- fällen natürlich, den Traubenzucker zu gewinnen: eine ältere von B» r g i u s, dessen Prinzipien genau bekannt sind, und dos nun in Stettin   im großen erprobt werden soll, und ein neueres, das auf dem gleichen chemsschen Prinzip rubende Tornesch  - Verfahren, benannt nach der Holsteiner Sprichrennerei gleichen Namens, dessen Einzelheiten noch geheimgehalten werden. Es soll einige nicht un- wesentliche Vorzüge vor dem Bergius-Derfahren besitzen, vor allem deshalb, weil es mit sehr viel weniger Salzsäur« arbeitet, deren Trennung vom Zucker einer der schwierigsten Punkte ist. Scheinbar legt man es beim Tornesch  -Verfahren darauf an, den Zucker auf Spiritus weiterzuvevarbesten, weniger darauf, ihn in fester Form zu isolieren, aber auch in diesem Falle geht es um da, gleich« Problem, den Ersatz der Kartoffelstärke durch die Holzzcllulose. Selbst wenn man nun einwendet, daß das jetzt mit Futter- Kartoffeln bestellt« Land nicht ohne weiteres für anspruchsvollere Nährpflanzen verwendet werden könnt«, so daß man dabei nichts eigentlich gewinnen würde, so könnte zunächst der Holzzucker aus Abfallholz doch wenigstens die Einfuhr an Gerste und Mais, auf die wir heute noch angewiesen sind, überflüssig machen und schließlich könnt« e» auch nicht, schaden, wenn man einen gewiss«» Teil des Kartoffellandes in Woldslächen umwandelte, denn wenn wir auch noch einigermaßen ausgedehnt« Waldgebiete haben, so können wir aus mancherlei Gründen einen Zuwachs wohl ge- brauchen. Für die Holzverzuckerung ist es nun ganz gleichgültig, ob Buche, Kiefer oder Fichte das Ausgangsniateriol liefern, ihr kommt es nur auf die Zellulose als solche an, nicht auf die Läng« der Faser. Ebenso wichtig, aber der Lösung ferner ist«in dritte, und letzte» Holzproblem: Sowohl bei der Papierfabrikation als auch bei der Holzoerzuckerung bleibt nahezu die Hälfte des Gewichts ungenutzt, denn Holz besteht in der Hauptmenge aus zwei Stoffen, der Zellulose und dem sogenannten LIgnin. So leidlich wir mit der erster«» Descheid wissen, so dunkel ist uns noch das Lignin. nicht nur wissenschaftlich, sondern vor allem technisch: es liegt da ein fast einzigartiger Fall vor: denn das rätselhafte Lignin ist«in« so hoch- organisierte Substanz, daß man sicher«ine? Tage, dihintsr kommen wird, was man damit anlangsn könnte, um es nutzbar zumachen heut« fft es günstigenfalls gerode gut oder schlecht genug als Brennmaterial, wenn«» nämlich nicht überhaupt einfach verloren gegeben«erden muß.
