Die Berliner Gewerbe- Ausstellung soll bestimmt aml. Mai. vormittags II Uhr, und zwar vom Kaiser eröffnet werden.Zu dieser Feierlichkeit werden außer den, Hofe und den Ministernu. a. die hiesigen Staatsanwälte, die Vertreter der Presse, dieStadtväter, diverse hohe Militärs, hervorragende Jnnungs-mrister u. f. w. u. s. w. eingeladen. Sämmtliche Theilnehmerwerden der«Voss. Ztg." zufolge entweder in Uniform oder imFrack mit weißer Binde erscheinen. Also alles in Amtsracht;auch die Vertreter der Presse?Der grobe Unfugs-Paragraph. Auf dem Heimwege vonder.ganz rollen Nacht", welche die jungen Akademiker unlängstin der Tonhalle veranstaltet hatten, war der Maler St. lediglichinfolge seines echten Stromerkostüms zur Wache sistirt und nurmit Mühe freigelassen worden, da der auf der Erkennungskarleunterzeichnete Direktor Anton von Werner dem Beamten durch-aus fremd war. Jetzt ist dem jungen Künstler, einem hiesigenBlatte zufolge, ein Strafmandat in Höhe von 1ö M. zugestelltworden. Da der Akademiker jedoch auf der Straße keinerleiAllotria getrieben hat, so wird er gegen die polizeiliche Ver-fügung Widerspruch erheben und gerichtliche Entscheidung be»antragen.Bei dem hiesigen Naturarzt und Rechtsanwalt a. D.Glünicke ist, wie die Berliner„Aerzte-Korresp." mittheilt, aufVeranlassung der Polizei ein großer Vorrath von Arzneimitteln,die er an ferne Klienten zu verabfolgen pflegte, mit Beschlag be-legt worden. Er selbst werde sich wegen unbefugten Dispenstrensvon Arzneimitteln demnächst zu verantworten haben.Druckfehler- Berichtigung. In dem Artikel»Die un»ehelichen Geburten" in Nr. 84, I. Beilage ist zu lesen:j.Äls wichtigste Ursache der Zunahme dieser Geburten wirdzedoch meist(statt nicht) die Abnahme der Eheschließungen an-gesehen.Ei» gerichtliches Nachspiel wird ein Unfall haben, derdem Arbeiter Joses Knoll aus der Beusselstraße 39 das Leben ge-kostet hat. Als Knoll, ein Mann von SO Jahren, vor einigenTagen bei einem Neubau in der Stargarderstraße Kalk löschte,lief ihm von der frisch gelöschten Masse ein Theil aus derGrube aus und in den Keller hinein. Um zu verhindern, daß»ochmehr abfließe, wollte er einen Damm aufwerfen, glitt aber dabeians und fiel durch das Kellerfenster in den gebrannten Kalkhinein. Am ganzen Leibe verbrannt wurde er in das städtischeKrankenhaus an» Friedrichshain gebracht, wo er seinen Ver-letzungen erlegen ist. Da ein freindes Verschulden insofern vor-zuliegen scheint, als das Fenster nicht durch einen sicheren Ver-schlag abgesperrt war, so hat die Staatsanwaltschaft die Leichedes Verunglückten beschlagnahmt, um durch ihre gerichtsärztlicheOeffnung die Grundlage für ein Strafversahren gegen den ver-antwortlichen Bauleiter zu gewinnen.Einen tödtlicheu Ausgang hat ein Unfall genominen, deran» Dienstag dem Malergehilsen Hermann Kobs aus derMantenffel-straße 33 zustieß. Kobs war auf dem Grundstück Köpnickerstr. 62 ineinem Laden mit dcmSlreichen der Decke beschäftigt. Nachdem er eineStunde gearbeitet hatte, gerieth um 3 Uhr morgens ein Brett desStand-gerüstes ins Rutschen und Kobs, ein Mann von 38 Jahren, fielmit dem Kopf nach unten auf die Fliesen hinab. Mit einemSchädelbruch, einer Gehirnerschütterung, innerlichen Verletzungenund Quetschungen eines Armes wurde er schwer verletzt in dasKrankenhaus Bethanien gebracht, wo er gestern Abend gestorbenist. Ob ein fremdes Verschulden vorliegt, bedarf noch der Unter-suchung.Ein Mustermensch nach dem Herzen manches lohndrückendenKapitalisten ist der Droschkenkutscher Runge gewesen, der vor-gestern, von