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BERLIN  Dienstag

29. Juli

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Der Abend

Erfcheint taglio asfer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin   SW 68, Lindenstr. 3

Spalausgabe des Vorwärts

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47. Jahrgang

Anzeigenpreis: Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Voßfcheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin   Nr. 37 536. Fernsprecher: Donhoff 292 bis 297

Auf Siemens Spuren.

Berliner   Unternehmer provozieren/ Ueble Praktiken bei Bergmann.

Der Verband Berliner   Metallindustrieller hat durch die TU. ausdrücklich mitgeteilt, daß, nachdem die allgemeinen Verhandlungen mit den Angestellten gescheitert waren, die einzelnen Unternehmer die Verhandlungen mit ihren Angestellten in ihre Be. friebe verlegten. Bei Bergmann- Rosenthal hatten 200 An­gestellte den ihnen vorgelgten Revers unterschrieben, ihre Unter­schriften jedoch nach Aufklärung durch ihre Organisation sämtlich wieder zurüdgezogen. Kun wird bei Bergmann mit allen Mittelu versucht, Unterschriften zu erzwingen. Man bestellt die Angestellten einzeln ins Büro, legt ihnen nahe, zu unterschreiben unter unter Be­rufung darauf, daß A und B unterschrieben haben, sollen auch C und D unterschreiben.

Ein faufmännischer Angestellter, dem ebenfalls nahegelegt wor den war, zu unterschreiben, weigerte fich unter Hinweis darauf, daß er ja bald als Arbeitsloser ein höheres Einkommen habe, als nach dem Gehaltsabzug, mit dem er sich unterschriftlich einverstanden er­klären foll. Er wurde in die nächsthöhere Gehaltsgruppe verfeht, unterschrieb und bekommt jeht trotz Abzug 11 M. mehr als vor­her im Monat! Die Firma aber hat fein Einverständnis, jeine Unterschrift, mit der sie andere Angestellte zu födern sucht Gewiß, mit Gehaltszulagen würden alle Angestellten unterschreiben.

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Die einzelnen Firmen des Verbandes Berliner   Metallindu­ftrieller treffen inzwischen ihre Vorbereitungen zum Gehaltsabbau. Die Angestelltenräte follen bis zum 31. Juli zu den neuen Bedingungen der Unternehmer Stellung nehmen. Da die Un­gestelltenschaft in diesem Kampfe einig ist, werden die Unternehmer ab 1. Auguft mit den Kündigungen vorgehen.

Wie dieser Kampf, der den Angestellten aufgezwungen ift, auch ausgehen mag, felbst der bisher gleichgültigste Angestellte muß daraus klar ertennen, wie die Dinge stehen.

Bei der Reichstagswahl am 14. September werden die Angestellten die Gelegenheit nühen, ihren Herren zu bedeuten, wie sie über deren Affion denken und über eine Regierung, für die zu einem Eingreifen in diesem Tarifbruch ,, tein Raum" ist.

Wafferhose überschwemmt eine Stadt. Gleisverschiebungen befürchtet.

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Paris   Basel   gestört.

Eisenbahnlinie

Straßburg  , 29. Juli. In der vergangenen Nacht ging über Altkirch   eine Wasser hose hinweg. Biele Straßen und Häuser wurden unter Wasser gesetzt. Die Eisenbahnlinie Paris- Basel war zwischen den Bahnhöfen von Altfirh und Ballersdorf auf einer Strede von 600 Metern überschwemmt. Da man Gleisverschiebungen be­fürchtet, war der Verkehr auf einige Stunden unterbrochen worden. Er wird seit heute nacht 1 Uhr eingleifig aufrechterhalten. In Mülhausen   wurden zwei Pariser   Schnellzüge festgehalten, von denen der eine seine Fahrt mit großer Berspätung nach Paris   fort. fehen konnte. Auch die internationalen Züge erlitten große Ve: spätungen.

Bier Europaflieger wieder gelandet.

Ein Pole muß ausscheiden.

Heute vormittag landeten in Tempelhof   weitere Europaflieger, und zwar die Deutschen   v. Massenbach um 9.50 Uhr, no um 10.03 Uhr, Peschte um 10.05 Uhr und Ostertamp unt 10.43 Uhr.

