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Die Berliner   Gewerbe- Ausstellung soll bestimmt am l. Mai. vormittags II Uhr, und zwar vom Kaiser eröffnet werden. Zu dieser Feierlichkeit werden außer den, Hofe und den Ministern u. a. die hiesigen Staatsanwälte, die Vertreter der Presse, die Stadtväter, diverse hohe Militärs, hervorragende Jnnungs- mrister u. f. w. u. s. w. eingeladen. Sämmtliche Theilnehmer werden der«Voss. Ztg." zufolge entweder in Uniform oder im Frack mit weißer Binde erscheinen. Also alles in Amtsracht; auch die Vertreter der Presse? Der grobe Unfugs-Paragraph. Auf dem Heimwege von der.ganz rollen Nacht", welche die jungen Akademiker unlängst in der Tonhalle veranstaltet hatten, war der Maler St. lediglich infolge seines echten Stromerkostüms zur Wache sistirt und nur mit Mühe freigelassen worden, da der auf der Erkennungskarle unterzeichnete Direktor Anton von Werner   dem Beamten durch- aus fremd war. Jetzt ist dem jungen Künstler, einem hiesigen Blatte zufolge, ein Strafmandat in Höhe von M. zugestellt worden. Da der Akademiker jedoch auf der Straße keinerlei Allotria getrieben hat, so wird er gegen die polizeiliche Ver- fügung Widerspruch erheben und gerichtliche Entscheidung be» antragen. Bei dem hiesigen Naturarzt und Rechtsanwalt a. D. Glünicke ist, wie die Berliner  Aerzte-Korresp." mittheilt, auf Veranlassung der Polizei ein großer Vorrath von Arzneimitteln, die er an ferne Klienten zu verabfolgen pflegte, mit Beschlag be- legt worden. Er selbst werde sich wegen unbefugten Dispenstrens von Arzneimitteln demnächst zu verantworten haben. Druckfehler- Berichtigung. In dem Artikel»Die un» ehelichen Geburten" in Nr. 84, I. Beilage ist zu lesen: j.Äls wichtigste Ursache der Zunahme dieser Geburten wird zedoch meist(statt nicht) die Abnahme der Eheschließungen an- gesehen. Ei» gerichtliches Nachspiel wird ein Unfall haben, der dem Arbeiter Joses Knoll aus der Beusselstraße 39 das Leben ge- kostet hat. Als Knoll, ein Mann von SO Jahren, vor einigen Tagen bei einem Neubau in der Stargarderstraße Kalk löschte, lief ihm von der frisch gelöschten Masse ein Theil aus der Grube aus und in den Keller hinein. Um zu verhindern, daß»och mehr abfließe, wollte er einen Damm aufwerfen, glitt aber dabei ans und fiel durch das Kellerfenster in den gebrannten Kalk hinein. Am ganzen Leibe verbrannt wurde er in das städtische Krankenhaus an» Friedrichshain   gebracht, wo er seinen Ver- letzungen erlegen ist. Da ein freindes Verschulden insofern vor- zuliegen scheint, als das Fenster nicht durch einen sicheren Ver- schlag abgesperrt war, so hat die Staatsanwaltschaft die Leiche des Verunglückten beschlagnahmt, um durch ihre gerichtsärztliche Oeffnung die Grundlage für ein Strafversahren gegen den ver- antwortlichen Bauleiter zu gewinnen. Einen tödtlicheu Ausgang hat ein Unfall genominen, der an» Dienstag dem Malergehilsen Hermann Kobs aus derMantenffel- straße 33 zustieß. Kobs war auf dem Grundstück Köpnickerstr. 62 in einem Laden mit dcmSlreichen der Decke beschäftigt. Nachdem er eine Stunde gearbeitet hatte, gerieth um 3 Uhr morgens ein Brett desStand- gerüstes ins Rutschen und Kobs, ein Mann von 38 Jahren, fiel mit dem Kopf nach unten auf die Fliesen hinab. Mit einem Schädelbruch, einer Gehirnerschütterung, innerlichen Verletzungen und Quetschungen eines Armes wurde er schwer verletzt in das Krankenhaus Bethanien gebracht, wo er gestern Abend gestorben ist. Ob ein fremdes Verschulden vorliegt, bedarf noch der Unter- suchung. Ein Mustermensch nach dem Herzen manches lohndrückenden Kapitalisten ist der Droschkenkutscher