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Unübersehbare Menschenmaffen

drängten fich am Freitag abend auf dem weiten Platz vor dem Berliner Schloffe am Lustgarten, wo die Berliner Sozialdemokratie mit einer Kundgebung zur Erinnerung an den Ausbruch des Weltkriegs den Wahlkampf einleitete

4.06

Wüste Agrardemagogie.

Ein preußischer Beamter fordert Hindenburg zum Verfassungsbruch auf.

Die Osthilfe war einft im Reichstag ein politisches Handels objekt, sie ist jetzt ein Objekt wüstester Wahldemagogie geworden. Der deutschnationale Landtagsabgeordnete und staatliche Forstmeister Gieseler hat an den Reichspräsidenten einen Brief geschrieben, in dem es heißt:

Zu derselben Zeit, wo Sie, Herr Reichspräsident, bemüht sind, die ostpreußische Landwirtschaft in ihrer schrecklichen Not vor dem völligen Untergange zu bewahren, da fahren täglich Lastautos mit zahlreichen bewaffneten Schupo beamten durch unsere Provinz, um die von Geldver leihern veranlaßten Zwangsversteigerungen von bäuerlichen Befizungen zur Durchführung zu bringen. Dieses schlägt Ihren Bestrebungen offen ins Gesicht. Die Verzweiflung der Bauern ist infolgedessen auf ihrem Höhepunkt angelangt. Ge­wohnt, vom frühen Morgen bis zur Nacht zu arbeiten, haben die Bauern geduldig die Lasten des Krieges und der Nachkriegs­zeit getragen. Jetzt sind sie am Ende. Ein grausames Geschick hat fie trotz allen Fleißes den Geldverleihern in die Arme getrieben, die jetzt die Schlinge zuziehen. Zahlreiche Bauern haben bereits mit dem weißen Stod den Hof ihrer Väter verlassen müssen, und tausenden( teht das Schicksal noch bevor. Größtes Elend ist ihr Los. Als verantwortungsbewußter Landtagsabgeordneter wende ich mich daher an Sie, Herr Reichspräsident, mit der Bitte, diesem Treiben sofort Einhalt zu gebieten, da im anderen Falle schmerste Erschütterungen politischer Natur unvermeid­lich erscheinen. Sie, Herr Reichspräsident, haben heute die Macht dazu in der Hand auf Grund des Artikels 48 der Ber fassung. Ich bitte Sie daher, Herr Reichspräsident, von dieser Macht Gebrauch zu machen und eine Notverordnung zu erlassen in der Richtung, daß die in Insterburg gefangen gesezten Bauern, welche alle ausgezeichnete Menschen, gute Deutsche und alte Fronttämpfer find, in Freiheit gefeßt werden und daß ein Moratorium von zunächst einem Jahr für Ostpreußen eingeführt wird, damit diesen entsetzlichen 3wangsversteigerungen dadurch ein Ende bereitet wird."

Der Forstmeister Gieseler, der als Bölkischer zu der deutsch nationalen Landtagsfrattion übergetreten ist, ist staatlicher Beamter. Es ist ein unhaltbarer Zustand, daß ein Beamter den Reichspräfi­denten zu einer verfassungswidrigen Handlung, nämlich zum Ein griff in die preußische Justizverwaltung auf Grund des Artikels 48 auffordert!

Herr Gieseler ist von dem Reichsernährungsminister Schiele einer Antwort gewürdigt worden. Die Antwort weist auf die Notverordnung über den Bollstreckungsschutz hin, sie wiederholt das Bedauern der Regierung, daß durch die Auflösung des Reichs­tags meitere Osthilfemaßnahmen verhindert worden seien.

Der Brief Gieselers ist zur Wahlagitation bestimmt aber die Antwort Schieles ebenso!

Wie steht es mun aber in Wirklichkeit um die von Gieseler be­

haupteten Dinge?