Aber die chemische Industrie hat schon einmal vor einem ähn- lichen Problem gestanden, bevor man wußte, was für ein unersetz- liches Düngemitt«! die Kalisalze sind, die man in S t o ß f u r t forträumen mußte, um zum Steinsalz zu kommen, schüttete man sie achtlos auf die Halden, nannte sie Abraumsalze und war ihnen wenig gewogen heute heißt man sie Edelsalz« und zieht aus ihnen den vielfachen Gewinn. Vorläufig flieht nun in Deutschland   noch ein« voll« Million Tonnen Lignin jährlich, etwa ebensoviel wie die gesamt« Zellstoff- Produktion beträgt, mit der sogenannten Sulfitablaug« in die Flüsse und erregt dort wenig Freude bei den F-schen. Wird es anders werden wir müssen es hoffen und dürfen es auch, die Zellstoff. industrie fft jung und also auch das Ligninproblem. Denn der älteste und heute noch unentbehrliche Werkstoff der Menschheit, das Holz, fft erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit«inRohstoff" der chemischen Technik. Wenn auch die hübsche Zukunstsvorftellung, daß der Zucker zum Morgenkaffee und die Morgenzeitung dem gleichen Fichtenbaum entstammen, sich nicht im vollen Umfang verwirklichen wird, die moderne Chemie wird da? Problem der Holzmisbeuiung nicht mehr fallen lassen. Die äHeflen 9n!chriHen Die ältesten Inschriften, die überhaupt bisher gefunden worden sind, wurden bei den deutschen   Ausgrabungen in Uruk-Warka  in Mesopotamien  , dem heutigen Königreich Irak  , ans Licht gezogen. Darauf messt der Leiter der Expedition, Dr. Julius Jordan  , in einem Aussatz derUmschau" hin, st, dem er dieses wichtige Unternehmen behandelt. Uruk  , das biblich« Erech  , das von den Griechen Orchoi genannt wurde, war die größte sumerische Stadt, die als Herrschersitz jenes sagenhaften Königs Gilgamesch   gast, von dem das berühmte Gilgamesch-Epos   handelt. Es war«ine Siedlung mit hoher Zivilisa- tion, mit weiten Märkten, breiten Straßen und großen Tempeln, zu denen feierlich« Prozessionen wallsahrteten. Verehrt wurden hier hanpffächlich die Göttin Jnnin und der Himmelsgott Anu. Bei den Grabungen auf dem 3000 gm ausgedehnten Arbeitsfeld konnten fünf zeitlich weit auseinanderliegend« archaische Perioden festgestellt werden, die einen Einblick in die sumerische Kultur während des vierten und der ersten Hälfte des dritten Jahrtausends gestatten. Während man in der ältesten, der fünften Schicht, die Reste eines monumentalen Tempelbaues aus allersrichester Zeit feststellte, stieß man in der vierten Schicht auf die ersten Inschriften. Dies« ältesten Zeugnisse dieser Art sind noch rein« Bilder auf Tontaseln und geben einfachste Begriffe wieder, die irgendein« Beziehung zum Tempel- kult ausdrücken müssen. Diese Schicht mutz ebenso wie die fünfi« in da, vierte Jahrtausend gesetzt werden, so daß wir also hier Inschriften vor im, habe», die weit über 5000 Jahre alt sind.._ 3)ie Erdbebengürtel der Erde Dos älteste Erdbeben, von dem wir sicher« Kunde haben, hat sich in derselben Gegend ereignet, die jetzt wieder von«iner so furcht. baren Katastrophe heimgesucht wurde. Auch damals war es die Umgegend von Neapel  , das Bukkangebiet des Vesim, auf dem sich 79 n. Chr. jenes furchtbare Unglück ereignete, das der ältere Plinius  so meisterhast geschildert hat. So hat Süditolien. in der Geschichte der Erdbeben stets«in« tragische Rolle gespielt. Räch den Statistik«» des bekannten Erdbebenforschers Professor Sieberg wird das Apenningebiet stihrlich von 184 Beben ergriffen, die aber glücklicher- weis« in der Hairpttsach« ziemlich unbemerkt vorübergehen und nicht solche grausigen Folgen haben wie die letzte. Wir hören heut so oft von diesen Erschütterungen der Erde, daß sich die Ansicht vcr- breitet hat, d!« Zahl der Beben hob« In den letzten Jahrzehnten zugenommeil. Das ist aber keineswegs der Fall, sondern es sind nur die viel besseren Rcgistriermöglichkeiten, die un» heut« gestatten, auch die kleinsten Erderschütterungen mit unseren Meßinstrumenten aufzuzeichnen. Dadurch wissen wir heut, daß in jeder Stund« ein« ganze Menge Erbbeben passieren: an die 9000 werden jährlich
