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Der erste Eindruck, den der neu« Kn«cht auf Martha machte, «ar nicht gerade günstig. Wie er so vom Ackerwagen herunter- klettert«, die Gelenke steif vom horten Schütteln und unschlüssig, was er nun beginnen sollte, bot er nicht das Bild von einem Menschen, der mit bäuerlichen Dingen Bescheio wußte. Martha, die an der Hofpumpe mit hochgeschürztem Rock und nackte» Armen wusch, rieb vor Aerger das L«inenstück unter den Händen so stark, daß der Berg Seifenschaum über den Wannenrand schwuppte. Der Bauer spannte den Pferden die Stränge aus und zog ihnen das Geschirr vom Rücken. Martha streifte sich schnell den Schaum von den Armen und lief in den Stall, um die Tiere anzukoppeln. „Ist das der Reue?" raunte sie mit böse funkelnden Augen ihrem Bauern zu. Der zuckte die Achseln, er wollte nicht ant- warten. Als sie sich umwandte, stand der Neue in der Tür, die Hand brhoden am Pfosten, als wollte er sich stützen. Sie sah gegen das Licht die Armut seiner mageren Gestalt, die unter dem dünnen An- zug wohl nicht viel mehr darunter trug, sie sah ober auch, daß ihm eine große rote Narbe über den rechten Handrücken lief und an der Hand die beiden letzten Finger sehlten. Einen Augenblick nur spannte sie ihren Blick in das müde Gesicht des Fremden, das fo ganz ohne Anteil an den neuen Dingen, die ihn erwarteten, vor sich hin blickt«. Martha suchte sich des leisen Gefühls von Mitleid, das sie beschlich, dadurch zu erwehren, daß sie mit halbem Lachen an dem neuen Knecht vorbei lief. Martha stand seit Iahren im Dienst bei dem Bauern. Das starke Mädchen war wie ein Mann, zeitweilig mußte sie auch Knechtsdienste verrichten. Nur um nicht zum Gespött des Dorfes zu werden, hatte der Bauer jetzt vor der Ernte stch nach einem neuen Knecht umgesehen, denn wo war es Sitte, daß eine Magd mit dem zweiten Gespann den Acker herrichtete? Das Mädchen hatte gehofft, einen rüstigen Burschen als Helfer zu«rhchten und nicht einen halben Menschen, mit dem ihr Herr nun ankam. Es brauchte ja kein Engel zu sein, wenn er nur soviel an Kräften be- sitzen würde, daß sie sich mit ihm niessen konnte! Ja, so ein wenig raufen im Heu m einem unbewachten Moment, ein wenig Juchzen und Rotwcrden bis unter den Brustlatz, wie es Knecht« und Mägde überall treiben, das ivar gesund und besänftigte das Blut vor dem Zubettgehen. Was sollte sie mit solch Flederwisch von Menschen anfangen, wo sie doch keinen Umgang im Dorf hatte? Der Stolz der Kossäthentöchter verbot es, mit einer Dienstmagd zu gehen, ob- wohl auch die Kuhdrcck an den Waden hatten, den sie nicht ob- wuschen. Noch mehr verachtete sie die jungen Burschen, die einem Mädchen nur nachstellten, um es unehrlich zu machen und dann sitzen zu lassen. Schon überlegte das Mädchen, ob es nicht besser täte, den Dienst auf dem Hof, wo es jo einsam war, aufzukündigen. Sie konnte ja überall ihr Glück versuchen. Der junge Bauer war wort- karg und ganz in seine Wirkschaft versponnen. Die junge Bäuerin setzte keinen Schritt aus dem Haus«, sie kam nicht aus der Kinder- stube heraus, als müßte auch hier das Prinzip der Fruchtbarkeit auf sie höchste Leistung gestellt werden. Aber wo sollt« der Bauer letzt vor der Ernte tüchtig« Leute hernehmen? Da mußte er sich schon mit einem Halben begnügen. Heftig drang Martha auf den Pumpenschwengel ein, um nun ihre Wäsche zu spülen. Im nächsten Augenblick stand der Neu« neben ihr und rührte