einem Herzschlage getroffen, aus dem Kutscherbockgestorben ist. In seiner Schlafstelle in der Weddingstraße»vurdeein kleines Verinögen im Betrage von 6090 M. und zwarISlXI M. in baar, das übrige in Werthpapieren vorgefunden.R. war bei seinen Kollegen als geizig bekannt, nur selten nahmer warme Speisen zu sich und vorwiegend lebte er von trockenemBrot. R. soll trotz seines Berufs nie eine Schankivirthschaft be-sucht und ebenso»vcnig Bier getrunken haben. Auf solche Weisehat R.. der früher sehr leichtsinnig geivesen und aus einer„besseren" Familie stammt, in seiner sechsjährigen(?) Thätigkeitals Droschkenkutscher sich das Geld erübrigt. Das Vermögenfällt einem armen, bedürftigen Bruder zu.Seinen Verletzungen erlegen ist der Maurermeister undBauunternehmer Robert Borchert aus der Stendalerstr. 8, vondem dieser Tage berichtet»vurde, daß er sich durch Messerstichein selbmörderischer Absicht furchtbar zugerichtet hat.Brettergefüge, in welchem die Erzeugnisse für Volksmassen-Er-nährung untergebracht werden sollen.Wir wenden uns jetzt nach demjenigen Theil der Ausstellung,der rechts von der Hauptstraße liegt.Wieder tritt uns das Bild eines Dampfers entgegen, dieBlende und der Haupttheil eines Vergnügungs-Etablissements.Ein länglicher Teich erstreckt sich dahinter, darauf sollen See-schlachten executirt werden. So schauerlich schön, wie sie die inallen Kaffeehäusern hängende Schilderei Hans Bohrdt's unsvorführt, werden sie wohl nicht ausfallen. Das Ausstellungs-thealer und der Verein für Feuerbestattung haben sich nicht»veitvon einander niedergelassen. Das eine ist ein hochragender Bau,altdeutsch wie die Möglichkeit, der Brennosen des letzteren istkaum»och aus dem Gröbsten heraus.Unser Weg führt uns an„Alt-Berlin" vorüber. Ueber dieStadtmauer u>»d das wohlbehülcte Thor schaut der plumpeWachtthurm, das ausspringende Dach einer Kirche und ein Ge-wirr von Hausgiebeln herüber. Hinter dem Zaun der Kolonial-Ausstellung ivird noch tüchtig gearbeitet. Hütten und Wohnungenund die Dorfeinzäunungen der Bewohner Ostafrilas sind bereitsfertig.Wir stehen auf der Köpenicker Chaussee. Zur Linken wiegensich die Palmen„Kairos", glänzen»»nd leuchten die Minarets,weißen Häuser und Dachterrassen der hellen Stadt. Ein Thorführt uns»vieder in das eigentliche Ausstellungsgelände und vordas Hauptgebäude. Der Eindruck, den der massige Bau hervor-bringt, ist kein übler. Die Thürme sehen zwar aus wie Seh-schivache, denen einSchirm über demAuge hängt, aber das vorgelagerte,weit ausgreifende Halbrund ist von guter Wirkung. Der im Baubegriffene Springbrunnen mit dem weiten Bassin wird dieseWirkung noch verstärken.Und zwischen allen diesen größeren und kleineren Gebäuden,an allen Wegen und Stegen wird sich eine Menge von Kiosken,Pavillons und Buden erheben. Manche stehen schon zum Be-ziehen fertig, an anderen Stellen bezeichnen einige eingeschlagenenPfosten die Stellen, an denen sich die luftigen Zimmerungen er-heben werden. Und trotz der vielen Gebäude wird die Aus-stellung nicht überladen erscheinen. Nur wo es garnicht andersging, hat»nan ewige Bäume gefällt, einige Sträucher undBüsche gerodet, sonst ist der Treptower Park, der schönste,den Berlin hat, völlig unversehrt gebliebe». Wenn erst dieBäume sich belaubt, die Sträucher und Zierblumen in Blüthestehen, wird der Anblick ein herrlicher sein. Freilich hat geradediese„Dezentralisation" zu einem Uebelstande geführt, unter deinjeder Ausstellungsbesucher leiden wird, der nicht viel, viel Geldin seinen Beutel thun kann: der Orte, wo eine