Es ist richtig, daß bei Zwangsversteigerungsterminen die Schußpolizei wiederholt zugezogen werden mußte. Es fam in einem Falle bei einem solchen Termin vor, daß ein Rechtsanwalt aufs schwerste bedroht wurde. Die ran­dalierenden Bauern zerrissen ihm im Amtslokal die Kleider und leerten ihm ein/ Tintenfaß über den Rod. In einem anderen Falle erfitt ein Polizeibeamter empfindliche Verlegungen.

diejenige des kredits der Provinz. In den Augen der­jenigen Gläubiger, die ihr Geld in gutem Glauben ausgeliehen haben, bedeutet diese Unterbindung des Rechtsganges eine schmere Gefährdung. Alle Bemühungen, für Ostpreußen Kredit zu bekom­men, bleiben erfolglos, wenn die Gläubiger riskieren, durch einen derartigen Akt der Erpressung um ihre berechtigten Forderungen

zu kommen.

Im übrigen dürfte es immerhin interessant sein, daß bei der Mehrzahl aller vorkommenden Zwangsversteigerungen die Ost­preußische Landschaft mitbeteiligt oder betrei bender Gläubiger ist. Da die Leitung dieses Instituts in der Hand des Herrn von Hippel liegt, so ist taum anzunehmen, daß es sich hier um einen Ausdruck der so oft zitierten marxistischen Bauernfeindlichkeit handelt! Herr von Hippel muß eben sein Geld auch wieder hereinbekommen, das er von anderen Leuten gepumpt hat. Im übrigen ist der Staat mit seinen Umschuldungshypotheken häufig der Leibtragende, und die Versteigerung bedeutet nichts anderes als einen Akkord, bei dem allerdings der an erster Stelle stehende Hypothekengläubiger feinen Pfennig verliert, alle anderen Gläubiger dagegen alles. Allein in den letzten zwei Wochen ist bei fünf Gütern und Bauernhöfen eine derartige Familien sanierung durchgeführt worden!

Wie sich Herr Gieseler die Auswirkungen denkt, wenn er an den Reichspräsidenten die Bitte richtet, dem Rechtsgang in der preu Bischen Justizverwaltung in den Arm zu fallen, ist nicht zu über­sehen. Das Ganze ist eine im höchsten Grade geistlose Wahldemagogie; denn die vier Verhafteten find nicht ohne stichhaltigen Grund bis heute vom Untersuchungsrichter festgehalten worden. Die 3wangsversteigerungen, die jetzt fällig werden, hätten zum Besten der ostpreußischen Landwirtschaft und des ostpreußischen Realtredits schon vor zwei und drei Jahren kommen müssen. Gie find aber aufgehalten worden durch die verschiedenen Aktionen, wie die Patenschaften der Kreissparkassen, die auf den Ankauf von Landschaftspfandbriefen zielten, und auch durch die Steuerstundungen und die Umschuldungsaktionen. Diejenigen Fälle sind an den Fin gern abzuzählen, in denen Landwirte unverschuldet zum Banterott famen. Nur wenige Fälle halten einer eingehenden Prüfung stand. Die meisten haben als Betriebsleiter so große Dummheiten aller Art gemacht, daß man sich staunend an den Kopf faßt. Das ist der sachliche Hintergrund dieser Wahldemagogie!

Im Flugzeug verbrannt. Militärflugzeug stürzt als brennende Fackel vom Himmel. Zwei Zote.

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Paris , 2. August. ( TU.) Gegen 6 Uhr abends überflog ein Militärflugzeug Mont. pellier in großer Höhe, als die Bewohner zu ihrem Schrecken plötzlich bemerkten, wie die Maschine als brennende Fadel vom Himmel herabstürzte. Das Flugzeug, ein Doppeldecker, stürzte wo Candarbeiter sofort zur Hilfeleistung herbeleilten. Es war ihnen jedoch unmöglich, sich der in hellen Flammen stehenden Maschine zu nähern. Als es endlich gelang, das Feuer zu löschen, fonnte man aus den Trümmern nur noch die Leichen der beiden Infaffen bergen.

Das Kabinett des Dr. Larifari.

Das Kabinett

( Capitol.)

Der Tonfilm führt den Untertitel ,, 1000 Worte uit". Das ist eine zu hochprozentige Notierung. Mar Hansen und Paul Mor= gan versuchen genieinsam mit Karl 3öfen ein miziges Manuskript zu verfassen, aber es gelingt ihnen nicht oder wenigstens nur hin und wieder.

Episode reiht sich an Episode, und das verknüpfende Band ist an vielen Stellen durchgescheuert. Drei Leute gründen eine Tonfilm­gesellschaft und innerhalb dieses Rahmens erleben sie allerlei. Also Film im Film mit parodistscher Tendenz. Aber die Parodie ist lahm, weil sie zu starf abgenutzt worden ist im Laufe der langen Filmentwicklung. Es gibt so gut wie feine neuen Momente. Ehr würdige Wige werden auf Hochglanz gebügelt und wirken nur noch durch die Begabung ihrer Interpreten.