den Schwengel und Martha konnte nicht anders, als ihm befriedigt zuzulachen. Sie sah ihn dann erst wieder, als sie bei Tisch das Essen auf- trug, Linsen mit Rauchfleisch. Der Fremde erschien ihr schon als«in ganz anderer als vorher im Hofe. Der Bauer ljatte ihm einiges von seinen alten Kleidern gegeben, den mageren Hals umschloß«in reines Hemd. Als Martha feine Zaghaftigkeit bemerkte, mit der er sich Fleisch ouftat, kam sie ihm zur Hilfe und legt« ihm zwei große Floischstückc vor. Die Bäuerin, die beim Essen dem Kleinsten die Brust reichte, wollte die Magd rügen, aber ihr Mann cnnuntert« Martha mit einem zustimmenden Blick. „Laß nur, der Mann muß sich erst richtig ausfuttern, wenn er arbeiten soll!" In Martha stieg es warm auf vor Freuüe. Fortan nahm sie sich das Recht heraus, dem Knecht an Essen zuzustecken, wo sie nur konnte. Es schlug an bei ihm, er nahm an Kräften von Tag zu Tag zu. Dabei war er anstellig und willig. Wenn er die ersten Schwierigkeiten einer neuen Arbeit überwunden hatte, ging sie ihm sa glatt von der Hand wie jedem anderen. Der Bauer bemerkte es mit großem Gefallen: „Siehst du, Maria, mit den Menschen ist es wie mit dem Vieh. Aus einem mageren Gaul kann«in ganz gutes Pferd werden. Man muß nur verstehen,«s in die neue Gangart zu bringen." „Jo, der Franz macht sich", lobte Martha, ohne verhindern zu können, daß sie dabei purpurrot wurde. Die beiden waren sick) darüber einig, daß ein Städter nicht übler sei als ein Dorfmensch. Dagegen verlor die Bäuerin ihr Mißtrauen nicht gegen den neuen Knecht. Die Schulzenfrau hatte ihr Andeutungen gemacht, die sie ängstigten. Martha und Franz waren in eine Tätigkeit eingespannt, die guten Willen zueinander und Fleiß erforderte. Die Feldarbeit trieb übrigens von allein und daheim mußte dann»ach Heimkehr das Vieh besorgt werden. Es konnte vorkommen, daß beide dann noch, die Hände ini Schoß, im warmen Dunst des Stalles auf einem Bündel Stroh sahen, während langsam der Bauernhof in Dunkelheit versank., Etwas war, über das sich Martha Gedanken machte. Sie konnte dann vor leiser Eifersucht hitzig werden, wenn sie abends auf Franz wartet«. In seiner Art lag es, daß er sich ihr nicht ganz erschloß, soviel er auch sonst ihr von seiner armseligen Jugend als Groß- stadtkind erzählte. Seine mißgestaltete Hand, die von einer Maschine zerquetscht worden war, lag dann in der ihren und sie streichelte leise die harte Narbe, die glühte. Er hätte Martha nehmen und küssen sollen, sie wartet« darauf. Zlbcr der Knecht vermied sogar, aus den Bcrfänglichkeiten Nutzen zu ziehen, die Martha manchmal mit List herbeirief. Nachts ließ die Dollblütige ihre Kammertür unoerriegelt. Verliebt und mit verbissenem Grimm argwöhnte sie eine Nebenbuhlerin in der Sladt. In der Ernte geschah es, daß sie einmal vom hohen Fuder glitt und von seinen Armen aufgefangen wurde. Die Röcke waren ihr hochgestreist und er hielt ihren bloßen Körper fest umschlungen. Ihre Brust lag auf seinem Gesicht, sie spürte sein Keuchen und Atmen. Aber seine Arme rissen sie nicht in Wollust an sich, nicht einmal sein Mund schloß sich zu einem Kuß. Der Bauer sah da viel schärfer. Nachts, als Martha hörte, wie da einer auf Strümpfen in ihre Kammer Jchlich, stellte sie sich schlafend. Eine Hand suhr ihr schmeichelnd über da, Haar und mit glücklichem Lächeln duldete sie es, daß die Hand weiter unter der Bettdecke suchte. Plötzlich schrie sie kmLous ttad htelbdie Haut»{est..