Eintrittsgebührerhoben wird, sind gut und gern ein halbes Schock.Eine Ausstellung im Grünen! Viele Freude und reines Ver-gnügen wird sie gewähren denen, die da Zeit und Geld haben,sie zu betrachten und zu studiren. Der Mann aus dem Volke,der Arbeiter, wird auch hier nur ab und zu einen Kosthappen weg-bekommen. Kann man ihm es verdenken,»venn er die Zeitherbeisehnt, in der alle Errungenschaften der Kultur auch ihm zugute kommen, all die Herrlichkeiten, die er geschaffen, auch siirihn bereit stehen zum Genüsse?Beim Abspringe» vom Borderplatz eines Pferdebahn-wagens der Linie Molkenmarkt- Weißensee ist gestern Abend der28(ährige Kaufmann N. in der Prenzlauerstraße verunglückt.Er kam mit den Füßen unter die Räder, erlitt koinplizirte Brüchean beiden Unterschenkeln und mußte nach dem KrankenhauseFriedrfchshain gebracht werden.Von einem Arbeitswagen wurde vorgestern der 31 jährigeobdachlose Arbeiter Reimer derart unglücklich überfahren, daßder Tod bald eintrat. Den Kutscher soll keine Schuld' treffen.Die Schwindlerin, die unter dein Verdacht, einen werth-vollen Pelzumhang aus der Hochschule für Musik in der Pots-damerstraße entwendet zu haben, festgenommen war und sich„Elsa v. Treskow" genannt hatie, war, so lesen wir in der„Voss.Ztg." von dem Polizeirevier wieder entlassen ivorden, weil sieglaubwürdigen Personen, die ebenfalls getäuscht worden waren,als Fräulein v. Treskow bekannt war. Ihr richtiger Name ist,»vie inzwischen festgestellt ist, Franziska Mattern, sie ist mehrfachivegen Diebstahls bestraft und befindet sich jetzt in Moabit imUntersuchungsgefängniß, wohin sie von Oranienburg, wo sie sichaushielt, gebracht worden ist. Der gestohlene Umhang, den dieMattern in einem Geschäft, wo sie einen Einkauf gemacht, zurückgelassen hatte, ist der Eigenthümerin wieder zugestellt»vorden.Auch eine Ehegattin. Der Majestätsbeleidigung sswirdder in Friedrichsberg wohnhafte Arbeiter H. durch feineeigene Frau bezichtigt. Der Angeschuldigte ist einstweilen festgenommen worden.Zeugen gesucht. Die Personen, welche in der Nacht zumDienstag, den Vorgang beobachtet haben, der sich Ecke der Wrangel-und Lübbeuerstraße zwischen einem Handelsmann und einemSchutzmann abspielte, werden gebeten, ihre Adresse bei WilhelmKleinke, Muskauerstr. 14, Hos im Keller, abzugeben.WitterungSiibersicht vom 11. April 18S6.Wctter-Prognose für So>mtag, den 12. April 1896.Ein»venig kühleres, zeitiveise heiteres, vielfach wolkigesWetter mit Regenfällen mrd frischen westlichen Winden.Berliner Wetterbureau.Ghesker.Theater-Wochenchronik. Opernhaus: Sonntag, 12.:Die Afrikanerin. Anfang 7 Uhr. Montag, 13.: Tristan undIsolde.(Tristan: Herr Heinrich Vogl, königl. bayerischerKammersänger aus München als Gast.) Ansang 6l/a Uhr.Dienstag, 14.: Der Evangelimann. Phantasien im BremerRathskeller. Mittivoch, 13.: Fra Diav»lo. Die Puppenfee.Anfang 7 Uhr. Donnerstag, 16.: Bajazzi. Lavallsria msticana.Freitag, 17.: Wilhelm Tell. Tell: Herr Francesco d'Andrade,kgl. bayer. Kammersänger a. G. Anfang 7 Uhr. Sonnabend,18.: Tie verkaufte Braut. Phantasten im Bremer Rathskeller.Sonntag, 19.: Rienzi, der letzte der Tribunen. Anfang 6>/e Uhr.Montag, 20.: Don Juan. Don Juan: Herr Fr. d'Andrade a. G.— Schauspielhaus: Sonntag, 12.: Wie die Alten sungen.Kroll's Theater. Anfang 7�e Uhr: Der Bibliothekar. Montag,13.: Wilhelm Tell. Dienstag. 14.: Wallenstein's Lager. DiePiccolomini. Mittwoch, 15.: Wallenstein's Tod. Donnerstag,16.: Der Sturm. Freitag. 17.: Judith. Sonnabend, 13.: Der Re-visor. Sonnlag. 