Hansen und Morgan waren selten so faszinierend wie in diesem ,, Kabinett des Dr. Larifari". Der Film lebt überhaupt nur von ihren Improvisationen, die aus dem rein Schauspielerischen kommen. Aber die spielerischen Improvisationen mit Gesangseinlagen machen noch feinen Film. Das Problem des Filmmamustripts wächst sich durch den Tonfilm zu einer Katastrophe aus., Es ist absolut not­wendig, daß endlich einmal ein gutes Tonfilmmanusfript geschaffen wird, damit das Interesse für die Filmkunst nicht unter den Gefrier­punkt finft. F. Sch.

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Ein Tango für dich."

Univerfum.

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Eine Tonfilmoperette das bedeutet eine belangloje, mit alten Witzen gewürzte Handlung, die als Vorwand um Musit, Besang, Gespräche, Geräusche herumgelegt ist nach dem schlechten Beispiel des amerikanischen Revuefilms. Es lohnt sich nicht, diese Handlung" zu erzählen, die zwischen einem Mädchenpensionat und einem Amüfierlokal hin und her pendelt und sich nicht scheut, von dem ältesten Possentrid der Personenverwechslung Gebrauch zu machen. Der altgewohnte bürgerliche Amüsierbetrieb wird wieder einmal verherrlicht, dazwischen sind gefühlvolle" Szenen eingelegt, die an das ,, blonde Kind vom Rhein " erinnern. Keusche Mädchen­liebe mitten im Ser- Appeal.

In der Gesinnung sind die Hollywooder Tonfilme faum er­freulicher- aber sie sind sehr viel besser gemacht. Sie zäumen nicht das Pferd am Schwanze auf, indem sie das Bild um des Tones willen vernachlässigen. Man ist nicht nur in der Idee reattio. när, sondern auch in der Form: man bildet sich allen Ernstes ein, die überlebte Operette und Revue feien durch den Tonfilm zu neuem Leben zu ermeden.

Ms Darsteller werden bemüht Paul Otto , der nur gut aus zusehen hat, und Willi Forst , der vergeblich Mar Hansen zu fopieren versucht. Fee Malten ist blond und unschuldig und Anne Goerling did und widerwärtig. Sie können nicht anders. Die Tonwiedergabe ist besser als die oft sehr verschwommene Photo­graphie. Die Bilder leiden zudem an Wiederholungen und find schlecht geschnitten. H. H.

Nordafien- Ausstellung.

Die Ausstellung Kunst und Kultur von Nordafien im Böltertundemuseum in Berlin versucht zum ersten Male, Nordafien nicht als Einheit darzustellen, wie üblich, sondern scharf die vorhandenen Kulturindividualitäten von einander zu trennen, auf Grund der verschiedenartigen Kunstauffassungen, die man in Mordasien unterscheiden kann. Als Ergebnis von Studien über die Erscheinungsformen der Kunst, hauptsächlich die Ornamentit, tom Dr. Hans Findeisen zur Aufstellung von acht nordasiatischen Kunst­freisen, die im Westen bis nach Europa herüberreichen( Lappen) und im Osten auch die nordamerikanischen Estimos einschließen ( nordostsibirisch- eskimoischer Kunstkreis). Die Ausstellung zeigt charakteristische Proben aus allen Kunstkreisen, so dem westsibirischen Kreis und seinen beiden Untergruppen, dem mitteifibirischen ( Jenissejer und Ostjatsamojeden), dem tungusisch- dolganischen usw. Das Kunstempfinden der nordasiatischen Völkerstämme zeigt sich be. sonders deutlich in der Ornamentierung von Kleidern, Taschen und Hausgeräten, und die aus den sibirischen Beständen der Asiatischen Sammlung ausgewählten Sammlungen zeigen den hohen künst lerischen Geschmack und das technische können jener meist in Eis und Schnee lebenden Völlerstämme, ihre Farben- und Formenfreude, die sich hauptsächlich an Knochen, Holz, Fell und Beder ausleben. Die geschmackvollen Metallarbeiten der Jakuten, Burjaten und Mon­golen, ziseliert oder in Filigrantechnit, runden das Bild der nord. asiatischen Kunstbetätigung ab. Karten und Bilder erläutern das Museumsmaterial.