Es war nicht die des Knechtes, es war eine volle Hand mit ollen fünf Fingern. „Was schreist denn, Mädel? Hast wohl den Neuen, den Zuchk- Häusler, lieber?" beschwichtigte der Bauer. „Ich schreie um Hilfe und rufe die Bäuerin, wenn Sie nicht gleich gehen, Sie alter Tepp!" rief Martha im höchsten Zorn und hielt seine Hand wie im Schraubstock fest. Das giftige Wort des Bauern vom„Zuchthäusler" traf sie ins innerste Herz. Die furcht- bare Not, in die sie sich schuldlos oerstrickt fühlte, verdoppelte ihre Kräfte, sich des Zudringlichen zu erwehren. Der Bauer schlich davon mit der Gewißheit, eine Dummheit begangen zu haben. Martha erzählte dem Knecht nichts von dem nächtlichen Begeb- nis. Dafür setzte sie aber, nicht blöd, so lange dem Bauern zu, bis der ihr sagte, was er von Franz wußte. Es war eigentlich nicht viel und doch genug, um Martha vollends kopflos zu machen: durch Vermittlung des Kaufmanns in der Stadt, der einem wunderlichen Berein für Gefangenenfürsorge angehörte, war der Knecht zu ihm gekommen. Es war kein schlechter Handel, den er da eingegangen wgr, eine billige und willige Arbeitskraft in der Zeil der Leutenot zu erhalten. Soviel hatte er noch erfahren, daß der Fremde wegen Totschlags an einem Weibsbild einundeinhalb Jahr Zuchthaus be- kommen hatte; eine glimpsliche Strafe, wie der Bauer meinte, bei der dem Mörder vieles zu gut geschrieben worden sei. Denn sonst hätte sie weit größer ausfallen müssen. Aber so etwas kam auf den Dörfern ja auch vor, ohne daß man langes Aufheben davon machte. Martha hing zwischen Bangen und Zweifeln, sie brachte nicht den Mut auf, Franz nach dem letzten zu fragen, was seine Brust verschloß. Sie waren beim letzten Stück der Ernte, ein Weizenschlog, bei dem Martha hinter der Sense aufnehmen sollt«. Der Bauer hieb
am Rande an, dann reichte er dem Knecht die Sense. Ein Weilchen stand er noch und sah befriedigt zu, wie unter wuchtigen breiten Streichen die schweren Holme sich legten. Dann ging er, um am anderen Ende des Ackers die Garben auszubündeln. „Nimm nicht zu breit, du wirst zu früh müde!" mahnte die Magd. Die Hitze drückte und Furcht beschlich sie vor dem Mann. dessen Narbe aus der Hand, die den Holm umspannte, wie«in roter Strich durch die Halme suhr. Es kam das Erntefest und sie war mit dem Knecht noch nicht im Reinen. Sollte sie ohne den Schnitter zum Tanz gehen oder mit ihm, um Spott ober 5)ohn um den Fremden zu erdulden? Den Sticheleien der Dörfler nach wußten diese schon und wußten vielleicht noch mehr als sie, was es mit ihm für eine Bewandnis hatte. „Kaufst du mir ein Band?" fragte sie fast unvermittelt, als Franz«inen Augenblick still hielt und mit dem Wetzstein die Sense strich. „Ein Band?" „Ja, ein seidenes, daß jeder Schnitter seiner Schnitterin schenkt!" Als sie das Leuchten in seinen Augen sah, das wie zum Donk für ihre Bereitwilligkeit, wieder mit ihm gut zu sein, ihr entgegen- strahlte, schrie sie ihm böse zu: „Schau mich nicht so mordlustig an, dul Hau doch zu, wie du die andere erschlagen hast!" Tatsächlich stieg es rot und zornig im Gesicht des Knechtes auf. Den Senscnschwung im Arm, stand er über Martha gebeugt, die sich schluchzend über eine Garbe geworfen hatte. Aber eine Sekunde nur, dann fiel sie ihm aus der Hand zwischen die Aehren. Verloren, über die Magd hinweg, klagte der Knecht: „Die ich erschlug, warst nicht du, Martha. Ihren elenden Tod hätte sie von einem anderen ebenso verdient wie. von mir, den sie betrog. Ich habe genug an einer Schuld, lebe wohl!" Er stand noch einen Augenblick und sah noch einmal m die Runde der Felder, die ihm so oertraut und heimatlich geworden waren. Dann schritt er querfeldein über die kahlen Stoppeln.,.