Der Pole Bajan, der gestern in Pommern   notlanden mußte, dürfte ausscheiden, weil er durch seine Havarie in aussichts lose Position geraten ist. Von den beiden englischen Fliegerinnen rangiert nach den vorläufigen Wertungen Miß Spooner mit 260 Gutpunkten hinter Bolte, während Lady Bailen mit 59 Bunt­ten weit zurüdliegt. Sie hatte sich dadurch Strafpunkte ge­holt, daß sie in Bau einmal gestartet war und dann wieder um­fehren mußte.

Paris  , 29. Juli.

Wie aus Lyon   berichtet wird, werden die Leichen der beiden auf dem dortigen Flugplatz abgestürzten deutschen   Flieger Offer­mann und 3ermesti morgen nach Berlin   übergeführt wer­den. Mitglieder ihrer Familien sind in Lyon   eingetroffen und haben die Ueberführung übernommen.

Am 1. August.

Gegen den Völkermord!

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Neue entsetzliche Bluttat.

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Enttäuschter Liebhaber tötet den Gohn seiner Geliebten.

Bernburg  , 29. Juli.  ( Eigenbericht.)

Anhalt   eine entsetzliche Bluttat begangen. Der Bierfahrer Gustav In der vergangenen Nacht wurde in Leopoldshall   in Hinze drang heute morgen gegen drei Uhr in die Wohnung einer Frau Neuenfeld ein, tötete deren verheirateten Sohn durch einen Herzschuß und verletzte die Frau durch einen Schuß in den Unterleib.

Hinze unterhielt mit der geschiedenen Frau seit längerer Zeit ein Liebesverhältnis. Durch die verheirateten Kinder der Frau hatten sich zwischen Hinze und der Frau Neuenfeld in letzter Zeit Mißhelligkeiten ergeben. Da sich die Frau seit einigen Tagen bedroht fühlte, schlief ihr verheirateter Sohn in ihrer Woh nung. In letzter Nacht stieg der Liebhaber mittels einer Leiter in die Wohnung ein und vollbrachte die Bluttat. Der Täter ist flüchtig.

Faschisten überschreiten Grenze- und fliehen vor franzöfifcher Grenzpatrouille.

Paris  , 29. Juli.  ( Eigenbericht.)

An der italienisch- französischen Grenze fam es am Montag wieder zu einem Zwischenfall. Eine Bande bewaffneter faschistischer Miliz hatte sich bei einem Erkundungsmarsch ziemlich weit auf französisches Gebiet hinübergewagt. Als sie einer französischen  Militärpatrouille begegneten, nahmen die Faschisten schleunigst Reiß aus. Ihre Flucht erfolgte so überstürzt, daß einer der Faschisten hinfiel und sich das linke Bein brach. Bei dem Verletzten, der nach dem Militärlazarett von Briancon   geschafft wurde, fand man einen geladenen Militärrevolver sowie eine Patronentasche mit 60 Pa

tronen.

In der Nacht zum Montag ist in der Nähe von Claretta ein faschistischer Milizunteroffizier durch zwei Dolchstiche ermordet mor den. Die Tat gilt als politisches Verbrechen. Der Leichnam wurde nach Mailand   gebracht und im Vereinshaus des Faschismus auf gebahrt. Die Beiseßung soll unter Beteiligung eines großen Auf gebots der Mailänder   Faschisten erfolgen.

Als der Täter ist ein 21jähriger Arbeiter namens Ghelfi ver= haftet worden. Er gibt an, im stärksten Affekt gehandelt zu haben. Er habe sich bei der Arbeit befunden, als er Hilferufe gehört habe. Darauf sei er mit dem Messer in der Hand aus dem Hause gestürzt. Vor dem Hause habe er gesehen, daß sein Bruder mit Faschisten in eine Schlägerei verwickelt gewesen sei. In der benachbarten Wirt schaft habe er darauf Lärm geschlagen und sich in die streitende Menge gestürzt. Dabei habe er wild um sich gestochen und nicht einmal gewußt, men er getroffen habe.

Das Hilfswerk für die Koblenzer Opfer 80 000 Mart Spenden.- Fonds für die Berufs ausbildung der Kinder.