tegPißnk, nnS von tigert stnL Aas S006 ß» slttA Se# ste ßt L» Nachbarschaft des Ursprungs beobachtet werden können: nur ganz wenige sind allerdings so heftig, daß sie Häusereinstürze und Menschenopfer soröern. Wahrend man vor 30 Jahren noch wenig über d!« Verteilung der Erdbeben auf dem Erdball wußte, kann man heute die eigentlichen Erdbebenzonen und-gürtel auf unserem Planeten ganz genau angeben. Das erdbebenreichst« Gebiet ist Chile  , und dort besonders das Atacama-Tief, das durchschnittlich 1000 Beben im Jahr und 21 Proz. aller Beben auf der Erde auf- weist. An zweiter Stelle steht Japan   mit 431 Beben, die 9 Proz. der Gesamtziffer betragen und von denen 5 Proz. schwerer ver­laufen. Dann folgt die ostafrikanische Rifzane mit jährlich 300 Beben, und danach kommen die 2) manschen Alpen   mit 194 Beben und das Zlpenningebiet. Auch die Berggegenden von Thrazien   und Bulgarien   werden häufiger von Erschütterungen henngefucht, haben durchschnittlch 169 Beben im Jahr. Kleinasien   und die Ionischen Inseln 145. von denen 3.1 Proz. schwerer sind. Es gibt aber auch Zonen, die von Erdbeben fast völlig verschont werden. Zu diesen glücklichen Ländern gehören Deutschland   und England, wo das Auf- treten einer allgemein spürbaren Erschütterung zu den größten Seltenheiten gehört. Sehr deutlich zeichnen sich auf der Erdoberfläche gewiss« Er d- b e b e n g ü r t c l ab, die über die Zonen mit großen Erderhebungen und besonderen Mcerestiefen verteilt sind. Ein solcher Gürtel ozea- nffcher Tiefe begrenzt die beiden Amerika  , führt an der asiatischen Küste bis zum Ostindischen Archipel entlang und setzt sich bis nach Neuseeland   fort: er umgibt also den Stillen Ozean  , das größte Meer, das die Hälfte der Erde bedeckt. In diesen Meerestiefen hoben häusig Erdbeben ihren Ursprung. Die Länder, die daran grenzen. besitzen Bergketten, unter denen einig« sind, w« die Anden, die zu den höchsten der Welt gehören. Hier sind die Erdbeben besonders hei- misch. Ein Tief, nördlich von der Insel Neu-Guinea  , ist ein aktives Gebiet dieses Erdbebengürtels im Stillen Ozean  , und von dort dehnt sich westwärts ein zweiter Gürtel aus, der durch Java, Sumatra  und die Bai von Bengal nach dem Himalajagebirge führt. Vom Himalaja   wendet sich der Erdbebengürtel westwärts durch Pcrsieii und Kleinassen nach Griechenland  . Italien  , Spanien   und nach dem östlichen Atlantischen Ozean: er kreuzt diesen Ozean nicht, obwohl Crdbebenzeüiete auf der anderen Seite, nördlich und südlich des karaibsschen Tiefs, erscheinen. Das Becken des Atlantischen Ozeans  unterscheidet ssch von dem des Stillen dadurch, daß es eine verhält- nismäßig ruhige Gegend ist, was die Meerestiefen, die Höhe der Gebirgsketten, die Tätigkeit der Vulkane und die Häufigkeit der Erdbeben anbetrifft. Im Becken des Atlantischen   und Indischen Ozeans gibt cs nur wenige verstreute Erdbebenzentren. und es gibt einen tätigen Gürtel, der ssch von dem anderen dadurch unterscheidet. daß er mit keinem ozeanffchen Tief verbunden ist. Das ist der afri- kanlsche Erdbebengürtel, der ssch vom Mtttelmeergürtel in Palästina abzweigt und durch Ostafrika   zum Kap der guten Hoffnung   erstreckt.