Fabrikarbeiter als Opernfimger 3>er Fiwiger der tftuffen nach guter Vlufik
Das russische Bolk ist in seiner Masse außerordentlich musika- lisch; das zeigt schon die Tatsache, daß unzählige Emigranten in der Fremde sich zu Kapellen und Chöre» zusammenschlössen, ohne jemals vorher Musik studiert zu haben. Di« Sehnsucht nach Musik ist im heutigen Rußland vielleicht noch stärker als früher. In entlegenen Dörfern und Städten, wo bisher nur die Balalaika er- klang, werden Orchester gebildet. Kürzlich erschien in Moskau eine Delegation von Arbeitern, die mit großen Opfern Geld für den Ankauf van Instrumenten zusammengebracht hotten. Die Leute, denen es wahrhaftig nicht gut ging, hatten es fertiggebracht, die enorme Summ« von 3000 Rübel zu ersparen. Die für russische Verhältnisse sehr teure Ziehharmonika oerdrängt langsam die historische Balalaika: die Nachfrage nach Musikinstrumenten in Rußland ist zur Zeit so groß, daß sie nur zu 10 bis 15 Proz. be- friedigt werden kann. Russische Musikzeitschriften erzählen, daß viele Dorfmusikanten Entfernungen bis zu 40 Kilometer zu Fuß zurücklegen, uin unentgeltlich an einem Konzert in einem Dorf, das noch keine eigene Kapelle Hot, teilzunehmen. Ost leidet die Musikkultur unter dem schlechten Zustand der vorhandenen In- strumente. So beschreibt der Korrespondent einer Moskauer Zeitung das einzige Klavier, das in einem Dorf an der Wolga vorhanden war:„Das Instrument, das den Musitliebhabern hier zur Verfügung steht, erinnert m«hr an ein Motorrad oder an eine Fuhre oder auch an einen Kochtopf als an ein Musikinstrument. Unser Klavier ist ein Monstrum, aufs dem zu spielen nicht einmal ein Liszt verstehen würde." Es sst verwunderlich, wie die Volksmassen ohne Leiter und manchmal ohne Instrumente von selbst den Weg zur Musikkultur finden. In manchen abgelegenen Ortschaften des Urals spielen Orchester ohne Roten — entweder nach Gehör oder nach dem sogenannten Zifsernsystem. Da neue Musikstücke diese lveltsernen Gegenden nicht erreichen, begnügt sich das musikalische Publikum mit Schlagern, die vor 30 Jahren in aller Munde waren. Ein Musik- Historiker kommt dabei auf seine Kosten. Der Schatz militärischer und Voltslieder aus der Vorkriegszeit hat sich neben importierten Salonschlagcrn in vollster Reinheit erhallen. Die Sowjetregicrung propagiert im Volke die„Idee der Proletarisierung der Musik" und veranstaltet Wettbewerbe für Massenlieder revolutionären Inhaltes. Man macht dabei die Erfahrung, daß unzählige Lieder von Dilettanten komponiert werden, die kauin der Notenschrift mächtig sind. Der gute Will« muh oft sowohl Musikkultur wie Talent er- setzen. Ein Komponist'schickte zu einem Wettbewerb nicht weniger als 60 Lieder aktuellen Inhaltes mit eigenem Text, dessen Blüten einer Witzzeitschrist unerschöpfliches Material geliefert hätten. So heißt es z. B. in einem Lied:„Unser ganzes Leben ist ein ununter- brochener Leninismus." Ein anderes Lied vertont folgenden Text: „Was schert uns Geige, was schert uns Trommel, wir wollen spielen auf dem Bauch: uns platzt der Bauch, das sst uns Wurst: denn dieses Instrument sieht dos Publikum nicht." Dieses Lied wurde übrigens durch Rundfunk verbreitet. Ein anderer Text lautet: „Bleib' ruhig sitzen, du registriertes Luder.(Gemeint ist ein Re- krut.) Das Fabrikwerk, unser Heer von Stahl wird dich schon befreien." Viele Liedertexte behandeln rein aktuelle Fragen, wie z. B. den Uebcrgong zur Kollektivwirtschaft, sowie die Einführung