Runge gewesen, der vor- gestern, von einem Herzschlage getroffen, aus dem Kutscherbock gestorben ist. In seiner Schlafstelle in der Weddingstraße»vurde ein kleines Verinögen im Betrage von 6090 M. und zwar ISlXI M. in baar, das übrige in Werthpapieren vorgefunden. R. war bei seinen Kollegen als geizig bekannt, nur selten nahm er warme Speisen zu sich und vorwiegend lebte er von trockenem Brot. R. soll trotz seines Berufs nie eine Schankivirthschaft be- sucht und ebenso»vcnig Bier getrunken haben. Auf solche Weise hat R.. der früher sehr leichtsinnig geivesen und aus einer besseren" Familie stammt, in seiner sechsjährigen(?) Thätigkeit als Droschkenkutscher sich das Geld erübrigt. Das Vermögen fällt einem armen, bedürftigen Bruder zu. Seinen Verletzungen erlegen ist der Maurermeister und Bauunternehmer Robert Borchert aus der Stendalerstr. 8, von dem dieser Tage berichtet»vurde, daß er sich durch Messerstiche in selbmörderischer Absicht furchtbar zugerichtet hat. Brettergefüge, in welchem die Erzeugnisse für Volksmassen-Er- nährung untergebracht werden sollen. Wir wenden uns jetzt nach demjenigen Theil der Ausstellung, der rechts von der Hauptstraße liegt. Wieder tritt uns das Bild eines Dampfers entgegen, die Blende und der Haupttheil eines Vergnügungs-Etablissements. Ein länglicher Teich erstreckt sich dahinter, darauf sollen See- schlachten executirt werden. So schauerlich schön, wie sie die in allen Kaffeehäusern hängende Schilderei Hans Bohrdt's   uns vorführt, werden sie wohl nicht ausfallen. Das Ausstellungs- thealer und der Verein für Feuerbestattung haben sich nicht»veit von einander niedergelassen. Das eine ist ein hochragender Bau, altdeutsch wie die Möglichkeit, der Brennosen des letzteren ist kaum»och aus dem Gröbsten heraus. Unser Weg führt uns anAlt-Berlin" vorüber. Ueber die Stadtmauer u>»d das wohlbehülcte Thor schaut der plumpe Wachtthurm, das ausspringende Dach einer Kirche und ein Ge- wirr von Hausgiebeln herüber. Hinter dem Zaun der Kolonial- Ausstellung ivird noch tüchtig gearbeitet. Hütten und Wohnungen und die Dorfeinzäunungen der Bewohner Ostafrilas sind bereits fertig. Wir stehen auf der Köpenicker Chaussee. Zur Linken wiegen sich die PalmenKairos", glänzen»»nd leuchten die Minarets, weißen Häuser und Dachterrassen der hellen Stadt. Ein Thor führt uns»vieder in das eigentliche Ausstellungsgelände und vor das Hauptgebäude. Der Eindruck, den der massige Bau hervor- bringt, ist kein übler. Die Thürme sehen zwar aus wie Seh- schivache, denen einSchirm über demAuge hängt, aber das vorgelagerte, weit ausgreifende Halbrund ist von guter Wirkung. Der im Bau begriffene Springbrunnen mit dem weiten Bassin wird diese Wirkung noch verstärken. Und zwischen allen diesen größeren und kleineren Gebäuden, an allen Wegen und Stegen wird sich eine Menge von Kiosken, Pavillons und Buden erheben. Manche stehen schon zum Be- ziehen fertig, an anderen Stellen bezeichnen einige eingeschlagenen Pfosten die Stellen, an denen sich die luftigen Zimmerungen er- heben werden. Und trotz der vielen Gebäude wird die Aus- stellung nicht überladen erscheinen. Nur wo es garnicht anders ging, hat»nan ewige Bäume gefällt, einige Sträucher und Büsche gerodet, sonst ist der Treptower Park, der schönste, den Berlin   hat, völlig unversehrt gebliebe». Wenn erst die Bäume sich belaubt, die Sträucher und Zierblumen in Blüthe stehen, wird der Anblick ein herrlicher sein. Freilich hat gerade dieseDezentralisation" zu einem Uebelstande geführt, unter dein jeder Ausstellungsbesucher leiden wird, der nicht viel, viel Geld in seinen Beutel thun kann: der