Echte und unechte Abasien Es gibt wenig Pflanzengottungen, die ssch in so zahlreiche Arten- gespalten haben, wie die unter der GesamtbezeichmingAcaci*" zu- sammengefaßte Gattung der Leguminosen, deren Name von der griechischen Wurzel,»ice, d. h. Spitze, abgeleitet ist, weil der stachelig« Stamm ein Charakteristikum bestimmter Mitglieder der Boumfamilie ist. An die 450 Spielarten der Mazienfamili« gedeihen in wärmeren Gegenden, besonders zahlreich in Afrika   und Austra- lien, wo sie typische Erscheinungen der Wüsten-, Steppen- und Busch- flora bilden. Mehrere dieser tropischen oder subtropischen Akazien- arten liefern durch eine chemische Umwandlung der Zellwönde die allgemeein als arabisches Gummi bekonnte Gummisorte. Die gerb- stofsreiche Rinde vieler Arten wird wie die Fruchthülse zum Gerben und Schwarzfärben benutzt, während das als Eifenholz bekanme Holz mancher australischen Arten als Material für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte Verwendung findet. Was man gemeinhin als Akazie bezeichnet, ist die unecht« Akazie, dieRobinie", die den wissenschaftlichen NamenKodini» Pseudoacacia* führt, und deren wohlriechende weiße oder rötliche Blüten zur Herstellung eines geschätzten Sorbets gebraucht werden. Der schöne Baum mit den unpaarig gefiederten Blättern und den stark aromatischen Schmettertingsblüten in überhängenden Trauben wurde um 1600 aus feiner nordameritanischen Heimat von Jean Rodin nach Frank- reich gebracht und verbreitete sich rasch über ganz Mitteleuropa  .
3)er kolonial und die Juliretolulion
Al» am 28. Juli 1830 in Pari» die Revolution ausbrach, nahmen alle Staaten Europas   an den Ereignissen in Frankreich  lebendigen Anteil. Mit ganz besonderem Interesse verfolgten die Bewohner des kleinen Herzogtum» Braunschweig d!«s« Volk«- «Hebung, und zwar au» zwei Gründen: Ersten», weil sie mit ihrem Fürsten auf so gespanntem Fuß« standen, daß auch bei ihnen eine Revolution nicht ausgeschlossen war. und Metten  », weil ihr Herzog damals gerade in Paris   sich aufhielt und somit den Aufstand mit eigenen Augen verfolgen konnte. Da drängte sich un» die Frage aus: Was wollt« der Herzog in Paris  , wo es doch in seinem eigenen Lande gärt«? Um e» kurz zu sagen: Er wollt« seinen Gegnern«in Schnippchen schlagen. Seine Feinde, allen voran sein früherer Vormund, König Georg IV.  von England und Hannover  , sowie dessen honnoverscher Premier- minister Graf Münster, hatten beim Bundestag tn Frankfurt gegen den Herzog Klage erhoben wegen unrechtmäßiger Regierungs- Handlungen. Nach langem Zögern faßte der Bundestag endlich einen Beschluß, in dem der Herzog aufgefordert wurde, zu Kreuze zu kriechen. Der Herzog wollte nun den Kopf aus der Schlinge ziehen: er verlangte, der Beschluß solle ihm persönlich zuge- stellt werden. Um das den in Frankfurt   versammelten Vertretern der deutschen   Fürsten   unmöglich zu machen, refft« er nach Paris  . Als der Herzog einige Wochen in Poris sich aufgeholt«,, hotte, brach hier am 26. Juli 1830 die Revolution aus, die unter dem Namen Juli-Rsvolution bekannt fft. Der Herzog hott« also Ge- legenheit, einen Bolksoufftand aus nächster Nähe kennenzulernen und konnte daraus Lehren ziehen. Er hatte aber den Ernst der Situation nicht erfaßt und benahm sich wie«in Waisenknabe, der zum ersten Male aus seiner Anstalt herauskommt und in die Welt tritt. Er betrachtete den Ausstand wie ein Thcaterfpiel. Der Herzog mietete sich einen Landauer. Um da? aufgeregte Volk besser beobachten zu können, setzte er sich mit seinem Adjutanten, Major Grabau, aus das zurückgeschlagene Verdeck des Wagens. Mit großen Operngläsern verfolgten sie da» Gebahren der Auf- ständischen, zunächst auf der Straße und darauf In einem großen Volksgorten, wo Reden gehalten wurden. Ein französffchsr Offizier machte den Herzog auf das aufreizend« und geföhrPche feine« Be- tragen» aufmerksam. Der Herzog horte»ich» dorausi Erst da» Pfeifen der Kugeln bewog ihn,'in sein Hotel zurückzukehren. Hier setzt« er sich auf die Fensterbank, ließ seine Bein« über di« F«nfter- bräftung hlnousbönge« und nahm wieder sein Opernglas.