Schauspieler- Elend in Frankreich .

feine Arbeitslosen gibt. Wie indessen jetzt der Jahresbericht es Allgemein ist die Meinung vorherrschend, daß es in Frankreich Syndikats der Schauspieler mitteilt, machen nur die Schauspieler und Musiker davon eine Ausnahme. Von annähernd 9000 ein­geschriebenen Schauspielern sind in der vergangenen Saison über Musiker aus, die natürlich unter der Tonfilmkonkurrenz leiden 6000 ohne Arbeit gewesen. Recht schlimm sieht es auch für die Die Umfrage eines Pariser Blattes hat die aufsehenerregende Fest­ftellung gemacht, daß von 20 in den legten beiden Jahren mit einem Preis ausgezeichneten Musikern 16 ohne Anstellung geblieben sind.

Der Golfstrom zieht nach Westen. Sir Arthur Rostron , der Kapitän der Berengaria, der seit vierzig Jahren die Bewegungen des Golfstroms beobachtet, hat auf seiner foeben beendeten Aus­fahrt von Southampton nach New York eine neue entschiedene Ab­meichung nach Westen festgestellt. Er ist diesmal nahe dem Nantucket­Untiefen- Leuchtschiff, innerhalb der 200- Meilen- 3one von New York , auf den Golfstrom gestoßen, der westlichsten Stelle, an der er ihn jemals beobachtet hat. Sollte diese Wanderung nach Besten fort­dauern, so prophezeit Rostron New York in Zukunft ein halb­tropisches Klima, wie es heute die Bermuda - Inseln aufweisen, und Long Island wird sich im schönsten Palmens.hmud präsentieren. Er glaubt auch, das Nebelwetter, das in den letzten Jahren die Sst­füfte Ameritas beherrscht, dieser Annäherung des Golfstroms zu­schreiben zu müssen. Wir befanden uns wenige Meilen nördlich wir im Golfstrom fuhren. Die Temperatur des Wassers betrug des Nantucket- Leuchtschiffes," so erzählt er, als ich entdeckte, daß

In der Hintertreibung der 3wangsversteige, auf das Grundstüd einer außerhalb der Stadt gelegenen Befihung, 24 Grad Celfus und die Atmosphäre war sehr warm und feucht."

rungen liegt System. Trog dringender Erntearbeiten rotten sich die Bauern der Umgegend, häufig unter Führung von Großgrund­befizern, zusammen, um in einer Stärke von 80 bis 300 Mann dem Zwangsversteigerungstermin beizumohnen. Wiederholt find Beeinflussungen von Bietelustigen vorgekommen, und es wurde auch erreicht, fie vom Bieten abzuhalten. Dieses Vorgehen ist strafbar, und es muß zur Bestrafung geschritten werden, wenn man nicht die staatliche Ordnung durch Rebellen außer Kraft fegen lassen will.

Die Sache hat aber auch noch eine andere Seite, und das

Wetter für Berlin . Nach rascher Erwärmung wieder Be möltungszunahme und Gewitterneigung, fübliche, später füdwest liche Winde. Für Deutschland . Im Westen wolkig, vielfach Ge­witterregen, warm, auch im übrigen von Best nach Ost fort. schreitende Gewittertätigteit.

für das Spieljahr 1930/31 enthält. Die Mitglieder erhalten im kommenden Die Boltsbühne hat ein feines Heft herausgebracht, das ihr Programm Spieljahr Borstellungen des Theaters am Bülowplak, der Oper am Blas der Republit, des Theaters am Schiffbauerdamm und des Staatlichen Schillertheaters. Außerdem wird die Bollsbühne wieder zahlreiche Konzerte, Tanzvorführungen und Vortragsabende veranstalten. Die Beitritts: bedingungen und die Borstellungsbeiträge bleiben wie bisher. Das Bro grammheft ift in allen Zahlstellen erhältlich und wird auch unentgeltlich burch die Hauptgeschäftsstelle, Berlin C25, Linienftr. 227( Fernanruf Di Norben 2944) zugestellt.

Die Freie Kunstschau" im Haus der Surhfreien am Blak der Republf 4 it um 14 Tage verlängert worden.