Orte, wo eine Eintrittsgebühr erhoben wird, sind gut und gern ein halbes Schock. Eine Ausstellung im Grünen! Viele Freude und reines Ver- gnügen wird sie gewähren denen, die da Zeit und Geld haben, sie zu betrachten und zu studiren. Der Mann aus dem Volke, der Arbeiter, wird auch hier nur ab und zu einen Kosthappen weg- bekommen. Kann man ihm es verdenken,»venn er die Zeit herbeisehnt, in der alle Errungenschaften der Kultur auch ihm zu gute kommen, all die Herrlichkeiten, die er geschaffen, auch siir ihn bereit stehen zum Genüsse? Beim Abspringe» vom Borderplatz eines Pferdebahn- wagens der Linie Molkenmarkt- Weißensee ist gestern Abend der 28(ährige Kaufmann N. in der Prenzlauerstraße verunglückt. Er kam mit den Füßen unter die Räder, erlitt koinplizirte Brüche an beiden Unterschenkeln und mußte nach dem Krankenhause Friedrfchshain gebracht werden. Von einem Arbeitswagen wurde vorgestern der 31 jährige obdachlose Arbeiter Reimer derart unglücklich überfahren, daß der Tod bald eintrat. Den Kutscher   soll keine Schuld' treffen. Die Schwindlerin, die unter dein Verdacht, einen werth- vollen Pelzumhang aus der Hochschule für Musik in der Pots- damerstraße entwendet zu haben, festgenommen war und sich Elsa v. Treskow" genannt hatie, war, so lesen wir in derVoss. Ztg." von dem Polizeirevier wieder entlassen ivorden, weil sie glaubwürdigen Personen, die ebenfalls getäuscht worden waren, als Fräulein v. Treskow bekannt war. Ihr richtiger Name ist, »vie inzwischen festgestellt ist, Franziska Mattern, sie ist mehrfach ivegen Diebstahls bestraft und befindet sich jetzt in Moabit   im Untersuchungsgefängniß, wohin sie von Oranienburg  , wo sie sich aushielt, gebracht worden ist. Der gestohlene Umhang, den die Mattern in einem Geschäft, wo sie einen Einkauf gemacht, zurück gelassen hatte, ist der Eigenthümerin wieder zugestellt»vorden. Auch eine Ehegattin. Der Majestätsbeleidigung sswird der in Friedrichsberg wohnhafte Arbeiter H. durch feine eigene Frau bezichtigt. Der Angeschuldigte ist einstweilen fest genommen worden. Zeugen gesucht. Die Personen, welche in der Nacht zum Dienstag, den Vorgang beobachtet haben, der sich Ecke der Wrangel- und Lübbeuerstraße zwischen einem Handelsmann und einem Schutzmann abspielte, werden gebeten, ihre Adresse bei Wilhelm Kleinke, Muskauerstr. 14, Hos im Keller, abzugeben. WitterungSiibersicht vom 11. April 18S6. Wctter-Prognose für So>mtag, den 12. April 1896. Ein»venig kühleres, zeitiveise heiteres, vielfach wolkiges Wetter mit Regenfällen mrd frischen westlichen Winden. Berliner   Wetterbureau. Ghesker. Theater-Wochenchronik. Opernhaus: Sonntag, 12.: Die Afrikanerin. Anfang 7 Uhr. Montag, 13.: Tristan und Isolde.(Tristan: Herr Heinrich Vogl  , königl. bayerischer Kammersänger aus München   als Gast.) Ansang 6l/a Uhr. Dienstag, 14.: Der Evangelimann. Phantasien im Bremer Rathskeller. Mittivoch, 13.: Fra Diav»lo. Die Puppenfee. Anfang 7 Uhr. Donnerstag, 16.: Bajazzi. Lavallsria msticana. Freitag, 17.: Wilhelm Tell  . Tell: Herr Francesco d'Andrade, kgl. bayer. Kammersänger a. G. Anfang 7 Uhr. Sonnabend, 18.: Tie verkaufte Braut. Phantasten im Bremer Rathskeller. Sonntag, 19.: Rienzi, der letzte der Tribunen  . Anfang 6>/e Uhr. Montag, 20.: Don Juan  . Don Juan  : Herr Fr. d'Andrade a. G. Schauspielhaus: Sonntag, 12.: Wie die Alten sungen. Kroll's Theater. Anfang 7�e Uhr: Der Bibliothekar. Montag, 13.: Wilhelm Tell  . Dienstag. 14.: Wallenstein's Lager. Die Piccolomini. Mittwoch, 15.: Wallenstein's   Tod. Donnerstag, 16.: Der Sturm. Freitag. 17.: Judith. Sonnabend, 13.: Der Re- visor. Sonnlag. 