von Traktoren in der Landwirtschaft. In Städten, die Moskau näher liegen, bürgert sich sogar der westeuropäische Schlager in der Form des Foxtrotts und des Tangos ein. Sehr verbreitet sst die sogenannte„musikalische Agittka", Propogaiedatexte zu einer leicht verdaulichen Musik. Der Staatsverlag überschwemmt das ganze Land mit{fieser oft minderwertigen musikalischen Literatur. Trotzdem ist das Interesse an klassischer und Opernmusik- in Arbeiter- kreisen ungewöhnlich groß. In vielen Fabriken haben sich Arbeiter zu Operngesellschofien zusammengeschlossen und führen mit eigenen Kräften, van nur wenigen Fachleuten unterstützt, zahlreich« Opern aus. So ist eine Opernbühne von Arbeitern im Gouvernement von Charkow geradezu berühmt. Diese Operngesellschost, bei der Chor, Orchester und Darsteller beinahe ausschließiich aus Arbeitern bestehen, hat auf ihrem Spielplan folgende Meisterwerke der Opern- literatur:„Faust ",„Romeo und Julia" von Gounod ,„Ladme" von Delibes (trotz der schwierigen Koloraturpartie!),„Cavalleria Rusticana " und„Bajazzo" sowie Nassijche russische Opern von Glinka , Mussorgsty und Rimsky-Korsakow . Diese Opern erfreuen sich einer unerhörten Popularität, Musikkritiker, die über diese einzigartigen Opernausführungen berichten, sind gleichfalls einfache Arbeiter. Es lohnt sich, die Analyse von Musikwerken aus der Feder dieser einfachen Leute zu lesen! Ncber die Ouvertüre zu Glinkas Meisterwerk„Rußlan und Ludmilla' schreibt ein Arbeiter: „Genau wie die Personen der Oper sich im Laufe der 5)andlung in ihrem Charakter verändern, gehen die Melodien in andere über. Dur wechselt mit Moll, die ruhige friedliche Bewegung wird von einem scharfen, dringenden Tenipo abgelöst. So bewegt sich die Musik der ganzen Oper, so ist die Ouvertüre, die als Einleitung das Gesamtwerk charakterisiert." Allerdings mischen sich in manche Besprechung auch politisch« Betrachtungen im Sinn« der„bolschc- wistsschen Ideologie". So schreibt ein Musikkritiker über die be- rühmte Ouvertüre von Honeggers„Pacific 231 ":„Beim Anhören dieses Musikstückes stellt sich der aufgeklärte Arbeiter«inen Streik der Transportleute in Europa vor. Er denkt noch an die Bedeutung des Transports bei der Industrialisierung der Sowjetunion während ein ehemaliger Aktionär der Nikolai-Eisenbahn schmerzlich an die heutige Herrschaft des Proletariats über die Eisenbahnen des alten Rußland erinnert wird." Wie dem auch sei, trotz mancher kuriosen Eilsstellung sst der Drang»ach Musik im russischen Volk fast unstillbar. Mustk bedeutet Entspannung von den Sorgen des Alltags. Ausländische Solisten und Dirigenten werden in Rußland bejubelt. Deutsche Dirigenten, wie Klemperer und Sliedry, erfreuen sich in den Hauptstädten Sowjetrußlands einer Popularität, die sie sich wohl nie hallen rräumen lassen. Gerode deutsche Musik ist ja in Rußland außer- ordentlich beliebt. Richard Strauß gilt in Rußland als der größte lebende deutsche Komponist. Auch Richard Wagner erfreut sich trotz manchen Angriffen der Zensur aiss seine„romantischen und idcalisti- schen Texte" in Rußland großer Beliebtheit. Der Führer der niodernen russischen Musik, der Komponist Feinbcrg, erklärte dem Berichterstatter einer führenden Moskauer Zeitung auf die Frage, wer sein Lieblingskomponsst sei:„Richard Wagners dramatische Musik ist bisher unübertroffen, und Wagner ist zweifellos der letzte große Musiker, den wir gehabt haben.