Am Tage vorher hatte er sich über einig» Engländer lustig gemacht, die aus Furcht vor der Revolution geflüchtet waren. Jetzt wurde auch ihm der Boden unter den Füßen zu heiß. Er ließ durch einen Maler schleunigst da» herzogliche Wappen von seinem Reisewagen entfernen und schickte seinen Adjutanten hin, dl« Pässe zu besorgen. Aber es war schon zu spät: ordnungsgemäß konnte er Paris   nicht mehr verlassen. Der Paß wurde verweigert, der schöne Wagen konnte nicht benutzt werden, da die Straßen durch Barrikaden gesperrt waren, und einen Fürsten hätten die Aus- ständischen ohnehin nicht leicht aus der Stadt entweichen lassen. So mußte Karl seine herzogliche Würde verleugnen und einige Stufen heruntersteigen in der Rangordnung der» Gesellschaft. Als einsacher Arbeiter verkleidet, den Rock aus einem Stock über der Achsel tragend, schlich er zur Stadt hinaus. Um sich noch mehr unkenntlich zu niachen, hatte«r feinen Schnurrbart abrasiert. Sein Adjutant und ein Jäger begleiteten ihn, auch verkleidet, der eine 100 Meter vor ihm. der andere in gleicher Entfernung hinter ihm. Sie schlugen die Richtung auf Brüssel   ein. Da der Herzog keinen Paß hatte, so koimtc er nur durch eine List über die belgische Grenz« kommen. Er schloß sich einem Ochsen- Händler an. l>alf diesem sein Rindvieh über die Grenze treiben und kam so als Ochsen treib«? glücklich in Belgien   hinein. In Brüssel   wollt« der Herzog sich von seinen Strapazen erholen, um sich dann nach England zu begeben. Aber am Tage noch feiner Ankunft, den 15. August 1830, brach auch in Brüssel   ein Volks- ausstand aus. Daher kehrte der Herzog dieser Stadt schnell den Rücken, verzichtete auf die Reise noch London   und wandte ssch direkt nach Brounschweig. Am 17. August 1830, morgen» 7 Uhr. kam er in seiner Hauptstadt an, immer noch verkleidet, so daß der Oberstallmeister v. Oycnhausen ihm im Schloßhofe den Weg ver. sperren wollte: o. Oyenhausen entschuldigte sich damit, daß er Heh-it für einen Studenten geholten habe. In Braunschweig   erlebte der Herzog nun bald die dritte Re- volution, die aber für ihn kein Schauspiel war. sondern bitter« Wirklichkeit. Am 6. September 1830 begannen die Unruhen und am 7. September flüchtete der Herzog aus Brauiffchwe-g, und rr hat seitdem seine Haupfftadt nie wiedergesehen. Herzog Karl ir-urde bald darauf für dauernd regierungs» unfähig erklärt und starb am 18. August 1873 in der Stadt Denk. der er' sein Vermögen von etwa 20 Millionen Franken vermacht« um«? der Bedingung, daß sie ihm ein prunkvolle, Reiterstandbtkd setz«. Hsinnoh Busch-Hamburg.