19.: Die Jungfrau von Orleans. Kroll's Theater,Anfang 7'/i Uhr: Die kranke Zeit. Montag, 20.: DieJournalisten.—Im Lessing-Theater kommt heute, Sonntag Nachmittagzum letzten Mal in dieser Spielzeit das Lustspiel KomtesseGuckerl von Franz von Schönthan und Franz Koppel-Ellfeldzur Aufführung. Am Sonntag Abend ivird Sudermann'sGlück im Winkel mit Herrn Mitterwurzer als Gast gegeben,das an allen anderen Spielabenden der laufenden Wochein der unveränderten Besetzung des ersten Abends wieder-holt wird.— Im Berliner Theater geht Sonntag Nach-mittag Anzengruber's Meineidbauer in Szene, abends wirdLubliner's Lustspiel Die Frau ohne Geist zum ersten Malewiederholt. Die Frau ohne Geist wird in dieser Woche außer-dem noch Mittwoch und Sonnabend aufgeführt. Montag,Dienstag, Donnerstag, Freitag und Sonntag, 19. April, findenWiederholungen von Wildenbruch's König Heinrich statt. Sonn-tag, 19. April, nachmittags, geht Goethe's Faust in Szene.—Der Spielplan des Neuen Theaters ist: Sonntag Sonnenthal-Gastspiel: Nathan der Weise.(Sonntag Nachmittag: Zu halbenPreisen: Der Herr Direktor.) Montag: Sonnenthal- Gastspiel:König Lear; Dienstag Sonnenthal-Gastspiel(letzter Abend): NathanderWeise; Donnerstag.Freitag: Winterschlaf; Sonnabend: erstesGast-spiel von Gustavs Salvini mit seiner Gesellschaft: I-ir motte civile;Sonntag Salvini-Gastspiel: Othello; Sonntag Nachmittag zuhalben Preisen: Der Hüttenbesitzer.— Im Schiller«Theater wird Sonntag Nachmittag Romeo und Julie gegeben.Die beiden Hauptrollen spielen Frl. Pauly und Herr Bach,abends findet eine Wiederholung von Die Kinder der Excellenzstatt. Montag ist die erste Aufführung von Jbsen's SchauspielDie Stützen der Gesellschaft. Dienstag undSonnabendkommtdieselbeVorstellung. Mittwoch Ohne Geläut, Donnerstag Ein toller Einfallund Freitag der Graf von Hammerstein zur Wiederholung.—Das Friedrich-Wilhelm städtische Theater behältsein Zugstück Der Hungerleider auch in dieser Woche auf demSpielplan.— Im Theater Unter den Linden gelangtheute nachmittags die Strauß'sche Operette Die Fledermaus zurAufführung; abends geht Sullivan's Mikado m Szene. DerSpielplan der Woche ist: Montag und Mittwoch: Der Mikado,Dienstag, Donnerstag und Freilag: Die Fledermaus.Divertissement. Am 21. April eröffnet an dieser Bühne MadameJudic mit ihrer Gesellschaft ein Gastspiel. Tie Künstlerintritt am ersten Abende in dem Vaudeville Femme k papa aufund wird hierauf Chansonetten zum Vortrag bringen.—Im Bellealliance-Theater geht heute Nachmiltag alsVolksvorstellung unter Regie von Herrn Julius Türk SchillersMaria Stuart in Szene; abends 3 Uhr folgt das Ausstatlungs-stück Die Reise um die Erde in 80 Tagen.— Das Birch-Pseiffer'sche Schauspiel Der Goldbauer wird heute Abend imRatio n al-Theater gegeben. Nachmittag geht eine NovitätVilla Frankreich als Volksvorstellung in Szene. Am Montaggastirt Herr Robert Hartberg nochmals als Pfarrer von Kirch-seld.— Heute ist die erste Sonulagsvorstellung, welche K o n r a dDreher mit seinem Ensemble im Zentral-Theatergiebt; die Posse Der Schwiegervater gelangt hierbei zur erstenWiederholung._Gevichks �Jeikunig.Ter Konfektionsstreik beschäftigte gestern abermals dasSchöffengericht. Den beiden Frauen, Tschöpe und Jeske, wurde.zur Last gelegt, eine nicht am Streik betheiligte KonfektionS-arbeiterin auf der Straße belästigt, derselben«in Packet mitfertiger Waare vorsätzlich und rechtswidrig durch Zerreißen be-schädigt und sie endlich körperlich mißhandelt zn haben. Diebeiden Frauen hatten sich deshalb wegen groben Unfugs, Sach-beschädigung und Körperverletzung