Koblenz  , 29. Juli.  ( Eigenbericht.) 3n Koblenz   find für die Hinterbliebenen der Brücken­tatastrophe bisher 80 000 m. an Spenden eingegangen, die nach der Absicht der Stadtverwaltung zu einer einheitlichen Stiftung zufammengefaßt werden bollen. Es ist geplant, aus dieser Stiftung einmalige und dauernde Zuwendungen für die Berufsaus­bildung der Kinder der Opfer zu gewähren. Die dauernden zu­wendungen dürften mindestens so hoch sein wie die Renten der Kriegerhinterbliebenen. Auch die Instandhaltung der Gräber der Opfer soll aus der Stiftung bestritten werden.

Die letzten Opfer der Katastrophe find inzwischen in Koblenz  bzw. seiner Umgebung beigesetzt worden..

Studenten als Arbeitskommandeure. Deutscher Studententag gegen Verfassungsfeiern und für Wehrsport.

Breslau  , 29. Juli.

Der hier tagende ,, Deutsche Studententag" empfahl den Studie­renden der nicht staatlich anerkannten Studentenschaften, sich an den Verfassungsfeiern nicht zu beteiligen. Diese Empfehlung solle, wie auf dem Studententag erklärt wurde, sich nicht gegen die Verfassung von Weimar  " richten, aber die Deutsche Studentenschaft   müsse es so lange ablehnen, an derartigen, von ministerieller Seite angeord­neten Verfassungsfeiern teilzunehmen, als sie politischerseits als Ge­samtvertretung der Studierenden nicht anerkannt sei, ja jogar be­tämpft werde.

Des weiteren befaßte sich der Deutsche Studententag mit der fordert dies für sämtliche gefunden Männer im Alter von Frage der Einführung eines Arbeitsdienstjahres und 19 Jahren. Die Arbeitsdienstpflichtigen sollten neben einhalb. tägiger Arbeit wehrsportlich geübt und in politischen und kulturellen Fragen unterrichtet werden.

Durch die Einführung dieses Systems verspricht sich die Deutsche Studentenschaft   eine erhebliche Stärtung der deutschen   Wehr­fraft, sowie eine Auffrischung der Volksgesundheit in förperlicher und fittlicher Richtung. Die Deutsche Studentenschaft  erblickt in der Einführung des Arbeitsdienstjahres eine der vor­nehmsten Aufgaben einer deutschen   Regierung und erklärt, daß sie zur aktiven Mitarbeit an der Durchführung dieses Pro­gramms bereit ist.

Schließlich wurde noch eine Entschließung über die Zusammen­arbeit mit der Jugend anderer Völker angenommen.

Das Führerprinzip".

Es quirlt alles durcheinander.

Das vornehmste sogenannte Prinzip der arischen Parteien von Hitler- Goebbels bis zu Hugenberg   ist das Führerprinzip". In dem jeweiligen Führer" ist alle Weisheit politischen Geschehens ver. förpert. Und wenn die Geführten das nicht mehr anerkennen wollen, find sie entweder Trottel oder Verräter geworden.

Besonders spaßig wirkt sich das Führertum gegenwärtig bei Da sind von den offiziell Gewählten den Deutschnationalen aus. bereits mehr als die Hälfte ausgerissen, nachdem sie sahen, daß der Führer" Hugenberg   die ganze Partei ins Verderben ,, führte". Die meisten der Unzufriedenen im Lande verlassen still die Partei, wo der geistloseste Terror politische Wirksamkeit vortäuschen muß. Hier und da meldet sich auch eine politische Organisation, die geschlossen die Abkehr von der Führung kundgibt. So hatte zum Beispiel der Vorstand des Dresdener   Ortsvereins seinen Austritt aus der Deutsch­ nationalen   Partei öffentlich mitteilen laffen. Darauf erfolgt nun eine geharnischte Erklärung durch Hugenbergs ,, Telegraphen- Union": 1. Die Entfaließung ist nicht vom Gesamtvorstand gefaßt, sondern gibt nur die Meinung eines Teils des engeren Borstandes wieder.

2. Diese Gruppe hatte bereits in einer Rundgebung in den Morgenblättern vom 22. Juli ihre Trennung von der Bo­litik der Parteileitung dadurch vollzogen, daß sie u. a. erflärte, die deutschmationale Ortsgruppe Dresden   steht nicht unter dem Banner oder der Parole dieses oder jenes Führers. Damit ist der Führergedante, der ein Grund­fatz der Deutschnationalen Bolkspartei ist, eindeutig verleugnet. Der