19.: Die Jungfrau von Orleans. Kroll's Theater, Anfang 7'/i Uhr: Die kranke Zeit. Montag, 20.: DieJournalisten. Im Lessing-Theater kommt heute, Sonntag Nachmittag zum letzten Mal in dieser Spielzeit das Lustspiel Komtesse Guckerl von Franz von Schönthan   und Franz Koppel-Ellfeld  zur Aufführung. Am Sonntag Abend ivird Sudermann's Glück im Winkel mit Herrn Mitterwurzer als Gast gegeben, das an allen anderen Spielabenden der laufenden Woche in der unveränderten Besetzung des ersten Abends wieder- holt wird. Im Berliner   Theater geht Sonntag Nach- mittag Anzengruber's Meineidbauer in Szene, abends wird Lubliner's Lustspiel Die Frau ohne Geist zum ersten Male wiederholt. Die Frau ohne Geist wird in dieser Woche außer- dem noch Mittwoch und Sonnabend aufgeführt. Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag und Sonntag, 19. April, finden Wiederholungen von Wildenbruch's König Heinrich statt. Sonn- tag, 19. April, nachmittags, geht Goethe's Faust in Szene. Der Spielplan des Neuen Theaters ist: Sonntag Sonnenthal- Gastspiel: Nathan der Weise.(Sonntag Nachmittag: Zu halben Preisen: Der Herr Direktor.) Montag: Sonnenthal  - Gastspiel: König Lear; Dienstag Sonnenthal-Gastspiel(letzter Abend): Nathan derWeise; Donnerstag.Freitag: Winterschlaf; Sonnabend: erstesGast- spiel von Gustavs Salvini mit seiner Gesellschaft: I-ir motte civile; Sonntag Salvini-Gastspiel: Othello; Sonntag Nachmittag zu halben Preisen: Der Hüttenbesitzer. Im Schiller« Theater wird Sonntag Nachmittag Romeo und Julie gegeben. Die beiden Hauptrollen spielen Frl. Pauly und Herr Bach, abends findet eine Wiederholung von Die Kinder der Excellenz statt. Montag ist die erste Aufführung von Jbsen's Schauspiel Die Stützen der Gesellschaft. Dienstag undSonnabendkommtdieselbe Vorstellung. Mittwoch Ohne Geläut, Donnerstag Ein toller Einfall und Freitag der Graf von Hammerstein zur Wiederholung. Das Friedrich-Wilhelm städtische Theater behält sein Zugstück Der Hungerleider auch in dieser Woche auf dem Spielplan. Im Theater Unter den Linden gelangt heute nachmittags die Strauß'sche Operette Die Fledermaus zur Aufführung; abends geht Sullivan's Mikado m Szene. Der Spielplan der Woche ist: Montag und Mittwoch: Der Mikado, Dienstag, Donnerstag und Freilag: Die Fledermaus. Divertissement. Am 21. April eröffnet an dieser Bühne Madame Judic mit ihrer Gesellschaft ein Gastspiel. Tie Künstlerin tritt am ersten Abende in dem Vaudeville Femme k papa auf und wird hierauf Chansonetten zum Vortrag bringen. Im Bellealliance-Theater geht heute Nachmiltag als Volksvorstellung unter Regie von Herrn Julius Türk Schillers Maria Stuart   in Szene; abends 3 Uhr folgt das Ausstatlungs- stück Die Reise um die Erde in 80 Tagen. Das Birch- Pseiffer'sche Schauspiel Der Goldbauer wird heute Abend im Ratio n al-Theater gegeben. Nachmittag geht eine Novität Villa Frankreich   als Volksvorstellung in Szene. Am Montag gastirt Herr Robert Hartberg nochmals als Pfarrer von Kirch- seld. Heute ist die erste Sonulagsvorstellung, welche K o n r a d Dreher mit seinem Ensemble im Zentral-Theater giebt; die Posse Der Schwiegervater gelangt hierbei zur ersten Wiederholung._ Gevichks �Jeikunig. Ter Konfektionsstreik beschäftigte gestern abermals das Schöffengericht. Den beiden Frauen, Tschöpe und Jeske, wurde. zur Last gelegt, eine nicht am Streik betheiligte KonfektionS- arbeiterin auf der Straße belästigt, derselben«in Packet mit fertiger Waare vorsätzlich und rechtswidrig durch Zerreißen be- schädigt und sie endlich körperlich mißhandelt zn haben. Die beiden Frauen hatten sich deshalb wegen groben Unfugs, Sach- beschädigung