vor dem Schöffengericht zuverantworten. Die Beweisausnahme ergab, daß die Angeklagten,als sie aus einer Streik-Versammlung kamen, an eine FrauHuckewitz herantraten, sie fragten, was sie in ihrem Packet habeund ihr dasselbe aufzureißen versuchten. Die Huckewitz selbstwurde von der inzwischen auf mehr als hundert Personen ange-wachsenen Menge eine Kellertreppe hinabgestoßen. Daß dies dieAngeklagren gewesen seien, konnte nicht festgestellt werden. DerStaatsanwalt beantragte wegen des groben Unfugs eine Hasistrafevon 8 Tagen, wegen der Sachbeschädigung eine Gefängnißstrafevon 3 Tagen. Ter Vertheidiger, Rechtsanwalt Dr. Heine-mann, bat, die Tschöpe von der Sachbeschädigung freizu-sprechen, da dieses Delikt an Papier, einem wirthschaftlich werlh-losen Gegenstände, nicht verübt werden könne, überdies habe esder Angeklagten unzweiselhaft an dem erforderlichen Vorsatz gefehlt.Für den groben Unfug sei ein« Geldstrafe eine ausreichendeSühne. Der Gerichtshof sprach die Angeklagten diesenAusführungen gemäß von der Sachbeschädigung und Körper-Verletzung frei und verurtheilte wegen des groben Unfugs dieTschöpe zu 30 M.. die Jeske zu 3 M. Geldstrafe. Bon einerFreiheitsstrafe wurde Abstand genommen, da die Angeklagtensich infolge der Versammlung der Streikenden, aus der sie geradekamen, offenbar in großer Aufregung befunden haben.Der Kaufmann Siegfried Cohn, Teltowcrstraße 11,stand gestern wegen thätlicher Beleidigung vor der130. Ablhlg. des Schöffengerichts. Als Belastungszeugin tratseine frühere 13jährige Verkäuferin gegen ihn auf. DieVerhandlung fand bei verschlossenen Thüren statt. Aus derUrtheilsverkündigung ging hervor, daß der Angeklagte sich inschamlosester Weise gegen das junge Mädchen vergangen hatte.Der Vorsitzende, Amtsgcrichtsralh Köhler, hob hervor, daß der-artige Uebergriffe von Chefs gegenüber ihren weiblichen An-gestellten besonders streng geahndet werden müßten. DasUrtheil lautete gegen den sauberen Burschen, der seine sozialeUebermacht gebraucht hatte, um ein anständiges Mädchen derweiblichen Ehre zu berauben. auf vier Monate Ge-f ä n g n i ß. Der Staatsanwalt hatte sechs Monate be-antragt.Tie Prinzipienfrage, ob die Massenanfertigung vonKravattcn als ein Fabrikbetrieb auzusehen sei, beschäftigte die130. Abtheilung des Schöffengerichts. Angeklagt war derKravattenfabrikant Isidor Bremer wegen Vergehens gegen dieGewerbe- Ordnung. Der Angeklagte beschäftigt mit der An-fertigung von Kravatten eine Reihe von Lehrmädchen, die Her-stellnng geschieht derartig, daß die Kravatten vermittelst einerMaschine gesäumt und im übrigen mit der Hand gearbeitetwerden, wobei mehrere Arbeiterinnen an der Fertigstellung einesund desselben Gegenstandes thätig sind. Die Anklagebehördei.findethierin die Merkmale eines Fabrikbetriebes, während der Angeklagtedurch seinen Vertheidiger Rechtsanwalt Leopold Meyer behauptete,daß man nur von einer Werkstatt oder einer Handarbeitsstubesprechen könne. Das Säumen des Stoffes mit der Maschinekönne doch nimmermehr eine maschinelle Herstellung genanntwerden, auch sei es durchaus nicht derartig, daß die einzelnenKravatten bis zu ihrer Fertigstellung durch eine ganze Reihe vonHänden wandern müßten, das würde von vornherein der zarteStoff nicht aushalten, der Battist würde dadurch derartig an-geschmutzt werden, daß der Artikel unverkäuflich würde. Es seihier vielmehr ebenso wie bei der Mäntelfabrikation, undda nach der Entscheidung des Reichsgerichts diese nicht zu demFabrikbetriebe zu rechnen ist, so müsse auch die Kravatten-anfertigung davon