3)eulfcbcr Oiilerverkehr über Sibirien In Moskau und Berlin haben letzthin Verhandlungen zwischen der Deutschen Reichsbahn und den litauischen, lettischen, estnischen. russischen, ostchinesischen und japanischen Bahnen sowie japanischen und russischen Schiisahrtsunternchmungcn über die Möglichkeit statt- gesunden, den Eijenbahnweg über Sibirien , für den bereits ein direkter Personentoris eingeführt ist, auch für den Güterverkehr nutz- bar zu machen. Der recht bedeutend« Güterverkehr zwischen Deulsch- land und dem Fernen Osten benutzt bisher hauptsächlich den Schiff. sahrtsweg durch den Suezkanal. Da dieser Weg in seiner Eigen. schoft als reiner Seeweg immer erheblich billiger sein wird als der Eisenbahnweg über Sibirien , wird gewiß auch in Zukunft der größte Teil des Güterverkehrs diesem Weg« verbleiben. Der Eisenbahn - weg über Sibirien kann jedoch für den Uebersechandcl trotzdem van Wichtigkeit werden, wenn er eine erhebliche Abkürzung der Be- jörderungszeit bringt. Wie die„Reichsbahn " mitteilt, haben die Derhandlungen gezeigt, daß diese Mäglichkeit durchaus besteht. Di« Sowjetunwu hat sich dereit erklärt, die Besörderunaszeit auf ihr«,
Strecken, die den haupssächlichsten Teil des gesamten Beförderungsweges ausmachen, auf 22 bis 30 Tage herabzusetzen. Auf dieser Grundlage ist der Entwurf eines direkten Gütertarifs für 74 der wichtigsten Güter ausgearbeitet worden, der nach Bestätigung durch die beteiligten Verwaltungen in Krait treten wird. Der Tarif sieht zwei Wege vor, einmal den nördlichen Weg über Wladiwostok mit anschließender Schistsbesärderung nach den wichtigste» japanischen Häfen und Eisenbahnstationen, zweitens, den Weg über Mandschurei nach dem ostchinesischen Handelsplatz Eharbin, den wichtigsten südmanisschurischen und koreanischen und weiter über die Häfen Darren oder Fusan nach den wichtigsten japanischen Häfen und Eisenbahnstotionen. Außerdem ist auch eine Verbindung nach den chinesischen Häsen Schanghai , Tientsin und Tsingtau vorgesehen, doch werden diese Verbindungen erst aufgenommen werden können, wenn zwischen der Sowjetunion und China normale Beziehungen bestehe». Es sollen nur die Wege in die Regelung einbezogen werden, für die keine besonderen Durchfuhrgenehmigungen verlangt werden. Das sst der Wunsch der beteiligten Handelskreis«, und auder» kann die neu« Perbindung wohl auch nicht belebt werden.