und Körperverletzung vor dem Schöffengericht zu verantworten. Die Beweisausnahme ergab, daß die Angeklagten, als sie aus einer Streik-Versammlung kamen, an eine Frau Huckewitz herantraten, sie fragten, was sie in ihrem Packet habe und ihr dasselbe aufzureißen versuchten. Die Huckewitz selbst wurde von der inzwischen auf mehr als hundert Personen ange- wachsenen Menge eine Kellertreppe hinabgestoßen. Daß dies die Angeklagren gewesen seien, konnte nicht festgestellt werden. Der Staatsanwalt beantragte wegen des groben Unfugs eine Hasistrafe von 8 Tagen, wegen der Sachbeschädigung eine Gefängnißstrafe von 3 Tagen. Ter Vertheidiger, Rechtsanwalt Dr. Heine- mann, bat, die Tschöpe von der Sachbeschädigung freizu- sprechen, da dieses Delikt an Papier, einem wirthschaftlich werlh- losen Gegenstände, nicht verübt werden könne, überdies habe es der Angeklagten unzweiselhaft an dem erforderlichen Vorsatz gefehlt. Für den groben Unfug sei ein« Geldstrafe eine ausreichende Sühne. Der Gerichtshof sprach die Angeklagten diesen Ausführungen gemäß von der Sachbeschädigung und Körper- Verletzung frei und verurtheilte wegen des groben Unfugs die Tschöpe zu 30 M.. die Jeske zu 3 M. Geldstrafe. Bon einer Freiheitsstrafe wurde Abstand genommen, da die Angeklagten sich infolge der Versammlung der Streikenden, aus der sie gerade kamen, offenbar in großer Aufregung befunden haben. Der Kaufmann Siegfried Cohn, Teltowcrstraße 11, stand gestern wegen thätlicher Beleidigung vor der 130. Ablhlg. des Schöffengerichts. Als Belastungszeugin trat seine frühere 13jährige Verkäuferin gegen ihn auf. Die Verhandlung fand bei verschlossenen Thüren statt. Aus der Urtheilsverkündigung ging hervor, daß der Angeklagte sich in schamlosester Weise gegen das junge Mädchen vergangen hatte. Der Vorsitzende, Amtsgcrichtsralh Köhler, hob hervor, daß der- artige Uebergriffe von Chefs gegenüber ihren weiblichen An- gestellten besonders streng geahndet werden müßten. Das Urtheil lautete gegen den sauberen Burschen, der seine soziale Uebermacht gebraucht hatte, um ein anständiges Mädchen der weiblichen Ehre zu berauben. auf vier Monate Ge- f ä n g n i ß. Der Staatsanwalt hatte sechs Monate be- antragt. Tie Prinzipienfrage, ob die Massenanfertigung von Kravattcn als ein Fabrikbetrieb auzusehen sei, beschäftigte die 130. Abtheilung des Schöffengerichts. Angeklagt war der Kravattenfabrikant Isidor Bremer wegen Vergehens gegen die Gewerbe- Ordnung. Der Angeklagte beschäftigt mit der An- fertigung von Kravatten eine Reihe von Lehrmädchen, die Her- stellnng geschieht derartig, daß die Kravatten vermittelst einer Maschine gesäumt und im übrigen mit der Hand gearbeitet werden, wobei mehrere Arbeiterinnen an der Fertigstellung eines und desselben Gegenstandes thätig sind. Die Anklagebehördei.findet hierin die Merkmale eines Fabrikbetriebes, während der Angeklagte durch seinen Vertheidiger Rechtsanwalt Leopold Meyer behauptete, daß man nur von einer Werkstatt oder einer Handarbeitsstube sprechen könne. Das Säumen des Stoffes mit der Maschine könne doch nimmermehr eine maschinelle Herstellung genannt werden, auch sei es durchaus nicht derartig, daß die einzelnen Kravatten bis zu ihrer Fertigstellung durch eine ganze Reihe von Händen wandern müßten, das würde von vornherein der zarte Stoff nicht aushalten, der Battist würde dadurch derartig an- geschmutzt werden, daß der Artikel unverkäuflich würde. Es sei hier vielmehr ebenso wie bei der Mäntelfabrikation, und da nach der Entscheidung des Reichsgerichts diese nicht zu dem Fabrikbetriebe zu rechnen ist, so müsse auch die Kravatten- anfertigung