ausgeschlossen werden. Staatsanwalt und Ge-richtshos kamen zu einein anderen Resultat. Sie fanden sämmt-liche Merkmale des Fabrikbetriebe?: die Trennung deS kauf-männischen Theils, die maschinelle Anfertigung und die Theilungder Arbeit vorliegend und erachteten somit den Angeklagten desGewerbevergehens für schuldig. Der Staatsanwalt beantragte30 M. Geldstrafe, der Gerichtshof hielt aber in anbetracht dessen,baß es sich lediglich»im«ine Prinzipienfrage handelte, 10 M.Geldstrafe sür ausreichend.Wegen fahrlässiger Körperverletzung stand gestern derkönigliche Domäuenpächter Johann Carl Alwin Kuhn auSBergen vor der IV. Strafkammer des Landgerichts I. Dem An-geklagten war das Unglück passirt, daß ihm eines Tages, als er.wie täglich aus dem Schloßhofe auf die Dorfstraße hinausfahrenwollte, ein kleiner Junge in die Pferde lief, zu Boden geworfenund überfahren wurde. Der Unfall hat für den Jungen eineVerminderung der Sehkraft zur Folge gehabt. Die Straf-kammer des Landgerichts H hatte seinerzeit den Angeklagtenfreigesprochen, das Reichsgericht hat aber das erste Urlheil auf-gehoben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an dasLandgericht I verwiesen. Die IV. Strafkammer kam nach er-neuler Beweisaufnahme zu der Ansicht, daß bei dem Unfall eineFahrlässigkeit des Angeklagten mitgewirkt habe und verurtheilteletzteren zu 300 M. Geldstrase.Versammlungen.Im Verein deutscher�SchuhmacherGenosse H a n s en übersprach am 30. MärzMaterialismus und Ethik". Hieraufvollzog die Versammlung die Wahl eines Delegirten für densechsten Wahlbezirk, die fast einstimmig auf das Mitglied H a m-macher fiel. Zum Schluß gelangten einige Werkstattangelegen-heilen bei der Firma Grynowitz und Bergschmidt und Langezur Besprechung. Die Arbeiter der letzteren Fabrik verlangen dieEnttassung des Werkführers. Die Angelegenheit hatte jedoch nochnicht ihre endgiltige Erledigung gesunden.Vermischtes.Antisemitisches auS Wien. Der Herausgeber des anti-semitischen„Deutschen Volksblattes", Ernst Vergani, hat gegendreizehn Personen EhrenbeleidigungsUagen beim Wiener Landes-gerichte als Schwurgericht erhoben, und zwar gegen GeorgSchönerer und Karl Jro(„Unverfälschte deutsche Worte"),Alexander Scharf und Eduard Mayer(„Wiener Sonn- undMontags-Zeitung"), Franz Arnoscht und Karl H. Wolf(„Ostdeutsche Rundschau"), Adolf Swoboda(„Mit vereinter Kraft"),Karl Hron(„Reformer"), Dr. I. Bloch(„Oesterreichifche Wochen»schrift"), Dr. Julius Sternberg(„Wiener Allgenieine Zeitung").August Radimsky(„A r b e it e r- Z e i t u n g"), Franz Stein(„Der Hammer", deutsch-nationales Arbciterblatt) und A. Ohme(Verfasser eines satirisch gehaltenen„Vergani-Liedes").Menschenhandel. In Wien wurde am 10. April eineaus fünf Personen bestehende Mädchenhändlerbande,sämmtlich polnische Juden, verhaftet' Ihr Haupt, McschulinLanger, ist nach seiner Angabe Tuchhändler, seine Tochter Rosafungirte als Korrespondenlin, außerdem waren zwei Agent«»thätig, Isidor Dickfaden und Moritz Rosenkranz. Er versandteseine„Waare", die zum größten Theil« aus Galizien und Ruß-land gesandt wurde, nach Bukarest, Belgrad, Konstanlinopel undauch nach Amerika, wo eine seiner Tö ch t er an seinem Geschäfteth eilnahm.In der Mars- Grube der Kohlenbergwerke beiSt. Etienne ist Feuer ausgebrochen, welches auch die de-nachbarte Verpillenx-Grube zu ergreifen droht, wo schon i»,Jahre 1889 eine ähnliche Katastrophe vorkam. Gegenwärtig sind400 Bergleute mit der Eindämmung des Feuers beschäftigt undman hofft dessen weiterem Umsichgreifen ein Ziel setzen zu können.