davon ausgeschlossen werden. Staatsanwalt und Ge- richtshos kamen zu einein anderen Resultat. Sie fanden sämmt- liche Merkmale des Fabrikbetriebe?: die Trennung deS kauf- männischen Theils, die maschinelle Anfertigung und die Theilung der Arbeit vorliegend und erachteten somit den Angeklagten des Gewerbevergehens für schuldig. Der Staatsanwalt beantragte 30 M. Geldstrafe, der Gerichtshof hielt aber in anbetracht dessen, baß es sich lediglich»im«ine Prinzipienfrage handelte, 10 M. Geldstrafe sür ausreichend. Wegen fahrlässiger Körperverletzung stand gestern der königliche Domäuenpächter Johann Carl Alwin Kuhn auS Bergen vor der IV. Strafkammer des Landgerichts I  . Dem An- geklagten war das Unglück passirt, daß ihm eines Tages, als er. wie täglich aus dem Schloßhofe auf die Dorfstraße hinausfahren wollte, ein kleiner Junge in die Pferde lief, zu Boden geworfen und überfahren wurde. Der Unfall hat für den Jungen eine Verminderung der Sehkraft zur Folge gehabt. Die Straf- kammer des Landgerichts H   hatte seinerzeit den Angeklagten freigesprochen, das Reichsgericht hat aber das erste Urlheil auf- gehoben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das Landgericht I verwiesen. Die IV. Strafkammer kam nach er- neuler Beweisaufnahme zu der Ansicht, daß bei dem Unfall eine Fahrlässigkeit des Angeklagten mitgewirkt habe und verurtheilte letzteren zu 300 M. Geldstrase. Versammlungen. Im Verein deutscher�Schuhmacher Genosse H a n s en über sprach am 30. März Materialismus und Ethik". Hierauf vollzog die Versammlung die Wahl eines Delegirten für den sechsten Wahlbezirk, die fast einstimmig auf das Mitglied H a m- macher fiel. Zum Schluß gelangten einige Werkstattangelegen- heilen bei der Firma Grynowitz und Bergschmidt und Lange zur Besprechung. Die Arbeiter der letzteren Fabrik verlangen die Enttassung des Werkführers. Die Angelegenheit hatte jedoch noch nicht ihre endgiltige Erledigung gesunden. Vermischtes. Antisemitisches auS Wien  . Der Herausgeber des anti- semitischenDeutschen Volksblattes", Ernst Vergani  , hat gegen dreizehn Personen EhrenbeleidigungsUagen beim Wiener   Landes- gerichte als Schwurgericht erhoben, und zwar gegen Georg Schönerer   und Karl Jro(Unverfälschte deutsche Worte"), Alexander Scharf   und Eduard Mayer(Wiener Sonn- und Montags-Zeitung"), Franz Arnoscht und Karl H. Wolf(Ost­deutsche Rundschau"), Adolf Swoboda(Mit vereinter Kraft"), Karl Hron(Reformer"), Dr. I. Bloch(Oesterreichifche Wochen» schrift"), Dr. Julius Sternberg(Wiener Allgenieine Zeitung"). August Radimsky(A r b e it e r- Z e i t u n g"), Franz Stein (Der Hammer", deutsch  -nationales Arbciterblatt) und A. Ohme (Verfasser eines satirisch gehaltenenVergani-Liedes"). Menschenhandel  . In Wien   wurde am 10. April eine aus fünf Personen bestehende Mädchenhändlerbande, sämmtlich polnische Juden, verhaftet' Ihr Haupt, Mcschulin Langer, ist nach seiner Angabe Tuchhändler, seine Tochter Rosa fungirte als Korrespondenlin, außerdem waren zwei Agent«» thätig, Isidor Dickfaden und Moritz Rosenkranz. Er versandte seineWaare", die zum größten Theil« aus Galizien   und Ruß- land gesandt wurde, nach Bukarest  , Belgrad  , Konstanlinopel und auch nach Amerika  , wo eine seiner ch t er an seinem Geschäfte th eilnahm. In der Mars- Grube der Kohlenbergwerke bei St. Etienne ist Feuer ausgebrochen, welches auch die de- nachbarte Verpillenx-Grube zu ergreifen droht, wo schon i», Jahre 1889 eine ähnliche Katastrophe vorkam. Gegenwärtig sind 400 Bergleute mit der Eindämmung des Feuers beschäftigt und man hofft dessen weiterem Umsichgreifen ein Ziel setzen zu können.